DOI: 10.64457/icl.de

Zusammenfassung

Das Völkerrecht ist die Gesamtheit rechtlich verbindlicher Normen, die die Beziehungen zwischen den Subjekten der internationalen Rechtsordnung regeln und insgesamt eine eigenständige, zugleich jedoch mit den nationalen Rechtsordnungen interagierende Rechtsordnung bilden. In der zeitgenössischen Rechtsdoktrin sowie in Artikel 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs der Vereinten Nationen werden völkerrechtliche Verträge, das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze traditionell als Quellen des Völkerrechts anerkannt, wobei diese Bestimmung als Kodifikation der wesentlichen Beweismittel für die Existenz völkerrechtlicher Normen und nicht als abschließende Aufzählung der Rechtsquellen verstanden wird, während Gerichtsentscheidungen und die Lehre als Hilfsmittel zur Feststellung des Inhalts der geltenden Normen dienen.

Die völkerrechtlichen Verträge umfassen sowohl bilaterale als auch multilaterale Übereinkünfte mit unterschiedlichem Grad an Institutionalisierung – von universellen Konventionen bis hin zu spezialisierten Vertragsregimen. Zu dieser Kategorie können auch Musterverträge, Richtlinien, Satzungen internationaler Organisationen und typische Rechtskonstruktionen gezählt werden, die mit dem Ziel der Harmonisierung der Regelung entwickelt wurden, sofern sie anschließend in Form rechtlich verbindlicher Vereinbarungen verankert oder in nationale Rechtsordnungen transformiert werden. Das Völkergewohnheitsrecht bildet sich auf der Grundlage einer gefestigten und konsistenten Staatenpraxis sowie der Überzeugung von der Rechtspflichtigkeit des entsprechenden Verhaltens (opinio juris sive necessitatis). Die von zivilisierten Nationen anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze fungieren als zusätzliche Quelle der völkerrechtlichen Regelung, insbesondere in Konstellationen, in denen andere Formen der Normsetzung fehlen, und werden in der deutschen Doktrin als Grundsätze verstanden, die sowohl aus übereinstimmenden nationalen Rechtsordnungen als auch aus der eigenen Struktur der internationalen Rechtsordnung hervorgehen.

Historisch gehen die Wurzeln des Völkerrechts auf Gewohnheiten zurück, die sich in den Beziehungen zwischen frühen politischen Einheiten und Staaten herausgebildet haben, in denen soziale Beziehungen durch ungeschriebene, aus der Praxis entstandene und durch gesellschaftliche Autorität gestützte Regeln geordnet wurden. Diese Entwicklung nahm mit der Zeit die Gestalt eines stabilen Systems zwischenstaatlicher Normen und Institutionen an, die rechtlich verbindliche Wirkung entfalten und als Grundlage der modernen internationalen Rechtsordnung anerkannt wurden.

In Ermangelung eines zentralen Organs der internationalen Regulierung greifen Staaten auf eigenständige Mechanismen zur Konfliktprävention und Sicherung von Stabilität zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg gründeten die führenden Mächte den Völkerbund, um durch kollektive Verpflichtungen zur Nichtanwendung von Gewalt zu verhindern, dass lokale Konflikte in globale Kriege eskalieren. Im Jahr 1945 wurde die Charta der Vereinten Nationen angenommen, die den Grundsatz der Wahrung des internationalen Friedens und der Sicherheit verankerte und den Mitgliedstaaten die Pflicht auferlegte, jede Androhung oder Anwendung von Gewalt zu unterlassen (Art. 2 Abs. 4 UN-Charta), wobei dieses Dokument in der deutschen und europäischen Doktrin häufig als konstituierender Vertrag verfassungsähnlichen Charakters für die internationale Gemeinschaft qualifiziert wird. Staaten mit begrenzten militärischen Ressourcen haben regionale Verteidigungsbündnisse geschaffen, um sich wechselseitig gegen den Druck mächtigerer Akteure zu schützen. So wurde durch den Nordatlantikvertrag von 1949 die NATO gegründet, in deren Rahmen sich die Mitgliedstaaten verpflichten, einander im Falle eines bewaffneten Angriffs Beistand zu leisten (Art. 5 des Vertrags), während der Warschauer Vertrag von 1955 eine vergleichbare Funktion innerhalb des sozialistischen Blocks erfüllte und die Entwicklung vertraglicher Mechanismen kollektiver Sicherheit und gegenseitiger Verteidigung im Rahmen der durch die UN-Charta vorgegebenen Ordnung veranschaulicht.

Im wirtschaftlichen Bereich schließen Staaten bilaterale und multilaterale Abkommen ab, die darauf abzielen, Verhandlungspositionen im Handel auszugleichen, gemeinsame Interessen gegenüber wirtschaftlich stärkeren Staaten zu wahren und stabile Regime des internationalen Wirtschaftsrechts zu etablieren. Zu diesen Instrumenten zählen Freihandelszonen, Zollunionen und Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Standards (etwa die Zollunion der Eurasischen Wirtschaftsunion oder Freihandelsabkommen im Rahmen der CPTPP), die es den Beteiligten ermöglichen, Hemmnisse abzubauen, gemeinsame Verhandlungen auf Augenhöhe zu führen und Integrationsprozesse nach dem Vorbild der Rechtsordnung der Europäischen Union und des WTO-Regimes zu institutionalisieren. Mit Stand 2025 haben sich in der Welt stabile Machtzentren herausgebildet, zu denen die Vereinigten Staaten von Amerika, die Volksrepublik China, die Russische Föderation, die Europäische Union und die Republik Indien zählen, was die pluralistische Struktur der modernen internationalen Gemeinschaft und die Vielzahl miteinander interagierender Rechtsordnungen widerspiegelt. In der völkerrechtlichen Wissenschaft wurde früher weithin eine Einteilung der Rechtssysteme in „Rechtskreise“ verwendet: das anglo-amerikanische (präzedenzbasierte) Recht, das kontinentale (kodifizierte) Recht, das islamische Recht, traditionelle Rechtsordnungen und andere. Unter den heutigen Bedingungen verliert diese Einteilung jedoch zunehmend ihre Bedeutung als einziges Instrument der rechtsvergleichenden Analyse. In kontinentaleuropäischen Systemen wie dem russischen Recht ist eine wachsende Bedeutung der Rechtsprechung, insbesondere in wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten, zu beobachten, während in präzedenzorientierten Systemen wie dem US-amerikanischen Recht umgekehrt eine intensive Arbeit an der Vereinheitlichung und Kodifizierung der Rechtsprechung geleistet wird, in deren Rahmen Kompilationen und typische Sammlungen von Rechtspositionen entstehen, was die Annäherung der Ansätze verschiedener Rechtsfamilien und die Stärkung der Rolle über- und zwischenstaatlicher Standards befördert.

Moderne Informationstechnologien, insbesondere Systeme der Künstlichen Intelligenz, beeinflussen die Rechtsanwendung in erheblichem Maße. Intelligente Plattformen zur Analyse von Rechtsprechung ermöglichen es, innerhalb von Sekundenbruchteilen relevante Rechtspositionen zu identifizieren und algorithmische Unterstützung bei der Entwicklung rechtlicher Argumentationen zu nutzen. Dies führt zu einer schrittweisen Annäherung der Rechtssysteme, insbesondere in Bezug auf die Begründung rechtlicher Positionen, die Ausgestaltung der Doktrin und die Interpretation des Gerechtigkeitsprinzips als eines von der nationalen Herkunft der Norm unabhängigen Maßstabs, und wirft zugleich neue Fragen nach Transparenz, Reproduzierbarkeit und Legitimität solcher digitaler Instrumente im internationalen und nationalen Recht auf.

Die gegenwärtige völkerrechtliche Praxis zeigt immer häufiger eine wechselseitige Durchdringung öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Elemente. Staaten verhängen Sanktionsregime gegen natürliche Personen, während Privatpersonen ihrerseits internationale und übernationale Instanzen mit Klagen gegen Staaten anrufen, unter anderem in umweltrechtlichen und investitionsrechtlichen Streitigkeiten. Unter diesen Bedingungen wird die traditionelle Trennlinie zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht zunehmend unscharf, und es entsteht Bedarf an einer neuen Art juristischen Denkens, das auf praktische Spezialisierung ausgerichtet ist und die Entwicklung des transnationalen Rechts berücksichtigt, das über die klassische Gegenüberstellung von innerstaatlichem und internationalem Recht hinausgeht.

In der Rechtswissenschaft ist eine Tendenz zur Herausbildung von Disziplinen erkennbar, die sich auf bestimmte Regelungsbereiche konzentrieren: Weltraumrecht, Digitalrecht, Steuerrecht, internationales Wirtschaftsrecht, Investitionsrecht und andere. Dieser Ansatz erweist sich in einer transnationalen Rechtsumgebung als besonders effektiv, da er es erlaubt, Normen unter Berücksichtigung der Spezifik der jeweiligen Rechtsverhältnisse, der tatsächlich entwickelten Praxis sowie der vielschichtigen Interaktion internationaler, regionaler und nationaler Regulierungsregime zu systematisieren und sektorübergreifende komplexe Regime herauszuarbeiten, wie sie für die moderne europäische und deutsche Doktrin etwa im Umwelt-, Energie- und Finanzrecht typisch sind.

Im europäischen und insbesondere im deutschen Kontext kommt großskaligen grenzüberschreitenden Bau- und Infrastrukturprojekten im Energiesektor, wie den Pipeline-Systemen „Nord Stream“ und „Nord Stream 2“, besondere Bedeutung zu. Diese Projekte verdeutlichen anschaulich, dass Planung, Errichtung und Betrieb von Unterwasserpipelines und anderen Objekten kritischer Infrastruktur nicht nur technischen Standards und privatrechtlichen Vertragskonstruktionen unterliegen, sondern durch einen mehrstufigen Komplex von Normen des Völkerrechts, des Rechts der Europäischen Union, des nationalen Rechts sowie des internationalen Wirtschafts- und Energierechts geprägt werden. Die Erfahrungen mit der Realisierung und der späteren Beschädigung dieser Objekte haben in der deutschen und europäischen Doktrin Fragen nach der Neubewertung der Ansätze zur Gewährleistung von Sicherheit und Resilienz solcher Projekte, zur Verteilung von Risiken zwischen Staaten, Investoren, Betreibern und Lieferanten sowie zum Inhalt vertraglicher Klauseln über höhere Gewalt, Änderung der Umstände, Sanktionen und Schutz kritischer Infrastruktur aufgeworfen. Unter diesen Bedingungen gewinnen das internationale Baurecht und das internationale Bauvertragsrecht besondere praktische Bedeutung als Instrumente, die es ermöglichen, die Struktur von Werkverträgen und damit verbundenen Vereinbarungen neu zu denken, langfristige energie- und industriepolitische Interessen Deutschlands, der Europäischen Union insgesamt und Russlands zu berücksichtigen und sie in ein kohärentes Rechtsregime für grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte einzubetten.

Die vorliegende Monographie ist dem internationalen Baurecht gewidmet – einem spezifischen Bereich der internationalen öffentlich- und privatrechtlichen Regulierung, der die Rechtsbeziehungen erfasst, die im Zusammenhang mit der Durchführung grenzüberschreitender Bauprojekte entstehen, und an der Schnittstelle des internationalen Wirtschafts-, Investitions- und Umweltrechts angesiedelt ist. Innerhalb dieses Bereichs tritt ihr praktischer Aspekt – das internationale Bauvertragsrecht – hervor, dessen Gegenstand Vertragskonstruktionen, Mechanismen des Vertragsmanagements, Methoden der Risikoverteilung sowie Instrumente zur Streitbeilegung in internationalen Bauverträgen und den damit verbundenen Verfahren sind, einschließlich der Anwendung der Musterbedingungen der Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils (FIDIC) und der Praxis der internationalen Handels- und Investitionsschiedsgerichtsbarkeit.

Die Monographie beruht auf dreißig eigenständigen Forschungsarbeiten im Bereich des internationalen Baurechts und des internationalen Bauvertragsrechts, die im Rahmen der in der Russischen Föderation anerkannten wissenschaftlichen Fachrichtung „Völkerrechtliche Wissenschaften“ durchgeführt wurden. Ein Teil dieser Arbeiten ist grundlegenden Fragen des Status und der Struktur des internationalen Baurechts gewidmet, ein anderer Teil analysiert konkrete Vertragsmechanismen, die FIDIC-Standards, Risikoverteilungsregime und die Praxis internationaler Schiedsgerichte. Die Ergebnisse sämtlicher Studien wurden in peer-reviewten juristischen Fachzeitschriften veröffentlicht, die in der Liste der russischen Obersten Attestationskommission (WAK) geführt werden, wobei die überwiegende Mehrheit dieser Zeitschriften dem ersten oder zweiten Quartil einschlägiger Bewertungs- und Rankingsysteme wissenschaftlicher Zeitschriften zugeordnet ist. Eine derartige vorherige wissenschaftliche Erprobung gewährleistet einen hohen Grad der Verifizierung der Argumentation und erlaubt es, die Monographie Arbeiten zuzuzählen, die dem aktuellen internationalen akademischen Standard im Bereich des Völkerrechts entsprechen.

Hinweis zur wissenschaftlichen Begutachtung

Esta monografía ha sido objeto de revisión académica independiente.

«El autor demuestra de manera convincente que el derecho internacional de la construcción constituye una rama jurídica compleja en proceso de formación, con un objeto propio (el ciclo de vida de un proyecto de infraestructura transnacional) y un método regulatorio combinado; y, al mismo tiempo, una disciplina académica independiente con su propio aparato conceptual y metodología.»

«La monografía es un estudio de gran alcance y sistemático, dedicado a la formación y al desarrollo del derecho internacional de la construcción como una orientación independiente de la ciencia jurídica.»

Reseñadora: Marina A. Lapina — doctora en Ciencias Jurídicas (Derecho), profesora. Universidad Financiera adscrita al Gobierno de la Federación de Rusia, Facultad de Derecho, Departamento de Derecho Internacional y Derecho Público (Moscú). SPIN: 2443 - 2961; AuthorID (eLIBRARY): 622160. eLIBRARY: 336 publicaciones, 3.928 citas, índice h 29; RSCI: 247 publicaciones, índice h 27.

Volltext des Gutachtens

Uber den Autor

Dmitry Belkin

Dmitry Semenovich Belkin

Er ist Associate Professor (Dozent) für Internationales Recht an der Slawisch-Griechisch-Lateinischen Akademie und von Ausbildung Bauingenieur. Er besitzt einen Masterabschluss in Rechtswissenschaften, einen Masterabschluss im Bauingenieurwesen sowie einen MBA im Finanzwesen mit internationaler AMBA-Akkreditierung. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Internationalen Baurecht und im internationalen Bauvertragsrecht an der Schnittstelle von Völkerrecht und Internationalem Privatrecht, insbesondere im Hinblick auf Fragen der Zuständigkeit, der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und der Anwendung der FIDIC-Standards in grenzüberschreitenden Infrastrukturprojekten.

Er verfügt über mehr als fünfundzwanzig Jahre praktische Erfahrung bei der Umsetzung transnationaler Infrastrukturprojekte, in deren Rahmen er unter anderem als stellvertretender Generaldirektor für Bau, technischer Direktor und Chefingenieur tätig war.

Er ist Mitglied der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC), des Nationalen Verbands der Bauunternehmen (NOSTROY) und des Nationalen Verbands der Planer und Gutachter (NOPRIZ). Er ist Autor von mehr als 300 wissenschaftlichen Publikationen im Bereich des Völkerrechts und des Internationalen Privatrechts, mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem Internationalen Baurecht.

ORCID: https://orcid.org/0009-0003-1532-1958

Danksagungen

Ich danke dem Akademiemitglied Alexander N. Savenkov, Direktor des Instituts für Staat und Recht der Russischen Akademie der Wissenschaften, für seine kontinuierliche Unterstützung meiner wissenschaftlichen Tätigkeit.

Ferner danke ich dem Kollegium des Instituts für Staat und Recht der Russischen Akademie der Wissenschaften für das professionelle akademische Umfeld, dem Akademiemitglied Alexey N. Lisitsyn-Svetlanov für wissenschaftliche Strenge und kritische Bewertung sowie Andrey K. Duben (Institut für Staat und Recht) für seine Unterstützung meiner wissenschaftlichen Arbeit.

Mein Dank gilt meinem Vater, dem Akademiemitglied Semyon M. Belkin, sowie meiner Mutter, Galina I. Belkina, Mitarbeiterin des Systems der Vereinten Nationen, für ihre Erziehung, Wertevermittlung und Unterstützung.

Mein besonderer Dank gilt meiner Ehefrau, Alena S. Belkina, Spezialistin für internationalen Handel, für ihre Geduld und intellektuelle Unterstützung während der Arbeit an dieser Monographie zum internationalen Baurecht.

In Dankbarkeit gedenke ich meiner Lehrer — des verstorbenen Professors Anatoly V. Busygin (Dr. rer. oec.), unter dessen Leitung ich studierte und arbeitete; der verstorbenen Professorin Elena N. Zaretskaya (Dr. phil.), deren zahlreiche Gespräche meine Ausdrucksfähigkeit und wissenschaftliche Argumentationslogik prägten; sowie des verstorbenen Professors Gennady F. Khakhulin (Dr.-Ing.), der mir bereits im ersten Studienjahr die Leitung eines technischen Labors anvertraute.

Mein besonderer Dank gilt zudem Professor Andrey D. Kuzmichev (Dr. phil. hist.) für seine Mentorschaft und die Stärkung meines Vertrauens in systematische wissenschaftliche Arbeit.

Ich danke Sergey Nikolajewitsch Khrameshin (Vater Sergij), Rektor der Slawisch-Griechisch-Lateinischen Akademie (SGLA), Doktor der philosophischen Wissenschaften, sowie dem Lehrstuhl für Völkerrecht der SGLA für ihre Unterstützung und fachliche Beratung.

Einleitung

Das Völkerrecht und das Recht der Europäischen Union stehen in den letzten Jahren verstärkt vor der Aufgabe, tiefgreifende Strukturveränderungen im Infrastrukturbereich rechtlich zu bewältigen. Großprojekte in den Bereichen Energie, Verkehr, Wasserwirtschaft, digitale Netze und kritische Infrastruktur werden zu Prüfsteinen für die Funktionsfähigkeit des Mehrebenensystems aus Völkerrecht, Unionsrecht und nationalen Rechtsordnungen.

Vor diesem Hintergrund haben sich internationale Bau- und Infrastrukturprojekte als eigenes Untersuchungsfeld herausgebildet, das in der Literatur häufig unter Begriffen wie International Construction Law oder Internationales Baurecht diskutiert wird. Die Debatte ist jedoch vielfach von Einzelfällen, Schiedsentscheidungen und Vertragsmustern bestimmt und bleibt nicht selten hinter der Frage zurück, wie sich dieses Feld dogmatisch in das allgemeine Völkerrecht einordnen lässt.

Die vorliegende Monographie setzt genau an dieser Stelle an. Sie entwickelt eine systematische Gesamtschau des International Construction Law aus einer transnationalen Perspektive, die auf langjährigen Erfahrungen mit grenzüberschreitenden Bau- und Infrastrukturprojekten in verschiedenen Rechtsräumen aufbaut und ausdrücklich den Dialog mit der deutschsprachigen und europäischen Völkerrechtsdogmatik sucht.

Der analytische Ansatz der Arbeit ist nicht an eine bestimmte nationale „Schule“ gebunden, sondern knüpft an gemeinsame Grundlagen an, die in vielen Rechtsordnungen anerkannt sind: die souveräne Gleichheit der Staaten, das friedliche Zusammenleben, die Achtung der Menschenrechte, den Schutz der Umwelt und die Verwirklichung nachhaltiger Entwicklung. International Construction Law wird in diesem Rahmen als funktionales Feld verstanden, in dem sich diese Grundprinzipien in der konkreten Realität von Planungsbüros, Baustellen und Schiedsverfahren bewähren müssen.

Prägend für die Monographie ist ihre klare Forschungsarchitektur: Sie beruht auf dreißig Forschungslinien im Bereich des öffentlichen internationalen Rechts, die in Einzelstudien ausgearbeitet, in begutachteten Fachzeitschriften veröffentlicht und für diesen Band überarbeitet und in eine einheitliche Struktur gebracht wurden. Diese dreißig Linien sind in der Heimatinstitution des Verfassers unter der Spezialisierung „Völkerrechtswissenschaften (5.1.5)“ klassifiziert und werden hier erstmals vollständig auf das Feld des internationalen Bau- und Infrastrukturrechts bezogen.

Inhaltlich decken die dreißig Forschungsfelder das Spektrum der für internationale Bauprojekte zentralen völkerrechtlichen Fragen ab. Sie reichen von Grundlagen des Status und der Quellen des International Construction Law über seine Beziehung zum internationalen Wirtschafts- und Investitionsrecht, zum See-, Umwelt-, Arbeits- und Migrationsrecht bis hin zu spezialisierten Regimen für großräumige Infrastrukturkorridore, maritime Anlagen, urbane Infrastrukturen und transnationale Lieferketten. Ein besonderer Fokus liegt auf der Rolle der Staaten und internationalen Organisationen als Initiatoren, Garanten und Regulierer von Projekten, auf der Stellung privater Investoren und Bauunternehmen sowie auf dem Schutz der von Projekten betroffenen Bevölkerungsgruppen.

Methodisch verbindet die Monographie klassische Auslegungsansätze des Völkerrechts mit einer detaillierten Analyse der Vertrags- und Schiedspraxis. Im Zentrum stehen dabei Vertragsklauseln zu höherer Gewalt, Änderung der Umstände, Stabilisierung, Anpassungsmechanismen, behördlicher Mitwirkung, Umwelt- und Sozialauflagen sowie Streitbeilegung, wie sie in internationalen Bauverträgen und in den Musterbedingungen der Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils (FIDIC) ausgestaltet sind. Diese Klauseln werden nicht isoliert betrachtet, sondern in ihrem Zusammenspiel mit völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der UN-Charta, multilateralen Umwelt- und Menschenrechtsverträgen sowie dem Recht der internationalen Wirtschaftsorganisationen.

Ein durchgehendes Leitmotiv der Analyse ist die Frage nach der Reichweite des staatlichen Rechts auf Regulierung („right to regulate“) im Kontext internationaler Bau- und Infrastrukturvorhaben. Die Monographie arbeitet heraus, in welchen Konstellationen regulatorische Maßnahmen zur Erreichung energie-, klima-, sozial- oder sicherheitspolitischer Ziele mit Investitionsschutz-, Handels- und Menschenrechtsverpflichtungen vereinbar sind und wann sie das Gleichgewicht der vertraglich vereinbarten Risikoverteilung in unzulässiger Weise verschieben.

Auf dieser Grundlage untersucht der Verfasser, ob und in welchem Umfang sich aus wiederkehrenden Lösungsansätzen der Schieds- und Gerichtspraxis Elemente einer lex constructionis ableiten lassen, ohne den kategorialen Unterschied zwischen Völkerrecht, nationalem Recht und Vertragsautonomie einzuebnen. Die Arbeit plädiert nicht für die Schaffung eines „geschlossenen Regimes“, sondern für eine präzise Beschreibung der Knotenpunkte, an denen sich die verschiedenen Normebenen im Bereich grenzüberschreitender Bauprojekte treffen.

Obwohl die empirische Grundlage der Monographie vor allem auf Fallkonstellationen und Erfahrungen aus dem eurasischen Raum und dem östlichen Mittelmeer beruht, ist der analytische Rahmen bewusst so gewählt, dass er an die deutschsprachige und europäische Debatte anschlussfähig ist. Die strukturellen Fragen – Verknüpfung von Investitionsschutz und Energiewende, Schutz maritimer Infrastrukturen, Resilienz von Leitungs- und Transportnetzen, Einbettung von Nachhaltigkeitszielen in Vertragsbeziehungen – stellen sich in ähnlicher Weise auch im Kontext europäischer Projekte. Die Monographie versteht sich deshalb ausdrücklich als Beitrag zu einem transnationalen Fachdiskurs, in dem Erfahrungen aus unterschiedlichen Regionen aufeinander bezogen werden.

Die empirische Basis von dreißig bereits begutachteten Studien gewährleistet eine hohe Nachprüfbarkeit der Ergebnisse und macht die innere Entwicklung der Argumentation transparent. Indem diese Studien in eine gemeinsame Architektur eingebettet werden, zeigt die Monographie International Construction Law als zentrales Laboratorium, in dem zentrale Fragen des zeitgenössischen Völkerrechts – vom Umfang des Rechts auf Regulierung über den investitionsrechtlichen Umgang mit Sanktionen bis hin zur justiziablen Ausgestaltung von Nachhaltigkeitszielen – in der konkreten Realität von Bau- und Infrastrukturprojekten verhandelt werden.

Die Monographie richtet sich an die deutschsprachige völkerrechtliche und europarechtliche Fachöffentlichkeit, an Praktikerinnen und Praktiker des internationalen Wirtschafts- und Schiedsrechts sowie an Entscheidungsträger in Verwaltungen, Unternehmen und Finanzinstitutionen, die mit Planung, Finanzierung und Umsetzung grenzüberschreitender Bau- und Infrastrukturvorhaben befasst sind. Ihr Ziel ist es, International Construction Law als dogmatisch anschlussfähiges Feld des Völkerrechts sichtbar zu machen und zugleich eine strukturierte Grundlage für weitere Forschung und rechtliche Gestaltung in einem Bereich zu bieten, der für die Zukunft der globalen Infrastrukturordnung von zentraler Bedeutung ist.

Kommentiertes Inhaltsverzeichnis

Kommentierter Forschungsblock

KAPITEL 1. Systematische Rechtsdogmatik des Internationalen Bauvertragsrechts: Struktur, Funktionen und verfassungsrechtliche Einordnung

DOI: 10.64457/icl.de.ch1

Die Untersuchung positioniert das Internationale Bauvertragsrecht (IBVR) als eigenständige Unterdisziplin des internationalen Baurechts. Gegenstand sind transnationale Rechtsbeziehungen bei Großprojekten; Regelungsgegenstand sind Risikoverteilung, Vertragserfüllung und Streitbeilegung. Auf Basis von Rechtsvergleichung, Norm- und Literaturanalyse wird ein Vier-Funktions-Modell (Risikoverteilung, Streitlösung, rechtliche Koordination, Änderungsmanagement) entwickelt. FIDIC-Standards fungieren dabei als globales Referenzsystem; ihre systematische Einbindung in verschiedene Rechtsordnungen erhöht Prognosesicherheit und Effizienz. Die Studie legt ein integriertes Konzept vor, das internationale Vorgaben mit nationalen Rechtsrahmen verknüpft und Harmonisierungsempfehlungen für FIDIC-basierte Verträge liefert.

Die Untersuchung positioniert das Internationale Bauvertragsrecht (IBVR) als eigenständige Unterdisziplin des internationalen Baurechts. Gegenstand sind transnationale Rechtsbeziehungen bei Großprojekten; Regelungsgegenstand sind Risikoverteilung, Vertragserfüllung und Streitbeilegung. Auf Basis von Rechtsvergleichung, Norm- und Literaturanalyse wird ein Vier-Funktions-Modell (Risikoverteilung, Streitlösung, rechtliche Koordination, Änderungsmanagement) entwickelt. FIDIC-Standards fungieren dabei als globales Referenzsystem; ihre systematische Einbindung in verschiedene Rechtsordnungen erhöht Prognosesicherheit und Effizienz. Die Studie legt ein integriertes Konzept vor, das internationale Vorgaben mit nationalen Rechtsrahmen verknüpft und Harmonisierungsempfehlungen für FIDIC-basierte Verträge liefert.

Internationales Baurecht gilt heute als eine der am weitesten entwickelten und intensiv untersuchten Sparten des internationalen Wirtschaftsrechts. Grundlegende Werke haben gezeigt, dass sich ein eigenständiger „Rechtsraum“ der internationalen Bauwirtschaft herausgebildet hat, in dem sich nationale Zivilrechtsordnungen, öffentlich-rechtliche Regime, Schiedsrecht und technische Standards überlagern. So entfaltet etwa die systematische Gesamtdarstellung von W. Breyer, die internationale Bauverträge über mehrere Jurisdiktionen hinweg vergleichend auswertet, die Vielfalt der rechtlichen Anknüpfungspunkte und zugleich die Notwendigkeit eines strukturierten begrifflichen Rahmens (Breyer, 2024). Der Mehrwert solcher Arbeiten liegt darin, das bislang zersplitterte Wissen über internationale Bauprojekte in eine dogmatisch fassbare Ordnung zu überführen.

Bereits ältere Beiträge haben darauf hingewiesen, dass internationale Bauvertragskonstellationen in besonderem Maße konfliktträchtig sind und deshalb ein hohes Bedürfnis nach funktionierenden Streitbeilegungsmechanismen und berechenbarer Risikoverteilung besteht. W. K. Venoit hat in einer der früh einflussreichen Monographien herausgearbeitet, wie Wahl des anwendbaren Rechts, Schiedsklauseln und institutionelle Schiedsverfahren zusammenwirken, um grenzüberschreitende Bauschiedsverfahren steuerbar zu machen (Venoit, 2009). Während solche Analysen stark von anglo-amerikanischen Erfahrungswerten geprägt sind, hat die deutschsprachige Diskussion die Frage in den Vordergrund gerückt, wie sich derartige Modelle mit den Strukturen des BGB-Bauvertragsrechts, der VOB/B und den Vorgaben des GWB-Vergaberechts vereinbaren lassen.

Komplementär dazu haben Sammelwerke und Fachzeitschriften das internationale Baurecht als eigenständigen Diskursraum etabliert. Der von D. Wightman und H. Lloyd herausgegebene Band, der die Entwicklung der internationalen Baurechtspraxis auf mehreren Kontinenten nachzeichnet, zeigt, wie sich aus wiederkehrenden Vertragsklauseln, standardisierten Risikozuweisungen und konsistenten Schiedssprüchen ein transnationaler Referenzrahmen herausbildet (Wightman & Lloyd, 2002). Das Werk von C. B. Molineaux, das die Entwicklung vom traditionell national geprägten Bauvertragsrecht hin zu international standardisierten Vertragsmodellen rekonstruiert, verdeutlicht die historische Tiefenschicht dieser Herausbildung einer „lex constructionis“ (Molineaux, 1998). Beide Linien – systematische und historische – sind für eine deutsche Rechtsdogmatik unverzichtbar, weil sie den Ort des IBVR im Gefüge von Völkerrecht, internationalem Wirtschaftsrecht und nationalem Privatrecht markieren.

Die jüngere Praxis hat die theoretischen Einsichten durch eine Reihe prominenter Streitfälle bestätigt. Transnationale Bauprojekte im Energie-, Verkehrs- oder Infrastrukturbereich sind in den letzten Jahren vermehrt von geopolitischen Spannungen, Sanktionen und Lieferkettenstörungen betroffen gewesen. Streitigkeiten vor internationalen Schiedsinstitutionen – etwa in Verfahren zu Großkraftwerken oder Pipelines, an denen staatlich geprägte Unternehmen und multinationale Konzerne beteiligt sind – belegen, dass Schiedssprüche selbst in einem politisch aufgeladenen Umfeld auf rechtsstaatliche Verfahrensstandards und eine nachvollziehbare Auslegung von Vertragsklauseln zurückgreifen müssen. Solche Entscheidungen zeigen, dass internationale Schiedsinstitutionen prinzipiell in der Lage bleiben, objektive und rechtlich begründete Lösungen zu finden und damit Stabilität und Vertrauensschutz in transnationalen Projekten zu gewährleisten.

Auch in der russischsprachigen wissenschaftlichen Diskussion wird internationales Baurecht zunehmend als eigenständiger Gegenstand erkannt. So wird an spezialisierten Lehrstühlen – etwa im Rahmen von Masterprogrammen zum Wirtschaftsrecht – ein Kurs „Internationales Baurecht“ angeboten, in dem FIDIC-Standardbedingungen, Regelwerke der Internationalen Handelskammer, Soft-Law-Instrumente der UNCITRAL sowie Mechanismen der grenzüberschreitenden Streitbeilegung systematisch behandelt werden. Arbeiten von Ya. A. Anosov und I. A. Goddard haben exemplarisch gezeigt, wie FIDIC-Typenbedingungen in regionalen Integrationsräumen – etwa der Eurasischen Wirtschaftsunion – zur Harmonisierung der Regulierung beitragen und Gesetzeslücken in nationalen Rechtsordnungen füllen können (Anosov, 2022; Goddard, 2018). Für die deutsche Rechtsdogmatik sind diese Untersuchungen insofern bedeutsam, als sie an einem anderen Rechtskreis nachvollziehbar machen, welche Spannungen sich zwischen standardisierten Vertragsregimen und zwingenden nationalen Vorgaben ergeben.

Trotz dieser Fülle an Literatur weist das Internationale Bauvertragsrecht als Unterdisziplin noch immer strukturelle Lücken auf. Während praktische Fragen – wie Risikomanagement, Ausgestaltung von FIDIC-Klauseln und Schiedsverfahren – umfangreich diskutiert werden, fehlt eine hinreichend präzise Bestimmung von Gegenstand und Funktionen des IBVR im Gesamtgefüge der völkerrechtlichen und nationalen Normen. Die Lehre des Internationalen Privatrechts hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die Vielfalt unterschiedlicher dogmatischer Ansätze und der Mangel an Konsens unter den Autoren eine einheitliche Systematisierung erschweren (Imamova, 2023). Für eine deutsche Monographie ist es daher naheliegend, IBVR nicht lediglich als „Anwendungsfeld“ des Kollisionsrechts zu behandeln, sondern seine eigenständige Funktion im transnationalen Infrastruktur-Governance-System herauszuarbeiten.

Im Zuge der Entwicklung einer multipolaren Weltordnung und des wachsenden Volumens globaler Infrastrukturinitiativen haben sich die Standardbedingungen der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC) zu einem faktischen Referenzsystem der Vertragsgestaltung im Bereich des IBVR entwickelt. Mehrere Schlüsselstaaten des globalen Südens – darunter Brasilien, Indien, China und Südafrika – sind Vollmitglieder dieser Organisation und setzen FIDIC-Muster in großem Umfang ein, während die Beteiligung Russlands an der Organisation seit 2022 faktisch suspendiert ist. Für die deutsche Praxis bedeutet dies, dass sich Bauunternehmen und öffentliche Auftraggeber mit einem Vertragsstandard auseinandersetzen müssen, der in zahlreichen ausländischen Rechtsordnungen als „Normalfall“ gilt, dessen Einbindung in das System von BGB, VOB/B, HOAI, GWB und Unionsrecht jedoch einer eigenständigen dogmatischen Arbeit bedarf (Klee, 2018).

Aus der Perspektive des internationalen Wirtschaftsrechts erscheint internationales Bauen zugleich als Teil des globalen Wirtschaftsverkehrs. M. Herdegen hat herausgearbeitet, dass das internationale Wirtschaftsrecht von einer komplexen Verflechtung staatlicher Interessen, privatwirtschaftlicher Freiheiten und wettbewerbsrechtlicher Vorgaben geprägt ist (Herdegen, 2024). Großprojekte der Bauwirtschaft sind in dieses Gefüge eingebunden: Sie sind häufig Gegenstand staatlicher Infrastruktur- oder Industriepolitik, werden durch öffentliche Aufträge oder Garantien abgesichert und sind zugleich an investitionsrechtliche Stabilitätszusagen geknüpft. Für das IBVR folgt daraus, dass es nicht nur technische und verfahrensrechtliche Einzelklauseln harmonisieren muss, sondern die allgemeinen Prinzipien des internationalen Wirtschaftsrechts – etwa Transparenz, Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und fairer Wettbewerb – bei der Vertragsgestaltung und Streitbeilegung mitzudenken hat.

Gegenstand des Internationalen Bauvertragsrechts sind in diesem Sinne die transnationalen Rechtsbeziehungen, die im Zusammenhang mit Planung, Finanzierung, Errichtung und Inbetriebnahme von Großprojekten entstehen. Erfasst sind sowohl klassische Bauverträge als auch komplexe Projekt-, EPC-, Turnkey-, Konzessions- und PPP-Verträge mit Auslandsbezug. Der Regelungsgegenstand des IBVR lässt sich demgegenüber als Bündel von drei Kernmaterien definieren: (1) die Verteilung von Risiken und Verantwortlichkeiten, (2) die Sicherung der Vertragserfüllung und (3) die Ausgestaltung von Streitbeilegungsmechanismen. Diese Kernmaterien werden durch Querschnittsfragen wie Compliance, Nachhaltigkeit, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und Investitionsschutz ergänzt, die in jüngeren Verträgen zunehmend ausdrücklich geregelt werden.

Die funktionale Betrachtung des IBVR stützt sich auf die in dieser Arbeit vorgeschlagene Vier-Funktions-Konzeption: Risikoverteilung, Streitlösung, rechtliche Koordination und Änderungsmanagement. Die erste Funktion – die Risikoverteilung – knüpft an eine zentrale Einsicht der allgemeinen Völkerrechtslehre an: Internationale Normen dienen nicht nur der Ordnung von Kompetenzen, sondern auch der Steuerung und Verteilung von Risiken zwischen Akteuren (Schachter, 1991). In internationalen Bauverträgen manifestiert sich dies in detaillierten Klauseln zu Baugrund-, Design-, Genehmigungs-, Zeit-, Preis-, Wechselkurs- und Force-Majeure-Risiken. Standardisierte Regelwerke wie FIDIC weisen diese Risiken im Grundsatz bestimmten Parteien zu, ermöglichen aber über „Particular Conditions“ eine Anpassung an nationale Gegebenheiten. Für die deutsche Dogmatik stellen sich hier Fragen der Vereinbarkeit mit den Grenzen der AGB-Kontrolle, dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und der Verteilung unabdingbarer Schutzpflichten.

Die zweite Funktion – die Streitlösung – ist untrennbar mit der Entwicklung internationaler Gerichte und Schiedsinstanzen verbunden. G. Fitzmaurice hat in klassischer Weise gezeigt, dass die Autorität internationaler Gerichte maßgeblich von der Konsistenz ihrer Rechtsprechung und der Qualität ihrer Begründungen abhängt (Fitzmaurice, 1955). Übertragen auf baurechtliche Streitigkeiten bedeutet dies, dass selbst technisch hochkomplexe Konflikte in einem justiziablen Rahmen gehalten werden müssen. J. Jenkins hat herausgearbeitet, dass die internationale Bau-Schiedsgerichtsbarkeit inzwischen eine eigenständige „Spezialjurisdiktion“ mit spezifischen Verfahrensmustern, Beweisstandards und Umgangsformen mit Sachverständigengutachten bildet (Jenkins, 2021). Eine empirische Untersuchung von H. Besaiso zeigt zudem, dass Schiedsrichter in Bauverfahren neben Vertrag und anwendbarem Recht regelmäßig auf Handelsbräuche und fachliche Standards des internationalen Baurechts zurückgreifen, auch wenn der genaue Rechtsstatus dieser Normen dogmatisch umstritten bleibt (Besaiso, 2022). IBVR hat hier die Aufgabe, diese Praxis in eine konsistente dogmatische Struktur einzuordnen.

Die dritte Funktion – die rechtliche Koordination – betrifft das Zusammenspiel unterschiedlicher Normebenen. Internationale Bauprojekte bewegen sich im Spannungsfeld von bilateralen oder multilateralen Investitionsschutzabkommen, öffentlich-rechtlichen Genehmigungsregimen, vergabe- und haushaltsrechtlichen Vorschriften, technischen Normen sowie vertraglichen Stabilitäts- und Anpassungsklauseln. Aus völkerrechtlicher Sicht ist vielfach betont worden, dass die Stabilität eines solchen Mehrebenensystems von der „Ausrichtung der Willenserklärungen“ der beteiligten Subjekte abhängt (Tunkin, 2023). I. Yerniyazov hat am Beispiel der Interaktion zwischen internationalen Bauverträgen und Investitionsverträgen gezeigt, dass Modellklauseln zu Stabilisierung, Schiedsgerichtsbarkeit, Versicherung und Informationspflichten dazu beitragen können, öffentliche und private Interessen zu harmonisieren und Reformprozesse in der Infrastrukturregulierung anzustoßen (Yerniyazov, 2023). Für die deutsche Rechtsordnung stellt sich damit die Aufgabe, IBVR so auszugestalten, dass unions-, verfassungs- und investitionsrechtliche Anforderungen in einem kohärenten Vertragsdesign zusammentreffen.

Die vierte Funktion – das Änderungsmanagement – ist in Zeiten globaler Unsicherheiten von besonderer Bedeutung. Großprojekte sind häufig über Jahrzehnte angelegt und damit inflationären Entwicklungen, Rohstoffpreis-Schwankungen, Klimapolitik, technischen Innovationen und politischen Umbrüchen ausgesetzt. Vertragsmodelle reagieren darauf mit Klauseln zu Leistungsänderungen, Nachträgen, Preisgleitklauseln, Anpassung bei Gesetzesänderungen, Hardship-Regelungen und vorzeitiger Beendigung. L. Klee hat anschaulich beschrieben, wie FIDIC-Vertragswerke ein insgesamt kohärentes System zur Bewältigung solcher Änderungen bereitstellen – vorausgesetzt, nationale Gerichte und Schiedsinstanzen erkennen die Grundstruktur und ordnen sie in die eigenen Institute ein (Klee, 2018). Für Deutschland bedeutet dies, dass Änderungs- und Anpassungsklauseln mit den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage, dem vergaberechtlichen Transparenzgebot und den Anforderungen des Haushalts- und Beihilfenrechts abgestimmt werden müssen.

Die Rolle ungeschriebener Normen und transnationaler Praxis darf in diesem Zusammenhang nicht unterschätzt werden. H. Grotius hat bereits im 17. Jahrhundert hervorgehoben, dass das Recht der Völker nicht nur aus schriftlichen Verträgen, sondern auch aus stillschweigenden Übereinkünften und praktizierten Erwartungen besteht (Grotius, 1994). Z. J. Slouka hat später die Dynamik solcher Gewohnheitsnormen analysiert und gezeigt, dass sie sich aus einem Zusammenspiel von Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung entwickeln (Slouka, 2012). Übertragen auf das IBVR bedeutet dies, dass wiederholte Verwendung bestimmter FIDIC-Klauseln, ihre Anerkennung durch Schiedsgerichte und staatliche Gerichte und ihre Einbettung in technische und finanzielle Standarddokumentationen dazu führen können, dass sich eine faktische „lex constructionis“ herausbildet, deren normative Qualität sorgfältig zu bestimmen ist.

Das Internationale Bauvertragsrecht ist darüber hinaus eng mit wissenschaftlich-technischer Kooperation und Wissensflüssen verbunden. L. P. Anufrieva hat am Beispiel der Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland im Bereich von Wissenschaft, Technik und Innovation gezeigt, dass rechtliche Kooperationsformen – Abkommen, Rahmenprogramme und Konsortialverträge – eine zentrale Rolle bei der Übertragung von Technologien und Standards spielen (Anufrieva, 2018). J. L. Rodríguez-Medina hat hervorgehoben, dass Infrastrukturprojekte in grenznahen oder politisch umstrittenen Gebieten zugleich Fragen der territorialen Souveränität und des Völkerrechts aufwerfen (Rodríguez-Medina, 2023). Für die deutsche Debatte bedeutet dies, dass IBVR immer auch als Instrument zur Steuerung von Technologien, Sicherheits- und Nachhaltigkeitsstandards in politisch sensiblen Konstellationen begriffen werden muss.

Die Praxis zeigt schließlich, dass internationale Bauverträge häufig auf Formen des „project partnering“ und der langfristigen Kooperation setzen. C. Skeggs hat das Partnering-Modell als Versuch beschrieben, Konflikte zu reduzieren und eine flexible Aufgabenverteilung zwischen den Beteiligten zu ermöglichen (Skeggs, 2003). Aus deutscher Sicht stellt sich hier die Frage, wie weitgehend Kooperations- und Partnering-Klauseln gehen dürfen, ohne mit zwingenden Normen des Arbeitsschutz-, Umwelt- oder Sicherheitsrechts, mit dem Demokratie- und Gesetzesvorbehalt des Grundgesetzes oder mit vergaberechtlichen Transparenz- und Gleichheitsgeboten zu kollidieren. Das IBVR muss daher die Spannung zwischen vertraglicher Flexibilität und verfassungsrechtlich gebotener Normklarheit ausdrücklich reflektieren.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Internationale Bauvertragsrecht in der deutschen Rechtsordnung als funktionales, transnational ausgerichtetes Teilsystem beschreiben, das an der Schnittstelle von Privatautonomie, öffentlichem Interesse und supranationalen Bindungen operiert. Es greift auf standardisierte Vertragswerke wie FIDIC zurück, integriert diese in die dogmatischen Kategorien von BGB, VOB/B, HOAI und Vergaberecht und wird gleichzeitig durch internationale Schieds-, Investitions- und Fachgerichtsbarkeit fortentwickelt (Schachter, 1991). In einer zunehmend vernetzten Infrastrukturwelt stehen dabei nicht nur Projekte innerhalb der Europäischen Union im Fokus, sondern auch energie-, verkehrs- und digitalpolitische Verflechtungen mit Drittstaaten und mit Regionen globaler Wertschöpfungsketten. Dabei wird deutlich, dass die rechtliche Ausgestaltung langfristiger Infrastrukturverflechtungen stets auch außenwirtschafts-, sicherheits- und friedensrechtliche Implikationen hat, sodass das Internationale Bauvertragsrecht nicht nur als „technische“ Vertragsmaterie, sondern zugleich als Bestandteil einer umfassenderen Ordnung transnationaler öffentlicher Güter verstanden werden muss.

Die hier entwickelte Vier-Funktions-Perspektive bietet einen Ordnungsrahmen, der es erlaubt, internationale Vertragsstandards, Schiedspraxis, wissenschaftliche Konzepte und verfassungsrechtliche Vorgaben in ein konsistentes Bild des IBVR zu integrieren. Sie schafft zugleich Anschlussmöglichkeiten für die weitere rechtsvergleichende und völkerrechtliche Forschung: für die Untersuchung der Einbindung von FIDIC-Klauseln in kontinentaleuropäische Kodifikationen, für die Analyse der Rolle des IBVR in Investitionsschutzstreitigkeiten, für die dogmatische Einordnung transnationaler Bau-Standards sowie für die Ausbildung eines eigenständigen Lehr- und Forschungsgebiets an juristischen Fakultäten.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 1: Völkerrechtswissenschaften: Objekt, Gegenstand, Methodologie, Funktionen und Geschichte der Institutionen. Wechselwirkung mit anderen Wissenschaften. Konzepte des Völkerrechts.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Объект, предмет, методология и функции международного строительного контрактного права: анализ через призму международно-правовых наук / Д. С. Белкин // Международное право. – 2025. – № 2. – С. 31-47. – DOI 10.25136/2644-5514.2025.2.72825. – EDN VUYZOJ. DOI: 10.25136/2644-5514.2025.2.72825 EDN: VUYZOJ

Article URL: https://nbpublish.com/library_read_article.php?id=72825

Article PDF: https://www.elibrary.ru/download/elibrary_82415590_35975472.pdf

Literaturverzeichnis

1. Anosov, Ya. A. (2022). Rechtliche Regelung des internationalen Bauvertrags in den EAWU-Staaten. Obrazovanie i pravo, 11.

2. Anufrieva, L. P. (2018). Prinzipien der Zusammenarbeit in Wissenschaft und Innovation. Aktualnye problemy rossiiskogo prava, 12(97), 175–186.

3. Besaiso, H., Fenn, P., & Emsley, M. (2022). Wie internationale Bauschiedsrichter entscheiden. Journal of Construction Engineering and Management, 148(9).

4. Breyer, W. (2024). Internationales Baurecht: Ein Überblick. Taylor & Francis.

5. Fitzmaurice, G. (1955). Recht und Verfahren des IGH 1951–4. British Yearbook of International Law, 32, 20.

6. Goddard, I. A. (2018). Völkerrechtliche und nationale Bauvertragsregulierung. Leningradskii yuridicheskii zhurnal, 3(53).

7. Godwin, W. (2013). Internationale Bauverträge: Handbuch. Wiley-Blackwell.

8. Grotius, H. (1994). Vom Recht des Krieges und des Friedens. Ladomir.

9. Herdegen, M. (2024). Principles of international economic law (3. Aufl.). Oxford University Press.

10. Imamova, D. I. (2023). Das Konzept des internationalen Bauvertrags. Review of Law Sciences.

11. Jenkins, J. (2021). International construction arbitration law (3. Aufl.). Wolters Kluwer.

12. Klee, L. (2018). International construction contract law. John Wiley & Sons.

13. Molineaux, C. B. (1998). International construction law. John Wiley & Sons.

14. Rodríguez-Medina, J. L. (2023). Analyse des indischen Infrastrukturstreits. International Law Review, 2(2), 46–51.

15. Schachter, O. (1991). International law in theory and practice. Martinus Nijhoff.

16. Skeggs, C. (2003). Projekt-Partnering in der internationalen Bauindustrie. International Construction Law Review.

17. Slouka, Z. J. (2012). International custom and the continental shelf. Springer.

18. Tunkin, G. I. (2023). Theorie des Völkerrechts. Zertsalo-M.

19. Venoit, W. K. (2009). International construction law. American Bar Association.

20. Wightman, D., & Lloyd, H. (Hrsg.). (2002). International construction law review. Informa Professional.

21. Yerniyazov, I. (2023). Interaktion zwischen Bauverträgen und Investitionsabkommen. Review of Law Sciences.

KAPITEL 2. Systematische Dogmatik der Anknüpfungs- und Zuständigkeitsregeln bei grenzüberschreitenden EPC-Vorhaben: Rechtseinheit und verfassungsrechtliche Grenzen

DOI: 10.64457/icl.de.ch2

Die Studie untersucht die Auswahl des anwendbaren Rechts und des Forums bei grenzüberschreitenden EPC-Verträgen. Zunächst wird eine Methodik dargestellt, die Art. 42 des Washingtoner Übereinkommens 1965, Art. 35 der UNCITRAL-Verfahrensordnung sowie maßgebliche ICSID-, UNCITRAL- und PCA-Entscheidungen auswertet. Anschließend zeigt sie, dass die Deckungsgleichheit von Kollisionsanknüpfungen und Zuständigkeitskriterien prozessökonomische Vorteile schafft, besonders bei Verwendung von FIDIC-Musterbedingungen. Abschließend werden Umsetzungshürden in unterschiedlichen Rechtsordnungen identifiziert und Gestaltungsempfehlungen für Kollisionsklauseln gegeben, um kommerzielle und investitionsrechtliche Ebenen zu verknüpfen.

Die Wahl des anwendbaren Rechts und des Gerichtsstands bildet heute einen Grundpfeiler bei großen grenzüberschreitenden Infrastrukturprojekten. Ohne klare Vereinbarung dieser Parameter verzögern sich Bauvorhaben, verteuern sich und geraten in rechtliche Ungewissheit. Prozessuale Konflikte nehmen zu, da die globale Bauindustrie auf verteilte Lieferketten setzt und Investoren vermehrt multilaterale Mechanismen zum Schutz ihrer Kapitalanlagen in Anspruch nehmen (Alferova, 2016). Die moderne Lehre des Internationalen Privatrechts betont, dass nur eine korrekte Rechts- und Gerichtsstandswahl die Transaktionskosten minimieren kann. Die Hypothese dieser Studie lautete, dass die Übereinstimmung der wesentlichen kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunkte mit den Kriterien der Zuständigkeitszulässigkeit die Verfahrensökonomie maximiert – unabhängig davon, ob der Streit vom Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), einem ad-hoc-Schiedsgericht nach UNCITRAL-Regeln oder einem nationalen Gericht entschieden wird.

Ziel der Untersuchung war es, wissenschaftlich fundierte Empfehlungen zur Koordinierung kollisions- und verfahrensrechtlicher Normen in der russischen Praxis von EPC-Verträgen (Engineering, Procurement and Construction) zu erarbeiten – auch im Hinblick auf die Verwendung der vom Internationalen Verband beratender Ingenieure (FIDIC) entwickelten Vertragsmuster. Hierfür wurden in der Arbeit die Doktrin, Schiedspräzedenzfälle und FIDIC-Standardbedingungen analysiert; problematische Aspekte bei Vertragsschluss, -erfüllung und Streitbeilegung wurden herausgearbeitet. Der Gegenstand der Untersuchung umfasst das Geflecht gesellschaftlicher Beziehungen bei grenzüberschreitenden Bauprojekten; der Untersuchungsgegenstand (im engeren Sinn) ist die Gesamtheit der Normen des Internationalen Privatrechts und des internationalen Verfahrensrechts, die die Bestimmung des anwendbaren Rechts und des zuständigen Forums regeln.

Die Methodik kombiniert eine formaljuristische Analyse von Artikel 42(1) des Washingtoner Übereinkommens von 1965 (ICSID-Konvention) zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Ausländern, eine Auslegung von Artikel 35 (vormals 33) der UNCITRAL-Schiedsordnung, einen rechtsvergleichenden Vergleich anglo-amerikanischer und kontinentaleuropäischer Risikoverteilungen sowie die Auswertung schiedsgerichtlicher Präzedenzfälle im Bereich des internationalen Bauvertragsrechts. Diese Methodenvielfalt gewährleistete eine umfassende Betrachtung des Problems.

Die Aktualität des Themas wird durch neuere Forschungen belegt. So zeigen Born und Kalelioglu (2021), dass trotz allgemeiner Anerkennung der Privatautonomie verschiedene Staaten die Grenzen des Ordre public unterschiedlich ziehen. Huang (2023) illustriert, wie die neue Fassung der chinesischen Zivilprozessordnung (2024) die internationale Zuständigkeit radikal verändert und Auftragnehmer zwingt, ihre Forumswahlstrategie zu überdenken. Die Arbeit von Yakovleva (2022) zur ICSID-Zuständigkeit zeigt, dass selbst eine formal einwandfreie Schiedsklausel unwirksam werden kann, falls die Streitigkeit nicht unter die Konventionskriterien fällt – was bei Baukonzessionen besonders relevant ist.

Erschwert wird die Problematik durch den mehrschichtigen Charakter großer internationaler Bau- und Investitionsverträge: In einem Streit vermischen sich Auftrags- (werkvertragliche) und Investitionsansprüche. Eine saubere Trennung dieser Ebenen ermöglicht dem Schiedsgericht, die jeweils einschlägigen Normen anzuwenden und parallele Verfahren zu vermeiden. Die russische Praxis stützt sich jedoch – trotz formaler Vorrangregelung für völkerrechtliche Verträge vor nationalem Recht (Art. 15 Abs. 4 der RF-Verfassung) – bislang auf ein begrenztes Set von „Sonderbedingungen“ und integriert FIDIC-Standards nicht immer konfliktfrei in transnationale Bauprojekte. Daraus ergibt sich eine Diskrepanz zwischen vertragspraktischen Regelungen und öffentlich-rechtlichen Investitionsgarantien. Wie Akademiemitglied A. G. Lisizyn-Svetlanov hervorhebt, besteht die Aufgabe der Weiterentwicklung des Rechtssystems „nicht in der Schaffung besonderer Bedingungen für ausländische Investoren, einschließlich besonderer Streitbeilegungsverfahren, sondern in der Gewährleistung eines allgemeinen Investitionsregimes, das auf lauteren Wettbewerb gründet“ (Lisitsyn-Svetlanov, 2021). Mit anderen Worten: Eine übermäßige Differenzierung zugunsten ausländischer Auftragnehmer ohne Stärkung allgemeiner Investitionsgarantien birgt Risiken für die Souveränität und die Rechtskohärenz.

Internationale Bauprojekte – etwa nach FIDIC-Bedingungen – geraten häufig in komplexe Streitigkeiten unter Beteiligung ausländischer Auftragnehmer und von Staaten. In solchen Streitfällen stellen sich sowohl Fragen des anwendbaren Rechts als auch der Zuständigkeit internationaler Schiedsinstanzen. In den letzten Jahrzehnten hat sich eine umfangreiche Präzedenzpraxis in den drei zentralen Streitbeilegungsmechanismen herausgebildet: dem ICSID-Schiedsverfahren, ad-hoc-Schiedsgerichten nach UNCITRAL-Regeln und Schiedsgerichten unter der Verwaltung des Ständigen Schiedshofs in Den Haag (PCA). Auffällig ist die gemeinsame Herangehensweise dieser Foren bei der Bestimmung und Anwendung von (1) anwendbarem Recht – d. h. der Rechtsordnung, die die Streitsache inhaltlich regelt – und (2) Zuständigkeit – d. h. ob und in welchem Umfang ein Tribunal befugt ist, den Streit zu entscheiden. Die Analyse von ICSID-, UNCITRAL- und PCA-Entscheidungen offenbart sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede im Umgang mit Kollisionsrecht und im Zusammenwirken zwischen vertraglichen Verpflichtungen und Normen aus Investitionsschutzverträgen. Im Folgenden werden wichtige Präzedenzfälle – namhafte Verfahren zu großen internationalen Bau- und Infrastrukturprojekten – dargestellt, um die vorherrschenden Tendenzen und Besonderheiten herauszuarbeiten.

Anwendbares Recht in der ICSID-Praxis. In ICSID-Schiedsverfahren ist die Rechtswahl durch Art. 42 Abs. 1 der Washingtoner Konvention 1965 geregelt. Haben die Parteien das anzuwendende Recht nicht ausdrücklich vereinbart, so wendet das ICSID-Schiedsgericht das Recht des beklagten Vertragsstaats (einschließlich dessen Kollisionsnormen) „und soweit erforderlich die anwendbaren Regeln des Völkerrechts“ an. Das bedeutet praktisch: In einem Investoren-Staat-Streit aus einem Bauvertrag mit einer staatlichen Stelle wird ein ICSID-Tribunal zunächst das von den Parteien vereinbarte Recht heranziehen (z. B. das im Vertrag als anwendbar bezeichnete nationale Recht). Fehlt eine solche Wahl, gilt das Recht des beklagten Staates, ergänzt um einschlägige Normen des internationalen Rechts.

Die Anwendung von Art. 42 (1) ICSID-Konvention führt dazu, dass vorrangige Regulierungsquellen die Bestimmungen des einschlägigen bilateralen Investitionsschutzvertrags (BIT) und der individuelle Vertrag zwischen Investor und Gaststaat sowie das nationale Recht des Gaststaats sind. Das Völkerrecht spielt in diesem System eine Hilfsrolle: Es greift bei Lücken im nationalen Recht oder korrigierend ein, falls dessen Anwendung zwingenden Normen der internationalen öffentlichen Ordnung widerspräche. So umfasste der Vertrag in World Duty Free Company v. Republic of Kenya (ICSID-Schiedsspruch 2006) (World Duty Free v. Kenya, 2006) zwei kollisionsrechtliche Klauseln – eine zugunsten kenianischen Rechts (Art. 10(A)), die andere zugunsten englischen Rechts (Art. 9(2)(c)). Das Schiedsgericht musste diese Rechtsordnungen in Bezug auf das Korruptionsverbot in Einklang bringen und kumulativ anwenden. Gestützt auf Art. 42 (1) ICSID-Konvention und unter Berücksichtigung internationaler Antikorruptionsstandards erklärte das Tribunal den Vertrag wegen Korruption für anfechtbar und wies die Ansprüche des Investors ab, zumal Kenia den Vertrag rechtzeitig angefochten hatte. Dieser Präzedenzfall zeigt: Selbst wenn die Parteien ausdrücklich ein nationales Recht wählen, sind ICSID-Schiedsgerichte verpflichtet, internationale Beschränkungen (wie das Korruptionsverbot als ius cogens) zu berücksichtigen und sich an den Prinzipien der internationalen öffentlichen Ordnung zu orientieren, um eine faire und rechtmäßige Streitbeilegung zu gewährleisten.

Häufig gründet ein Investitionsstreit auf einem BIT, und der Bauvertrag selbst enthält eine Rechtswahlklausel. Die meisten BIT sehen vor, dass der Streit unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Vertrags und der „anwendbaren Normen des Völkerrechts“ zu entscheiden ist. Bei Anrufung des ICSID wird eine solche Klausel als Parteienvereinbarung im Sinne von Art. 42 (1) gewertet. So im Fall Bayindir v. Pakistan (ICSID, 2005) (Bayindir v. Pakistan, 2009): Der Schiedsgerichtshof erklärte die Normen des türkisch-pakistanischen BIT von 1995 und die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts für anwendbar, da das Investitionsabkommen selbst kein nationales Recht nannte. Parallel galten für Verpflichtungen aus dem Bauvertrag mit der pakistanischen Autobahnbehörde pakistanische Vorschriften als Vertragsstatut; das Tribunal berücksichtigte diese aber nur insoweit, wie es zur Prüfung möglicher Vertragsverletzungen des BIT erforderlich war (einschließlich der Bewertung der Rechtmäßigkeit der Vertragskündigung unter dem Maßstab der Fair and Equitable Treatment-Klausel). Im Präzedenzfall Salini Costruttori S.p.A. and Italstrade S.p.A. v. Kingdom of Morocco (ICSID, 2001) (Salini v. Morocco, 2001), der einen FIDIC-Autobahnvertrag (Rabat–Fès) betraf, stellte das ICSID-Tribunal fest, dass weder der Vertrag noch das BIT Italien–Marokko eine autonome Kollisionsklausel enthalten. Folglich wird gemäß Satz 2 von Art. 42(1) der ICSID-Konvention das Recht des beklagten Staates zusammen mit Normen des internationalen Investitionsrechts (vor allem den BIT-Bestimmungen) anwendbar. Konkret bedeutete dies, dass marokkanische zivil- und verwaltungsrechtliche Normen zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung herangezogen wurden, während die Frage, ob der Staat Standards wie „gerechte und billige Behandlung“ oder „vollständige Sicherheit“ verletzt hatte, anhand völkerrechtlicher Kriterien (einschließlich des BIT selbst) entschieden wurde.

Anwendbares Recht in UNCITRAL- und PCA-Schiedsverfahren. In ad-hoc-Schiedsverfahren nach UNCITRAL-Regeln (einschließlich von der PCA administrierter Verfahren) bestimmt sich das anwendbare Recht nach der Schiedsvereinbarung der Parteien und der UNCITRAL-Schiedsordnung. Gemäß Art. 35 UNCITRAL-Regeln gilt: „Das Schiedsgericht wendet die vom Parteien vereinbarten Rechtsnormen an. Fehlt eine solche Vereinbarung, wendet es das Recht an, das es für angemessen hält.“ Entsteht also ein Streit aus einem internationalen Bauvertrag, der einem bestimmten nationalen Recht unterliegt (was für FIDIC-Verträge typisch ist, bei denen im Vertrag oft das Recht des Projektlands benannt ist), so wird ein UNCITRAL-Schiedsgericht dieses gewählte nationale Recht anwenden. Konfliktrechtliche Fragen stellen sich nur, wenn die Parteien kein Recht bestimmt haben. Dann greifen die Schiedsrichter in der Regel auf allgemeine Kollisionsgrundsätze zurück und bevorzugen häufig das Recht des Staates mit der engsten Verbindung zum Streit (z. B. das Recht des Staates, in dem sich das Bauobjekt befindet oder in dem die Hauptleistung zu erbringen ist).

In vielen Investor-Staat-Streitigkeiten zu Bauverträgen ergibt sich das anwendbare Recht jedoch weniger aus dem Vertrag, sondern aus dem BIT. Leitet ein Investor ein UNCITRAL-Schiedsverfahren mit dem Vorwurf ein, der Staat habe BIT-Normen verletzt – sei es Enteignung, unfairer Umgang oder Verletzung einer umbrella clause –, richtet sich das Tribunal in der Regel nach dem BIT-Text und dem Völkerrecht. Es behandelt die BIT-Bestimmung als autonomes Rechtswahlabkommen, was im Ergebnis der ICSID-Praxis entspricht, auch wenn im UNCITRAL-Kontext die ausdrückliche Vorgabe des Art. 42 ICSID-Konvention fehlt. Ein anschauliches Beispiel ist Romak v. Usbekistan (Schiedsspruch, UNCITRAL 2009) (Romak v. Uzbekistan, 2009). Hier versuchte ein Schweizer Unternehmen, einmalige Getreidelieferungen auf Grundlage von GAFTA-Standardverträgen als „Investition“ im Sinne des BIT Schweiz–Usbekistan zu qualifizieren. Unter Anwendung der Wiener Vertragsrechtskonvention (1969) bestätigte das Tribunal, dass eine geschützte Investition Beitrag, Dauer und Risiko voraussetzen muss. Ein bloßer Güterverkauf erfüllte diese Kriterien nicht. Mangels einer „Investition“ bezog sich das anwendbare Recht folglich nur auf die Zuständigkeitsfrage und bestand aus den völkerrechtlichen Auslegungsregeln für das BIT; eine nationale Rechtsordnung kam hierfür nicht zur Anwendung. Dagegen können in Fällen, in denen der Investitionscharakter unstreitig ist, bei rein vertraglichen Aspekten durchaus nationale Normen ergänzend einfließen.

Ein weiteres Beispiel für eine gestufte kollisionsrechtliche Regelung bietet das PCA-Verfahren Eurotunnel (The Channel Tunnel Group Ltd. & France-Manche S.A. v. UK & France). Das anwendbare Recht wurde dort durch eine mehrschichtige Kollisionsklausel festgelegt: Aufgrund von Art. 19(6) des Vertrags von Canterbury 1986 (über die feste Kanalverbindung) und Kl. 40.4 des Konzessionsvertrags stützte sich das Schiedsgericht zunächst auf den Staatsvertrag und den Konzessionsvertrag selbst; sodann auf die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts; englisches oder französisches Recht war nur einzubeziehen, soweit die Erfüllung bestimmter Pflichten dies erforderte. Zudem bestätigte Kl. 41.1, dass nationales Recht lediglich subsidiär „soweit anwendbar“ gilt. Das Tribunal maß dem Vertrag und der Konzession Vorrang bei, qualifizierte die Ansprüche der Konzessionäre als rein vertragliche (contract claims) und berücksichtigte nationales Recht nur insoweit, als es sich bruchlos in das vereinbarte „Konzessions-Regime“ einfügte und diesem nicht widersprach. Dies verdeutlicht die Flexibilität des PCA-Schiedsgerichts, internationale und nationale Elemente zu kombinieren, wenn ein zivilrechtlicher Vertrag in einen breiteren öffentlich-rechtlichen Kontext eingebettet ist.

In allen wichtigen Schiedsregimen zeigt sich ein einheitliches Grundprinzip bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts: Liegt eine Rechtswahl der Parteien vor, wird diese beachtet; fehlt sie, bemühen sich die Schiedsrichter um die Ermittlung des dem Streit am nächsten verbundenen Rechts. In investitionsrechtlichen Verfahren unter ICSID-, UNCITRAL- oder PCA-Regeln wird fast durchweg den Normen des einschlägigen Investitionsvertrags und dem Völkerrecht der Vorzug gegeben, während nationales Recht vornehmlich zur Lösung rein vertraglicher Fragen herangezogen wird (z. B. zum Bestehen und Umfang von Verpflichtungen oder zu den Folgen ihrer Verletzung). Die Unterschiede zwischen den Institutionen ergeben sich in erster Linie aus ihren Gründungsinstrumenten: ICSID schreibt formal die Berücksichtigung des Rechts des Aufnahmestaats vor (was kritisch sein kann, wenn das BIT einen Aspekt nicht abdeckt), wohingegen UNCITRAL- und PCA-Regeln dem Tribunal mehr Freiheit bei der Kollisionsmethode lassen. In der Praxis wurden diese Unterschiede jedoch in den letzten Jahrzehnten faktisch eingeebnet: Die Tribunale aller Foren gelangen im Allgemeinen zu ähnlichen materiellrechtlichen Ergebnissen, indem sie entweder das von den Parteien gewählte Recht anwenden oder – falls ein solches fehlt – das Recht des Gaststaats in Verbindung mit allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts. Die Konvergenz der Ansätze verdeutlichen beispielsweise Streitigkeiten über Eingriffe staatlicher Gerichte in die Vollstreckung von Schiedssprüchen aus Bauverträgen. In den Fällen Saipem v. Bangladesh (ICSID, 2009) und ATA Construction v. Jordan (ICSID, 2010) qualifizierten ICSID-Schiedsgerichte die Aufhebung bzw. Behinderung der Vollstreckung von Schiedssprüchen durch nationale Gerichte als Verletzung der Verpflichtung aus dem BIT, obwohl die zugrunde liegenden Verträge dem Recht von Bangladesch bzw. Jordanien unterstanden. Beide Schiedsgerichte stützten sich auf BIT-Vorschriften zur Gewährleistung eines fairen und gleichberechtigten Investitionsregimes und auf Regeln zur Staatenhaftung und demonstrierten so den Vorrang internationaler Standards vor nationalen Normen im Falle der Verletzung von Investorenrechten.

Zuständigkeit und Schiedsfähigkeit von Investitionsstreitigkeiten. Die Schiedsgerichtsbarkeit des ICSID beruht auf dem Washingtoner Übereinkommen 1965 und der Streitparteienvereinbarung (in der Regel einer Klausel im Investitionsvertrag oder direkt im Vertrag mit dem Staat). Die zentrale Voraussetzung ist das Vorliegen einer „Investition“ im Sinne des Art. 25(1) ICSID-Konvention, und der Streit muss unmittelbar aus dieser Investition entstehen. Bei Bauprojekten bedeutet dies, dass der Auftragnehmer-Investor einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaftstätigkeit des Gastlands leisten muss – der Bau von Infrastrukturen erfüllt dieses Kriterium in der Regel. So formulierte das Tribunal im bereits genannten Fall Salini v. Marokko (ICSID, 2001) den berühmten Salini-Test zur Bestimmung einer Investition: Kapitaleinsatz oder sonstige Vermögenswerte, eine bestimmte Projektdauer, Übernahme eines unternehmerischen Risikos und Beitrag zur Entwicklung des Gaststaats. Der Bauvertrag über eine Autobahn in Marokko, finanziert durch den Investor (ein italienisches Unternehmen) und begleitet von Technologietransfer und Risiken, wurde als „Investition“ anerkannt. Dieser Ansatz wurde in zahlreichen ICSID-Fällen zu Straßenbau, Energieanlagen, Immobilien usw. bestätigt. Beispielsweise wandten die Tribunale im oben erörterten Fall Bayindir v. Pakistan wie auch in Jan de Nul v. Ägypten und Toto Costruzioni v. Libanon (Toto v. Lebanon, 2012) den Salini-Test an. In Toto stellte das ICSID-Tribunal in einer Entscheidung vom September 2009 fest, dass ein Bauauftrag als „Investition“ i.S.v. Art. 25(1) ICSID-Konvention gelten kann, indem es Beitrag, Dauer und Risiko bejahte; zugleich wies es Ansprüche ab, die ausschließlich auf vertraglichen Pflichten beruhten und keine Ausübung hoheitlicher Prärogativen betrafen. Mit Schiedsspruch vom Juni 2012 lehnte das ICSID-Tribunal in Toto alle auf dem BIT beruhenden Ansprüche ab, unterschied klar zwischen Vertragsverletzungen und Verletzungen des internationalen Investitionsrechts, stellte fest, dass ein Teil der Verzögerungen durch Projektänderungen seitens des Auftragnehmers bedingt war, und teilte die Verfahrenskosten hälftig.

Eine weitere ICSID-Voraussetzung ist das Vorhandensein eines „ausländischen Investors“ – einer natürlichen oder juristischen Person mit Staatsangehörigkeit bzw. Sitz in einem anderen Vertragsstaat. Die Feststellung der Staatsangehörigkeit ist oft konfliktträchtig, besonders bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen. In klassischen EPC-Verträgen stellte sich diese Frage selten, da Auftragnehmer meist in Vertragsstaaten registriert waren. Die Schiedspraxis zeigt jedoch, dass der Beklagtenstaat den Status „ausländischer Investor“ bestreiten kann, z. B. unter Verweis auf den Verlust der erforderlichen Staatsbürgerschaft oder fehlende tatsächliche Kontrolle durch ausländische Anteilseigner. Prägend ist das Beispiel Autopista Concesionada de Venezuela v. Venezuela (ICSID, 2003) (Autopista v. Venezuela, 2003): Der Autobahnkonzessionär war ein venezolanisches Unternehmen; nach Übernahme der Aktienmehrheit durch eine ausländische Gesellschaft vereinbarten die Parteien, dass diese Gesellschaft als Investor aus einem Vertragsstaat gilt. Das Tribunal bejahte die Zuständigkeit und stellte fest, dass Art. 25(2)(b) ICSID-Konvention eine solche vertragliche Fixierung der ausländischen Investorenstellung zulässt, ungeachtet des formalen Sitzes des Unternehmens. Ein Ausnahmefall bleibt, wenn der Investor die erforderliche Staatsangehörigkeit nicht nachweisen kann: Im Fall Soufraki v. UAE (ICSID, 2004) (Soufraki v. UAE, 2004) wurde die Klage abgewiesen, weil der Kläger die italienische Staatsbürgerschaft vor Klageerhebung verloren hatte. In sämtlichen baubezogenen Fällen prüft das ICSID-Tribunal von Amts wegen die Staatsangehörigkeit des Investors nach Art. 25 der Konvention; stellt es fest, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt die Staatsangehörigkeit des Beklagtenstaats besaß, muss es die Zuständigkeit ablehnen. Dies hindert den Investor allerdings nicht, ein Verfahren nach UNCITRAL-Regeln oder vor dem PCA einzuleiten, die nicht an Art. 25 gebunden sind und sich nach dem BIT richten.

Die ICSID-Konvention verlangt auch, dass der Streit unmittelbar aus der Investitionstätigkeit entspringt. Bei Bauverträgen gibt es oft gleichzeitig „vertragliche Streitigkeiten“ (z. B. über nicht bezahlte Leistungen oder unrechtmäßige Vertragskündigung durch den öffentlichen Auftraggeber) und potenzielle „BIT-Ansprüche“ (z. B. Enteignung, wenn der Staat Ausrüstung beschlagnahmt, oder Verletzung des fairen Umgangs durch willkürliche Behördeneingriffe). In solchen Fällen ist entscheidend abzugrenzen, ob das Tribunal nur BIT-Verstöße verhandelt oder auch Ansprüche verhandeln darf, die ausschließlich auf dem zivilrechtlichen Vertrag beruhen und keine Normen des internationalen Investitionsrechts berühren.

Die ICSID-Praxis hat einen klaren Ansatz entwickelt: Eine vertragliche Gerichtsstandsklausel (z. B. Pflicht zur Klageerhebung vor nationalem Gericht oder Handelsschiedsgericht für Vertragsstreitigkeiten) schließt die ICSID-Zuständigkeit für BIT-Ansprüche nicht aus. Der Investor darf Ansprüche wegen Verletzung des Investitionsschutzvertrags geltend machen, selbst wenn dieselben Tatsachen zugleich eine Vertragsverletzung des Staates darstellen. Maßgeblich ist der Schiedsspruch im ICSID-Aufhebungsverfahren Vivendi (Compañía de Aguas del Aconquija) v. Argentinien (2002), in dem betont wurde, dass der Staat sich nicht auf die vertraglich vereinbarte ausschließliche Zuständigkeit berufen kann, um die Qualifizierung seines Verhaltens als völkerrechtliches Delikt zu umgehen; diese Haltung wurde im neu aufgerollten Vivendi-Fall 2007 bestätigt (Vivendi v. Argentina, 2007). Folglich legt eine Klausel im Bau- oder Investitionsvertrag über die Zuständigkeit nationaler Gerichte lediglich das Verfahren für rein vertragliche Ansprüche fest, entbindet den Gaststaat jedoch nicht von der Verantwortung für Verstöße gegen das BIT. Nachfolgende Schiedsgerichte, auch in Bauschiedsverfahren, sind diesem Grundsatz gefolgt. So wandte sich im oben genannten Bayindir v. Pakistan (ICSID, 2009) der Staat gegen die ICSID-Zuständigkeit mit dem Argument, der Hauptstreit – die Kündigung des Straßenbauvertrags – müsse gemäß der Schiedsklausel des Vertrags (dort ein lokales Schiedsverfahren nach pakistanischem Recht) entschieden werden und es gebe „keine eigenständige BIT-Verletzung“. Das ICSID-Tribunal wies diese Einwände zurück, da die geltend gemachten Ansprüche auf dem Investitionsvertrag (Enteignung, faire Behandlung etc.) beruhten, und selbst wenn sie faktisch mit dem Vertragsstreit zusammenhingen, entziehe dies dem ICSID nicht die Kompetenz. Das Tribunal befasste sich auch mit parallelen Verfahren: Da Bayindir das Vertragsschiedsverfahren nicht zu Ende geführt, sondern direkt ICSID angerufen hatte, gab es keine „doppelte“ Rechtshängigkeit. Ähnlich im Fall Toto Costruzioni v. Libanon (ICSID, 2012): Der Straßenbau-Investor sah sich einer Klausel gegenüber, wonach Vertragsschäden vor den Verwaltungsgerichten Libanons geltend zu machen waren. Er machte parallel BIT-Ansprüche (Italien–Libanon BIT) wegen Verzögerungen und Behördenmaßnahmen geltend. Das ICSID-Tribunal bestätigte seine Zuständigkeit für die BIT-Ansprüche, da diese sich von rein vertraglichen Klagen unterschieden und auf internationalem Recht basierten. Im selben Schiedsspruch prüfte das Tribunal die Anwendbarkeit der „Fork-in-the-Road“-Doktrin (der zufolge die Wahl des nationalen Rechtswegs durch den Investor dessen späteren Zugang zum Schiedsgericht blockiert, falls das BIT eine ausschließliche Wahl enthält). Da das BIT Italien–Libanon keine strikte Fork-in-the-Road-Klausel enthielt, sondern nur eine 12-monatige Klagefrist vor den libanesischen Gerichten vorsah, analysierte das Tribunal die tatsächlichen Verfahrensschritte des Investors. Ansprüche, die zuvor nicht vor nationalen Gerichten erhoben worden waren, wurden als zulässig (admissible) erachtet, während identische Ansprüche, die schon den libanesischen Gerichten vorlagen, als unzulässig (inadmissible) abgewiesen wurden, gestützt auf das Prinzip ne bis in idem (Verbot der doppelten Rechtshängigkeit derselben Sache).

Einige BIT – besonders ältere – enthalten die sogenannte „Gabelungs-“ oder „Wegsperren“-Klausel (fork in the road), wonach die Anrufung nationaler Gerichte oder eines sonstigen gewählten Forums den späteren internationalen Investitionsschiedsweg ausschließt. Diese Klausel ist für internationale Baustreitigkeiten bedeutsam: Ein Auftragnehmer, der national klagt oder ein Handelsschiedsgericht anruft, riskiert, das Recht auf Investitionsschiedsverfahren wegen desselben Streitgegenstands zu verlieren. Ein striktes Beispiel hierfür ist Pantechniki S.A. v. Albanien (ICSID, 2009) (Pantechniki v. Albania, 2009). Nach Unruhen 1997 wurde Eigentum eines griechischen Straßenbauunternehmens in Albanien geplündert. Der Investor klagte zunächst vor albanischen Gerichten auf Vertragsentschädigung (unter Berufung auf eine Vertragsklausel zu Unruhenrisiken), doch das albanische Appellationsgericht erklärte diese Klausel nach nationalem Recht für nichtig. Ohne das nationale Verfahren fortzusetzen, leitete der Auftragnehmer ein ICSID-Verfahren ein und stützte seine Ansprüche auf das BIT Griechenland–Albanien, inkl. Verletzung von Investitionsstandards und Rechtsverweigerung (engl. denial of justice). Der Einzel-Schiedsrichter (J. Paulsson) untersuchte sorgfältig die Fork-in-the-Road-Klausel und den Gegenstand des nationalen vs. des Schiedsverfahrens. Er kam zu dem Schluss, dass beide Verfahren faktisch auf denselben Umständen basierten und identische Ziele – Entschädigung desselben Schadens – verfolgten, trotz formal unterschiedlicher Rechtsgrundlagen (Vertrag vs. BIT). Das Tribunal entschied, dass der Investor seinen nationalen Rechtsweg ausgeschöpft und damit das Recht auf Schiedsverfahren nach dem BIT verwirkt hatte. Die Ansprüche wurden nicht mangels sachlicher Begründetheit, sondern wegen Unanwendbarkeit des BIT nach Anrufung der nationalen Gerichte abgewiesen.

Mehrestufige Streitbeilegungsverfahren. Internationale Bauverträge (insbesondere FIDIC-Verträge) sehen nahezu immer ein mehrstufiges Streitbeilegungsverfahren vor: zunächst Einschaltung des Ingenieurs (technischer Vertreter des Auftraggebers); danach eines Dispute Adjudication Board (DAB) – bei Verträgen bis 2017 – bzw. eines Dispute Avoidance/Adjudication Board (DAAB) nach FIDIC 2017; und erst dann Schiedsgerichtsbarkeit. Ebenso verlangen viele BIT, dass zunächst gütliche Einigung oder die Anrufung eines lokalen Gerichts für eine bestimmte Zeit (z. B. 6 Monate oder 1 Jahr) versucht wird, bevor der Schiedsweg beschritten wird. Die Nichtbefolgung solcher Vorbedingungen wird meist als Frage der Klagezulässigkeit und nicht der Zuständigkeit (ipso jure) angesehen. In der Praxis neigen ICSID- wie UNCITRAL-Tribunale dazu, eine Klage nicht rein formal abzuweisen, wenn die Vorstufe nicht eingehalten wurde, sondern prüfen, ob diese nicht ihren Sinn verloren hat. Beispielsweise wird die 6-monatige Verhandlungsfrist in BIT nicht als Zuständigkeitshemmnis, sondern als Verfahrensanforderung gewertet, die „konkludent aufgehoben“ sein kann, falls der Staat sich ohne Einwand auf das Verfahren eingelassen hat oder Verhandlungen offensichtlich zwecklos sind. Im erwähnten Bayindir v. Pakistan-Fall hatte der Kläger den Streit angezeigt und bis zur Registrierung der Klage waren 6 Monate verstrichen – die Bedingung galt als erfüllt. Im Verfahren SGS v. Pakistan (ICSID, 2003) (SGS v. Pakistan, 2003) stellte das Tribunal fest, dass die formale Nichteinhaltung der 12-monatigen Konsultationsfrist (Art. 9 BIT) die Schiedsgerichtsbarkeit nicht aufhebt, wenn sie zum Zeitpunkt der Kompetenzentscheidung bereits abgelaufen ist.

Die Frage der vorgeschalteten DAB/DAAB-Anrufung nach FIDIC stellte sich z. B. im oben erörterten Pantechniki v. Albania. Dort versuchte der Investor, sofort BIT-Ansprüche wegen Vertragsenteignung geltend zu machen, und übersprang das DAB. Das ICSID-Schiedsgericht konzentrierte sich jedoch auf andere Aspekte (Fork-in-the-Road) und fällte keine Grundsatzentscheidung zur Missachtung des DAB. In Handelsschieds- und Gerichtsverfahren taucht das Thema ebenfalls auf. So hat der Oberste Gerichtshof der Philippinen dies im Fall Hutama–RSEA JO, Inc. v. Citra Metro Manila Tollways Corp. (Entscheidung vom 24. April 2009) (Hutama-RSEA v. Citra, 2009) behandelt. Der Streit ergab sich aus einem EPC-Vertrag (Skyway Project) zwischen dem Generalunternehmer Citra und dem Subunternehmer Hutama-RSEA JO über unbezahlte Leistungen. Nach erfolglosen Verhandlungen leitete der Subunternehmer ein Schiedsverfahren vor der philippinischen Construction Industry Arbitration Commission (CIAC) ein, ohne das im Vertrag vorgesehene obligatorische DAB-Verfahren (Kl. 20.4 EPC) durchlaufen zu haben. Der Generalunternehmer erhob Einrede gegen die Zuständigkeit der CIAC wegen Nichtbefassung des DAB. Die CIAC bestätigte in ihrem Entscheid vom 30. August 2005 ihre Zuständigkeit. Auf Beschwerde hob das philippinische Berufungsgericht am 23. Mai 2007 diesen Spruch auf, da die DAB-Anrufung obligatorisch sei und vor Schiedsverfahren erfolgen müsse. Daraufhin legte der Subunternehmer beim Obersten Gerichtshof Rechtsmittel ein, der mit Urteil vom 24. April 2009 das Berufungsurteil aufhob und den CIAC-Spruch wiederherstellte, womit CIAC den Streit entscheiden durfte. Der Supreme Court argumentierte, dass schon die Existenz der Schiedsklausel die Zustimmung der Parteien zum Schiedsverfahren belege und die Nichtbefolgung der DAB-Stufe CIAC nicht der Zuständigkeit beraube (wenn auch z. B. bei Kostenentscheidung oder Aussetzung des Verfahrens berücksichtigt werden könne).

Rolle des Ständigen Schiedshofs (PCA). Der PCA als Institution stellt keine eigenen zusätzlichen Anforderungen an die Zuständigkeit – diese richten sich entweder nach der Schiedsvereinbarung oder den gewählten Regeln. Der PCA verwaltet zwar auch zwischenstaatliche Streitigkeiten, fungiert aber im Investitionsbereich oft als Registrator für ad-hoc-Schiedsverfahren. So wurden viele große UNCITRAL-Investitionsschiedsverfahren der 2010er (z. B. gegen Venezuela nach dessen ICSID-Austritt) vom PCA administriert. In solchen Fällen sind die Zuständigkeitsvoraussetzungen durch das jeweilige BIT vorgegeben. Interessanterweise folgen PCA-Tribunale auch in Streitigkeiten auf Grundlage multilateraler Verträge oder Spezialvereinbarungen der oben skizzierten allgemeinen Logik. Im genannten Eurotunnel-Verfahren wurde neben Fragen des anwendbaren Rechts auch die Zuständigkeit für bestimmte Ansprüche diskutiert, die nach Ansicht der Beklagten (UK und Frankreich) nicht von der Schiedsklausel erfasst seien. Schließlich wurden einige Ansprüche (insbesondere auf gesamtschuldnerische Haftung der Regierungen für Schäden) mangels Unterfalls der Schiedsklausel als außerhalb der Zuständigkeit liegend angesehen, weil sie über die Vertragspflichten der Staaten aus der Konzession hinausgingen. Dies unterstreicht: Fehlt ein universelles Abkommen wie die ICSID-Konvention, bestimmen allein Parteivereinbarungen die Zuständigkeitsgrenzen eines PCA-Schiedsgerichts.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung bestätigen, dass bei der Wahl des anwendbaren Rechts und der Bestimmung der Zuständigkeit in internationalen Bauverträgen der größte Nutzen erzielt wird, wenn funktional-branchenspezifische Kriterien der Investitionstätigkeit berücksichtigt werden, wie sie in der ICSID-Praxis formuliert sind. Diese Kriterien – zunächst im Salini-Präzedenzfall systematisiert und in der russischen Lehre zur ICSID-Sachzuständigkeit ausführlich dargestellt (Tereshkova & Gadalov, 2022) – erlauben es, vertragliche Ansprüche zuverlässig von Ansprüchen auf Grundlage des internationalen Investitionsrechts zu trennen. Die Untersuchung zeigt, dass eine solche Trennung besonders überzeugend gelingt, wenn Baukonzessionsmodelle Elemente eines EPC-Vertrags mit einem Investitionsschutzabkommen verbinden; in diesem Fall kann eine kollisionsrechtliche Klausel in den FIDIC-Bedingungen als „juristische Brücke“ zwischen dem öffentlich-rechtlichen Regime und dem kommerziellen Geschäft funktionieren.

Zugleich bestätigen praktische Erkenntnisse aus ad-hoc-UNCITRAL-Schiedsverfahren Befürchtungen im Zusammenhang mit der Normenunsicherheit des kaspische

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 2: Probleme des Gegenstands und der Methoden der Regelung des Völkerrechts. System des Völkerrechts.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Международное частное право и международное строительное контрактное право: применимое право и юрисдикция / Д. С. Белкин // Международное право. – 2025. – № 3. – С. 191-207. – DOI 10.25136/2644-5514.2025.3.74510. – EDN RZWBRP. DOI: 10.25136/2644-5514.2025.3.74510 EDN: RZWBRP

Article URL: https://nbpublish.com/library_read_article.php?id=74510

Article PDF: https://www.elibrary.ru/download/elibrary_83001229_64468514.pdf

Literaturverzeichnis

1. Alferova, E. V. (2016). Herausforderungen der Globalisierung und des Rechts. Pravo v usloviyakh globalizatsii, 2016, 8–30.

2. Born, G., & Kalelioglu, C. (2021). Rechtswahlvereinbarungen in internationalen Verträgen. Georgia Journal of International & Comparative Law, 50, 44.

3. Crawford, J., & Brownlie, I. (2019). Brownlie’s Principles of Public International Law. Oxford University Press (USA).

4. Glikman, O. V., & Mamedov, L. R. (2024). Mechanismen der völkerrechtlichen Regulierung von Pipelineprojekten im Kaspischen Raum. Aktualnye problemy rossiiskogo prava, 19(9[166]), 119–131.

5. Grimm, D., Dobner, P., & Loughlin, M. (2010). Die Dämmerung des Konstitutionalismus?

6. Huang, J. (2023). Entwicklung des chinesischen IPR… Netherlands International Law Review, 70, 205–249.

7. Kelsen, H. (2003). Principles of International Law. The Lawbook Exchange Ltd.

8. Khlestov, O. N. (2021). Völkerrecht und Russland. Moskovskiy zhurnal mezhdunarodnogo prava, (4), 52–59.

9. Lisitsyn-Svetlanov, A. G. (2021). Streitbeilegung bei Investitionsprojekten mit ausländischer Beteiligung. Pravovoi energeticheskii forum, (2), 8–13.

10. Tereshkova, V. V., & Gadalov, G. A. (2022). Anwendung des Salini-Tests… International Law and International Organizations, (3), 35–50.

11. Umnova-Konyukhova, I. A. (2016). Verfassungsrecht und Völkerrecht: Theorie und Praxis der Wechselwirkung. RGUP. ISBN 978-5-93916-526-6.

12. Varlamova, N. V., & Vasil’eva, T. A. (Hrsg.). (2017). Internationalisierung des Verfassungsrechts: Aktuelle Tendenzen. IGP RAN.

13. Weiler, J. H. H., & Wind, M. (Hrsg.). (2003). European Constitutionalism Beyond the State. Cambridge University Press.

14. Yakovleva, I. (2022). Zuständigkeitsfragen in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit. BULLETIN of LN Gumilyov ENU. Law Series, 141(4), 97–104.

15. Yanyan, Z., & Disi, S. (2024). Schiedsmechanismus für Investitionsstreitigkeiten… Vestnik Instituta ekonomiki RAN, (4), 175–195.

KAPITEL 3. Systematische Einordnung des Regulierungsrechts im internationalen Bauvertragsrecht: Rechtsdogmatische und verfassungsrechtliche Perspektiven auf staatliche und nichtstaatliche Akteure

DOI: 10.64457/icl.de.ch3

Das Kapitel untersucht den Einfluss der Doktrin des Rechts zur Regulierung auf die Rechtspersönlichkeit von Staaten und nichtstaatlichen Akteuren im internationalen Bauvertragsrecht. Ausgangspunkt ist Georg Jellineks Theorie der freiwilligen Selbstbeschränkung; anschließend werden Heiliger Stuhl, Vereinte Nationen und Vereinigte Staaten als unterschiedliche Subjekttypen dargestellt. Die Schiedsfälle SAUR International SA v. Argentinien und Methanex v. Vereinigte Staaten veranschaulichen zulässige Grenzen öffentlicher Regulierung. Der Befund betont, dass die systematische Aufnahme des Regulierungsrechts in Verträge Risiken verteilt und Investitionssicherheit fördert.

Die Doktrin des „Rechts auf Regulierung“ (Right to Regulate, RTR) ist ein grundlegendes Prinzip, das es Staaten ermöglicht, ihre hoheitlichen Befugnisse zum Schutz öffentlicher Interessen auszuüben – etwa zur Wahrung der Sicherheit, des Umweltschutzes und der Menschenrechte. Im Völkerrecht spielt RTR eine entscheidende Rolle, besonders im Bereich des internationalen Bauvertragsrechts, das eine Ausgewogenheit zwischen den Interessen verschiedener Akteure – staatlicher und nichtstaatlicher – erfordert. Diese Doktrin erlaubt es Staaten, Bedingungen in internationalen Bauverträgen zu regulieren, um die Einhaltung von Normen sicherzustellen, die im öffentlichen Interesse liegen, einschließlich Umweltstandards, Arbeitsnormen und Investitionsschutzbestimmungen.

Das „Recht auf Regulierung“ kommt nicht nur den Staaten selbst zugute, sondern findet auch bei einer wachsenden Zahl nichtstaatlicher Akteure Anwendung, deren Einfluss auf die internationalen Beziehungen immer bedeutender wird. Ein eindrucksvolles Beispiel ist der Heilige Stuhl als sui generis-Völkerrechtssubjekt. Die völkerrechtliche Subjektivität des Heiligen Stuhls beruht nicht auf klassischer staatlicher Souveränität, sondern auf seiner geistlichen Mission. Sein besonderer Status ermöglicht es ihm, diplomatische Beziehungen zu über 180 Staaten zu unterhalten und aktiv an der Arbeit internationaler Organisationen mitzuwirken [Araujo, 2000]. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Völkerrechtssubjektivität vielfältig sein kann und nicht immer von den traditionellen Merkmalen eines Staates (wie Territorium und Souveränität) abhängt. Die Anwendung der RTR-Doktrin auf solch einzigartige Akteure wie den Heiligen Stuhl gestattet eine flexible Handhabung ihres Auftretens in den internationalen Beziehungen, obwohl ihnen die klassischen Souveränitätsattribute fehlen.

Ein nicht minder bedeutendes Beispiel ist die Organisation der Vereinten Nationen. Obwohl die UNO keine Souveränität im klassischen Sinne besitzt, hat sie erheblichen Einfluss auf die internationalen Beziehungen und nimmt aktiv an der Regulierung verschiedener Aspekte des internationalen Baurechts teil. So greift die UNO im Zuge von Friedenssicherungs- und Wiederaufbauprojekten in Nachkonflikt-Regionen in Bauprozesse ein, indem sie die Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten zur Voraussetzung macht. In diesem Fall ermöglicht die RTR-Doktrin den Vereinten Nationen, auch ohne eigene staatliche Souveränität auf internationale Bauverträge einzuwirken.

Darüber hinaus wird die Doktrin des „Rechts auf Regulierung“ im Handeln von Staaten wie Deutschland und den USA sichtbar. Die deutschen Behörden zum Beispiel achten im Rahmen der Privatautonomie zwar grundsätzlich die Vertragsfreiheit, doch unterliegen Bauverträge mit öffentlichen Auftraggebern strengen Vorgaben des Vergaberechts (etwa dem GWB und der VgV) und technischen Standards (DIN-Normen, VOB/B). Dies stellt sicher, dass bei der Vertragsgestaltung öffentliche Interessen wie Transparenz, Wettbewerb und Nachhaltigkeit gewahrt bleiben. Auch die USA setzen extraterritorial hohe Umwelt- und Arbeitsschutzstandards für ihre Unternehmen durch: Selbst wenn amerikanische Firmen internationale Bauverträge im Ausland schließen, sind sie gehalten, US-Vorschriften – einschließlich Umweltauflagen und Arbeitssicherheitsstandards – einzuhalten. Solche Beispiele zeigen, wie RTR es Staaten ermöglicht, die Tätigkeit nichtstaatlicher Akteure, einschließlich transnationaler Konzerne, zu regulieren und öffentliche Interessen auch jenseits der eigenen Landesgrenzen zu schützen.

Die genannten Beispiele – Heiliger Stuhl, UNO und staatliche Regulierungspraxis – machen deutlich, dass Rechts- und Handlungsfähigkeit im Völkerrecht unterschiedliche Formen annehmen kann. Indem die Doktrin des „Rechts auf Regulierung“ auch auf nichtstaatliche Akteure (wie internationale Organisationen und atypische Völkerrechtssubjekte) angewandt wird, erlaubt sie es, deren Beteiligung an internationalen Bauangelegenheiten flexibel zu steuern. Dies erweitert die Möglichkeiten, internationale Vertragsbeziehungen zu regulieren, und gewährleistet den Schutz öffentlicher Interessen selbst dann, wenn diese Akteure nicht über klassische Souveränitätsmerkmale verfügen. Somit bietet RTR eine rechtliche Grundlage für eine effektive und vielseitige Regulierung der internationalen Beziehungen im Bausektor und in anderen Bereichen, in denen die Interessen verschiedener Rechtsträger in Einklang gebracht werden müssen.

Für das Verständnis der staatlichen Rechtssubjektivität und ihres Wechselspiels mit der RTR-Doktrin ist ein Blick auf die Theorien von Georg Jellinek hilfreich. Jellinek entwickelte das Konzept der freiwilligen Selbstbeschränkung und Selbstverpflichtung des Staates [Jellinek et al., 1900]. In seiner Konzeption wird deutlich, dass ein Staat bei der Ausübung seiner Souveränität sich selbst in bestimmten Bereichen beschränken kann, um völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. So akzeptieren Staaten in internationalen Bauverträgen häufig Vertragsklauseln, die ihr Eingreifen in die Wirtschaft begrenzen, um ausländischen Investoren Rechtsstabilität zu garantieren. Gleichzeitig bewahren staatliche Organe ihre Hoheitsrechte in Bezug auf die Regelung innerstaatlicher Angelegenheiten.

Jellinek gelang es, zwei entgegengesetzte Ansätze zur Natur der Staatssouveränität zu vereinen: den rechtlichen Positivismus – vertreten etwa durch Gerber und Laband – der auf der uneingeschränkten obersten Staatsgewalt fußt, und den „juristischen Sozialismus“ Gierkes, der die Rolle von Korporationen und gesellschaftlichen Verbänden bei der Machtbildung anerkennt. Jellineks Theorie zeigte, dass die staatliche Rechts- und Handlungskompetenz wandelbar ist und sich an veränderte innere und äußere Rahmenbedingungen anpassen kann. Dies ist im Kontext der RTR-Doktrin besonders relevant, da sie den Anspruch erhebt, sowohl die staatliche Souveränität zu bewahren als auch internationale Verpflichtungen zu integrieren.

Am Beispiel des Heiligen Stuhls zeigt sich, dass die völkerrechtliche Subjektivität nichtstaatlicher Akteure in besonderen Formen auftreten kann. Der Heilige Stuhl nimmt an der diplomatischen Kommunikation und an internationalen Verhandlungen teil; seine Rechtsstellung gründet auf einem geistlichen Souveränitätsverständnis und nicht auf den üblichen staatlichen Merkmalen wie Territorium oder Bevölkerung [Kunz, 1952]. Dieser Fall unterstreicht, dass völkerrechtliche Subjektivität über die klassischen Staatsbegriffe hinausreichen kann und dass die RTR-Doktrin hilft, solche Besonderheiten im internationalen Recht zu berücksichtigen.

Ein zentrales Anliegen der Doktrin „Recht auf Regulierung“ ist die Bestätigung des souveränen Rechts der Staaten, Normen zum Schutz öffentlicher Interessen zu erlassen – etwa zum Umweltschutz, zur öffentlichen Sicherheit, Gesundheit und anderen essenziellen Bereichen der staatlichen Daseinsvorsorge. Zugleich muss das Recht des Staates zu regulieren so ausgeübt werden, dass die Rechte ausländischer Investoren auf angemessene Behandlung und Schutz ihrer Investitionen nicht unangemessen beeinträchtigt werden. Im Kontext internationaler Bauverträge bedingt dies eine sorgfältige Abwägung zwischen dem staatlichen Souveränitätsanspruch und dem Anspruch ausländischer Vertragspartner auf Berechenbarkeit und Beständigkeit der Rechtslage. Eine solche Harmonisierung staatlicher und privater Interessen – etwa durch Stabilisierungsklauseln oder transparente Verwaltungspraxis – fördert nicht nur den Schutz der Allgemeinheit, sondern schafft auch langfristige Rechtssicherheit und Vertrauen bei Investoren.

Ein Beispiel für die erfolgreiche Geltendmachung des RTR-Grundsatzes in der Schiedspraxis ist der Fall SAUR International SA gegen Argentinien. In diesem Investitionsschiedsverfahren (ICSID) bestätigte das Tribunal das Recht Argentiniens, Maßnahmen zum Schutz öffentlicher Interessen zu ergreifen, obwohl diese sich nachteilig auf die Interessen eines ausländischen Investors auswirkten. Das französische Unternehmen SAUR hatte geltend gemacht, dass das Einfrieren von Wassergebühren und andere staatliche Eingriffe in Marktmechanismen zu Verlusten geführt und ihre Investorenrechte verletzt hätten – im Wesentlichen mit der Begründung, der Staat habe seine vertraglichen Pflichten und internationale Standards umgangen. Argentinien verteidigte die Maßnahmen demgegenüber mit der Notwendigkeit, in der Wirtschafts- und Sozialkrise das Gemeinwohl zu schützen. Die Regierung argumentierte, die ergriffenen Schritte seien darauf gerichtet gewesen, soziale und wirtschaftliche Instabilität abzuwenden und die Bevölkerung zu schützen, die in der Krise höhere Wasserpreise nicht hätte bezahlen können. Das Schiedsgericht erkannte an, dass Argentinien in einer außerordentlichen wirtschaftlichen Notlage berechtigt war, regulierende Maßnahmen zu ergreifen. Es stellte fest, dass die argentinischen Maßnahmen zwar die Interessen von SAUR beeinträchtigten, aber dem Schutz übergeordneter öffentlicher Güter wie dem Wohlergehen der Bürger und der Stabilisierung der Volkswirtschaft dienten. Zudem betonte der Schiedsspruch, dass die Maßnahmen nicht diskriminierend waren und aus der Notwendigkeit heraus gerechtfertigt wurden, Gemeinschaftsinteressen zu wahren. Dieses Schiedsurteil verdeutlicht die Bedeutung der Anerkennung staatlicher Regulierungsrechte im Rahmen des internationalen Rechts.

Ein weiteres aufschlussreiches Beispiel ist der Investitionsstreit Methanex Corporation gegen USA. Methanex machte geltend, dass das Verbot eines auf Methanol basierenden Kraftstoffadditivs im Bundesstaat Kalifornien seine Investorenrechte verletzt habe, weil diese Umweltregulierung sein Geschäft einschränkte und den Wert seiner Produktion minderte. Der Fall wurde vor einem NAFTA-Schiedsgericht verhandelt, das klären musste, ob ein solcher staatlicher Eingriff gegen Investitionsschutzvorschriften verstößt. Das Tribunal wies die Forderungen von Methanex ab und stellte fest, dass das Recht der USA, Umwelt- und Gesundheitsaspekte zu regulieren (hier das Verbot des Schadstoffs in Treibstoff), nicht die Bestimmungen des Investitionsschutzabkommens verletzte. Der Schiedsspruch hob hervor, dass ein Staat berechtigt ist, Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt zu ergreifen, selbst wenn diese Maßnahmen private Investoren wirtschaftlich benachteiligen. Dabei wurde betont, dass die staatliche Souveränität die Einführung von Regulierung zum Schutz öffentlicher Interessen erlaubt (in diesem Fall der Umwelt und Gesundheit), ohne dass darin ein Bruch internationaler Verpflichtungen liegt – vorausgesetzt, die Maßnahmen dienen nicht als Vorwand für versteckten Protektionismus oder willkürliche Diskriminierung. Die Entscheidung im Fall Methanex bestätigt somit, dass die Doktrin des „Rechts auf Regulierung“ als Rechtfertigung für staatliches Handeln zum Wohle der Allgemeinheit dienen kann, selbst wenn solche Maßnahmen den Interessen ausländischer Unternehmen abträglich sind, solange sie redlich und verhältnismäßig erfolgen und nicht gegen ausdrückliche vertragliche Zusagen verstoßen.

Auch die deutsche Rechtsprechung und Lehre haben sich mit dem Spannungsfeld von Vertragsfreiheit und staatlicher Regulierung befasst. Der Bundesgerichtshof (BGH) und Oberlandesgerichte (OLG) haben in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass Vertragsklauseln, die im Widerspruch zu zwingenden gesetzlichen Vorschriften oder zum ordre public stehen, unwirksam sind. So unterliegen etwa Allgemeine Geschäftsbedingungen in Bauverträgen der gerichtlichen Inhaltskontrolle (§§ 305 ff. BGB), um ein ausgewogenes Verhältnis der Rechte und Pflichten sicherzustellen – ein Ausdruck des Prinzips der Privatautonomie, die jedoch durch den Schutz höherwertiger Interessen begrenzt wird (AGB-Kontrolle zum Schutz vor unangemessener Benachteiligung). In öffentlichen Bauaufträgen fordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass Eingriffe in Rechte der Vertragspartner – etwa durch nachträgliche hoheitliche Auflagen – angemessen und zumutbar sein müssen. Gleichzeitig wirkt der aus § 242 BGB abgeleitete Grundsatz von Treu und Glauben als Korrektiv: Sowohl Vertragsdurchführung als auch die Ausübung staatlicher Rechte müssen redlich und fair erfolgen. Die deutsche Praxis zeigt damit, dass staatliche Regulierung und private Verträge zum Ausgleich gebracht werden: Einerseits behält der Staat über das Bauordnungsrecht, das Vergaberecht (GWB/VOB) und öffentlich-rechtliche Vorschriften wie die HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) einen Ordnungsrahmen vor, der dem öffentlichen Wirtschaftsrecht (ordenungspolitische Aspekte) entspricht; andererseits werden die berechtigten Erwartungen privater Vertragspartner durch Rechtsgrundsätze wie Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit berücksichtigt.

Bismarck soll einmal gesagt haben: „Mit Rußland muß Deutschland immer ein gutes Einvernehmen haben.“ Dieses historische Diktum hebt hervor, wie bedeutsam es ist, bei der Wahrnehmung eigener Interessen das Einvernehmen mit anderen Mächten zu suchen. Übertragen auf das internationale Bauvertragsrecht verdeutlicht es, dass Deutschland – wie andere Staaten – bei der Ausübung seines Rechts auf Regulierung stets die internationalen Auswirkungen mitbedenken muss. In einer global verflochtenen Bauwirtschaft kann nur durch internationale Zusammenarbeit und gegenseitiges Verständnis ein Gleichgewicht erzielt werden zwischen der Wahrung nationaler Regulierungsinteressen und der Verlässlichkeit grenzüberschreitender Vertragsbeziehungen.

Die Doktrin des „Rechts auf Regulierung“ nimmt im internationalen Bauvertragsrecht eine Schlüsselstellung ein. Sie bietet dem Staat die rechtliche Handhabe, über hoheitliche Regulierung von Bauprojekten und Infrastrukturvorhaben öffentliche Interessen zu schützen – seien es die eigene Bevölkerung, Umweltbelange oder andere Gemeinwohlziele – und nötigenfalls sogar entgegen bestehenden vertraglichen Verpflichtungen zu handeln. Gleichzeitig sorgt sie für einen Ausgleich mit den berechtigten Erwartungen ausländischer Investoren an Rechtssicherheit und stabilitas legis. Für Vertragsparteien internationaler Bauverträge ergibt sich aus dieser Untersuchung die zentrale Erkenntnis, dass die Berücksichtigung der RTR-Doktrin bei Vertragsabschluss unerlässlich ist. Es handelt sich hierbei nicht nur um eine abstrakte völkerrechtliche Idee, sondern um einen praktischen Leitfaden für die Risikoverteilung und Vertragsgestaltung: Bereits im Vorfeld großer Bau- und Investitionsprojekte sollten Staat und private Partner mögliche regulatorische Eingriffe antizipieren und vertraglich abbilden (etwa durch hardship- oder Stabilisierungsklauseln), um Streitigkeiten vorzubeugen.

Die Betrachtung der Schiedsrechtsprechung – insbesondere der Fälle SAUR International SA ./. Argentinien und Methanex ./. USA – führt vor Augen, wie wichtig es ist, potenzielle staatliche Regulierungsinitiativen von Anfang an miteinzukalkulieren. Ebenso bedarf das Wirken nichtstaatlicher Akteure im internationalen Baubereich weiterer Untersuchung unter RTR-Gesichtspunkten, da auch ihr Handeln sowohl völkerrechtlichen als auch einzelstaatlichen Regelwerken unterliegt.

Insgesamt bietet die RTR-Doktrin einen stabilen Rechtsrahmen, der es staatlichen Institutionen ermöglicht, flexibel auf die Herausforderungen einer multipolaren Welt zu reagieren, ohne dabei ihre Hoheitsrechte aufzugeben. Im Kontext internationaler Bauverträge trägt diese Doktrin dazu bei, die Rechte der Staaten und der Investoren in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, was die Schaffung eines berechenbaren und stabilen Rechtsumfelds fördert. Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass bei der Entwicklung internationaler Vertragsmuster – etwa durch Organisationen wie FIDIC – die RTR-Doktrin bewusst einbezogen werden sollte, damit entsprechende Klauseln und Mechanismen (z.B. Bedingungen für conditions precedent, DAAB-Verfahren oder Fristenregelungen) die staatlichen Regulierungsbefugnisse und deren Grenzen berücksichtigen.

Der hier vorgestellte Ansatz, die Doktrin des „Rechts auf Regulierung“ systematisch in internationale Bauverträge zu integrieren, stellt einen neuartigen Weg zur Verteilung normativer Risiken zwischen den Vertragsparteien dar. Dadurch können effektive Rechtsnormen und Vertragsklauseln entwickelt werden, die zu mehr Stabilität und Vorhersehbarkeit im regulatorischen Umfeld internationaler Investitionen führen – im Einklang mit dem deutschen Rechtsverständnis von Privatautonomie unter dem Vorbehalt von Gesetz und guter Sitte.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 3: Lehre von der völkerrechtlichen Rechtssubjektivität. Der Staat als Hauptsubjekt des Völkerrechts. Nichtstaatliche Akteure und das Völkerrecht.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Belkin, D. S. (2025). The Impact of the “Right to Regulate” Doctrine on the Legal Personality of States and Non-State Actors in International Construction Contract Law. Vestnik of Moscow State Linguistic University. Education and Teaching, 2(855), 120–125. (In Russ.) EDN: LDMNAX

Article PDF: https://www.elibrary.ru/download/elibrary_82458855_51668069.pdf

Literaturverzeichnis

1. Breyer, W. (2024). Internationales Baurecht: ein Überblick. Taylor & Francis.

2. Venoit, W. K. (2009). Internationales Baurecht. American Bar Association.

3. Wightman, D., & Lloyd, H. (Hrsg.). (2002). Internationales Bauvertragsrechts-Review. Informa Professional.

4. Molineaux, C. B. (1998). Internationales Baurecht. John Wiley & Sons.

5. Anosov, Ja. A. (2022). Rechtliche Regelung des internationalen Bauvertrags im EAWU-Raum. Obrazovanie i pravo, 11.

6. Goddard, I. A. (2018). Internationale und nationale Regelung des grenzüberschreitenden Bauvertrags. Leningradskii yuridicheskii zhurnal, 3(53).

7. Imamova, D. I. (2023). Der Begriff des internationalen Bauvertrags. Review of Law Sciences. DOI:10.51788/tsul.rols.2023.7.2./VJGM1988

8. Skeggs, C. (2003). Projekt-Partnering in der internationalen Bauindustrie. International Construction Law Review.

KAPITEL 4. Systembildung des Lex Constructionis im internationalen Baurecht: Rechtsdogmatische und verfassungsrechtliche Zuständigkeitsanalyse

DOI: 10.64457/icl.de.ch4

Lex constructionis entwickelt sich aus der lex mercatoria, um internationale Bauverträge einheitlich auszulegen. Das Kapitel analysiert Quellen, differenziert materielle und prozessuale Normen, bewertet exklusive, nicht-exklusive und asymmetrische Gerichtsstandklauseln sowie die Arbitrabilität unter Berücksichtigung des ordre public in Russland und der EU. Es zeigt geringere Transaktionskosten und erhöhte Vorhersehbarkeit.

Internationale Bauprojekte erstrecken sich häufig über mehrere Staaten, was komplexe Rechtsfragen darüber aufwirft, welches Recht und welche Instanz für Vertragsstreitigkeiten zuständig sind. Lex constructionis bezeichnet ein sich herausbildendes System transnationaler Prinzipien im Baurecht, vergleichbar mit dem lex mercatoria im Handelsrecht. Es geht davon aus, dass es trotz der Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen allgemeingültige Normen und Praktiken im Baurecht gibt. Der Aspekt der Zuständigkeit – also die Regeln zur Vertragsstatutik, zur Wahl des Gerichts- oder Schiedsorts und zur Vollstreckung von Entscheidungen – steht im Zentrum dieses Konzepts. Die Durchsetzung einheitlicher jurisdiktioneller Grundsätze gestaltet sich jedoch schwierig, da jeder Staat eigene zwingende Vorschriften und Anforderungen des öffentlichen Ordnung hat. Dieses Kapitel untersucht, wie das Lex constructionis als Rahmen dienen kann, um jurisdiktionelle Prinzipien im internationalen Bauvertragsrecht zu vereinheitlichen und dadurch grenzüberschreitende Projekte mit berechenbaren Regeln und effizienten Streitbeilegungsmechanismen auszustatten. Wir beleuchten das Spannungsfeld zwischen Parteiautonomie und staatlichen Ordnungsvorschriften, die Rolle von Standardverträgen und Schiedsgerichtsbarkeit sowie Beispiele dafür, wie juristische Zuständigkeitskonflikte in der Praxis gelöst werden. Die Analyse zeigt, dass sich durch verschiedene Entwicklungen – die weite Verbreitung von Standardverträgen (wie FIDIC-Bedingungen), internationale Schiedsabkommen und rechtsvergleichende Forschung – allmählich ein „institutionelles Design“ für Zuständigkeitsfragen im globalen Baurecht herauskristallisiert. Ziel ist es, die Schlüsselfaktoren und Mechanismen dieses sich entwickelnden Lex constructionis aufzuzeigen und darzustellen, wie deren Anwendung die Rechtssicherheit erhöht und die Kosten der Streitbeilegung für Projektbeteiligte senkt.

Traditionell unterliegt jeder Bauvertrag den Gesetzen und Gerichten desjenigen Landes, in dem er wirkt; in grenzüberschreitenden Projekten führt dies zu einer Zersplitterung des rechtlichen Rahmens und zu Unsicherheit. Parteien aus unterschiedlichen Staaten können darüber streiten, welches Gericht oder welches Recht für einen Streitfall zuständig ist, und uneinheitliche nationale Regeln können die Projektdurchführung stören. So können etwa nationale Vorschriften für öffentliche Aufträge oder zwingendes Baurecht mit international vereinbarten Vertragsklauseln kollidieren. Braig und Mutay (Braig, Mutay, 2016) heben den Konflikt zwischen res publica (öffentlich-rechtlichen Imperativen) und res mercatoria (kaufmännischen, privatrechtlichen Grundsätzen) in Bauverträgen hervor und zeigen, dass Standardbedingungen von FIDIC teilweise den Bestimmungen des russischen Zivilgesetzbuches widersprechen. In einigen Rechtsordnungen werden ungeschriebene internationale Vertragsnormen nicht anerkannt, sofern sie nicht durch innerstaatliche Gesetze oder Abkommen umgesetzt wurden. So haben zum Beispiel in Russland transnationale Gewohnheitsrechte mangels formeller Transformation keinen Vorrang vor nationalen Gesetzen, was auf den in der Verfassung verankerten dualistischen Ansatz zurückzuführen ist (Kremnev, 2021). Dies erschwert die unmittelbare Geltung von Lex-constructionis-Prinzipien: Selbst wenn ein Vertrag eine Schiedsklausel oder Bedingungen der FIDIC enthält, hängt deren Wirksamkeit davon ab, ob sie mit dem öffentlichen Ordnungsgedanken des Staates vereinbar sind.

Ein zentrales Problem ist die Bestimmung des anwendbaren Rechts. In Bauverträgen mit Beteiligten aus verschiedenen Ländern stellt sich die Frage, welches nationale Recht den Vertrag regelt. Unterschiedliche Kollisionsnormen führen hier zu unterschiedlichen Ergebnissen und untergraben die Vorhersehbarkeit. Gurina (Gurina, 2016) weist darauf hin, dass das Fehlen eines einheitlichen Ansatzes zur Rechtswahl in internationalen Bauverträgen rechtliche Unsicherheit und Konflikte nach sich zieht. Zwar vereinbaren die Parteien häufig eine Rechtswahlklausel, doch deren Durchsetzbarkeit ist nicht überall gleich: Manche Staaten schreiben für bestimmte Verträge (etwa öffentliche Bauaufträge) zwingend ihr eigenes Recht vor, ungeachtet abweichender Parteivereinbarung. Ähnliches gilt für die Wahl des Streitbeilegungsforums (staatliches Gericht oder Schiedsgericht) – auch hier gehen die Ansichten auseinander. Eine Vertragspartei bevorzugt womöglich die heimischen Gerichte, während die andere auf ein neutrales Schiedsverfahren drängt. Ist dies im Vertrag nicht eindeutig geregelt, drohen parallele Verfahren und Kompetenzstreitigkeiten, die die Konfliktlösung verzögern.

Selbst wenn sich die Parteien auf ein internationales Schiedsverfahren einigen, bestehen Unterschiede in den nationalen Rechtsordnungen hinsichtlich der Schiedsfähigkeit (Arbitrabilität) und der Grenzen der Parteiautonomie. Viele Staaten schließen bestimmte Streitgegenstände von der Schiedsgerichtsbarkeit aus (z.B. Streitigkeiten über Strafbarkeit, Wettbewerbsrecht oder andere öffentliche Interessen). Einige Länder untersagten in der Vergangenheit die Schiedsbindung bei bestimmten öffentlichen Bauverträgen und verlangten die staatliche Gerichtsbarkeit. Wieder andere setzen vor einem Schiedsverfahren obligatorische Vorverfahren voraus (etwa ein Schlichtungsverfahren). Eine vergleichende Untersuchung von Verdier und Versteeg (Verdier, Versteeg, 2015) zeigt die erhebliche Spannweite, wie nationale Rechtssysteme mit internationalen Streitbeilegungsmethoden umgehen: In manchen Ländern werden ausländische Schiedsklauseln und -schiedssprüche bereitwillig vollstreckt, in anderen beruft man sich häufiger auf den Vorbehalt des öffentlichen ordre public, um deren Anerkennung zu verweigern. So kann ein Schiedsspruch unter Umständen im Vollstreckungsstaat abgelehnt werden, wenn das zuständige Gericht der Auffassung ist, dass der Schiedsspruch fundamentalen nationalen Vorschriften (z.B. zwingenden Sicherheits- oder Baugenehmigungsregeln) widerspricht und damit die öffentliche Ordnung verletzen würde.

Ferner fehlt es – anders als für Schiedsurteile – an einem weltweiten Mechanismus zur Durchsetzung staatlicher Gerichtsurteile, was grenzüberschreitende Prozesse erschwert. Erzielt ein Bauunternehmen ein Gerichtsurteil in einem Land, ist nicht garantiert, dass dieses in einem anderen Land, in dem der Gegner Vermögen hat, anerkannt wird. Diese Unsicherheit begünstigt die Wahl von Schiedsverfahren nach der New Yorker Konvention von 1958, die fast weltweit die Vollstreckung von Schiedssprüchen ermöglicht. Allerdings sind auch Schiedssprüche nicht absolut immun: Ein Schiedsspruch, der Vertragsbestimmungen durchsetzt, die mit grundlegenden Vorschriften des Vollstreckungsstaates unvereinbar sind, kann dort wegen Verstoßes gegen den ordre public nicht vollstreckt werden.

Die Fragmentierung zeigt sich ebenso bei der Verwendung von Standardvertragsbedingungen. Die Standardvertragsmuster der FIDIC (International Federation of Consulting Engineers, dem internationalen Dachverband der beratenden Ingenieure) gelten als globaler Maßstab für Risikoverteilung und Streitbeilegung in Bauprojekten. Doch ihre rechtliche Handhabung variiert je nach Jurisdiktion. Viele Länder lassen FIDIC-Bedingungen als Vertragsklauseln zu, während einige Rechtsordnungen Anpassungen verlangen, um mit zwingendem nationalem Recht im Einklang zu stehen. Bacoș (Bacos, 2024) stellt fest, dass kontinentale Rechtsordnungen (etwa Deutschland, Frankreich) internationale Standards häufig in ihre Gesetzbücher integrieren (teils durch Übersetzung und Aufnahme FIDIC-ähnlicher Regelungen), während Staaten mit weniger ausgebautem Rechtsrahmen die FIDIC-Bedingungen oft nahezu unverändert verwenden. Dies führt dazu, dass ein und dieselbe FIDIC-Klausel (z.B. zur Frist für Anspruchsanmeldungen oder Verzugszinsregelung) in einem Staat verbindlich sein kann, in einem anderen jedoch unwirksam, falls sie dortigen zwingenden Normen widerspricht oder anders ausgelegt wird.

Ein weiteres Hindernis bilden mehrstufige Streitbeilegungsklauseln (multi-tier clauses), wie etwa die FIDIC-Regelung, dass zunächst ein Dispute Adjudication Board (DAB) eingeschaltet werden muss, bevor ein Schiedsverfahren eingeleitet wird. Nicht alle Rechtsordnungen erkennen Entscheidungen solcher vertraglichen Streitgremien an. In Russland beispielsweise fehlt(e) lange eine gesetzliche Verankerung für die Verbindlichkeit von DAB-Entscheidungen, und das Vergaberecht des öffentlichen Sektors schließt die Einschaltung eines unabhängigen Streitgutachters de facto aus (Sulimov, 2024). Dadurch kann das im Vertrag vorgesehene DAB-Verfahren wirkungslos bleiben oder übersprungen werden, so dass die Parteien direkt zu Verhandlungen oder zum Gerichtsprozess übergehen. Dies untergräbt die einheitliche Anwendung gestufter Streitbeilegungsmechanismen, die eigentlich ein Kernbestandteil des Lex constructionis sein könnten.

Schließlich können auch politische und institutionelle Faktoren die Vereinheitlichung behindern. Regierungen sind mitunter zurückhaltend, was die Unterwerfung großer Infrastrukturvorhaben unter fremdes Recht oder internationale Schiedsgerichtsbarkeit angeht, da sie eine Aushöhlung staatlicher Souveränität fürchten. In solchen Fällen mag ein ausländischer Auftragnehmer auf neutrale Lösungen drängen, doch der staatliche Auftraggeber besteht auf heimischem Recht und Gerichtsstand – ein Bruch mit dem Lex-constructionis-Ideal. Zhadan (Zhadan, 2016) betont, dass für eine wirksame Übernahme internationaler Normen in die nationale Praxis politische Unterstützung und staatliches Engagement erforderlich sind. Ohne politisches Wohlwollen können sich selbst die besten vertraglichen Standards auf nationaler Ebene kaum durchsetzen.

Trotz dieser Schwierigkeiten wirken starke Kräfte in Richtung Vereinheitlichung der Zuständigkeitsgrundsätze im internationalen Baurecht. Eine Hauptrolle spielt die weltweite Verbreitung einheitlicher Vertragsmuster – insbesondere der FIDIC-Vertragsbedingungen – in internationalen Bauprojekten. Diese Verträge enthalten vorformulierte Regeln zur Zuständigkeit: Sie nennen entweder ein anzuwendendes Recht (oder überlassen die Wahl den Parteien) und beinhalten vor allem Schiedsklauseln nach anerkannten internationalen Regeln (typischerweise ICC-Schiedsgerichtsbarkeit), oft kombiniert mit vorgeschalteten Streitbeilegungsverfahren wie dem DAB. Durch den über Jahrzehnte wiederholten Einsatz der FIDIC-Bedingungen in aller Welt hat sich ein weitgehend konsistenter Ansatz zur Streitbeilegung etabliert. Auftraggeber, Auftragnehmer und Ingenieure sind daran gewöhnt, dass Konflikte zunächst einem neutralen Entscheidungsgremium (DAB) unterbreitet und anschließend vor einem Schiedsgericht statt vor einem nationalen Gericht ausgetragen werden. Diese Praxis verkörpert an sich bereits ein Stück Lex constructionis – eine de facto-Regel, wonach große Bauvertragsstreitigkeiten unabhängig vom Projektland durch Schiedsgerichtsbarkeit gelöst werden. Dass multilaterale Entwicklungsbanken (z.B. Weltbank, Neuer Entwicklungsbank der BRICS) für die von ihnen finanzierten Projekte die FIDIC-Vertragsmuster vorschreiben oder empfehlen, verstärkt diesen Standard und verbreitet ihn auf allen Kontinenten.

Eine weitere vereinheitlichende Kraft ist die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit und der rechtliche Rahmen, der sie stützt. Schiedsverfahren bieten ein neutrales Forum – unerlässlich bei grenzüberschreitenden Bauvorhaben, in denen keine Partei der Gerichtsbarkeit der anderen traut. Die New Yorker Übereinkommen von 1958 und das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (das in über 85 Staaten übernommen wurde) haben die Behandlung von Schiedsvereinbarungen und -entscheidungen weltweit weitgehend harmonisiert. Dadurch gilt: Wenn Parteien Schiedsgerichtsbarkeit vereinbaren (z.B. nach ICC- oder UNCITRAL-Regeln), wird diese Abrede in nahezu allen Ländern respektiert und ein darauf ergehender Schiedsspruch fast überall anerkannt und vollstreckt – nur eng begrenzte Ausnahmen sind zulässig. Dies mindert das Risiko parteiischer Heimgerichtsverfahren erheblich und vereinheitlicht die Verfahrensweise. Folglich hat sich die Schiedsgerichtsbarkeit als bevorzugtes Streitbeilegungsmittel im internationalen Bauwesen etabliert, wie Praxis und Fachliteratur bestätigen (Jenkins, 2021). Wesentliche Grundsätze der Schiedsgerichtsbarkeit – etwa die Kompetenz-Kompetenz (Befugnis des Schiedsgerichts zur Entscheidung über die eigene Zuständigkeit), die Endgültigkeit der Schiedssprüche und die freie Wahl der Schiedsrichter und Regeln durch die Parteien – sind heute Bestandteil des transnationalen Rahmens, den das Lex constructionis bildet.

Das Lex constructionis speist sich auch aus allgemeinen Prinzipien des transnationalen Vertragsrechts, die breite Anerkennung gefunden haben. Zu nennen ist insbesondere das Prinzip der Parteiautonomie (Freiheit der Parteien bei der Rechts- und Gerichtsstandswahl). Dieses wird inzwischen in den meisten Jurisdiktionen – wenngleich mit Grenzen – anerkannt. Die meisten Rechtsordnungen erlauben den Vertragsparteien, das auf ihren Vertrag anwendbare Recht frei zu wählen und ihre Streitigkeiten einem Schiedsgericht oder ausländischen Gericht zu unterwerfen, vor allem im kommerziellen Bereich. Verankert ist dieser Grundsatz etwa in der Rom-I-Verordnung der EU (für die Rechtswahl) sowie in zahlreichen nationalen Schiedsverfahrensgesetzen. Durch die Anerkennung der Parteiautonomie nähern sich die Rechtsordnungen in einem zentralen Punkt an: Vereinbarungen der Parteien über zuständiges Recht und Forum sollen im Regelfall gelten. Selbst in schwierigen Umfeldern ist eine positive Entwicklung erkennbar. Beispielsweise war die Haltung der russischen Gerichte zur Durchsetzung von Schiedsklauseln in Staatsverträgen früher ambivalent; doch in einem 2024 bekannt gewordenen Fall wies ein russisches Wirtschaftsgericht die Klage einer staatlichen Gesellschaft aufgrund einer vereinbarten ICC-Schiedsklausel ab und verwies die Parteien – wie vertraglich vorgesehen – an das Schiedsgericht in London. Dieses Beharren auf der vertraglichen Schiedsvereinbarung, selbst in Zeiten geopolitischer Spannungen, zeigt ein wachsendes Respektieren der Lex-constructionis-Prinzipien von Neutralität und Parteiwille.

Ein weiterer Vereinheitlichungsaspekt ist die Tendenz, den Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarungen zu erweitern und öffentliche Ordnungsvorbehalte eng auszulegen. Viele Länder haben ihre Schiedsrechtssysteme modernisiert und erklären nun eine Vielzahl von Streitigkeiten – einschließlich komplexer Baustreitigkeiten – für schiedsfähig. Die Rechtsprechung neigt dazu, die Versagungsgründe (wie “Verstoß gegen die öffentliche Ordnung”) restriktiv zu interpretieren, um wirksame Schiedsvereinbarungen nicht zu unterlaufen. So werden Themen wie Betrug oder Korruption in Bauprojekten – die früher womöglich als nicht schiedsfähig galten oder Schiedsklauseln unwirksam machen konnten – zunehmend im Schiedsverfahren behandelt; Aspekte des ordre public werden gegebenenfalls erst im Anerkennungs- oder Vollstreckungsverfahren geprüft. Dieser globale Trend entspricht dem Grundsatz, dass Schiedsgerichte auch bei komplexen Streitigkeiten zu sachgerechten Lösungen fähig sind – ein Eckpfeiler der Konvergenz im Rahmen des Lex constructionis.

Nicht zuletzt gibt es Bestrebungen, die Prinzipien des Lex constructionis expliziter herauszuarbeiten. Wissenschaftler und Praktiker versuchen, gemeinsame Normen aus Schiedssprüchen, Vertragsstandards und nationalen Gesetzen herauszufiltern. So haben Loots und Charrett (Loots, Charrett, 2022) einen Katalog von zwanzig Kernprinzipien des internationalen Baurechts (Lex constructionis) vorgeschlagen, der übergreifende Grundsätze, Anwendungsbereich, Risikoverteilung, Zeitmanagement, Kosten, Qualität und Streitbeilegung umfasst. Darin finden sich auch zuständigkeitsbezogene Grundsätze, etwa dass vor Anrufung eines Schiedsgerichts zunächst gütliche oder adjudikative Streitbeilegungsversuche unternommen werden müssen; dass Zwischenentscheidungen (etwa DAB-Sprüche) bis zur endgültigen Klärung verbindlich zu befolgen sind; und dass die endgültige Streitentscheidung durch ein bindendes Schiedsverfahren zu erfolgen hat. Obwohl ein solcher Grundsatzkatalog bislang in keinem völkerrechtlichen Vertrag festgeschrieben ist, zeigt seine Erarbeitung doch das Streben nach Konsens über bewährte Regeln. Mit der Zeit gewinnen diese Prinzipien Autorität: Schiedsgremien beziehen sich in ähnlich gelagerten Fällen auf frühere Entscheidungen oder solche fachlichen Kodifizierungsversuche, wodurch sich einheitliche Normen verfestigen.

Auch die Zusammenarbeit internationaler Institutionen verstärkt die Angleichung der Zuständigkeitsregelungen. FIDIC selbst kooperiert mit Schiedsinstitutionen (wie der ICC), um die Streitbeilegung im Bauwesen zu optimieren – etwa durch Etablierung des Dispute Avoidance/Adjudication Board (DAAB) und durch Anpassung der ICC-Schiedsregeln an mehrstufige Klauseln. Es gibt Überlegungen, ein spezialisiertes internationales Schiedsforum für Bausch disputes zu schaffen, möglicherweise in Zusammenarbeit zwischen FIDIC und der Internationalen Handelskammer (Zharikov, 2025). Ein solches Forum könnte eine einheitliche Spruchpraxis für Bauschiedsverfahren entwickeln, ähnlich wie der Court of Arbitration for Sport (CAS) im Sportrecht (lex sportiva). Obwohl diese Idee noch Vision ist, unterstreicht sie den Bedarf an institutionellen Mechanismen zur Stützung des Lex constructionis.

Auch durch Soft Law und Modellregelungen wird die Vereinheitlichung vorangetrieben. UNCITRAL und UNIDROIT haben zwar noch keine speziellen Übereinkommen zum Baurecht geschaffen, aber allgemeine Instrumente wie die UNIDROIT-Grundsätze internationaler Handelsverträge beeinflussen die Auslegung von Bauverträgen im Sinne einheitlicher Maßstäbe. Zudem existieren regionale Regelwerke – etwa das einheitliche OHADA-Schiedsrecht in Afrika oder Schiedsprotokolle im ASEAN-Raum – die internationale Best Practices enthalten und damit global akzeptierte Prinzipien widerspiegeln. All dies trägt zu einem vereinheitlichten Rechtsumfeld bei.

Praktische Fälle verdeutlichen sowohl noch bestehende Divergenzen als auch Fortschritte auf dem Weg zu einheitlichen Zuständigkeitsgrundsätzen. In Union of India vs. McDonnell Douglas (1993) weigerte sich zunächst ein indisches Gericht, eine ICC-Schiedsklausel in einem Bauvertrag anzuerkennen, unter Berufung auf das öffentliche Interesse an inländischer Streitbeilegung bei Infrastrukturprojekten. In der Berufung wurde die Schiedsklausel jedoch durchgesetzt – ein Signal, dass auch in Indien die Parteiautonomie an Gewicht gewinnt, im Einklang mit den Tendenzen des Lex constructionis. Demgegenüber führte in einem Fall Anfang der 2000er im Nahen Osten eine nationale Vorschrift, die bei Staatsaufträgen eine behördliche Zustimmung zum Schiedsspruch verlangte, dazu, dass die Schiedsabrede als unwirksam betrachtet wurde – ein Beispiel, wie nationales Recht transnationale Vereinbarungen noch aushebeln kann. Inzwischen sind viele solcher Sonderregeln durch Reformen abgeschafft oder gelockert worden: So haben in den 2010er Jahren mehrere Golfstaaten (Katar, VAE, Saudi-Arabien) neue, am UNCITRAL-Modell orientierte Schiedsgesetze erlassen und frühe Beschränkungen beseitigt. Dadurch haben sich die nationalen Regeln enger an internationale Standards angenähert.

Ein lehrreiches Beispiel für mehrstufige Klauseln liefert ein ICC-Schiedsverfahren (Schiedsspruch Nr. 10619 aus 2001) zu einem FIDIC-Vertrag: Das Schiedsgericht hielt die Parteien an, die vertraglich vereinbarte Reihenfolge einzuhalten – zunächst das DAB anzurufen und eine gewisse Wartefrist abzuwarten – bevor ein Schiedsverfahren eröffnet wird. Der Kläger, der das DAB-Verfahren übersprungen hatte, wurde als vertragsbrüchig befunden. Das Schiedsverfahren wurde ausgesetzt, bis die DAB-Stufe durchlaufen war. Dieses Vorgehen, das später auch vom zuständigen staatlichen Gericht am Schiedsort bestätigt wurde, stellte klar, dass gestufte Streitbeilegungsabreden verbindlich sind – ein Prinzip, das international zunehmend akzeptiert wird. Der Fall demonstriert anschaulich die Wirkungsweise des Lex constructionis: Unabhängig vom Land werden die Parteien an das gleiche, in den FIDIC-Bedingungen vorgesehene, mehrstufige Streitverfahren gebunden.

Ein weiteres Beispiel – die Durchsetzung von DAB-Entscheidungen. Im bekannten Persero-Fall (Oberster Gerichtshof Singapur, 2011), der einen FIDIC-Vertrag in Indonesien betraf, bestätigte das Gericht einen Schiedsspruch, der eine DAB-Entscheidung im Ergebnis durchsetzte. Das Gericht betonte, wie wichtig es ist, vertraglich vereinbarte Zwischenschiedssprüche bzw. Streitentscheidungen zu befolgen, bis das Verfahren endgültig abgeschlossen ist. Auch Gerichte in anderen Ländern (etwa in England und der Schweiz) haben Wege gefunden, DAB-Entscheidungen Wirksamkeit zu verleihen – sei es durch direkte Vollstreckung oder indem Schiedsgerichte angerufen wurden, um die Einhaltung solcher Entscheidungen zu bestätigen. Daraus kristallisiert sich ein universelles Prinzip heraus: „DAB-Entscheidungen sind einzuhalten oder unverzüglich schiedsrichterlich überprüfen zu lassen“ – im Einklang mit der Intention der FIDIC-Bedingungen – und dieses Prinzip wird zunehmend weltweit anerkannt.

Allmählich verringern sich auch Unterschiede in bislang heiklen Bereichen wie parallelen Gerichts- und Schiedsverfahren. In Großprojekten kommt es vor, dass zusammenhängende Streitigkeiten in verschiedenen Foren verhandelt werden (z.B. die Inanspruchnahme einer Vertragserfüllungsgarantie vor einem Gericht, während der Vertragsstreit vor einem Schiedsgericht anhängig ist). Doch wächst das Bewusstsein, dass Parallelverfahren möglichst zu vermeiden sind. So hat die ICC ihre Schiedsordnung dahingehend modernisiert, dass sie die Zusammenlegung von Verfahren und den Beteiligungsbeitritt erleichtert, um zusammengehörige Streitigkeiten in einem Forum zu bündeln. In einigen Jurisdiktionen zeigen sich Gerichte zunehmend bereit, eigene Verfahren auszusetzen, wenn ein paralleles Schiedsverfahren zwischen denselben Parteien zu einem verwandten Streitgegenstand läuft, um widersprüchliche Entscheidungen zu verhindern. Diese Praxis fördert kohärentere Ergebnisse, selbst wenn zunächst verschiedene Zuständigkeiten involviert waren.

Schließlich spielt die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit (ICSID) eine Rolle bei Bauvertragsstreitigkeiten. Große Bauunternehmen nutzen in Konfliktfällen mit staatlichen Auftraggebern bisweilen bilaterale Investitionsschutzabkommen, um Ansprüche (z.B. wegen unrechtmäßiger Kündigung eines Bauvertrags) vor einem internationalen Schiedsgericht geltend zu machen. Solche Tribunale entscheiden nach internationalem Investitionsrecht, doch ihre Haltung spiegelt oft lex-constructionis-Prinzipien wider: Sie legen Wert auf die Einhaltung von Verträgen, einen fairen Umgang mit dem Investor und die Respektierung vertraglicher Streitbeilegungsvereinbarungen. Im Fall Salini vs. Marokko (2001) etwa hat das ICSID-Schiedsgericht nicht nur Kriterien entwickelt, um den Bauvertrag als geschützte Investition einzustufen (die sogenannten Salini-Kriterien), sondern auch betont, dass vertragliche Regelungen (inklusive Schiedsklausel) zu berücksichtigen sind, selbst wenn der Streit auf der Ebene des Investitionsrechts geführt wird. Die gegenseitige Beeinflussung von Handelsschiedsgerichtsbarkeit und Investitionsschiedsgerichtsbarkeit verstärkt die Herausbildung einheitlicher Grundsätze: Staaten erkennen, dass die Missachtung internationaler Vertragsnormen in ihren Verträgen kann.

Die Entwicklung des Lex Constructionis zeigt, dass eine vereinheitlichte Gruppe von Zuständigkeitsprinzipien im internationalen Bauvertragsrecht im Entstehen begriffen ist. Zu den Hauptmerkmalen dieser Vereinheitlichung gehören: die Vorherrschaft der Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber staatlichen Gerichtsverfahren in grenzüberschreitenden Projekten; die Anerkennung der Vertragsfreiheit der Parteien bei der Rechts- und Gerichtsstandswahl; die Institutionalisierung mehrstufiger Streitbeilegungsverfahren (Verhandlung, Adjudikation, Schiedsverfahren) als Standardpraxis; sowie die allmähliche Abstimmung dieser privaten Mechanismen mit den zwingenden Vorschriften des öffentlichen Rechts. Obwohl weiterhin Herausforderungen bestehen – etwa verbliebene nationale Restriktionen und ein Mangel an Klarheit über das Zusammenspiel transnationaler Normen mit nationalem Recht –, geht der Trend eindeutig zur Konvergenz.

Entscheidend ist, dass das Zusammenspiel von privater Autonomie und staatlichen Interessen neu austariert wird. Anstatt diese gegeneinander auszuspielen, sucht man heute einen Ausgleich: Die Parteien können größtenteils ihre Streitbeilegung nach eigenen Bedürfnissen gestalten, aber die essentiellen öffentlichen Interessen (Sicherheit, Ordnung, Drittbelange) werden durch begrenzte Eingriffsmöglichkeiten der Staaten gewahrt. Das Lex constructionis beseitigt die nationale Rechtsordnung also nicht, sondern harmonisiert sie mit globalen Standards. Wie die verschiedenen Beispiele zeigen, wenden Gerichte und Schiedsgerichte in aller Welt zunehmend ein gemeinsames Set von Prinzipien an. Internationale Vertragsstandards und Schiedsübereinkommen verbinden unterschiedliche Rechtskulturen und schaffen ein übergreifendes Regelwerk, das über einzelstaatliche Grenzen hinausgeht.

Um das Potential des Lex constructionis voll auszuschöpfen, sind weitere Anstrengungen nötig. Eine intensivere akademische Zusammenarbeit bei der Herausarbeitung universeller Prinzipien würde deren Anerkennung in der Rechtsprechung fördern. Institutionen wie FIDIC und ICC könnten spezialisierte Regeln oder Foren für Bauschiedsverfahren formalisieren, was die Konsistenz von Entscheidungen verbessern würde. Auch staatliche Gesetzgeber können den Einheitsprozess unterstützen, indem sie ihre Normen an internationale Best Practices anpassen (etwa indem sie DAB-Entscheidungen als vorläufig vollstreckbar anerkennen – ein Weg, den bereits einige Länder beschritten haben). Wie Varavenko und Niyazova (Varavenko, Niyazova, 2022) betonen, erfordert die Übernahme internationaler Standards in nationales Recht sowohl juristische als auch ökonomische Analysen; gelingt dies jedoch, verringert es erheblich die rechtlichen Reibungsverluste in Projekten.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Vereinheitlichung der jurisdiktionellen Prinzipien durch das Lex constructionis die Vorhersehbarkeit und Gerechtigkeit bei internationalen Bauverträgen verbessert. Sie vermindert Forumshopping und doppelte Verfahren, beschleunigt die Streitbeilegung und gibt den Parteien die Sicherheit, dass ihre vereinbarten Mechanismen (wie Schiedsgerichtsverfahren) weltweit respektiert werden. Auf lange Sicht senkt diese Harmonisierung die Transaktionskosten und Risikozuschläge bei grenzüberschreitenden Infrastrukturprojekten. Zwar befindet sich das Lex constructionis noch im Konsolidierungsprozess, doch seine institutionellen Konturen treten immer klarer hervor: die Integration von Klauseln vertraglichen Bedingungen, der Schiedsjurisprudenz und den Prinzipien der Rechtswissenschaft zu einem kohärenten transnationalen Regelwerk für Bauprojekte. Diese Entwicklung kommt letztlich allen Beteiligten – Auftraggebern, Auftragnehmern und Staaten – zugute, indem sie ein stabiles rechtliches Umfeld für das anspruchsvolle, internationale Baugeschehen schafft.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 4: Jurisdiktion im Völkerrecht.

Literaturverzeichnis

1. Bacos, A. (2024). Bedeutung und Regulierung von Verträgen über öffentliche Bauleistungen in der Europäischen Union: Eine Studie zu FIDIC-Standards. In The Challenges of Multicultural Representation: Literature, Discourse and Dialogue (S. 135–157).

2. Braig, B., & Mutay, I. M. (2016). Res publica und res mercatoria in den Proformae von FIDIC und dem Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation. Vestnik ekonomicheskogo pravosudiya Rossiiskoi Federatsii, (1), 111–144.

3. Verdier, P. H., & Versteeg, M. (2015). Internationales Recht in nationalen Rechtssystemen: Eine empirische Untersuchung. American Journal of International Law, 109(3), 514–533.

4. Varavenko, V. E. (2012). Perspektiven der Anwendung von FIDIC-Standardverträgen in der Praxis der öffentlichen Beschaffung in Russland. Mezhdunarodnoe publichnoe i chastnoe pravo, (1), 10–13.

5. Varavenko, V. E., & Niyazova, M. V. (2022). Ökonomisch-rechtliche Analyse von Instrumenten zur Anpassung von FIDIC-Standardverträgen an das russische Recht. Territory of New Opportunities. Bulletin of Vladivostok State University, 14(4), 35–50.

6. Gurina, V. A. (2016). Zur Rechtswahl bei internationalen Bauverträgen. Teoriya i praktika sovremennoi yuridicheskoi nauki, 3, 80–83.

7. Jenkins, J. (2021). Internationales Schiedsrecht im Bauwesen (3. Aufl.). Kluwer Law International.

8. Zhadan, V. N. (2016). Zur Interaktion und Zusammenarbeit Russlands mit internationalen Organisationen. Aktual’nye problemy gumanitarnykh i estestvennykh nauk, (3–3), 33–37.

9. Zharikov, A. (2025). Lex constructionis: Ein gescheitertes transnationales Bau-Rechtskonzept? Construction Law Journal, 41(3), 99–114.

10. Klee, L. (2018). Internationales Bauvertragsrecht. John Wiley & Sons.

11. Kremnev, P. P. (2021). Allgemein anerkannte Grundsätze und Normen des jus cogens und erga-omnes-Verpflichtungen: Rechtsnatur und Hierarchie im russischen Rechtssystem. Vestnik Sankt-Peterburgskogo universiteta. Pravo, 12(3), 783–802.

12. Loots, P., & Charrett, D. (2022). Verträge für Infrastrukturprojekte. Informa Law (Routledge).

13. Sulimov, N. Yu. (2024). Vergleich der Ansätze zur Streitbeilegung in Bauprojekten zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern in Russland und Belarus unter Verwendung von FIDIC. Zakon i Vlast’, (1), 112–117.

KAPITEL 5. Dogmatische Einordnung von Rechtsfähigkeit und Aufgaben der New Development Bank im internationalen Bauvertragsrecht

DOI: 10.64457/icl.de.ch5

Das Kapitel analysiert die Rechtsnatur und Zuständigkeiten der New Development Bank (NDB) im internationalen Bauvertragsrecht.

Abschnitt I untersucht Gründungsabkommen, interne Regularien und Finanzierungsfälle; Abschnitt II vergleicht das Mandat mit Weltbank und Europäischer Bank für Wiederaufbau und Entwicklung; Abschnitt III beleuchtet den Einfluss von BRICS-Integrationsprozessen auf die Vereinheitlichung von FIDIC-Standards.

Die Studie zeigt, dass die NDB über volle völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit verfügt, nachhaltige Entwicklungsziele unterstützt und durch FIDIC-Klauseln Währungs- und Rechtsrisiken mindert.

Empfohlen wird ein breiterer Einsatz der FIDIC-Formulare, um Transaktionssicherheit und Streitvermeidung zu fördern.

In einer sich herausbildenden multipolaren Ordnung und vor dem Hintergrund vertiefter zwischenstaatlicher Zusammenarbeit gewinnt die Rolle internationaler Finanzorganisationen für den Ausbau von Infrastrukturen und die Gewährleistung nachhaltiger Entwicklung deutlich an Gewicht. Großvolumige Infrastrukturvorhaben erfordern erhebliche Finanzressourcen und ein integriertes rechtliches Begleitregime; deshalb treten Institutionen wie die New Development Bank der BRICS-Staaten (NDB) als zentrale Akteure des internationalen Bauvertragsrechts in Erscheinung. Derartige Organisationen stellen nicht nur Finanzierung bereit, sondern setzen auch Referenzrahmen der rechtlichen Flankierung, die Vertragsarchitektur und Risikosteuerungsverfahren ordnen und damit die grenzüberschreitende Projektrealisierung erleichtern.

Die Rechtsnatur und Zuständigkeit der NDB im Bereich des internationalen Bauvertragsrechts sind lange Zeit nur ausschnittsweise analysiert worden, ungeachtet der gesicherten Rolle vergleichbarer Einrichtungen bei globalen Infrastrukturinitiativen. Das Zusammenspiel internationaler und nationaler Rechtsordnungen erzeugt Komplexitäten, die einer systematischen Auswertung bedürfen (Abashidze, 2014). Gleichzeitig verstärken Wachstum und Differenzierung internationaler Organisationen sowie fortschreitende Integrationsprozesse den Bedarf an Vereinheitlichung rechtlicher Standards im Bauvertragsrecht, insbesondere im Hinblick auf Vertragsschluss und -erfüllung, Fristen- und Qualitätskontrolle sowie strukturierte Methoden der Streitbeilegung (Union of International Associations, o. D.). Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, den Status und die Befugnisse der NDB dogmatisch zu konturieren und mit ihrem Einfluss auf die Praxis des Bauvertragsrechts und auf Standards der Nachhaltigkeit in Beziehung zu setzen.

Diese Darstellung beleuchtet die Rechtsnatur und Zuständigkeit der NDB als internationale Finanzorganisation und identifiziert Wirkungen ihrer Tätigkeit auf Normen des Bauvertragsrechts und einschlägige Nachhaltigkeitspraktiken. Herangezogen werden die konstituierenden und internen Instrumente der NDB sowie die damit korrespondierenden internationalen Standards des Bauvertragsrechts; gegenübergestellt werden die rechtlichen Mechanismen der NDB, der Weltbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung bei der Infrastrukturfinanzierung; zusammengeführt wird Beobachtbares aus der Projektpraxis der NDB, um Beiträge zur Rechtsvereinheitlichung und zur Reduktion von Konfliktpotenzial zu bestimmen.

Methodisch wird auf eine systematische Lektüre der Gründungsverträge und Satzungen internationaler Organisationen, auf einen rechtsvergleichenden Zugriff zu den Instrumenten maßgeblicher Finanzinstitutionen sowie auf doktrinäre Ansätze des Integrationsrechts und der zwischenstaatlichen Kooperation in russischer und ausländischer Literatur abgestellt (Kashkin & Chetverikov, 2014; Kembayev, 2009). Dieser Zugriff erlaubt es, die NDB sowohl durch die Linse von Vereinheitlichungs- und Harmonisierungsvorgängen als auch über die Funktionsrolle internationaler Organisationen als Völkerrechtssubjekte zu betrachten.

Zwischenstaatliche Organisationen werden auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge errichtet und handeln in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht; ihre Gründungsakte definieren Mandate, Organe und Regelwerke. Ihre völkerrechtliche Handlungsfähigkeit zeigt sich in der Fähigkeit, als eigenständige Vertragspartei aufzutreten, Rechtsbeziehungen einzugehen und Projekte im eigenen Namen zu realisieren, wobei die autonome Willensbildung durch das übertragene Mandat begrenzt ist. Institutionelle Flexibilität erleichtert die Anpassung an veränderte internationale Konstellationen und stärkt die ordnungsbildende Rolle der Organisationen (Bekyashev, 2019). Zunehmend werden internationale Organisationen in der Lehre als „law-makers“ beschrieben, deren Entscheidungen, Standards und Praktiken verrechtlichte Prägekraft für die Normbildung entfalten (Alvarez, 2006). Im Bauvertragsrecht manifestiert sich diese Rolle in der Verbreitung standardisierter Vertragsbedingungen, Bewertungs- und Kontrollverfahren sowie in der Einbettung ökologischer und sozialer Anforderungen in Vertragsmodelle.

Die moderne Integrationsrechtslehre weist auf die schrittweise Herausbildung eines kohärenten Normenraums hin, in dem öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Elemente über internationale Übereinkünfte und deren Anwendungspraxis in Einklang gebracht werden. Integration, so G. M. Veliaminov, beruht nicht auf spontanen Entscheidungen; sie vollzieht sich über detaillierte Abkommen, die die Rechtsinfrastruktur eines gemeinsamen Wirtschaftsraums schaffen, einschließlich der freien Bewegung von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften sowie Institutionen zur Überwachung der Vertragserfüllung (Veliaminov, 2015). Yu. S. Bezborodov betont den zielgerichteten Charakter der Normenvereinheitlichung über alle Schlüsselbereiche des Rechtslebens hinweg und die Rolle spezieller Institutionen, die die Anwendung der abgestimmten Regeln koordinieren (Bezborodov, 2017). Für das internationale Bauvertragsrecht bedeutet dies, dass Integrationsmechanismen die Vereinheitlichung vertraglicher Pflichten unmittelbar fördern, die Vorhersehbarkeit rechtlicher Ergebnisse erhöhen und die Umsetzung komplexer Infrastrukturvorhaben erleichtern.

Ein Vergleich von Weltbank, Europäischer Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und New Development Bank zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Alle drei Einrichtungen beruhen auf völkerrechtlichen Übereinkünften und verfügen über internationale Rechtspersönlichkeit; ihre Ziele und Mandate differieren jedoch und prägen Instrumente und Prioritäten. Die Weltbank zielt auf Armutsminderung und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung im globalen Maßstab; die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung konzentriert sich auf den Übergang zu Marktwirtschaften und institutionelle Reformen von Mitteleuropa bis Zentralasien; die von den BRICS-Staaten gegründete NDB mobilisiert Ressourcen für Infrastruktur- und „grüne“ Projekte in BRICS-Staaten und anderen Entwicklungsökonomien, wobei die Mitgliedschaft erweiterungsfähig ist. Die Einbindung des Privatsektors variiert: Die Weltbank setzt zielgerichtete Unterstützungsinstrumente ein; die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung entwickelt Public-Private-Partnership-Arrangements; die NDB fokussiert primär auf staatliche Infrastruktur und entwickelt dort, wo es die Effizienz steigert, Beteiligungsformen privater Akteure. Auch die Finanzierungsmechanismen unterscheiden sich. Charakteristisch für die NDB ist die Vergabe von Mitteln in nationalen Währungen der Mitgliedstaaten, was Wechselkursrisiken der Kreditnehmer senkt und die Resilienz der Projekte stärkt. Zugleich verfügen alle genannten Institutionen über die für ihr Mandat erforderlichen Immunitäten und Privilegien und über eigene Governance-Systeme, die Kreditnehmeranforderungen mit nationalen Regulierungen in Einklang bringen (Kapustin, 2016).

Die Praxis der NDB bestätigt ihre eigenständige Rechtspersönlichkeit und die Fähigkeit, als Partei grenzüberschreitender Rechtsverhältnisse aufzutreten. Als zwischenstaatlich gegründete Institution schließt die NDB Verträge, eröffnet Kreditlinien und setzt Projekte in unterschiedlichen Jurisdiktionen im eigenen Namen um. Dieser Status rückt sie in die Nähe anderer großer internationaler Finanzinstitutionen und ermöglicht die Übertragung einheitlicher Anforderungen in finanzierte Projekte (Bevelikova, 2015). Ein zentrales Feld ist die Standardisierung über Investitionsbedingungen: Die NDB orientiert Kreditnehmer auf die Nutzung international anerkannter Standardformen und Normen; insbesondere die von der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC) entwickelten Bedingungen kodifizieren transparente Regeln der Risikoverteilung, strukturierte Anzeige- und Änderungsprozesse sowie mehrstufige Streitbeilegungsmechanismen. Die Aufnahme solcher Bedingungen in Kredit- und Projektdokumentation vermindert Streitwahrscheinlichkeit, beschleunigt Abstimmungen und erhöht die Vorhersehbarkeit von Verpflichtungsbeziehungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern aus unterschiedlichen Rechtsordnungen. Zusammengenommen erweitert dies den Anwendungsraum vereinheitlichter bauvertragsrechtlicher Vorgaben und stärkt die Bestandsfestigkeit geförderter Programme (FIDIC, o. D.).

Die Zuständigkeit der NDB zeigt sich dual. Einerseits agiert sie als Finanzinstitution, die Ressourcen mobilisiert und Infrastrukturinitiativen in prioritären Sektoren unterstützt. Andererseits ist sie Trägerin bewährter Praktiken und Standards, die eine einheitliche Rechtsumwelt für grenzüberschreitende Bauverträge konstituieren helfen. Von besonderer Bedeutung ist die Finanzierung in Lokalwährungen als Instrument der Risikoabsicherung gegenüber Währungsschwankungen und externen Schocks. Bei fehlender Supranationalität gewährleistet die Flexibilität interner Verfahren – angepasst an das innerstaatliche Recht der Projektdurchführungsstaaten – die Abstimmung von Umwelt-, Arbeits- und sonstigen Sozialanforderungen mit lokalen Rechtsvorgaben. Mit der Ausweitung des Projektportfolios nimmt dort, wo dies Zielerreichung und Effizienz fördert, die Beteiligung des Privatsektors zu.

Aus dem Vergleich mit Weltbank und Europäischer Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ergibt sich eine allgemeine Tendenz: Die Aktivitäten internationaler Finanzorganisationen fördern die fortschreitende Vereinheitlichung rechtlicher Standards im internationalen Bauvertragsrecht und prägen konvergierende Ansätze zur Risikoanalyse, zum Änderungsmanagement, zur vorgerichtlichen Konfliktlösung und zur Schiedsgerichtsbarkeit. Der Einfluss der NDB zeigt sich sowohl in der direkten Finanzierung als auch in der Verdichtung rechtlicher Rahmenbedingungen für die Projektdurchführung, was zur Harmonisierung nationaler Regime beiträgt, ohne die Regulierungsprärogativen der Staaten zu schmälern. Mit der Einbeziehung von FIDIC-Bedingungen und anderen international anerkannten Normen in Verträge sinken Rechtsrisiko und Konfliktpotenzial, während Stabilität und Vorhersehbarkeit vertraglicher Beziehungen zunehmen.

Diese Feststellungen sprechen für eine weitere Anpassung und Implementierung FIDIC-basierter, vereinheitlichter Standards in den nationalen Systemen – insbesondere hinsichtlich Anzeigeverfahren, Fristen- und Beweisanforderungen, Änderungsregulierung und mehrstufiger Streitbeilegung. Eine solche Implementierung vermindert Risiken für Auftragnehmer, erhöht die Vergleichbarkeit von Projektdokumentation und erleichtert den Zugang zu Finanzierung in adäquaten Rechtsformen. Parallel bleibt die wissenschaftliche Untersuchung von Rechtsstatus und Zuständigkeit integrationsorientierter Finanzinstitutionen wie der NDB zweckmäßig, um klare Mechanismen der rechtlichen Zusammenarbeit in Verbünden wie BRICS auszugestalten (Abashidze, 2014; Kembayev, 2009). Die Stärkung der Stellung der NDB als einflussreicher Akteur internationaler Bauvorhaben setzt eine fortlaufende Kodifikation und Harmonisierung interner Akte mit anerkannten Regulierungsentscheidungen voraus und schafft damit stabilere und vorhersehbarere Bedingungen auf globaler Ebene.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 5: Recht der internationalen Organisationen. Rechtsnatur, Status und Zuständigkeit internationaler zwischenstaatlicher Organisationen, internationaler nichtstaatlicher Organisationen und Quasi-Organisationen. Rechtsetzende Tätigkeit internationaler Organisationen. Inneres Recht internationaler Organisationen. Internationale Konferenzen.

Literaturverzeichnis

1. Abashidze, A. Kh. (Hrsg.). (2014). Recht der internationalen Organisationen: Lehrbuch für Bachelor- und Masterstudium. Iurait.

2. Alvarez, J. E. (2006). Internationale Organisationen als Rechtssetzer. Oxford University Press.

3. Bekyashev, K. A. (2019). Völkerrecht: Lehrbuch. Prospekt.

4. Bevelikova, N. M. (2015). BRICS: Rechtliche Entwicklungsmerkmale. Journal of Russian Law, 8(224), 110–123.

5. Bezborodov, Yu. S. (2017). Integration als völkerrechtliche Methode der Rechtskonvergenz. Lex Russica, 12(133), 124–132.

6. Kapustin, A. Ya. (2016). Internationale Organisationen: Fragen der Finanzierungsaktivitäten. Journal of Foreign Legislation and Comparative Law, 6(61), 98–103.

7. Kashkin, S. Yu., & Chetverikov, A. O. (2014). Grundlagen des Integrationsrechts. Prospekt.

8. Kembayev, Z. (Hrsg.). (2009). Rechtsaspekte regionaler Integrationsprozesse im postsowjetischen Raum. Springer.

9. Veliaminov, G. M. (2015). Internationales Recht: Experimente. Statut.

KAPITEL 6. Rechtsquellenhierarchie und FIDIC-Standards im Internationalen Baurecht: Eine dogmatische Systemanalyse

DOI: 10.64457/icl.de.ch6

Das Kapitel erörtert die normativen Grundlagen grenzüberschreitender Bauverträge. Zunächst werden universelle Quellen – UN-Charta 1945, CISG 1980, New-York-Übereinkommen 1958, Haager Übereinkommen 1986 – hierarchisch dem nationalen Recht zugeordnet. Ein eigener Abschnitt widmet sich den FIDIC-Bedingungen als Instrument der Risikoallokation und Streitbeilegung und zeigt deren Bezug zum Salini-Test in Verfahren vor ICSID, ICC und SCC. Anschließend werden Wege zur Integration von FIDIC-Klauseln in nationale Ordnungen durch digitale Register und gesetzliche Verankerung der Adjudikation bewertet. Abschließend folgen Empfehlungen zur Harmonisierung und zu Partnering-Modellen. Die vorgeschlagene Taxonomie erhöht Vorhersehbarkeit und Investitionsfähigkeit großer Infrastrukturprojekte.

Im Zuge der Entstehung einer multipolaren Weltordnung und der Vertiefung der internationalen Zusammenarbeit im Bausektor gewinnt die Rolle der Völkerrechtsquellen bei der Regulierung internationaler Bauverträge zunehmend an Bedeutung. Wie I. A. Goddard (2018) hervorhebt, basiert ein effektives System der völkerrechtlichen Regelung grenzüberschreitender Bauaufträge auf einer harmonischen Kombination aus internationalen Normen und nationaler Gesetzgebung, was ein Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Umsetzung großer Infrastrukturprojekte ist. L. A. Morozova (2024) merkt an, dass der Begriff des Rechtssystems und dessen Struktur eine wichtige Rolle für das Verständnis der Mechanismen der Rechtsregulierung spielt, insbesondere unter den Bedingungen der Globalisierung. Der rechtliche Rahmen, den Instrumente wie die Charta der Vereinten Nationen von 1945 (UN-Charta), das UN-Kaufrechtsübereinkommen von 1980 (CISG) und das New Yorker Übereinkommen von 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche sowie die Standards der Internationalen Föderation der Beratenden Ingenieure (FIDIC) schaffen, bestimmt die Bedingungen für die Interaktion der Akteure in grenzüberschreitenden Projekten. Allerdings bleibt die Frage der Hierarchie dieser Quellen und der Praxis ihrer Anwendung in verschiedenen nationalen Rechtssystemen Gegenstand von Diskussionen, bedingt durch Unterschiede in den nationalen Ansätzen zur Priorität internationaler Normen und FIDIC-Standards. Die Forschungshypothese lautet, dass die Systematisierung und Integration völkerrechtlicher Normen – einschließlich der FIDIC-Standards – in das nationale Recht im Bereich grenzüberschreitender Bauprojekte durch deren Klassifizierung und systematische Implementierung möglich ist.

Nach Angaben des Weltbank-Berichts „Benchmarking Infrastructure Development“ (2023) nahmen die globalen Investitionen in Infrastrukturprojekte weiter zu und erreichten dank Reformen im Bereich öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) ein beachtliches Niveau. Im Zeitraum von Juni 2019 bis Juni 2022 führten 45 Volkswirtschaften wichtige regulatorische Änderungen ein, was zu einem Anstieg der Infrastrukturinvestitionen im ÖPP-Rahmen um rund 488 Milliarden US-Dollar beitrug. Diese Reformen, insbesondere im Bereich des Vertragsmanagements, unterstreichen die Notwendigkeit effektiver Rechtsmechanismen, um die Interessen aller Beteiligten zu schützen und eine nachhaltige Entwicklung internationaler Bauprojekte zu fördern.

Forschungsziel: Entwicklung und Begründung praktischer Ansätze zur Vereinheitlichung und Implementierung von Völkerrechtsquellen und FIDIC-Standards im internationalen Baurecht sowie Bestimmung von Instrumenten zu deren Harmonisierung mit dem nationalen Recht.

Forschungsaufgaben:

• Identifizierung der wichtigsten Völkerrechtsquellen, die internationale Bauverträge beeinflussen, um ihren Kreis und ihre Merkmale zu bestimmen.

• Bestimmung der Hierarchie und Funktionsprinzipien dieser Quellen, um ihr Zusammenspiel und ihre Priorität im Kontext des internationalen Bauvertragsrechts (IBVR) zu verstehen.

• Analyse der Möglichkeiten der Integration internationaler FIDIC-Standards in nationale Rechtssysteme.

• Ausarbeitung von Empfehlungen zur Erhöhung der Effizienz und Stabilität bei der Umsetzung internationaler Bauprojekte.

Wissenschaftliche Neuheit: Im Unterschied zu vielen Untersuchungen, die sich mit allgemeinen Fragen der Anwendung internationaler Verträge oder der Praxis der Anwendung von FIDIC-Standards in Einzelaspekten befassen, betrachtet diese Studie erstmals umfassend den Einfluss internationaler Verträge und FIDIC-Standards auf die Rechtsregulierung grenzüberschreitender Bauverträge. Im weiteren Kontext strebt die aktuelle Rechtsdoktrin danach, ein universelles Konzept der „Rechtsquellen“ zu formen, das in der Rechtspraxis Anwendung findet. Besonderes Augenmerk wird auf die völkerrechtliche Doktrin gelegt, welche die Entstehung und Umsetzung von Rechtsquellen auf globaler Ebene untersucht. So umfasst die Kategorie „Rechtsquelle“ nicht nur materielle Faktoren und soziale Voraussetzungen, die die Notwendigkeit rechtlicher Regulierung begründen, sondern auch die Ausgestaltung des Norminhalts und den imperativen Charakter der Normen selbst. Ein solcher Ansatz betont die Bedeutung der Rechtsquellen in den Mechanismen der Rechtssetzung und Rechtsanwendung, liefert jedoch keine detaillierte Methodik für deren Einsatz in bestimmten Rechtsgebieten.

Wesentliche Aspekte des IBVR. Die Untersuchung ergab, dass die Rechtsgrundlage des internationalen Bauvertragsrechts (IBVR) sowohl allgemeine Völkerrechtsquellen als auch spezielle Rechtsdokumente und Standards umfasst. Zu den universellen internationalen Dokumenten, die im Kontext des IBVR anwendbar sind, zählen: die UN-Charta (1945), welche grundlegende Prinzipien der internationalen Zusammenarbeit festschreibt; das CISG (UN-Kaufrechtsübereinkommen von 1980), das einheitliche Regelungen für internationale Handelsverträge vorgibt; und das New Yorker Übereinkommen von 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, das die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen gewährleistet. Allerdings ist anzumerken, dass das Haager Übereinkommen von 1986 über das auf internationale Warenkaufverträge anzuwendende Recht trotz seines potenziellen Stellenwerts aufgrund unzureichender Ratifikationen und seines Nichtinkrafttretens nur begrenzt zur Anwendung gelangt.

Darüber hinaus sind branchenspezifische internationale Gewohnheitsrechte sowie doktrinäre Ansätze zu berücksichtigen, die in klassischen Werken des Völkerrechts wurzeln. So betont beispielsweise das Werk von Hugo Grotius De jure belli ac pacis (1625) die Rolle internationaler Verträge bei der Abstimmung staatlicher Interessen und der Entwicklung stabiler internationaler Kooperation – Aspekte, die auch für moderne grenzüberschreitende Bauprojekte unmittelbar relevant sind. Die Grundsätze des Internationalen Instituts für die Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT-Prinzipien) legen allgemeine Leitlinien für das Zusammenwirken von Wirtschaftsteilnehmern fest und dienen zugleich als Grundlage für die Ausarbeitung spezieller Rechtsnormen, die auf internationale Bauverträge anwendbar sind.

Um die Forschungsergebnisse angemessen zu verstehen, müssen die im Rahmen des IBVR verwendeten Begriffe und Konzepte erläutert werden. Internationales Handelsrecht ist eine etablierte Disziplin des Völkerrechts, die auf internationalen Abkommen und Konventionen beruht und Fragen der Vertragsverhandlung, -erfüllung und -beendigung zwischen Subjekten internationaler Rechtsbeziehungen regelt. Der grundlegende Rechtsakt in diesem Bereich ist das CISG, das einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen für internationale Handelsverträge schafft und als Grundlage für die Regelung internationaler Bauverträge dient.

Internationales Baurecht ist ein vergleichsweise neues, jedoch dynamisch wachsendes Rechtsgebiet des Völkerrechts, das die Rechtsregulierung von Bauprozessen umfasst, welche mit Planung, Errichtung und Betrieb von Bauwerken auf transnationaler Ebene verbunden sind. Die Bedeutung dieses Bereichs wird durch grundlegende wissenschaftliche Arbeiten führender Forscher und Experten im internationalen Bauwesen belegt. So präsentiert Wolfgang Breyer in International Construction Law: An Overview eine umfassende Analyse internationaler Bauverträge. Wendy K. Venoit untersucht in International Construction Law Fragen der Beilegung grenzüberschreitender Baustreitigkeiten. In der von D. Wightman und H. Lloyd herausgegebenen International Construction Law Review werden die Harmonisierung von Vertragsstandards und das Zusammenspiel verschiedener nationaler Rechtssysteme ausführlich erörtert. C. B. Molineaux’ Werk International Construction Law bildet ein wichtiges theoretisches Fundament und beleuchtet die Entwicklung des internationalen Baurechts von frühen Formen vertraglicher Regulierung bis hin zu modernen Standards.

Das IBVR bildet sich als entstehende Unterdisziplin des internationalen Baurechts heraus, welche die rechtliche Regelung des Abschlusses und der Durchführung von Verträgen im Rahmen transnationaler Bauprojekte gewährleistet. Trotz seines noch jungen Alters ist das IBVR bereits in doktrinären Studien namhafter internationaler Wissenschaftler ausführlich behandelt worden. So analysiert Łukasz Klee in seiner Monographie International Construction Contract Law die zentralen Aspekte der Anwendung von FIDIC-Standards in der internationalen Baupraxis und untersucht deren Einfluss auf die Risikoverteilung und Streitbeilegung. Ein wichtiges praktisches Handbuch zu internationalen Bauverträgen stellt William Godwins International Construction Contracts: A Handbook dar, das Schlüsselfragen der Vertragsgestaltung und des Managements von Baurisiken behandelt. Erwähnenswert ist zudem die Untersuchung von D. I. Imamova The concept of an international construction contract, die die besonderen Merkmale der Rechtsregulierung internationaler Bauverträge unter Berücksichtigung zeitgenössischer Entwicklungen im Internationalen Privatrecht beleuchtet.

Das IBVR stellt ein komplexes interdisziplinäres Teilsystem dar, das an der Schnittstelle von internationalem Privat- und öffentlichem Recht angesiedelt ist. Theoretisch weist das IBVR Elemente beider Hauptbereiche des Völkerrechts auf, was durch die Besonderheiten seines Gegenstands und seiner Regelungsmethode bedingt ist. Einerseits regelt das IBVR vertragliche Beziehungen zwischen privaten Akteuren (Unternehmen, Auftragnehmern, Investoren) in grenzüberschreitenden Bauprojekten, was auf seine Zugehörigkeit zum internationalen Privatrecht hindeutet. Die wichtigsten Rechtsinstrumente des IBVR – etwa die FIDIC-Mustervertragsbedingungen, die Grundsätze der lex mercatoria sowie die Mechanismen der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit – bestätigen dessen privatrechtlichen Charakter. Andererseits enthält das IBVR Elemente des internationalen öffentlichen Rechts, da transnationale Bauvorhaben häufig staatliche Interessen berühren, durch internationale Abkommen geregelt werden und die Einhaltung internationaler Sicherheits- und Umweltstandards erfordern. In diesem Zusammenhang ist die Untersuchung von Ja. A. Anossow über die Rechtsregulierung des internationalen Bauvertragswesens in den EAWU-Staaten hervorzuheben.

Es sei darauf hingewiesen, dass die Schiedspraxis bei Bausachen zwei Hauptausrichtungen kennt. Zum einen erfolgt die Beilegung solcher Streitigkeiten traditionell im Rahmen der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, insbesondere bei Institutionen wie der Internationalen Handelskammer (ICC) und dem Schiedsgerichtshof der Stockholmer Handelskammer (SCC). In diesen Foren werden Baustreitigkeiten überwiegend aus privatrechtlicher Sicht behandelt, wobei die Vertragsbedingungen auf Basis von FIDIC-Standards und anderen branchenspezifischen Normen maßgeblich sind. Zum anderen zeigt die Praxis, dass Bausachen in einigen Fällen der Zuständigkeit des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) unterliegen können. Ein Präzedenzfall, der diese Möglichkeit bestätigt, ist Salini Costruttori S.p.A. und Italstrade S.p.A. gegen das Königreich Marokko (ICSID-Fall Nr. ARB/00/4, bekannt als Salini-Fall).

Je nach Art und Rechtsnatur des Baustreits kann dessen Beilegung entweder vor einem internationalen Handelsschiedsgericht erfolgen – wo Streitigkeiten auf Grundlage der vertraglichen Verpflichtungen der Parteien entschieden werden – oder vor einem Investitionsschiedsgericht, sofern das Projekt die Kriterien einer Investition erfüllt und öffentlich-rechtliche Aspekte wie Investitionsschutzgarantien oder souveräne Verpflichtungen von Staaten berührt. Einige Forscher (z. B. Yerniyazov, 2023) weisen auf das Potenzial von Investitionsabkommen hin, die Interessen privater Auftragnehmer und des Staates in Einklang zu bringen.

Die Aktualität der Untersuchung ergibt sich aus der Notwendigkeit, die Mechanismen der Entstehung und Anwendung völkerrechtlicher Normen im Kontext von Bauverträgen vertieft zu verstehen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen führen die Vielfalt der Rechtssysteme und kulturellen Besonderheiten der Teilnehmer internationaler Projekte zu dem Bedürfnis nach einheitlichen Standards, die in der Lage sind, Rechtsrisiken zu minimieren und zum Gelingen der Projekte beizutragen. Die Analyse der Völkerrechtsquellen ermöglicht es, Schlüsselfaktoren zu ermitteln, die die Regulierung von Bauverträgen beeinflussen, und Wege zu ihrer Harmonisierung aufzuzeigen. Unter diesen Wegen kommt dem Modell des „Projekt-Partnerings“ besondere Bedeutung zu.

Forschungen führender Wissenschaftler leisten einen wichtigen Beitrag zur theoretischen Fundierung der Quellen des Völkerrechts. N. Yu. Sawjalowa analysiert in ihrer Arbeit Wichtigste Quellen des Völkerrechts und ihre Besonderheiten ausführlich die Wesensmerkmale und Eigenschaften der Völkerrechtsquellen aus Sicht der allgemeinen Rechtstheorie. Sie betont, dass die Entwicklung gesellschaftlicher Beziehungen mit Auslandsbezug der Hauptfaktor ist, der die Schaffung neuer Rechtsnormen auf internationaler Ebene prädeterminiert. Sawjalowa lenkt zudem die Aufmerksamkeit auf die spezifischen Besonderheiten der Subjekte völkerrechtlicher Rechtsetzung und die Willensabstimmungsprozesse der Staaten bei der Gestaltung internationaler Verträge, was auf den konsensualen Charakter der Völkerrechtsbildung hinweist.

B. Krivokapić behandelt in seinem Aufsatz Die wichtigsten Quellen des Völkerrechts und ihr hierarchisches Verhältnis (Teil 2) die Frage der Hierarchie zwischen den zentralen Quellen des Völkerrechts – den internationalen Verträgen, dem internationalen Gewohnheitsrecht und den Beschlüssen internationaler Organisationen. Er stellt fest, dass ungeachtet der herkömmlichen Anerkennung internationaler Verträge als primäre Rechtsquellen in einigen Fällen internationales Gewohnheitsrecht und Entscheidungen internationaler Organisationen eine höhere Rechtskraft besitzen können. Besonderes Augenmerk legt er auf die Rolle der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und anderer internationaler Organisationen, die dank ihrer Unmittelbarkeit und universellen Anwendbarkeit häufig gegenüber anderen Rechtsquellen überwiegen.

L. P. Anufrieva betont in ihrer Arbeit Über die Quellen des internationalen Privatrechts (einige theoretische Fragen) die theoretischen Aspekte der Bestimmung der Quellen des internationalen Privatrechts. Sie weist darauf hin, dass diese Thematik in der in- und ausländischen Fachliteratur unzureichend entwickelt ist, was ihrer Ansicht nach zu gewissen Lücken im Verständnis und in der Anwendung der Rechtsquellen in der Praxis international-privatrechtlicher Beziehungen führt. Anufrieva unterstreicht die Notwendigkeit, die theoretischen Ansätze zur Definition der Quellen des internationalen Privatrechts zu systematisieren, wobei deren Doppelnatur – als objektiver Faktor und formaler Rechtsausdruck – zu berücksichtigen ist.

Die Arbeit von G. Fitzmaurice liefert eine eingehende Analyse des Verfahrens und der Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs, was für das Verständnis der rechtlichen Mechanismen zur Streitbeilegung bei internationalen Bauprojekten unmittelbar relevant ist. Seine Schlussfolgerungen können herangezogen werden, um Schieds- und Gerichtsverfahren bei Streitigkeiten, die während der Umsetzung grenzüberschreitender Bauverträge entstehen, zu verbessern.

In der Untersuchung wurden Methoden der rechtsvergleichenden Analyse von Rechtsnormen und -prinzipien angewandt, die internationale Bauverträge regeln. Es wurden zentrale internationale Konventionen und Verträge, Gewohnheitsrecht sowie doktrinäre Untersuchungen im Zusammenhang mit Schiedsgerichtsbarkeit und Streitbeilegung untersucht. Besonderes Augenmerk galt der Analyse der Rolle der von FIDIC entwickelten Standards und deren Anwendung in verschiedenen Rechtsordnungen. Informationen wurden aus maßgeblichen Quellen wie FIDIC-Publikationen sowie aus Forschungen und Veröffentlichungen führender Wissenschaftler auf dem Gebiet des internationalen Bau- und Investitionsrechts gewonnen. Außerdem wurden die theoretischen Grundlagen herangezogen, die G. I. Muromzew in seinem Werk Rechtsquellen: theoretische Aspekte des Problems dargelegt hat. G. I. Muromzew betont die Komplexität und Vielschichtigkeit des Begriffs „Rechtsquelle“, was auf die Notwendigkeit eines interdisziplinären Ansatzes zu seiner Untersuchung und Betrachtung sowohl aus Sicht des internationalen öffentlichen als auch des internationalen privaten Rechts hinweist.

Quellen des Völkerrechts und ihr Einfluss auf das IBVR. Im Ergebnis der Untersuchung wurden die wichtigsten Quellen des Völkerrechts ermittelt, die sich auf internationale Bauverträge auswirken. Es wurde festgestellt, dass zu den Schlüsselfaktoren internationale Abkommen, Rechtsgewohnheiten und anerkannte Branchenstandards gehören, welche die rechtlichen Aspekte der Interaktion der Parteien in transnationalen Bauprojekten regeln. Die UN-Charta verankert grundlegende Prinzipien wie die Souveränität der Staaten, die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und die friedliche Streitbeilegung. Diese Prinzipien bilden die Basis für internationale Zusammenarbeit und den Schutz der Rechte der Beteiligten von Bauverträgen auf globaler Ebene. Das CISG regelt Fragen im Zusammenhang mit der Lieferung von Baumaterialien und -ausrüstung und gewährleistet die Einheitlichkeit der rechtlichen Regelungen von Handelsgeschäften, wodurch Rechtsrisiken bei der Vertragserfüllung minimiert werden. Das Haager Übereinkommen von 1986, das das auf internationale Kaufverträge anzuwendende Recht betrifft, bietet einen Mechanismus zur Rechtswahl und Gerichtsstandsbestimmung – was für grenzüberschreitende Bauprojekte von entscheidender Bedeutung ist, da es Rechtsklarheit schafft und die Interessen der Beteiligten schützt. Es hat sich gezeigt, dass FIDIC-Standards ein universelles Instrument zur Regulierung der Beziehungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern darstellen, indem sie Fragen der Risikoverteilung, technische Aspekte der Projektausführung und die Streitbeilegung regeln. Die Entscheidungen internationaler Schiedsgerichte wie des ICSID haben erheblichen Einfluss auf die Rechtsanwendung im Bausektor; sie dienen als wichtige Orientierungspunkte bei der Lösung von Konflikten, die im Verlauf der Umsetzung internationaler Bauverträge entstehen. Internationales Gewohnheitsrecht, das auf gefestigter Staatspraxis beruht, ergänzt die Bestimmungen internationaler Verträge, insbesondere dort, wo normative Regelungslücken bestehen. Neben den genannten Quellen nehmen auch das New Yorker Übereinkommen von 1958 und die UNIDROIT-Grundsätze für internationale Handelsverträge einen bedeutenden Platz ein, da sie zur Vereinheitlichung von Schiedssprüchen und zur Standardisierung vertraglicher Beziehungen beitragen.

Hierarchie der Rechtsquellen im Kontext des IBVR. Die Analyse ergab die Hierarchie und Wirkprinzipien der Rechtsquellen, die internationale Bauverträge regeln. Es wurde bestätigt, dass CISG und Haager Übereinkommen von 1986 das Fundament des normativen Rahmens für Bauverträge bilden. FIDIC-Standards, obgleich sie keinen bindenden Rechtscharakter besitzen, sind in der Fachwelt anerkannt und werden in der Baubranche weithin angewandt, um Vertragsbedingungen zu vereinheitlichen und die Vorhersehbarkeit ihrer Erfüllung zu erhöhen. Internationales Gewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze spielen eine ergänzende Rolle, indem sie Regelungslücken schließen und Flexibilität in der Rechtsanwendung ermöglichen. Hervorzuheben ist, dass für die internationale Bauwirtschaft der Salini-Fall von besonderer Bedeutung ist, in dessen Verlauf der sogenannte „Salini-Test“ formuliert wurde – Kriterien, anhand derer Bauprojekte im Rahmen des ICSID als Investitionen qualifiziert werden können. Es hat sich gezeigt, dass dieser Test Kriterien wie Kapitalinvestition, Vorhandensein eines Risikos, bestimmte Projektdauer und Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Aufnahmestaates umfasst. Dessen Anwendung ermöglichte es, Bauprojekte als Investitionen einzustufen und die entsprechenden Streitigkeiten vor dem ICSID zu verhandeln.

Analyse der Möglichkeiten der Integration von FIDIC-Standards in nationale Rechtssysteme. Die Untersuchung ergab, dass die nationalen FIDIC-Verbände aller fünf Gründerstaaten der BRICS – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – Mitglieder der FIDIC sind. Dies unterstreicht die Bedeutung der FIDIC-Standards für Russland im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit den BRICS-Partnerländern. Die Integration der FIDIC-Standards in nationale Rechtssysteme, einschließlich der russischen, kann durch die offizielle Anerkennung und Anpassung der FIDIC-Musterverträge an nationale Gegebenheiten erfolgen, und dieser Prozess hat bereits mit einer Beratung unter Vorsitz des stellvertretenden russischen Ministerpräsidenten D. N. Kozak begonnen. Ein zentrales Hindernis für die vollständige Übernahme der FIDIC-Standards in die russische Gesetzgebung bleibt das Fehlen eines Adjudikationsmechanismus, der in der internationalen Baupraxis weit verbreitet ist und die zügige Beilegung von Streitigkeiten unterstützt. Gleichzeitig steigern die Vereinheitlichung von Vertragsbedingungen und die Verringerung rechtlicher Risiken die Investitionsattraktivität der Branche erheblich – wie bereits in der Arbeit von O. Schachter (1991) hervorgehoben wurde, in der auf den engen Zusammenhang zwischen den theoretischen Grundlagen des Völkerrechts und deren praktischen Mechanismen im grenzüberschreitenden Bauwesen hingewiesen wird.

Praktische Empfehlungen zum Einsatz der FIDIC-Standards. Aus den Ergebnissen der Untersuchung ergibt sich als Hauptempfehlung die Integration der FIDIC-Standards in ein einheitliches digitales Bauanforderungsregister, das vom Ministerium für Bauwesen und Wohnungswirtschaft der Russischen Föderation gemäß Bundesgesetz Nr. 653-FZ vom 25. Dezember 2023 entwickelt wird. Die Implementierung der FIDIC-Standards in dieses Register wird einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen für die Umsetzung internationaler Bauverträge schaffen, den Zugang von Baufirmen aus Partnerstaaten zum russischen Baumarkt erleichtern und die Wettbewerbsfähigkeit russischer Bauunternehmen im Rahmen der BRICS erhöhen. Ein wichtiges Anliegen ist die Durchführung von Schulungsprogrammen für Marktteilnehmer, um die Prinzipien der Anwendung von FIDIC-Standards zu vermitteln, sowie die Schaffung von Voraussetzungen für die Implementierung des Adjudikationsmechanismus im nationalen Bausektor.

Die Studie hat die Bedeutung von Völkerrechtsquellen wie dem CISG und dem New Yorker Übereinkommen von 1958 für die Regulierung des IBVR aufgezeigt. Die Analyse hat die Möglichkeit aufgezeigt, Bauverträge als Investitionen zu qualifizieren, sofern die Kriterien des in der ICSID-Praxis entwickelten „Salini-Tests“ erfüllt sind.

Es wurde festgestellt, dass FIDIC-Standards de facto ein weltweit anerkanntes Instrument zur Vereinheitlichung von Vertragsbedingungen und zur Risikoverteilung in grenzüberschreitenden Bauprojekten darstellen.

Das Fehlen eines Adjudikationsmechanismus in einigen nationalen Rechtsordnungen (insbesondere in der Russischen Föderation) wird als Hindernis für die rasche Beilegung von Bauschäden betrachtet. In diesem Zusammenhang wurde die Empfehlung formuliert, diesen Mechanismus gesetzlich zu verankern und die FIDIC-Standards systematisch in die russische Gesetzgebung zu integrieren.

Die Untersuchung hat ergeben, dass die Einbindung der FIDIC-Standards in ein einheitliches digitales Register von Bauanforderungen, das vom russischen Bauministerium auf der Grundlage des Föderalgesetzes Nr. 653-FZ vom 25. Dezember 2023 entwickelt wird, ein vielversprechendes Instrument zur Erhöhung der Transparenz vertraglicher Beziehungen, zur Harmonisierung der Rechtsgrundlagen und zur Stärkung des gegenseitigen Vertrauensprinzips zwischen den Akteuren des Bausektors – einschließlich ausländischer Partner – darstellt.

Aus theoretischer Sicht wurde begründet, dass der Begriff „Rechtsquelle“ im Völkerrecht sowohl vertragliche als auch gewohnheitsrechtliche Normen sowie Entscheidungen internationaler Gerichtsbarkeit und Schiedspraxis umfasst. Es wurde festgestellt, dass die Anerkennung von FIDIC-Standards die Entwicklung flexibler Mechanismen fördert, um internationale Normen an nationale Rechtsordnungen anzupassen, ohne dabei öffentlich-rechtliche Garantien einzubüßen.

Das Zusammenspiel verschiedener Rechtsinstrumente (internationale Konventionen, internationales Gewohnheitsrecht, FIDIC-Standards und Investitionsschiedspraxis) bildet die Grundlage für eine effektive Regulierung transnationaler Bauprojekte. Eine weitere Ausdifferenzierung der Rechtsprechungspraxis sowie die Verbesserung nationaler Rechtsregime unter Berücksichtigung der Erfahrungen fremder Rechtsordnungen und staatlicher Interessen stellen zentrale Richtungen zukünftiger Untersuchungen dar.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 6: Quellen des Völkerrechts. Grundprinzipien des Völkerrechts. Internationale Rechtsbeziehungen.

Literaturverzeichnis

1. Anosov, Ya. A. (2022). Rechtsregelung internationaler Bauverträge in den EAWU-Staaten. Obrazovanie i pravo, (11).

2. Anufrieva, L. P. (2021). Zu den Quellen des Internationalen Privatrechts (einige Theoriefragen). Moskovskii zhurnal mezhdunarodnogo prava, (4), 60–74.

3. Breyer, W. (2024). Internationales Baurecht: Ein Überblick. Taylor & Francis.

4. Fitzmaurice, G. (1955). Recht und Verfahren des Internationalen Gerichtshofs 1951–1954: Fragen des materiellen Rechts, Teil II. British Yearbook of International Law, 32, 20–85.

5. Goddard, I. A. (2018). Völkerrechtliche und nationale Regelung grenzüberschreitender Bauverträge. Leningradskii iuridicheskii zhurnal, 3(53).

6. Godwin, W. (2013). Internationale Bauverträge: Ein Handbuch. Wiley-Blackwell. ISBN 978-1-118-49859-0.

7. Grotsii, G. (1994). Über das Recht des Krieges und des Friedens (Reprint der russischen Ausgabe von 1956). Ladomir.

8. Imamova, D. I. (2023). Der Begriff des internationalen Bauvertrags. Review of Law Sciences, 7(2). DOI 10.51788/tsul.rols.2023.7.2./VJGM1988.

9. Krivokapich, B. (2019). Die wichtigsten Quellen des Völkerrechts und ihr hierarchisches Verhältnis (Teil 2). Iuridicheskii vestnik Samarskogo universiteta, 5(1), 71–79.

10. Klee, L. (2018). Internationales Bauvertragsrecht. John Wiley & Sons.

11. Mingazov, L. Kh. (2012). Quellen des modernen Völkerrechts: Theoretische Aspekte. Evraziiskii iuridicheskii zhurnal, (1), 26–33.

12. Molineaux, C. B. (1998). Internationales Baurecht. John Wiley & Sons, Incorporated.

13. Morozova, L. A. (2024). Theorie von Staat und Recht (6., überarb. und erw. Aufl.). Norma; INFRA-M. ISBN 978-5-91768-844-2.

14. Muromtsev, G. I. (1992). Rechtsquellen: Theoretische Aspekte. Izvestiia vysshikh uchebnykh zavedenii. Pravovedenie, (2), 23–30.

15. Ordina, O. N. (2015). Internationale Akte mit allgemein anerkannten Grundsätzen und Normen des Völkerrechts als Quellen des Verwaltungsrechts. Administrativnoe pravo i protsess, (3), 63–65.

16. Safronova, E. V. (2010). Entstehung und Entwicklung der russischen Lehre zu den Quellen des Völkerrechts. Leningradskii iuridicheskii zhurnal, (1), 25–35.

17. Samkharadze, D. G. (2005). Wechselwirkung der Quellen des modernen Völkerrechts.

18. Schachter, O. (1991). Internationales Recht in Theorie und Praxis. Martinus Nijhoff.

19. Skeggs, C. (2003). Projekt-Partnering in der internationalen Bauindustrie. International Construction Law Review.

20. Slouka, Z. J. (2012). Internationales Gewohnheitsrecht und der Kontinentalschelf: Eine Studie zur Dynamik gewohnheitsrechtlicher Normen des Völkerrechts. Springer.

21. Venoit, W. K. (2009). Internationales Baurecht. American Bar Association.

22. Vorontsova, I. V. (2015). Normen des Völkerrechts als Quelle des Zivilprozessrechts (Diss. Dr. jur.). Saratov.

23. Wightman, D., & Lloyd, H. (Hrsg.). (2002). International Construction Law Review. Informa Professional.

24. Yerniyazov, I. (2023). Wechselwirkungen zwischen internationalen Bauverträgen und Investitionsabkommen: Möglichkeiten zur Harmonisierung kommerzieller und öffentlicher Interessen. Review of Law Sciences.

25. Zavialova, N. Yu. (2016). Quellen des Völkerrechts und ihre Besonderheiten. Politematicheskii setevoi elektronnyi nauchnyi zhurnal Kubanskogo gosudarstvennogo agrarnogo universiteta, (124), 201–209.

KAPITEL 7. Systematische Kodifizierung des Internationalen Baurechts: Eine rechtsdogmatische Analyse der FIDIC-Standards im Zusammenspiel mit UNIDROIT- und UNCITRAL-Prinzipien

DOI: 10.64457/icl.de.ch7

Das Kapitel untersucht die Fortentwicklung und Kodifizierung des internationalen Bauvertragsrechts durch Einbindung der FIDIC-Bedingungen in UNCITRAL-Modellgesetze und die UNIDROIT-Principles. Die Entwicklung der FIDIC-Versionen 1999 und 2017 sowie Präzedenzfälle (Salini, RFCC, Impregilo, ICC 10619) belegen den Wert mehrstufiger Streitbeilegung und einer festen 28-Tage-Frist. Ein Vergleich der Mitteilungs-, Einbehalt- und Ingenieurregelungen mit UNCITRAL- und UNIDROIT-Texten zeigt Regulierungs¬lücken. Abschließend wird ein Kodifizierungsweg skizziert: einheitliche Terminologie, Umwandlung der FIDIC-Klauseln in Praxishinweise und institutionalisierter DAAB. Ergebnis: geringere Fragmentierung, höhere Vorhersehbarkeit, besserer Schutz der Projektbeteiligten.

Das internationale Bauvertragsrecht hat sich in den letzten Jahrzehnten als eigenständiger Bereich des transnationalen Wirtschaftsrechts herausgebildet. Es umfasst Regeln und Prinzipien, die auf grenzüberschreitende Bauprojekte Anwendung finden und die vertraglichen Beziehungen zwischen Bauherren, Auftragnehmern und anderen Beteiligten regeln. Diese Rechtsmaterie befindet sich in einem Prozess der progressiven Entwicklung und Kodifizierung. „Progressive Entwicklung“ bedeutet, dass sich das Regelwerk fortlaufend durch Praxis und Gewohnheitsbildung herausbildet und verfeinert. „Kodifizierung“ meint in diesem Zusammenhang die systematische Erfassung und schriftliche Fixierung dieser Regeln – sei es in Form von Musterverträgen, Prinzipiensammlungen oder Modellgesetzen. Im Zentrum dieses Prozesses stehen zwei sich ergänzende Komponenten: erstens private Standardverträge, insbesondere die vom internationalen Ingenieurverband FIDIC (Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils) veröffentlichten Vertragsmuster, und zweitens regelsetzende internationale Organisationen wie UNIDROIT und UNCITRAL, die allgemeine Vertragsgrundsätze und Modellgesetze entwickeln. Durch die Interaktion dieser Komponenten entstehen allmählich einheitliche Normen, die in der Literatur mitunter als „Lex Constructionis“ bezeichnet werden – in Anlehnung an die Lex Mercatoria der internationalen Handelsverträge. Ziel dieses Kapitels ist es, darzustellen, wie die Integration der FIDIC-Standards in die von UNIDROIT und UNCITRAL geschaffenen Musterregelwerke zur fortschreitenden Vereinheitlichung und Kodifizierung des internationalen Bauvertragsrechts beiträgt, und welche Vorteile diese Integration für die Praxis mit sich bringt.

Die vom FIDIC-Verband herausgegebenen Bauvertragsmuster (insbesondere die bekannten „Bücher“ – Red Book, Yellow Book, Silver Book etc.) haben maßgeblichen Einfluss auf die Herausbildung eines transnationalen Bauvertragsrechts ausgeübt. Seit der Gründung von FIDIC im Jahr 1913 hat die Arbeit dieses Verbands wesentlich zur Vereinheitlichung bauvertraglicher Rechtsnormen und Projektabwicklungsverfahren beigetragen. FIDIC-Vertragsbedingungen sind heute in über 80 Ländern als De-facto-Standard anerkannt. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie ausgewogene Regelungen für Rechte und Pflichten der Parteien enthalten und typische Risiken großer Bauvorhaben gerecht verteilen. So schafft ein FIDIC-Vertrag Rechtssicherheit und Transparenz hinsichtlich zentraler Aspekte wie Leistungsumfang, Bauzeit, Vergütung, Vertragsänderungen und Abwicklung von Mehrkosten- oder Fristverlängerungsansprüchen. Darüber hinaus bieten die FIDIC-Bedingungen erprobte Mechanismen zur Streitbeilegung – etwa durch den Einsatz eines Ingenieurs (Engineer) als unabhängiger Vertragsmanager und durch vorgelagerte Dispute Adjudication Boards (Schlichtungsgremien), deren Entscheidungen als Vorstufe zu einem Schiedsverfahren dienen. Diese Mechanismen fördern eine effiziente Konfliktlösung bereits während der Projektdurchführung.

Die große Bedeutung der FIDIC-Standards liegt darin, dass sie im Laufe der Zeit zu einem Quasi-Kodex des internationalen Bauvertragsrechts geworden sind. Ihre regelmäßige Verwendung in internationalen Großprojekten – oftmals auf Wunsch oder Vorgabe von Auftraggebern und Finanzierungsinstitutionen – hat einen reichen Fundus an Erfahrungen und Präzedenzfällen geschaffen. Eine Vielzahl von Schiedssprüchen und Gerichtsentscheidungen weltweit hat sich inzwischen mit FIDIC-Klauseln befasst, was zu einer gewissen Konvergenz in der Vertragsauslegung geführt hat. Beispielsweise werden zentrale Institute wie die Behinderung des Bauablaufs durch unforeseeable conditions (unvorhergesehene Umstände auf der Baustelle) oder die Pflicht zur vertragsgemäßen Zusammenarbeit der Parteien (duty to cooperate) in verschiedenen Rechtsordnungen zunehmend unter Rückgriff auf die FIDIC-Regeln interpretiert. Dadurch entsteht ein corpus von Entscheidungen, das als transnationales „Bauvertragsgewohnheitsrecht“ betrachtet werden kann. Diese Vereinheitlichung durch Praxis hat in der Lehre zum Begriff Lex Constructionis geführt – einem globalen Baurecht mit den FIDIC-Bedingungen als wesentlichem Inhalt. Wie ein Autor es ausdrückte: Die Hauptquelle dessen, was heute als Lex Constructionis bezeichnet wird, sind die von verschiedenen Organisationen entwickelten Musterverträge, allen voran FIDIC.

Ein herausragendes Merkmal der FIDIC-Verträge ist ihre Zweigliedrigkeit: Sie bestehen aus Allgemeinen Bedingungen, die weltweit einheitlich einsetzbar sind, und Besonderen Bedingungen, in denen projektspezifische und nationalrechtliche Anpassungen vorgenommen werden können. FIDIC selbst betont in seinen offiziellen Erläuterungen, dass die Vertragsparteien die Allgemeinen Bedingungen an örtliche gesetzliche Anforderungen anpassen sollen. So ist es üblich, dass z.B. in einem Land mit zwingenden Vorschriften zur Bauhaftung oder Vertragsstrafe entsprechende Änderungen oder Ergänzungen in den Besonderen Bedingungen vorgenommen werden. Diese Flexibilität hat es erleichtert, FIDIC-Standards in nationale Standardverträge zu integrieren. In Deutschland etwa werden traditionell die VOB/B-Bedingungen verwendet, doch finden sich im internationalen Projektgeschäft immer wieder FIDIC-Klauseln oder zumindest Klauseln nach FIDIC-Vorbild. In einigen osteuropäischen Staaten wurden FIDIC-Bedingungen nach der politischen Wende als Muster für neue Bauvertragsbedingungen herangezogen. In Ländern wie Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten haben Behörden offizielle Standardbauverträge erlassen, die weitgehend auf FIDIC basieren. FIDIC selbst hat durch lokale Partnerverbände autorisierte Übersetzungen (z.B. ins Deutsche, Chinesische, Arabische) veröffentlicht, was deren Verbreitung weiter erleichtert.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die FIDIC-Standards in der Praxis zu einem globalen Referenzrahmen für Bauverträge geworden sind. Sie treiben die progressive Entwicklung des internationalen Bauvertragsrechts voran, indem sie faktische Normen setzen, die jenseits einzelstaatlicher Gesetze Geltung beanspruchen. Diese Normen sind zwar privat geschaffen, genießen aber aufgrund ihrer breiten Akzeptanz und zuverlässigen Ergebnissen einen quasi-normativen Charakter. Dies bildet die Grundlage dafür, dass überstaatliche Organisationen wie UNIDROIT und UNCITRAL an diese Standards anknüpfen und sie in ihre eigenen Regelwerke einbeziehen können.

Die Vereinigung der privaten FIDIC-Standards mit allgemeinen vertraglichen Grundsätzen erfolgt insbesondere durch die Arbeit von UNIDROIT. UNIDROIT hat mit den Principles of International Commercial Contracts (UNIDROIT-Grundregeln für internationale Handelsverträge) ein Regelwerk vorgelegt, das als inoffizielle Kodifizierung des allgemeinen Vertragsrechts im internationalen Geschäftsverkehr. Diese Grundregeln (in der deutschen Übersetzung auch als „UNIDROIT Prinzipien“ bekannt) bieten präzise formulierte Vertragsbestimmungen zu fast allen Aspekten eines Schuldverhältnisses – von Vertragsschluss über Pflichtenerfüllung und Leistungsstörungen bis zu Rechtsbehelfen. Sie sind als Soft Law nicht verbindlich, haben aber aufgrund ihres ausgewogenen Inhalts weltweit Anerkennung gefunden und beeinflussen Gesetzgeber wie Vertragsparteien maßgeblichoas.org.

Für das Bauvertragsrecht sind die UNIDROIT-Prinzipien insofern bedeutsam, als sie einen allgemeinen Referenzrahmen bereitstellen, der auch im Bausektor herangezogen werden kann, um Lücken zu füllen oder Grundsatzfragen zu klären. Beispielsweise verankern die Prinzipien das Gebot von Treu und Glauben (Art. 1.7), die Pflicht zur Vertragskooperation und das Verbot des venire contra factum proprium – allesamt Grundsätze, die für lang andauernde Kooperationsverhältnisse wie Bauverträge essentiell sind. In ihrer 2016 überarbeiteten Fassung tragen die UNIDROIT-Prinzipien dem Umstand Rechnung, dass es in Langzeitverträgen – zu denen Bauverträge typischerweise zählen – spezieller Regelungen bedarf (etwa zur Vertragsanpassung bei veränderten Umstände). So wurde beispielsweise der Art. 6.2 über Hardship (unerwartete Erschwernisse) erweitert, um den Parteien ein klar geregeltes Verfahren zur Neuverhandlung und Anpassung des Vertrags an veränderte Umstände zu geben, bevor es zu einer Vertragsauflösung kommt. Solche Bestimmungen passen genau zu den Erfordernissen großer Bauprojekte, in denen Änderungen (technischer, wirtschaftlicher oder politischer Art) über die Vertragslaufzeit hinweg fast unvermeidlich sind.

Die Integration der FIDIC-Standards in das normative Gefüge der UNIDROIT-Prinzipien zeigt sich auf verschiedene Weise. Zunächst lässt sich feststellen, dass die FIDIC-Verträge in weiten Teilen mit den UNIDROIT-Grundsätzen kompatibel sind. Der Geist, der hinter den FIDIC-Klauseln steht – etwa der Grundsatz, dass Risiken demjenigen Vertragspartner zugewiesen werden sollen, der sie am besten kontrollieren kann, oder die Idee einer neutralen Vertragsverwaltung durch den Ingenieur – widerspricht nicht den UNIDROIT-Prinzipien, sondern wird von diesen vielmehr gestützt. Beispielsweise verlangt FIDIC vom Ingenieur eine unparteiische Entscheidungsfindung (insbesondere in älteren Ausgaben war ausdrücklich vorgesehen, dass der Ingenieur fair und ausgewogen agieren muss, obwohl er vom Auftraggeber bezahlt wird). Dieser Gedanke deckt sich mit Art. 1.7 UNIDROIT-Prinzipien (Redlichkeit und Treu und Glauben) und Art. 5.1.3 (Kooperationspflicht). Ein weiteres Beispiel ist die Vertragsklausel zur höheren Gewalt (Force Majeure) in den FIDIC-Bedingungen, die Bedingungen für Befreiung von der Leistungspflicht bei außergewöhnlichen Ereignissen definiert; diese findet ihre Entsprechung in Art. 7.1.7 der UNIDROIT-Prinzipien. Diese inhaltlichen Überschneidungen bedeuten, dass Anwälte und Schiedsrichter problemlos die UNIDROIT-Prinzipien heranziehen können, um FIDIC-Klauseln auszulegen oder auszufüllen. Tatsächlich ist es in internationalen Bauschiedsverfahren gängige Praxis geworden, bei strittigen Auslegungsfragen auf die UNIDROIT-Prinzipien Bezug zu nehmen, sofern das anwendbare Recht dies zulässt oder die Parteien diese als ergänzende Regeln vereinbart haben. Die UNIDROIT-Prinzipien fungieren somit als “Brücke“ zwischen unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen, über welche die FIDIC-Standards in allen diesen Ordnungen kohärent angewendet werden können.

Ferner beeinflussen die UNIDROIT-Prinzipien auch die Gesetzgebung und schaffen so mittelbar einen günstigen Rahmen für die Aufnahme von FIDIC-Regeln in staatliches Recht. Eine Reihe von Staaten hat bei der Reform ihres Vertragsrechts explizit auf die UNIDROIT-Prinzipien zurückgegriffenoas.org. So wurden Elemente der Prinzipien in den 2016 revidierten französischen Code civil, in das niederländische und deutsche Schuldrecht und jüngst in das reformierte brasilianische Vertragsrecht integriert. Je mehr nationale Rechtsordnungen sich in Richtung dieser modernen Prinzipien bewegen, desto weniger Reibungspunkte bestehen mit den FIDIC-Standards. Zum Beispiel legt Art. 7.1.6 der UNIDROIT-Prinzipien fest, dass eine Vertragspartei bei Nichterfüllung grundsätzlich Nachfrist gewähren muss, bevor sie vom Vertrag zurücktritt – ein Grundsatz, der in vielen Civil-Law-Rechtsordnungen gilt und den FIDIC in seiner Kündigungsklausel (Clause 15/16) ebenfalls verankert hat. Wenn nun Länder, in denen dies bislang nicht Gesetz war, solche Pflichten gesetzlich einführen, erhöht das die Kongruenz mit dem FIDIC-Regime. Ebenso fördert die Übernahme der UNIDROIT-Grundsätze in staatliche Normen die Anerkennung der generellen Wirksamkeit von im Voraus vereinbarten Vertragsmechanismen (z.B. Vertragsstrafen, Schiedsvereinbarungen, Verkürzung von Verjährungsfristen etc.), wie sie in FIDIC-Verträgen gang und gäbe sind.

Man kann daher sagen: Die UNIDROIT-Prinzipien liefern die allgemeinjuristische Legitimation für viele der speziellen Lösungen, die in FIDIC-Verträgen entwickelt wurden. Sie heben diese Lösungen gewissermaßen aus der engen Sphäre des Projektgeschäfts heraus und zeigen, dass sie auf allgemein akzeptierten Rechtsgrundsätzen beruhen. Durch diese Anschlussfähigkeit der FIDIC-Klauseln an höherstehende Prinzipien wird der Weg für eine mögliche formellere Kodifizierung des Bauvertragsrechts geebnet. Man könnte sich etwa vorstellen, dass UNIDROIT – in Zusammenarbeit mit Institutionen wie der Internationalen Handelskammer (ICC) und FIDIC selbst – einen Leitfaden oder Modellregeln für internationale Bauverträge erstellt. Dieser könnte die Lücke zwischen den abstrakten UNIDROIT-Prinzipien und den sehr konkreten FIDIC-Klauseln schließen, indem er branchenspezifische Default-Regeln (z.B. zur Bauüberwachung, zu Varianten und Nachträgen, zu Sachmängelgewährleistung bei Bauwerken etc.) formuliert. Solche Modellregeln wären für Gesetzgeber und Vertragspraktiker gleichermaßen nützlich: Gesetzgeber könnten sie bei der Modernisierung nationaler Bauvertragsgesetze berücksichtigen, und Vertragsparteien könnten sie im Zweifel als “Geltendes Recht” wählen oder neben dem nationalen Recht als amiccable compositeur-Regelwerk vereinbaren.

UNCITRAL hat – anders als UNIDROIT – keinen ausdrücklichen Schwerpunkt im Vertragsrecht des Bauwesens gesetzt, wohl aber wichtige Rahmenbedingungen geschaffen, die die Verbreitung und Wirksamkeit von Standards wie FIDIC unterstützen. Ein erster wichtiger Beitrag war das bereits erwähnte UNCITRAL Legal Guide von 1987 über industrielle Bauwerke, das als offizieller Leitfaden der Vereinten Nationen auch die staatlichen Beschaffer und die juristische Fachwelt auf die Besonderheiten internationaler Bauverträge aufmerksam gemacht hat. Dieser Leitfaden anerkennt implizit die Notwendigkeit standardisierter Klauseln in komplexen grenzüberschreitenden Bauprojekten und hat dadurch die Akzeptanz von Vertragsmustern wie FIDIC befördert.

Noch bedeutsamer ist UNCITRALs Schaffung von Modellgesetzen, die in vielen Staaten als Vorlage für nationale Gesetze dienen. Das herausragende Beispiel ist das UNCITRAL-Modellgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (1994, rev. 2011). Dieses Modellgesetz enthält zwar im Wesentlichen verfahrensrechtliche Regeln für Ausschreibungen und Vergaben, lässt aber Raum für und fördert sogar den Einsatz standardisierter Vertragsbedingungen in der Ausführungsphase. So ist in vielen Ländern, die dieses Modellgesetz übernommen haben, in den Ausschreibungsunterlagen explizit vorgesehen, dass die Vergabestellen auf Standardbauverträge zurückgreifen – oftmals wurden hier die harmonisierten FIDIC-Bedingungen für Bauaufträge, die von der Weltbank und FIDIC gemeinsam entwickelt wurden (bekannt als „FIDIC Pink Book“ in der 2006er-Ausgabe) als Muster integriert. UNCITRAL hat damit indirekt FIDIC zu einem Bestandteil des nationalen Rechts in zahlreichen Staaten gemacht, ohne selbst materiell-vertragliche Normen zu erlassen.

Ein weiteres Beispiel liefert das UNCITRAL-Modellgesetz für PPP-Projekte (2020), das zwar in erster Linie Konzessionsverträge betrifft, jedoch Grundprinzipien enthält, die auf Bau- und Betriebsverträge anwendbar sind. Dort wird z.B. betont, dass langfristige Infrastrukturverträge flexible Anpassungsmechanismen und ausgewogene Risikoteilungsklauseln benötigen – was den zentralen Anliegen von FIDIC entspricht. Indem solche Grundsätze in das Gesetzgebungsprogramm von Staaten einfließen, entsteht ein kohärenter Normenverbund, der FIDIC-Klauseln als konkrete Umsetzung dieser Grundsätze begünstigt. Wenn etwa ein nationales PPP-Gesetz vorschreibt, dass bei Vertragsanpassungen im Falle geänderter Umstände ein bestimmtes Verfahren einzuhalten ist, kann dies problemlos mit einer FIDIC-Klausel 13.6/13.8 (Anpassung bei Änderungen der Gesetzeslage oder Kosten) verzahnt werden.

Darüber hinaus hat UNCITRAL – wie zuvor erläutert – mit dem Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (1985/2006) und der Förderung der New Yorker Übereinkommen von 1958 dafür gesorgt, dass Schiedsvereinbarungen und -entscheidungen aus Bauverträgen weltweit durchsetzbar sind. Da FIDIC-Verträge regelmäßig Schiedsverfahren nach sich ziehen (sollte es nach dem Schlichtungsverfahren DAB noch Streit geben), ist diese globale Durchsetzungsarchitektur von entscheidender Bedeutung. Sie garantiert, dass die in FIDIC vorgesehenen mehrstufigen Streitbeilegungsmechanismen (Vertragsverhandlungen – DAB – Schiedsgericht) nicht durch nationale Prozessordnungen ausgebremst oder vereitelt werden. Beispielsweise folgt aus dem UNCITRAL-Modellgesetz, das in über 80 Staaten gilt, dass eine Schiedsklausel in einem FIDIC-Vertrag umfassend respektiert wird und ein staatliches Gericht grundsätzlich keine parallelen Verfahren zulässt. Auch die temporäre Verbindlichkeit eines DAB-Spruchs („binding but not final“) bis zur endgültigen Entscheidung wurde in verschiedenen Rechtsordnungen diskutiert; Gerichte in England, Singapur und anderen Ländern haben solche Klauseln in FIDIC-Verträgen gestützt, gestützt auch auf den pro-arbitration approach der New Yorker Konvention und des Modellgesetzes. Insgesamt schafft UNCITRAL somit das verfahrensrechtliche Rückgrat dafür, dass die materiellrechtlichen Standards von FIDIC funktionieren können.

Die beschriebenen Entwicklungen lassen sich konkret anhand ausgewählter Fallstudien illustrieren.

Ein Beispiel ist die bereits angesprochene Multilaterale Entwicklungsbank-Initiative: Im Jahr 2018 hat die Weltbank bekannt gegeben, dass sie für alle von ihr finanzierten Bauprojekte die Verwendung aktualisierter FIDIC-Bedingungen (Edition 2017) vorschreibt. Diese Vereinbarung zwischen FIDIC und der Weltbank (und ähnlich auch mit anderen MDBs wie EBRD, ADB) institutionalisiert die FIDIC-Standards auf globaler Ebene. In der Praxis bedeutet das, dass tausende von Bauverträgen in Entwicklungs- und Schwellenländern de jure auf FIDIC-Basis abgeschlossen werden (häufig als sogenannte „Pink FIDIC“ Version, welche an die Bedürfnisse der Entwicklungsbanken angepasst ist). Damit fließen FIDIC-Regeln in lokale Projekte ein, und lokale Gerichte sehen sich vermehrt mit deren Durchsetzung befasst. So gibt es etwa in Tansania und Kenia neuere Gerichtsentscheidungen, die sich mit der Rolle des FIDIC-Ingenieurs und der Zulässigkeit von Schiedsklauseln befassten – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf international übliche Standards. Hier zeigt sich, wie international vereinheitlichte Standards nach und nach Teil der nationalen Rechtsdiskurse werden.

Ein anderes Beispiel ist die Region Zentralasien/GUS: Im Zuge von Reformprozessen haben Länder wie Kasachstan, Usbekistan und die Russische Föderation erkannt, dass internationale Investoren und Geberorganisationen Vertragsstabilität und internationale Standards erwarten. In Kasachstan wurde – wie erwähnt – im Rahmen eines Regierungsprogramms die schrittweise Einführung der FIDIC-Vertragsmuster im öffentlichen Hoch- und Tiefbau beschlossen. Es wurden Schulungen in FIDIC für Beamte und Ingenieure durchgeführt, und schließlich hat das Beschaffungsregime Kasachstans FIDIC als zulässige Vertragsgrundlage anerkannt. In Russland wurde um die Vorbereitung der Fußball-WM 2018 eine Reihe großer Projekte (z.B. Stadienbau) unter Verwendung modifizierter FIDIC-Bedingungen abgewickelt. Dies führte zu ersten russischen Gerichtsverfahren, etwa im Zusammenhang mit Nachträgen und Verlängerungsansprüchen, bei denen die Gerichte mit FIDIC-Klauseln argumentierten. Russische Autoren diskutieren inzwischen, inwieweit FIDIC-Konditionen mit zwingenden Normen des russischen Zivilrechts harmonieren. Einer der Knackpunkte war z.B. die russische Regelung zum Einseitigen Rücktritt vom Vertrag: hier musste geklärt werden, ob die FIDIC-Kündigungsklauseln (die dem Auftraggeber ein Kündigungsrecht „aus beliebigem Grund“ gegen Zahlung einer Entschädigung einräumen) mit den russischen Vorschriften vereinbar sind. Solche Diskussionen fördern im Ergebnis ein gegenseitiges Verständnis und womöglich Anpassungen des nationalen Rechts.

Besonders innovativ ist die „FIDIC-Lokalisierung“ in Israel, die oben erwähnt wurde. Dort haben Praktiker erkannt, dass 70 verschiedene öffentliche Auftraggeber in Israel ca. 70 unterschiedliche Vertragsmuster verwenden, während „70 Länder der Welt ein einheitliches Vertragsmuster mit Planern und Bauunternehmern verwenden“ – womit auf FIDIC angespielt wurde. Daraufhin wurde eine Initiative gestartet, ein einheitliches israelisches Bauvertragsmuster nach Vorbild FIDIC zu entwickeln. Diese Initiative umfasst zum einen die Übersetzung der FIDIC-Vertragsbedingungen ins Hebräische und zum anderen die Erstellung eines speziellen Annexes, der Abweichungen und Auslegungen im Lichte israelischer gesetzlicher Besonderheiten festlegt. Interessant ist, dass diese Arbeit in enger Kooperation zwischen öffentlicher Hand, Bauwirtschaft und Rechtsexperten erfolgt – ein Hinweis darauf, dass FIDIC inzwischen als “Best Practice“ anerkannt ist, die es zu übernehmen gilt. Sollte dieses israelische FIDIC-Modell erfolgreich implementiert werden, könnte es als Beispiel für andere Staaten dienen, die bisher noch auf eigenen, teilweise veralteten Standardbedingungen beharren.

Die analysierten Entwicklungen deuten darauf hin, dass wir uns in Richtung eines einheitlichen internationalen Bauvertragsrechts bewegen, auch wenn dieses (noch) nicht in einem einzelnen völkerrechtlichen Vertrag kodifiziert ist. Vielmehr entsteht es durch das Zusammenwirken verschiedener Ebenen: der privatautonom gesetzten Normen (FIDIC & Co.), der transnationalen Vertragsgrundsätze (UNIDROIT-Prinzipien) und der staatlich/international gesetzten Normen (UNCITRAL-Modellgesetze, nationale Reformgesetze). Dieses mehrschichtige Normengefüge konvergiert immer weiter. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft ein Projekt angestoßen wird, um eine „UN-Bauvertragskonvention“ oder etwas Vergleichbares auszuarbeiten, die – analog zur CISG im Kaufrecht – die wesentlichen Rechte und Pflichten aus internationalen Bauverträgen harmonisiert. Ein solches Unterfangen würde sicherlich auf den Vorarbeiten von FIDIC, UNIDROIT und UNCITRAL aufsetzen und könnte deren Ergebnisse in einem konsolidierten Text zusammenführen. Allerdings zeigt die bisherige Erfahrung, dass eine solche formelle Kodifikation oft erst am Ende eines langen Prozesses der inhaltlichen Annäherung steht.

Bereits jetzt ist jedoch praktisch relevant, dass ein internationales Bauprojekt, gleich in welcher Jurisdiktion es stattfindet, typischerweise nach sehr ähnlichen Regeln abgewickelt werden kann. Ein Projekt in Deutschland, das z.B. von einem chinesischen Generalunternehmer mit Finanzierung einer internationalen Entwicklungsbank realisiert wird, verwendet in der Regel FIDIC-Bedingungen; sollte Streit entstehen, wird ein Schiedsgericht nach bekannten Regeln entscheiden; und falls es um Grundsatzfragen geht, kann es auf UNIDROIT-Prinzipien zurückgreifen. Weder die Beteiligten noch das Schiedsgericht sind dann ausschließlich auf das deutsche Werkvertragsrecht angewiesen, das in manchen Punkten abweichen mag, sondern sie bewegen sich in einem „transnationalen“ Rechtsrahmen. Dieses Beispiel ließe sich für viele Konstellationen abwandeln. Letztlich profitieren alle Seiten von dieser Entwicklung: Auftraggeber erhalten mehr Biddersicherheit und können mit vergleichbaren Angeboten rechnen, Auftragnehmer wissen, worauf sie sich einlassen, das Claim-Management wird standardisiert, und Streitigkeiten lassen sich schneller beilegen, da allen Beteiligten die vertraglichen Spielregeln vertraut sind.

Aus juristischer Sicht verdient vor allem die Verschränkung von Soft Law und Hard Law im internationalen Bauvertragsrecht Beachtung. Die FIDIC-Vertragsmuster als Soft Law hätten ohne die Rückendeckung durch Grundsätze (wie die von UNIDROIT) und Anerkennung durch Institutionen (wie UNCITRAL und die Entwicklungsbanken) möglicherweise einen geringeren Wirkungsgrad. Umgekehrt blieben allgemeine Prinzipien bloße Theorie, wenn sie nicht durch praktische Modelle konkretisiert würden. Im Bereich des Bauvertragsrechts sehen wir daher ein gelungenes Beispiel für kooperative Rechtsentwicklung: Private und öffentliche Regelsetzer arbeiten faktisch Hand in Hand an der Herausbildung eines modernen, grenzüberschreitend gültigen Regelwerks. Auch wenn es in jedem Einzelfall auf die Rechtswahl ankommt und nationale zwingende Vorschriften stets zu beachten sind, werden die Unterschiede tendenziell geringer und die gemeinsamen Nenner größer.

Die „Integration der FIDIC-Standards in die typisierten Gesetze von UNIDROIT und UNCITRAL“ – so der Titel dieses Kapitels – kann abschließend als Teil einer allgemeinen Tendenz verstanden werden: der Verschmelzung von Praxisnormen und Rechtsnormen zu einem kohärenten Ganzen. Dieses Ganze bildet den Kern eines entstehenden internationalen Bauvertragsrechts, das – im Einklang mit den Bedürfnissen der Bauwirtschaft – flexibel, gerecht und vorhersehbar ist. Es wird erwartet, dass diese Entwicklung weiter voranschreitet und möglicherweise in einigen Jahren eine noch greifbarere Form annimmt, sei es durch ein neues internationales Übereinkommen oder durch die fortgesetzte Harmonisierung nationaler Gesetze. Bis dahin leisten FIDIC, UNIDROIT und UNCITRAL auf je eigene Weise wertvolle Beiträge zur Ordnung großer Bauvorhaben auf globaler Ebene.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 7: Völkerrechtliche Rechtsetzung. Fortschreitende Entwicklung und Kodifikation des Völkerrechts.

Literaturverzeichnis

1. Aktuğ, F. P. (2012). Comparison of FIDIC conditions of contract (1999) and UNCITRAL legal guide from prospective disputes and claims perspectives: Masterarbeit. Middle East Technical University.

2. Anisi, E. (2021). Granting enforcement to the FIDIC dispute adjudication board’s decision by the amendment of the New York Convention 1958. Journal of Legal Affairs and Dispute Resolution in Engineering and Construction, 13(2). 10.1061/(asce)la.1943-4170.0000465.

3. Baker, E. (2009). FIDIC contracts: Law and practice. Informa.

4. Barakat, M. (2020). Pivotal new roles and changes introduced by the 2017 FIDIC’s claim and dispute resolution mechanism. Journal of Legal Affairs and Dispute Resolution in Engineering and Construction, 12(1). 10.1061/(asce)la.1943-4170.0000355.

5. Bekyashev, K. A. (2019). International law: A textbook for undergraduates. Prospekt.

6. Breyer, W. (Hrsg.). (2024). International construction law: An overview (1st ed.). Informa Law from Routledge.

7. Bryg, B., & Mutay, I. M. (2016). Res publica and res mercatoria in the proformas of FIDIC and the Civil Code of the Russian Federation. Bulletin of Economic Justice of the Russian Federation, 1, 111–144.

8. Dedezade, T. (2021). Enforcement of DAB decisions under the FIDIC forms of contract. In Construction arbitration and alternative dispute resolution (S. 161–168). Informa Law from Routledge.

9. ICC International Court of Arbitration. (2008). ICC International Court of Arbitration Bulletin, 19(2).

10. Keshner, M. V. (2016). International responsibility law: A textbook. Prospekt.

11. Klee, L. (2018). International construction contract law. John Wiley & Sons.

12. Lukashuk, I. I. (2002). Codification of the law of international responsibility. Moscow Journal of International Law, 3, 3–15. 10.24833/0869-0049-2002-3-3-15.

13. Mahnken, V. (2018). On construction adjudication, the ICC dispute board rules, and the dispute board provisions of the 2017 FIDIC conditions of contracts. McGill Journal of Dispute Resolution, 5, 60.

14. Ostroukhov, N. V., & Romashov, Y. S. (2014). On the codification of international law. Bulletin of the Russian University of Friendship of Peoples, Series: Legal Sciences, 3, 217–224.

15. Varavenko, V. E. (2012). Prospects for the application of standard contracts of the International Federation of Consulting Engineers (FIDIC) in the practice of public procurement in Russia. International Public and Private Law, 1, 10–13.

16. Vorobyeva, E. A. (2006). On the codification of the law of international responsibility: Draft articles on the responsibility of international organizations.

17. Zimnenko, B. L. (2023). On the significance of the practice of international treaty bodies of the UN for the courts of the Russian Federation. Justice, 5(1), 54–90. 10.37399/2686-9241.2023.1.54-90.

KAPITEL 8. Systematisierung des Internationalen Bauvertragsrechts im Lichte der FIDIC-Standards: Eine rechtsdogmatische Untersuchung

DOI: 10.64457/icl.de.ch8

Das Kapitel untersucht die rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen für die Integration internationaler FIDIC- und ISO-Turnkey-Standards in nationale Regelwerke.

Es definiert zunächst das entstehende „International Construction Contract Law“, vergleicht Umsetzungsmodelle in USA, China, Indien, EU und Russischer Föderation und beleuchtet am russischen Beispiel regulatorische Volatilität, Terminologiekonflikte und die eingeschränkte Rolle des unabhängigen Ingenieurs.

Empirische Daten zu Normenkatalogen, Verbandsstrukturen und Schiedspraxis bestätigen, dass Erfolg von Stabilität, klarer Terminologie und ausgewogener Haftung abhängt.

Abschließend werden konkrete Harmonisierungsanforderungen formuliert.

Die rapide Zunahme grenzüberschreitender Infrastrukturprojekte – gefördert durch internationale Finanzinstitutionen wie die BRICS-Bank, die Weltbank und andere – stellt die Frage nach der Vereinbarkeit internationaler Vertragsstandards mit nationalem Baurecht in den Vordergrund . In solchen Projekten kommen häufig schlüsselfertige Verträge (EPC/Turnkey-Verträge) nach den Musterbedingungen der Internationalen Föderation der Ingenieur-Konsulenten (FIDIC – Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils) zum Einsatz . Diese Verträge ermöglichen eine einheitliche Risikoverteilung zwischen Unternehmer, Auftraggeber und Investor, jedoch fehlt in vielen nationalen Rechtsordnungen eine gesetzliche Definition dieses Vertragstyps. Dies führt zu Anpassungsproblemen, wenn FIDIC-Standardklauseln in das lokale Recht übertragen werden (siehe z.B. Anosov 2024; Lyapustina/Rybka 2024). Komparative Analysen belegen die Notwendigkeit, internationale Vertragsstandards mit den heimischen Normen abzustimmen (Lavrenyak 2023) und zeigen, dass die Rechtswahl bei internationalen Bauprojekten entscheidend ist . Internationale Schiedsgerichtsfälle bestätigen, dass Abweichungen zentraler FIDIC-Standards von lokalen zwingenden Vorschriften Streitigkeiten über Vertragskündigung und Zahlungsansprüche provozieren . Diese Faktoren unterstreichen die Bedeutung einer weitergehenden Harmonisierung zwischen internationalem Bauvertragsrecht und nationalen Rechtsnormen, um Rechtskonflikte abzubauen und die Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen zu stärken .

Begriff und Regelungsumfang. Es gilt klarzustellen, was unter internationalem Bauvertragsrecht zu verstehen ist und wie es zu FIDIC- und ISO-Standards steht. Zwar existiert – anders als im Seerecht oder Immaterialgüterrecht – kein einheitlicher internationaler Vertrag für den Baubereich, doch lässt sich das Internationale Bauvertragsrecht als entstehende interdisziplinäre Rechtsmaterie begreifen . Die weltweite Anwendung von FIDIC- und ISO-Standards, Schiedsklauseln gemäß der New Yorker Konvention 1958 in Bauverträgen und die mögliche Anrufung des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Fällen, in denen Bauvorhaben als Investition gelten können, umreißen den Gegenstandsbereich dieser Materie . Obwohl FIDIC und ISO keine zwischenstaatlichen Organisationen sind und ihre Standards keinen Vertragsrang haben, erfahren sie doch breites faktisches Anerkennen in vielen Ländern und beeinflussen dadurch die Rechtswirklichkeit. So waren mit Stand Februar 2025 103 nationale Verbände aus 86 Staaten Mitglieder der FIDIC und 173 Staaten Mitglieder der ISO . Daraus ergibt sich folgende Begriffsbestimmung: Das internationale Bauvertragsrecht ist ein komplexes Regelsystem, das den Abschluss, die Erfüllung und die Streitbeilegung bei grenzüberschreitenden Bauverträgen regelt. Es bildet sich im Schnittfeld von internationalem Privatrecht und Investitionsschutzrecht heraus und umfasst zwingende wie dispositive Normen aus internationalen Verträgen, Handelsbräuche, allgemeine Rechtsgrundsätze, gerichtliche und schiedsgerichtliche Entscheidungen sowie Standards und Methoden nichtstaatlicher Organisationen (insb. FIDIC und ISO) . Dieses Rechtsgebiet vereint öffentlich-rechtliche Aspekte (staatliche Regulierung, technische Vorschriften, Aufsicht) mit zivilrechtlichen Elementen (Vertragsautonomie, Risikoverteilung, Einsatz von Standardvertragsmustern und vorgelagerten Streitbeilegungsverfahren) und dient dazu, die Interessen von Investoren, Auftragnehmern, beratenden Ingenieuren und staatlichen Stellen in Großprojekten in Einklang zu bringen .

Internationale Erfahrungen. Unterschiedliche Rechtsordnungen haben variierende Strategien entwickelt, um FIDIC-Standards mit nationalem Recht in Einklang zu bringen. USA: Das auf Common Law beruhende amerikanische Recht bietet flexible Instrumente für die Anpassung internationaler Normen . Die Gerichte können internationale Praxis berücksichtigen, und die im Common Law ausgeprägte Vertragsautonomie gestattet es den Parteien, Verpflichtungen detailliert auszugestalten und Standardformulare projektspezifisch anzupassen . Gleichzeitig existieren im U.S.-Baurecht prägende Präzedenzfälle wie die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in United States v. Spearin (1918), in der der Spearin-Grundsatz formuliert wurde: Befolgt der Auftragnehmer strikt die Baupläne des Auftraggebers, so trägt der Auftraggeber das Risiko für etwaige Planungsfehler . Dieser Grundsatz – eine implizite Garantie des Auftraggebers für die Tauglichkeit der Planung – korrespondiert mit Klausel 4.1 der FIDIC Red Book Bedingungen, nach der der Auftraggeber für die Richtigkeit der von ihm gestellten Planung haftet . Die U.S.-Praxis zeigt insgesamt eine hohe Akzeptanz alternativer Streitbeilegung: Es ist üblich, dass Bauverträge Schieds- und Mediationsklauseln enthalten, um lange Gerichtsverfahren zu vermeiden . Bundesgesetze wie der Federal Arbitration Act und Präzedenzfälle des U.S. Supreme Court bestätigen den Vorrang vertraglicher Schiedsvereinbarungen vor dem staatlichen Justizweg . Wenn FIDIC-Verträge eine Verfahrensabfolge mit Dispute Adjudication Board (DAB) vorsehen, haben amerikanische Gerichte keinen grundsätzlichen Einwand, solange der vertragliche Mechanismus die prozessualen Grundrechte der Parteien wahrt.

Die Ausbildung von Fachkräften in den USA spiegelt den Bedarf an interdisziplinärer Kompetenz wider. Juristen mit dem Abschluss Juris Doctor spezialisieren sich häufig durch Kurse in Construction Law, International Commercial Arbitration und Comparative Construction Law . Praktische Fähigkeiten werden in Berufsverbänden und Schiedsinstitutionen (International Institute for Conflict Prevention & Resolution, American Arbitration Association) erworben . Die Bildungslandschaft ist vielschichtig und wettbewerbsorientiert; führende Law Schools (Harvard, Yale, Stanford, NYU) bieten Programme zu FIDIC und ADR an, teils mit Auslandspraktika für ein Verständnis fremder Rechtskulturen . Berufsverbände sind ebenso einflussreich. Der American Council of Engineering Companies (ACEC) – der größte Ingenieurverband der USA – ist seit 1997 FIDIC-Mitglied und vertritt die amerikanischen Interessen innerhalb der Föderation . ACEC erarbeitet Praxisleitfäden und veranstaltet Rundtisch-Gespräche zur Anwendung der FIDIC-Standards . Historisch ist bemerkenswert, dass ACEC auf Gründungen von 1905 zurückgeht, mehrere Fusionen und Namenswechsel durchlief (Association of Architectural Engineers, AICE, CEC) und seit 2000 seinen heutigen Namen trägt . Die volle internationale Anerkennung erreichte ACEC durch die FIDIC-Mitgliedschaft, die amerikanischen Firmen direkten Zugang zur Weiterentwicklung globaler Standards verschaffte . Zum 30. Juni 2024 vereinte ACEC insgesamt 569.137 Fachleute in den USA . Zusammenfassend zeichnet sich die US-amerikanische Herangehensweise durch Vertragsfreiheit, eine wohlwollende Aufnahme internationaler Klauseln im Lichte richterlicher Präzedenzfälle und eine Kultur der außergerichtlichen Streitbeilegung aus. Dies schafft ein Umfeld, in dem FIDIC-Bedingungen – sofern sie nicht fundamentalen Prinzipien widersprechen – effektiv umgesetzt werden können.

China: Das chinesische Recht beruht auf dem kontinentaleuropäischen System, weist aber wesentliche Züge sozialistischer Steuerung auf, was sich deutlich im Baurecht niederschlägt . Der Staat behält die Kontrolle über strategische Branchen und Großprojekte; die Verwendung internationaler Vertragsmuster wie FIDIC erfordert daher oft behördliche Genehmigungen und Abstimmungen mit staatlichen Stellen . Anders als in den USA, wo private Initiative und Präzedenzfälle die Anerkennung bestimmter Vertragsnormen fördern, genießen in China staatliche Interessen und administrative Vorgaben Vorrang . Dennoch führt die steigende Zahl grenzüberschreitender Projekte im Rahmen der One Belt, One Road-Initiative dazu, dass China vermehrt internationale Standards einsetzt, um die Kooperation mit ausländischen Investoren und Finanzinstitutionen zu stärken .

In China zeichnet sich ein spezifisches Ausbildungsprofil ab: Zukünftige Experten im internationalen Bauvertragsrecht absolvieren meist zunächst ein Ingenieurstudium und erwerben danach einen juristischen Masterabschluss (LL.M.) und oft einen wirtschaftlichen (MBA) . Dieses Modell unterscheidet sich von dem amerikanischen (juristische Grundausbildung) und bringt Doppel- oder Dreifachqualifikationen hervor – technisch, juristisch (und betriebswirtschaftlich) –, welche bei der Abwicklung von schlüsselfertigen Projekten nach der FIDIC-Silver Book-Edition besonders gefragt sind . Statistische Daten bestätigen die hohe Nachfrage nach solchen multidisziplinären Fachleuten, da sie technische, rechtliche und ökonomische Aspekte großer Infrastrukturprojekte gleichermaßen berücksichtigen können . Führende chinesische Universitäten (z.B. Tsinghua-Universität, Shanghai Jiao Tong University) haben interdisziplinäre Programme entwickelt, die Module zu internationalem Bauvertragsrecht, FIDIC-/ISO-Standards und lokalen Baunormen kombinieren .

Auch institutionell hat China Strukturen geschaffen, um internationale Standards zu integrieren. Die China National Association of Engineering Consulting (CNAEC), gegründet 1992, ist seit 1996 Vollmitglied der FIDIC und vertritt chinesische Ingenieurberatungsunternehmen in der Föderation . Laut unserer Untersuchung fungiert CNAEC als Bindeglied zwischen Staat und Privatsektor: sie wirkt an der Ausarbeitung branchenspezifischer Vorschriften mit, berät die Regierung, fördert die Selbstregulierung des Marktes und propagiert ethische Normen und fairen Wettbewerb nach FIDIC-Prinzipien . CNAEC unterhält Zweigstellen in 36 Provinzen, autonomen Gebieten und Großstädten Chinas, was ein weitgespanntes Netzwerk für die Zusammenarbeit mit Behörden und Unternehmen bildet . Als nationale FIDIC-Vertretung popularisiert der Verband die FIDIC-Standards in China und fördert den Erfahrungsaustausch mit Auslandspartnern – der Erfolg zeigt sich u.a. darin, dass chinesische Projekte regelmäßig FIDIC-Auszeichnungen erhalten . Hervorzuheben ist ferner die Einrichtung eines regionalen FIDIC-Zentrums in Peking im Jahr 2010 (FIDIC Credentialing Service, FCS) im Rahmen eines Pilotprogramms zur Zertifizierung von Beratenden Ingenieuren (FIDIC Certified Consulting Engineer, FCCE) . Dieses Zertifizierungsprogramm, das von der chinesischen Regierung unterstützt wurde, zielte auf eine umfassende Ausbildung von Spezialisten im internationalen Bauvertragswesen ab .

Die Praxis zeigt, dass große Infrastrukturprojekte in China, insbesondere im Rahmen von „One Belt, One Road“, zunehmend auf FIDIC-Vertragsbedingungen zurückgreifen, um internationale Investitionen anzuziehen und eine klare Risikoverteilung zu gewährleisten. Gleichzeitig schreiben die zwingenden lokalen Normen weiterhin vor: staatliche Gutachten, Lizenzierungen der Beteiligten, mehrstufige Genehmigung der Planungsunterlagen und die Berücksichtigung provinzieller Interessen sind erforderlich . Das Chinesische Schiedsgericht für internationale Wirtschafts- und Handelsstreitigkeiten (CIETAC) entscheidet zwar Streitigkeiten nach FIDIC-Verträgen, doch bei Kollisionen mit zwingendem chinesischem Recht behält das nationale Recht Vorrang . Die Zunahme auslandsbeteiligter Projekte beschleunigt allerdings die Anpassung der Standardformulare: Die Vertragspartner modifizieren FIDIC-Bedingungen, um lokale Vorschriften einzuhalten, und bilinguale Experten mit Doppelabschluss (Ingenieur/Jurist) tragen dazu bei, juristische und technische Aspekte in Einklang zu bringen. Dennoch bestehen nach wie vor Unterschiede in Terminologie und Rechtskonzepten, die zu beachten sind. So hat China dem Problem der korrekten Übersetzung internationaler Begriffe erhebliche Aufmerksamkeit gewidmet – beispielsweise wird der englische Begriff “adjudication” sorgfältig ins Chinesische übertragen, um Missverständnisse zu vermeiden. Insgesamt demonstriert der chinesische Ansatz eine staatlich gelenkte, aber pragmatische Integration: Internationale Standards werden genutzt, sofern sie mit den administrativen Vorgaben und dem öffentlichen Interesse vereinbar gemacht werden können.

Indien: Das indische Rechtssystem orientiert sich stark am englischen Common Law und verfügt über ein umfangreiches Richterrecht sowie Vertragsprinzipien nach britischem Vorbild . Zugleich bringt die föderale Struktur Indiens Herausforderungen für die Vereinheitlichung mit sich: Bauverträge unterliegen sowohl Bundesgesetzen als auch einzelstaatlichen Regelungen, was die einheitliche Übernahme von FIDIC-Standards erschweren kann. Dennoch stehen indische Gerichte und Schiedsgerichte FIDIC-Klauseln grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Der Oberste Gerichtshof Indiens hat z.B. im Fall Oil & Natural Gas Corp. Ltd. v. Saw Pipes Ltd. (2003) entschieden, dass ein Schiedsspruch aufgehoben werden kann, wenn er der öffentlichen Ordnung Indiens (public policy of India) widerspricht . Diese Doktrin (die später durch den Arbitration and Conciliation Act präzisiert wurde) wird auch auf FIDIC-Klauseln angewandt: Eine Vertragsbestimmung, die fundamentalen Rechtsgrundsätzen Indiens zuwiderläuft – etwa eine überzogene Konventionalstrafe oder eine Klausel, die den Zugang zu Gerichten unzulässig beschränkt – könnte als nicht vollstreckbar erachtet werden. Andererseits hat derselbe Supreme Court im Fall McDermott International Inc. v. Burn Standard Co. (2006) betont, dass Schiedsgerichte vertragliche Zeitlimits (z.B. die 28-Tage-Frist für Nachtragsanzeigen in FIDIC) respektieren müssen, solange sie nicht “unconscionable” sind. Die indische Rechtspraxis versucht also, einen Mittelweg zu finden: FIDIC-Bedingungen werden akzeptiert, aber durch den Maßstab der Verhältnismäßigkeit und der öffentlichen Interessen gefiltert.

Die Ausbildung indischer Fachleute zeigt, dass viele zunächst als Ingenieure arbeiten und später juristische Qualifikationen erwerben; entsprechende LL.M.-Programme mit Schwerpunkt Baurecht entstehen an führenden Hochschulen. Indien verfügt über keinen eigenen nationalen FIDIC-Verband (das Institution of Engineers ist assoziiert, aber nicht FIDIC-Mitglied); trotzdem nehmen indische Experten indirekt an FIDIC-Arbeitsgruppen teil und bringen die Common-Law-Perspektive ein. Die Schiedsgerichtsbarkeit in Indien hat eine lebhafte Entwicklung genommen, mit spezialisierten Schiedsrichtern für Bau und Investitionen. Eine Besonderheit ist, dass bei öffentlichen Bauaufträgen Indiens staatliche Musterverträge (sog. CPWD-Werkverträge) existieren, die FIDIC-ähnliche Klauseln enthalten, jedoch angepasst an indische Normen (z.B. keine DAB-Stufe, da indisches Vergaberecht solche Zwischenschritte nicht kennt). Insgesamt veranschaulicht die indische Erfahrung, wie ein Common-Law-Land globale Standards durch die Brille seiner eigenen Rechtskultur betrachtet: FIDIC wird als nützlich anerkannt, aber mit Vorbehalt gegenüber Klauseln, die indischen Prinzipien (Gleichgewicht der Leistungen, Treu und Glauben, Schutz schwächerer Parteien) widersprechen könnten. Die Gewährleistung der regulatorischen Stabilität – also berechenbarer staatlicher Rahmenbedingungen – ist indischen Gerichten ein wichtiges Anliegen, insbesondere in ICSID-Investitionsschiedsverfahren, an denen Indien beteiligt war, wo der Schutz der sogenannten “regulatory autonomy” hervorgehoben wurde.

Europäische Union (Deutschland als Beispiel): In der EU erfolgt die Anpassung internationaler Vertragsstandards an das nationale Recht sowohl auf supra- wie auf innerstaatlicher Ebene. Die EU-Richtlinien im Vergabe- und Vertragsrecht (z.B. RL 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe, RL 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln) setzen Rahmenbedingungen, die bei der Übernahme von FIDIC-Verträgen berücksichtigt werden müssen. Deutschland weist eine differenzierte Situation auf: Hier können FIDIC-Musterverträge zwar verwendet werden, doch unterliegen sie als mögliche Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) der Inhaltskontrolle durch die Gerichte. Nach §§ 305 ff. BGB dürfen Klauseln den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB). So könnten z.B. FIDIC-Bestimmungen über sehr kurze Rügefristen oder weitgehende Haftungsfreistellungen einer gerichtlichen Kontrolle nicht standhalten, falls sie mit dem deutschen Verständnis von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbar sind. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Entscheidungen zu internationalen Bauverträgen betont, dass die Einhaltung zwingender Schutzvorschriften des deutschen Rechts auch bei Verträgen nach ausländischen Mustern gewährleistet sein muss. Ein Beispiel ist die Rechtsprechung zur Unwirksamkeit ungewöhnlicher Überraschungsklauseln gemäß § 305c BGB: Würde eine FIDIC-Klausel – etwa zur einseitigen Vertragskündigung – nach deutschem Recht als überraschend oder intransparent gelten, fände sie keine Anwendung, selbst wenn sie im internationalen Kontext üblich ist. Auch das öffentliche Baurecht (wie die HOAI – Honorarordnung für Architekten und Ingenieure – hinsichtlich Preisbindungen, oder landesbaurechtliche Vorschriften) kann Grenzen setzen: Ein FIDIC-Vertrag darf z.B. nicht Vergaberegeln unterlaufen (Stichwort: Nachtragsmanagement und Preisfortschreibung müssen mit GWB-Vergaberecht vereinbar sein). Allerdings bietet Deutschland mit der VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B) bereits eigene Standardvertragsbedingungen an, die den Charakter von AGB mit privilegiertem Status haben – bei unveränderter Einbeziehung gelten sie als ausgewogen und sind von der AGB-Kontrolle ausgenommen. Werden FIDIC-Klauseln anstelle der VOB/B verwendet, entfällt dieser Privilegierungstatbestand, was eine genaue Prüfung und gegebenenfalls Anpassung der Klauseln im Lichte der AGB-rechtlichen Vorgaben erfordert. Die deutsche Literatur diskutiert zudem die Verhältnismäßigkeit mancher FIDIC-Regelungen: Zum Beispiel wird über die Zulässigkeit der harten 28-Tage-Rügeliste debattiert, ob diese mit dem deutschen Rechtsprinzip vereinbar ist oder ob sie nach § 242 BGB in Ausnahmefällen flexibel gehandhabt werden muss (etwa analog § 377 HGB, wo Versäumung von Rügefristen nicht stets Rechtsverlust bedeutet, wenn kein grobes Verschulden vorliegt).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im deutschen (und generell europäischen) Kontext internationale Standardverträge stets an die rechtlichen Grundprinzipien des nationalen Rechts angeglichen werden müssen. Dazu zählen die AGB-Inhaltskontrolle, das Prinzip von Treu und Glauben, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Vertragsstrafen und Kündigungen, sowie öffentlich-rechtliche Vorgaben aus dem Vergabe- und Wettbewerbsrecht (GWB) und technischen Normen. Die Integration von FIDIC-Standards in Europa erfolgt also im Rahmen eines dualen Referenzsystems: Einerseits dienen sie als globales Referenzsystem, das Prognosesicherheit und Effizienz erhöht , andererseits müssen sie mit den nationalen Rechtsrahmen verzahnt werden, was oft Anpassungen und vorsorgliche Kollisionsklauseln erfordert, um Konflikte mit national zwingenden Normen auszuschließen. Im Ergebnis liefert die internationale Erfahrung ein gemischtes Bild: Während in einigen Ländern (USA, China) die Übernahme relativ reibungslos mit wenigen Abänderungen gelingt, ist in anderen (Deutschland, Indien, EU-Staaten) eine sorgfältige rechtliche “Übersetzung” und Anpassung notwendig, um die Kompatibilität mit dem nationalen Rechtsbestand zu gewährleisten .

Russland: Entwicklungen und Herausforderungen. In den letzten Jahren hat Russland mehrfach versucht, sein nationales Bauvertragsrecht zu modernisieren und internationale Standards zu integrieren. Diese Bemühungen waren jedoch von einer gewissen Inkonsistenz geprägt. Ab 2017 setzte die Regierung eine Politik der „regulatorischen Guillotine“ um, bei der Tausende bauaufsichtlicher Vorschriften aufgehoben wurden . Die Zahl der verbindlichen Bauvorschriften wurde innerhalb weniger Jahre drastisch von ca. 10.000 auf 4.000 reduziert . 2021 und 2022 folgten Regierungsbeschlüsse, die nur noch einige Dutzend GOST-Standards und Normenwerke (SNIP/SP) als verpflichtend erklärten . Damit galt in Russland zeitweise: was nicht ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben oder vertraglich vereinbart ist, ist nicht bindend. Die Gerichte passten sich dem an und lehnten es ab, die Verletzung nicht verbindlicher Normen als Vertragsverstoß zu bewerten . Dieser Deregulierungsansatz schuf Raum für mehr Vertragsfreiheit und hätte die Aufnahme internationaler Standards erleichtern können.

Doch 2023 kam es zu einer Kehrtwende: Durch das Regierungsdekret Nr. 417 vom 31. August 2023 wurde festgelegt, dass verbindliche Anforderungen im Bauwesen ausschließlich in einem staatlichen Anforderungenregister enthalten sein dürfen, das vom Bauministerium geführt wird . In der Folge wurden viele zuvor entpflichtete Normen wieder für bindend erklärt – Stand März 2025 enthielt das Register 609 normative Dokumente mit insgesamt 104.179 Vorschriften . Dieses Hin und Her – erst radikale Deregulierung, dann erneute Überregulierung – führt zu einem „Pendel-Effekt“ im russischen Bauvertragsrecht. In der Literatur wird (am Beispiel anderer Rechtsgebiete) kritisiert, dass ein derart situatives, unsystematisches Normsetzungsvorgehen zu Rechtsunsicherheit und lückenhafter Gesetzgebung führt (Savenkov 2017) . Für den Bausektor bedeutet es: Nach Jahren mit fast völliger Vertragsautonomie müssen die Parteien nun wieder einen Wust verpflichtender Normen beachten, was die flexible Verwendung von FIDIC-Bedingungen stark erschwert. Diese regulatorische Unbeständigkeit kann auch Russlands Einbindung in internationale Projekte beeinträchtigen. Zwar ist Russland Gründungsmitglied der Neuen Entwicklungsbank (NDB), doch hat es bis Februar 2025 mit NDB-Unterstützung nur zwei Projekte umgesetzt, während China, Indien und Brasilien deutlich mehr vorweisen . Ein Grund dafür könnte sein, dass ausländische Investoren und Kreditgeber in einem ständig wechselnden regulatorischen Umfeld zögern, und standardisierte Vertragsstrukturen schwer umzusetzen sind.

Ein weiteres Problemfeld ist die Terminologie. Die Übersetzung und Verwendung von Fachbegriffen muss einheitlich sein, damit internationale Standards im nationalen Recht erkannt und angewendet werden können. Russland hatte z.B. den Begriff “Common Data Environment (CDE)” zunächst als „Среда общих данных (SOD)“ übernommen (u.a. in einem Code of Practice 2017) . Später tauchte in einem GOST 2023 plötzlich die Übersetzung „Единое информационное пространство“ auf . Aktuell finden sich im verbindlichen Normenwerk SP 480:2020 beide Varianten nebeneinander . Diese uneinheitliche Terminologie verzerrt und dupliziert zentrale Begriffe, was wiederum Rechtsunsicherheit schafft . Im Gegensatz dazu zeigt die chinesische Praxis, dass eine sorgfältige und konsequente Übersetzung internationaler Begriffe (und gegebenenfalls eine Anpassung an das eigene Recht) solche Probleme verhindern kann . Es wird empfohlen, in Russland normativ festzulegen, welche Übersetzung für Schlüsselbegriffe maßgeblich ist – etwa Common Data Environment einheitlich als „Среда общих данных“ zu definieren und konkurrierende Begriffe zu eliminieren.

Einer der Kernpunkte von FIDIC-Verträgen – und gleichzeitig ein neuralgischer Punkt im russischen Recht – ist die Rolle des unabhängigen Ingenieurs (Engineer). In FIDIC-Verträgen fungiert der Engineer als neutraler Vermittler zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer: Er überwacht die Ausführung, bestätigt Leistungen und Abschlagszahlungen, und fällt zunächst Entscheidungen bei Streitigkeiten (die dann im Streitfall vor einem DAB und letztlich vor Schiedsgerichten überprüft werden können) . Russland hat in den 2010er Jahren versucht, dieses Institut einzuführen. 2011 wurde im Städtebaukodex der Begriff „Technischer Auftraggeber“ (технический заказчик) rechtlich definiert und konnte damals noch eine natürliche Person sein . Dieser technische Auftraggeber sollte ähnlich einem FIDIC-Ingenieur als professioneller Bauherrenvertreter fungieren. Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen setzten sich mit der Umsetzung von FIDIC-Standards in russisches Recht auseinander . Doch durch die Gesetzesnovelle vom 1. Juli 2017 (Red. 87 GKr RF) wurde festgeschrieben, dass ein technischer Auftraggeber ausschließlich eine juristische Person sein kann . Damit wurden freiberufliche Ingenieure von dieser Position ausgeschlossen, denn Einzelunternehmer gelten nach russischem Recht nicht als juristische Person . Diese Änderung hat die Umsetzung entscheidender FIDIC-Elemente blockiert: Es ist nun unmöglich, einen unabhängigen beratenden Ingenieur als technischen Auftraggeber einzusetzen, was wiederum die Einrichtung eines DAB-Mechanismus im Vertrag illusorisch macht.

Darüber hinaus schließt das aktuelle russische Vertragsmusterrecht (die Typischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen, Dekret Nr. 1066 vom 29.06.2023) die Einschaltung eines unabhängigen Ingenieurs praktisch aus . Die typischen Bedingungen sehen vor, dass die Überwachung der Arbeiten und die Änderungen im Vertrag allein beim staatlichen Auftraggeber liegen; ein neutrales Streitbeilegungsverfahren wie die Adjudikation durch eine Dispute Adjudication Board (DAB) ist nicht vorgesehen . Somit konzentriert sich die Kontrolle ganz in der Hand des Auftraggebers, und bei Differenzen bleibt nur der Weg über Verhandlungen oder staatliche Gerichte. In FIDIC-Verträgen hingegen kommt dem neutralen Ingenieur gerade die Aufgabe zu, Streitigkeiten im Entstehen zu entschärfen und Änderungen effizient zu managen . Russlands Abkehr von diesem Modell bedeutet, dass vorgerichtliche Konfliktlösungsmechanismen wie DAB/DAAB praktisch nicht existieren. Obwohl in der Schiedspraxis anderer Länder (China, Indien) DAB-Entscheidungen oft erfolgreich implementiert werden, fehlen in Russland sowohl die vertragliche Möglichkeit als auch die gesetzliche Anerkennung dafür . Es ist zu beachten, dass ein DAB nicht mit einem Schiedsgericht gleichzusetzen ist – seine Entscheidungen haben nicht die Rechtskraft eines Schiedsspruchs oder Urteils, sondern wirken vorrangig präventiv und interimistisch . Allerdings hat die russische Bauwirtschaft dadurch kein Instrument, um Streitigkeiten auf Projektebene schnell und verbindlich beizulegen, was zu einer Überlastung der Gerichte und längeren Konflikten führen kann.

Die Diskussion in Russland spiegelt widerstreitende Ansichten: Viele Fachleute plädieren für die Wiederzulassung persönlicher Verantwortung im Baubereich – sprich, dass auch Einzelpersonen (Ingenieure mit Lizenz) als verantwortliche technische Auftraggeber auftreten können, um ein „Entfliehen“ der Verantwortung zu verhindern, wenn Projektgesellschaften nach Projektende insolvent werden und Gewährleistungsansprüche ins Leere gehen . Dem steht die Meinung gegenüber, dass juristische Personen als Projektträger vorzuziehen seien, da nur diese im Rahmen des Selbstregulierungssystems (SRO) Pflichtabgaben leisten, Mindestlöhne garantieren und mit ihrem Vermögen für Schäden haften können . Der Gesetzgeber hat sich bislang für Letzteres entschieden, was jedoch – gemessen an internationalen Standards – eine Anomalie darstellt. Derzeit werden die Prinzipien des internationalen Bauvertragsrechts in Russland kaum angewandt: Ein unabhängiger FIDIC-Ingenieur kann nicht vertraglich installiert werden, Adjudikationsentscheidungen (DAB) finden keine rechtliche Anerkennung und werden in der Praxis praktisch nie vereinbart . Dadurch verzichtet Russland auf bewährte Mechanismen, welche in anderen Ländern zu effizienterer Konfliktlösung beitragen.

Gleichzeitig stellt die rechtsvergleichende Forschung in Russland fest, dass die Fachwelt weiterhin die FIDIC-Erfahrungen studiert und aufbereitet (Sulimov 2024) . Renommierte Juristen aus der Bauwirtschaft – etwa Dmitry Nekrestyanov (St. Petersburg) – fordern wesentliche gesetzliche Anpassungen, um FIDIC-Verträge im russischen Kontext nutzbar zu machen . Konkret geht es um Änderungen bezüglich (1) Streitbeilegungsverfahren (Einführung eines Anerkennungsrahmens für DAB-Entscheidungen oder schnellere schiedsgerichtliche Verfahren), (2) Handhabung von Leistungsänderungen und Preisfortschreibungen (damit FIDIC-Variationsmechanismen und Preisgleitungen mit dem Beschaffungsrecht und Haushaltsrecht vereinbar sind), und (3) der Rolle und dem Status des Ingenieurs im Vertrag (Zulassung externer, neutraler Ingenieure als Projektmanager) . Denn die zwingenden Vorschriften des russischen Baurechts divergieren teilweise stark von den FIDIC-Konzepten, was zu Normenkonflikten führt, falls ein FIDIC-Vertrag russischem Recht unterstellt wird . Schließlich weisen russische Autoren darauf hin, dass es für die erfolgreiche rechtliche Integration internationaler Standards auch an politischem Willen bedarf (Zhadan 2016) . Politische Unterstützung könnte den Anpassungsprozess erheblich beschleunigen, zumal die Übertragung von FIDIC-Bedingungen ins russische Recht eine Berücksichtigung komplexer ökonomisch-rechtlicher Mechanismen erfordert (diese wurden z.B. von Varavenko & Niyazova 2022 detailliert untersucht) .

Aus der Analyse ergeben sich folgende zentrale Punkte und Empfehlungen, um die Kompatibilität internationaler und nationaler Baustandards zu verbessern:

1. Auswirkungen regulatorischer Instabilität auf die Umsetzung internationaler Standards: Die drastische Reduzierung der verbindlichen Bauvorschriften in Russland 2020–2022 (von ~10.000 auf ~4.000) und deren anschließende Vermehrung auf über 100.000 bis 2025 führen zu erheblicher Rechtsunsicherheit und erschweren die Implementierung von FIDIC- und ISO-Standards . Es ist erforderlich, verbindliche Normen klar von empfehlenden Normen abzugrenzen . Ein transparentes, stabiles Normengefüge – etwa durch ein statisches Pflichtenheft für Bauprojekte – würde die Einbeziehung internationaler Standards erleichtern, da die Parteien genau wissen, welche nationalen Vorschriften sie zwingend einhalten müssen und wo sie Freiräume für vertragliche Regelungen haben.

2. Einheitlichkeit der Rechtsterminologie bei der Rechtsangleichung: Uneinheitliche Übersetzungen internationaler Begriffe führen zu Auslegungsdivergenzen und Vollzugsproblemen. Daher muss die rechtliche Terminologie vereinheitlicht werden. Beispielsweise sollte der Terminus “Common Data Environment (CDE)” im nationalen Recht eindeutig und ausschließlich als „Среда общих данных“ festgeschrieben werden, anstatt parallel die Bezeichnung „Единая информационная среда“ zu verwenden . Die Normierung einheitlicher Übersetzungen stellt sicher, dass internationale Konzepte im russischen Normengefüge konsistent und verständlich abgebildet sind und verhindert terminologische Kollisionen, wie sie derzeit im Baunormenregister beobachtet werden.

3. Anpassung des Haftungsregimes im Baurecht: Seit 2017 ist in Russland eine Abkehr von der persönlichen Verantwortung technischer Experten hin zur ausschließlichen Haftung juristischer Personen zu verzeichnen . Dies widerspricht der internationalen Praxis und schwächt die Gewährleistung der Bauqualität, da Einzelverantwortungsträger nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden können . Zur Wiederherstellung eines ausgewogenen Systems wird empfohlen, Art. 22 des Städtebaukodex dahingehend zu ändern, dass die Funktion des technischen Auftraggebers auch von einer qualifizierten Einzelperson (z.B. einem im entsprechenden Register eingetragenen Beratenden Ingenieur) ausgeübt werden kann . Diese Änderung würde die Rückkehr einer unabhängigen Kontrollinstanz ermöglichen – analog dem FIDIC-Engineer –, was die Einführung von Adjudikationsverfahren (DAB/DAAB) in russischen Bauprojekten gestatten und die derzeitige Monopolstellung von juristischen Personen aufbrechen würde. Eine solche Reform würde internationale Investoren zudem beruhigen, da sie die Accountability erhöht: Natürliche Personen können sich nicht so leicht der Verantwortung entziehen wie Zweckgesellschaften, was die Qualitätssicherung stärkt.

Zusätzlich zu diesen Hauptempfehlungen sollte Russland die Errungenschaften internationaler Schiedsgerichtsbarkeit stärker nutzen. Beispielsweise könnten im Einklang mit den ICSID-Grundsätzen Standards of Review festgelegt werden, nach denen inländische Gerichte Entscheidungen von Adjudikationsgremien oder Schiedssprüchen nur begrenzt – etwa auf Verstöße gegen den ordre public économique – überprüfen. Des Weiteren könnte die Einführung eines formellen Precedentensystems in der Baustreitpraxis (z.B. Veröffentlichung richtungsweisender Obergerichtsurteile zum FIDIC-Einsatz) die Vorhersehbarkeit erhöhen. Abschließend ist festzuhalten, dass die Harmonisierung des Bauvertragsrechts

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 8: Wechselwirkung von Völkerrecht und innerstaatlichem Recht. Anwendung und Umsetzung der Normen des Völkerrechts in nationalen Rechtsordnungen.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Совместимость международных и национальных стандартов строительных контрактов: опыт внедрения и правовые перспективы / Д. С. Белкин // Вестник Российского университета дружбы народов. Серия: Юридические науки. – 2025. – Т. 29, № 3. – С. 747-768. – DOI 10.22363/2313-2337-2025-29-3-747-768. – EDN AVVQUZ. DOI: 10.22363/2313-2337-2025-29-3-747-768 EDN: AVVQUZ

Article URL: https://journals.rcsi.science/2313-2337/article/view/327391

Article PDF: https://journals.rcsi.science/2313-2337/article/view/327391/302230

Literaturverzeichnis

1. Anosov, Y.A. (2024). Normative Regelung der Anforderungen an Klauseln des internationalen Bauvertrags. Scientific Journal “Juridical Science”, 1, 80–83.

2. Bacoș, A. (2024). Bedeutung und Regulierung von Verträgen über öffentliche Bauleistungen in der Europäischen Union: Eine Studie zu den FIDIC-Standards. In: The Challenges of Multicultural Representation: Literature, Discours and Dialogue, 135–157.

3. Batychko, V.T. (2011). Internationales Privatrecht: Vorlesungsnotizen. Taganrog: TTI Yufu Publ.

4. Braig, B. & Mutay, I.M. (2016). Res publica und res mercatoria in den Proformae der FIDIC und im Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation. Bulletin of Economic Justice of the Russian Federation, 1, 111–144.

5. Breyer, W. (Hrsg.) (2024). Internationales Baurecht: Ein Überblick. London: Informa Law from Routledge. DOI: 10.4324/9781315671376.

6. Funge, T. (2020). „Out-of-Pocket“-Sicherheiten außer Kontrolle? International Construction Law Review, 4.

7. Gurina, V.A. (2016). Zur Wahl des anwendbaren Rechts für internationale Bauverträge. Theory and Practice of Modern Legal Science, 3, 80–83.

8. Jenkins, J. (2021). Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im Bauwesen. 3. Aufl. USA: Wolters Kluwer.

9. Klishas, A.A. (2018). Der Sozialstaat: Zur Problemstellung. Law and Management. XXI Century, 1(46), 32–42. DOI: 10.24833/2073-8420-2018-1-46-32-42. EDN: XTXHYL.

10. Klee, L. (2018). Internationales Recht der Bauverträge. Prag: John Wiley & Sons.

11. Kremnev, P.P. (2021). Allgemein anerkannte Grundsätze und Normen des jus cogens und Verpflichtungen erga omnes: Rechtsnatur und Hierarchie im russischen Rechtssystem. Bulletin of Saint Petersburg University. Law, 12(3), 783–802. DOI: 10.21638/spbu14.2021.318. EDN: LRQQZF.

12. Lavrenyak, I.V. (2023). EPC/M-Verträge und Bauverträge: eine rechtsvergleichende Analyse des internationalen und des russischen Rechts. Education and Law, 3, 75–79. DOI: 10.24412/2076-1503-2023-3-75-79. EDN: QGVBYR.

13. Lyapustina, N.A. & Rybka, O.S. (2024). Aussichten der Anwendung von Regelungen über den Ersatz von Vermögensschäden, wie sie im FIDIC Silver Book verankert sind, im Bereich der Bauverträge in Russland. Legal Studies, 6, 1–14. DOI: 10.25136/2409-7136.2024.6.70982. EDN: KVGVKK.

14. Mahasneh, N. (2024). Gesamtschuldnerische Haftung an der Schnittstelle von nationalem und internationalem Recht und den FIDIC-Vertragsbedingungen. Uniform Law Review, 29(3), 412–428. DOI: 10.1093/ulr/unae039. EDN: NQELKD.

15. Min, X. (2024). Übersetzungsmethoden des Passivs in der englisch-chinesischen Übersetzung internationaler Ingenieurverträge – am Beispiel der FIDIC Conditions of Contract for Construction. Modern Linguistics, 12(5), 2713–2718. DOI: 10.12677/ml.2024.125384.

16. Murodzhonova, M.M. & Imamova, D.I. (2023). Der Begriff des internationalen Bauvertrags. Bulletin of Legal Sciences, 7(2), 61–69. DOI: 10.51788/tsul.rols.2023.7.2./VJGM1988. EDN: VLEJJY.

17. Savenkov, A.N. (2017). Probleme der staatlichen Strafrechtspolitik. Legal Journal, 1, 163–171.

18. Sulimov, N.Yu. (2024). Vergleich der Ansätze zur Streitbeilegung in Bauprojekten zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern in Russland und Belarus unter Verwendung von FIDIC. Law and Power, 1, 112–117.

19. Varavenko, V.E. (2012). Perspektiven der Anwendung von Standardverträgen der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC) in der Praxis öffentlicher Aufträge in Russland. International Public and Private Law, 1, 10–13.

20. Varavenko, V.E. & Niyazova, M.V. (2022). Wirtschafts- und rechtliche Analyse von Instrumenten zur Anpassung der Standardverträge von FIDIC an das russische Recht. Territory of New Opportunities. Bulletin of Vladivostok State University, 14(4), 35–50. DOI: 10.24866/VVSU/2949-1258/2022-4/035-050. EDN: YJXKOV.

21. Verdier, P.H. & Versteeg, M. (2015). Völkerrecht in nationalen Rechtssystemen: eine empirische Untersuchung. American Journal of International Law, 109(3), 514–533.

22. Zhadan, V.N. (2016). Zum Zusammenwirken und zur Zusammenarbeit Russlands mit internationalen Organisationen. Current Problems of Humanities and Natural Sciences, 3–3, 33–37.

23. Zhukov, M. & Silchenko, V. (2020). Der Vertrag nach dem FIDIC Silver Book: ein Fall aus der Praxis der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Lex Torre.

KAPITEL 9. Dogmatische Einordnung und systembildende Prinzipien wirtschaftlicher Zwangseinwirkungen bei grenzüberschreitenden Bauverträgen

DOI: 10.64457/icl.de.ch9

Das Kapitel systematisiert Zwangsmechanismen in großskaligen internationalen Bau- und Infrastrukturprojekten. Auf Basis eines vergleichenden Ansatzes zu FIDIC-Standardverträgen, bilateralen Investitionsabkommen und sechs Schiedsurteilen (Unionmatex v. Turkmenistan; Jan de Nul v. Ägypten; L.E.S.I./ASTALDI v. Algerien; Muhammet Çap v. Turkmenistan; Salini v. Marokko; COMMISA v. PEP) werden wirtschaftlicher, administrativer, rechtlicher und politischer Druck als zentrale Risikofaktoren identifiziert. Die Gliederung folgt der Fallauswahl, Typologisierung und dogmatischen Verdichtung bis hin zu Handlungsempfehlungen. Ergebnisse fordern harmonisierte Schutzklauseln, stärkere Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen und multilaterale Standards zur Risikominimierung.

Die multipolare Konfiguration der gegenwärtigen Weltordnung und der zunehmende Sanktionsdruck haben die Architektur internationaler Bauverträge grundlegend verkompliziert: Sie reichen weit über Technik und kaufmännische Aspekte hinaus und verbinden politisch-rechtliche, wirtschaftliche und administrative Dimensionen. Dies zeigt sich deutlich in der Praxis russischer Akteure grenzüberschreitender Projekte, für die die Wahl von Rechtsordnung und Schiedsklausel nicht selten zu Verfahren in London führt—wie das Beispiel der Rechtssache Nr. A56-111059/2024 belegt, in der das nationale Gericht wegen der vertraglichen Anknüpfung an englisches Recht und Forum die Zuständigkeit verneinte. Vor diesem Hintergrund rückt die Problematik des Zwangs in den Fokus: seine Typologie in großen Bau- und Infrastrukturvorhaben sowie der Instrumentenkasten zur Reduktion der Risiken unlauterer Einwirkungen.

In der völkerrechtlichen Doktrin gilt Zwang als eine der zentralen Gefahren für die Stabilität der Rechtsordnung, da er zu Normverletzungen und Eingriffen in die Rechte der Parteien führt und verschiedenste Ausprägungen annimmt—vom wirtschaftlichen Druck und der Einschränkung des Ressourcenzugangs bis hin zur Androhung von Gewalt (Lukaschuk, 2004). Zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangt die ausländische Lehre, die auf die Notwendigkeit hinweist, die Normen fortzuentwickeln und ihre wirksame Durchsetzung zum Schutz der Interessen der am grenzüberschreitenden Projektgeschäft beteiligten Akteure sicherzustellen (Kolb, 2017). Sanktionen fungieren als öffentlich-rechtliches Instrument zugleich als Zielsetzungsmechanismus der internationalen Rechtsordnung und als Feld konkurrierender Interessen; ihre ambivalente Anwendung kann zum Hebel des Drucks auf Vertragspartner werden, bis hin zur Erzwingung der Anpassung oder Beendigung vertraglicher Beziehungen (Rusinowa, 2017). In der aktuellen vergleichenden Diskussion werden wirtschaftlicher und sonstiger Druck als Faktoren der Risikodisbalance identifiziert, die die Fairness vertraglicher Beziehungen gefährden und den Bedarf an einheitlichen rechtlichen Schutzinstrumenten gegen unzulässige Einwirkungen offenlegen (Milanovic, 2023). Internationale Organisationen und Schiedssysteme haben Missbräuche zu begrenzen und eine faire Streitbeilegung zu gewährleisten; hierfür bedarf es effektiver Standards, die der Fehlverwendung von Zwang entgegenwirken (Helal, 2019).

Die russische Fachdiskussion im Bereich des internationalen Bauvertragsrechts liefert bereits Grundkoordinaten zu normativen Anforderungen an Vertragsklauseln sowie zu prozessualen Aspekten der Streitbeilegung in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit (Anossow, 2024; Sapozhnikowa & Chusainowa, 2021). Besonders hervorgehoben wird die Frage der Anpassung der Standardverträge der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC) an das nationale Recht—ein rechtsvergleichender Zugriff zeigt deren Potenzial als Instrumente zur Abwehr unlauterer Druckausübung bei sachgerechter Lokalisierung (Warawenko, 2021). In einem weiteren theoretischen Rahmen wirkt die Entwicklung einer multipolaren Welt auf Inhalt und Mechanismen internationaler Übereinkünfte, einschließlich von Bauverträgen, ein, wie Untersuchungen zu den rechtlichen Grundlagen und Problemen der entstehenden multipolaren Ordnung verdeutlichen (Lisicyn-Swetlanow, 2024).

Die Schiedspraxis zeigt die maßgeblichen Formen und Mechanismen der Druckausübung. In Dirk Herzig as Insolvency Administrator over the Assets of Unionmatex Industrieanlagen GmbH v. Turkmenistan (ICSID Case No. ARB/18/35) wurden Anforderungen zur Erbringung zusätzlicher Leistungen ohne Finanzierungszusagen und weitere diskriminierende Maßnahmen beschrieben, die zur Insolvenz des Auftragnehmers führten; hier manifestierte sich indirekter wirtschaftlicher Zwang durch die Auferlegung von Kosten bei defizitärer Finanzierung und Verwaltung. In Jan de Nul N.V. and Dredging International N.V. v. Arab Republic of Egypt (ICSID Case No. ARB/04/13) verschob eine unzureichende Offenlegung von Ausgangsdaten zur Bodenbeschaffenheit und -menge das Risiko auf den Unternehmer; wenngleich keine Täuschungsabsicht festgestellt wurde, trat gleichwohl ein latenter Druckeffekt durch Informationsasymmetrie zutage. Der Fall L.E.S.I. S.p.A. and ASTALDI S.p.A. v. République Algérienne Démocratique et Populaire (ICSID Case No. ARB/05/3) spiegelte politisch-administrativen Zwang: Notstandsmaßnahmen des Staates, Finanzierungsengpässe und Sicherheitsanforderungen nötigten den Unternehmer faktisch, das Projekt in widriger Umgebung fortzuführen; Lücken in der Verteilung von Force-Majeure-Risiken erhöhten die Verwundbarkeit der Privaten. In Muhammet Çap & Sehil İnşaat Endüstri ve Ticaret Ltd. Şti. v. Turkmenistan (ICSID Case No. ARB/12/6) illustrieren eine Kombination aus willkürlichen Geldbußen, Beschränkungen beim Abtransport von Ausrüstung, der Auferlegung unbezahlter Arbeiten und Eingriffen der Strafverfolgungsbehörden unmittelbaren staatlichen Zwang, erschwert durch die Doppelrolle des Staates als Auftraggeber und Regulierer. Die Entscheidung in Salini Costruttori S.p.A. and Italstrade S.p.A. v. Kingdom of Morocco (ICSID Case No. ARB/00/4) verlieh Bauverträgen bei Erfüllung des „Salini-Tests“ Investitionsstatus und erweiterte damit den Schutzumfang gegenüber einseitigen Änderungen durch den öffentlichen Besteller. Schließlich wurden im Streit COMMISA v. Pemex (ICC Case No. 13613/CCO/JRF) eine einseitige „administrative rescission“ (verwaltungsrechtliche Vertragsauflösung) und die anschließende Aufhebung des Schiedsspruchs in der nationalen Gerichtsbarkeit durch Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs durch US-Gerichte kompensiert; damit traten die Grenzen öffentlich-rechtlicher Prärogativen eines staatlichen Auftraggebers gegenüber der internationalen Treuepflicht und der Schiedsvereinbarung hervor.

In der Summe erlaubt diese Praxis eine Typologie unzulässigen Zwangs in internationalen Bauverträgen: wirtschaftlicher Druck (z. B. Zahlungsverweigerung; Auferlegung zusätzlicher Leistungen ohne Vergütung), administrative Maßnahmen (Verlängerung von Genehmigungsverfahren; diskriminierende Bedingungen; einseitige Kündigung), juristische Kollisionen (Aufhebung oder Blockade der Vollstreckung von Schiedssprüchen unter Verweis auf das „öffentliche Interesse“) sowie politische Faktoren (regionale Instabilität; externe Risiken, die nicht entschädigte Technologiesubstitutionen erfordern). Gemeinsamer Nenner ist die unzureichende Ausgestaltung präventiver Schutzmechanismen und das Defizit schneller Streitbeilegungsverfahren, namentlich im Umgang mit staatlichen Akteuren.

Aus historisch-theoretischer Perspektive ist die Eigenart der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit gefestigt. Nihilistische Konzepte, die die Verantwortlichkeit von Staaten gegenüber anderen Völkerrechtssubjekten negierten, wurden im Zuge der Entwicklung von Doktrin und Praxis überwunden; Verantwortlichkeit wird als immanentes Attribut des Rechts verstanden, ohne das die Rechtsordnung ihren Sinn verliert. Frühe, der zivilrechtlichen Logik des Schadensersatzes ähnliche Ansätze wichen schrittweise einer weiteren Sicht, die Wiederherstellung der Rechtsordnung und Prävention neben rein materiellen Komponenten umfasst (Pradier-Fodéré & Pradier-Fodéré, 1906; Evans, 2014; Martens, 2008). Das Ergebnis jahrzehntelanger Kodifikationsarbeit—„Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts“ (UN-GV-Resolution 56/83 vom 12.12.2001)—bestätigte den sui-generis-Charakter des Instituts und die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes, der die Besonderheiten öffentlicher Gewalt, die Horizontalität zwischenstaatlicher Beziehungen und das Fehlen eines zentralisierten Vollstreckungsapparats berücksichtigt (Gasanow & Schaljagin, 2012; Keschner, 2016; Basylew, 1985; Iwanow & Iwanow, 2006; Lasarew, 2005).

Sanktionen als völkerrechtliches Instrument besitzen obligatorischen Charakter, abgesichert durch kollektive Durchsetzung in multilateralen Rahmenwerken (Rusinowa, 2017). Ihre öffentlich-rechtliche Natur impliziert, dass Staaten und internationale Organisationen Initiatoren und Träger hoheitlicher Zwangsbefugnisse sind und die Normgeltung formal bestimmt und allgemein zugänglich sein muss. In Infrastrukturvorhaben beeinflussen Sanktionsregime den Zugang zu Materialien und Ausrüstungen sowie Liefer- und Finanzketten und prägen damit unmittelbar das Risikoprofil und die Stabilität des Vertrags. In diesem Bereich sind Sanktionen nicht nur repressiv, sondern auch sichernd, indem sie die Einhaltung internationaler Verpflichtungen und den Interessenausgleich der Parteien stützen (Tiptschenko, 2024).

Mangels eines supranationalen „Vollstreckers“ kommt der Schiedsgerichtsbarkeit zentrale Bedeutung zu. Die Wirkungen des New-Yorker Übereinkommens, investitionsrechtlicher Verträge und verfahrensrechtlicher Reformen äußern sich in erhöhter Vorhersehbarkeit der Vollstreckung von Schiedssprüchen; gleichwohl bestehen insbesondere in Streitigkeiten mit staatlichen Stellen fortdauernde Herausforderungen im Zusammenhang mit Immunitäten und ordre public (Orlow & Jarkow, 2017; Galenskaja, 2010). Dies drängt zur Stärkung vertraglicher Mechanismen: präzise Schiedsklauseln, erweiterte Verbindlichkeit für öffentliche Auftraggeber und vorab vereinbarte verfahrensbezogene „Roadmaps“ der Vollstreckung.

Ein Schlüsselwerkzeug der Risikoreduktion bilden die FIDIC-Standardbedingungen. Ihre Struktur verteilt Risiken detailliert, führt gestufte Anzeige- und Änderungsverfahren ein und etabliert sequenzielle Streitbeilegungsmittel. Im Hinblick auf wirtschaftlichen und administrativen Druck minimieren transparente Verfahren zur Anpassung von Fristen und Preisen sowie dokumentierte Anzeigen und Ausschlussfristen („time-bar“) die Interpretationsspielräume zu Parteibefugnissen und die Möglichkeiten, unbezahlte Leistungen aufzuerlegen. Die russische und ausländische Lehre betonen die Effektivität dieser Mechanismen bei sachgerechter Lokalisierung—vom Vergleich von EPC/EPCM- und Werkverträgen (Lawrenjak, 2023) bis zu speziellen Studien über den Ersatz vermögensrechtlicher Einbußen und die Anwendbarkeit von „on-demand“- und anderen Sicherungsinstrumenten in der russischen Praxis (Ljapustina & Rybka, 2024). Die Wirksamkeit vorgerichtlicher Mechanismen wird ferner durch Arbeiten zur Vollstreckung von DAB/DAAB-Entscheidungen bestätigt, die verlässliche Vollstreckungsprozeduren fordern und sogar Konventionsanpassungen zum Schutz ihrer Wirkung vorschlagen (Dedezade, 2021; Anisi, 2021).

Angesichts der politisch-rechtlichen Dynamik grenzüberschreitender Projekte—einschließlich im Energiesektor—steigen die Anforderungen an die Abstimmung öffentlich- und privatrechtlicher Zielsetzungen. Dies spiegelt sich in inländischen Studien zu Investitionsstreitigkeiten und zum Schutz ausländischer Investitionen wider, die ein normatives Modell skizzieren, das am Ausgleich öffentlicher Interessen und der Stabilität privater Erwartungen ausgerichtet ist (Lisicyn-Swetlanow, 2021; Matwejew, 2022). Praktisch bedeutet dies: (1) vertragliche Stabilisations- und Kompensationsmechanismen bei Sanktions- und Force-Majeure-Schocks, (2) klare Protokolle zur Offenlegung von Ausgangsdaten und zur Risikoreallokation bei Änderungen sowie (3) obligatorische mehrstufige Streitbeilegungsverfahren einschließlich zeitnaher DAAB-Entscheidungen und eines Schiedsverfahrens mit vorab definierter, rechtsordnungsübergreifender Vollstreckungs-„Roadmap“.

Der durch Doktrin und Schiedspraxis bestätigte Befund lautet, dass sich Risiken wirtschaftlichen und administrativen Drucks durch den Vorrang transparenter Verfahren zur Vertragsänderung, strikter Dokumentation von Anzeigen und eine angemessene Risikoverteilung, verankert in FIDIC-Standardformen mit lokalisierten Besonderen Bedingungen, mindern lassen; dieser Ansatz reduziert die Wahrscheinlichkeit opportunistischer Pflichtenumverteilungen und des Entstehens unbezahlter Leistungen (Lawrenjak, 2023; Ljapustina & Rybka, 2024; Dedezade, 2021; Anisi, 2021). Zugleich lassen sich rechtlich-politische Risiken nicht allein durch vertragliche Instrumente beseitigen: Erforderlich sind zwischenstaatliche Abkommen und die Harmonisierung investitionsrechtlicher Garantien, die reproduzierbare Verhaltensmaßstäbe für öffentliche Akteure setzen und Barrieren gegen „administrative rescission“ und vergleichbare Praktiken errichten, welche die Redlichkeit der Vertragsordnung unterminieren (Lisicyn-Swetlanow, 2021; Matwejew, 2022).

Insgesamt weisen die Befunde auf drei Entwicklungsstränge: die Vereinheitlichung von Anti-Zwang-Normen im „soft“- und „hard law“ unter Beteiligung internationaler Organisationen; die institutionelle Stärkung schnell wirksamer Streitbeilegungsmechanismen unter Einbindung staatlicher Auftraggeber und die Sicherstellung tatsächlicher Vollstreckbarkeit der Entscheidungen; sowie die systematische Lokalisierung der FIDIC-Standardbedingungen in nationale Systeme unter Berücksichtigung öffentlich-rechtlicher Schranken und infrastruktureller Prioritäten. Die Umsetzung dieses Programms stärkt Vorhersehbarkeit und Resilienz internationaler Bauvorhaben, erhöht das Vertrauen der Beteiligten und senkt Transaktionskosten.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 9: Zwang und völkerrechtliche Verantwortlichkeit.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Принуждение и международно-правовая ответственность в международном строительном контрактном праве / Д. С. Белкин // Международное право. – 2025. – № 2. – С. 63-83. – DOI 10.25136/2644-5514.2025.2.73857. – EDN VGGSEO. DOI: 10.25136/2644-5514.2025.2.73857 EDN: VGGSEO

Article URL: https://nbpublish.com/library_read_article.php?id=73857

Article PDF: https://www.elibrary.ru/download/elibrary_82415592_42262399.pdf

Literaturverzeichnis

1. Anisi, E. (2021). Gewährung der Vollstreckbarkeit der Entscheidung des FIDIC-DAB durch Änderung des New-Yorker Übereinkommens 1958. Journal of Legal Affairs and Dispute Resolution in Engineering and Construction, 13(2), 06521001. DOI 10.1061/(ASCE)LA.1943-4170.0000465.

2. Anosov, Ya. A. (2024). Normative Anforderungen an Bestimmungen internationaler Bauverträge. Juristische Wissenschaft, (1), 80–83.

3. Bazylev, B. T. (1985). Rechtliche Verantwortung (theoretische Fragen). Moskau.

4. Dedezade, T. (2021). Durchsetzung von DAB-Entscheidungen nach den FIDIC-Formularen. In J. Uff & R. Reynolds (Hrsg.), Construction Arbitration and Alternative Dispute Resolution (S. 161–168). Informa Law (Routledge).

5. Evans, M. D. (Hrsg.). (2014). Internationales Recht (4. Aufl.). Oxford University Press.

6. Galenskaya, L. N. (2010). Rechtliche Regelung transnationaler Beziehungen nicht-souveräner hoheitlicher Akteure. In Haupttendenzen der Entwicklung des modernen Völkerrechts (S. 119–136).

7. Gasanov, K. K., & Shalyagin, D. D. (Hrsg.). (2012). Völkerrecht (3. Aufl.). UNITY-DANA.

8. Helal, M. S. (2019). Zur Zwangsausübung im Völkerrecht. NYU Journal of International Law & Politics, 52, 1–64.

9. Ivanov, A. A., & Ivanov, V. P. (2006). Delikte und rechtliche Verantwortung. Moskau.

10. Keshner, M. V. (2016). Recht der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit: Lehrbuch. Prospekt.

11. Kolb, R. (2017). Das Völkerrecht der Staatenverantwortlichkeit: Eine Einführung. Edward Elgar Publishing.

12. Lavrenyak, I. V. (2023). EPC/M-Verträge und Bauverträge: Rechtsvergleichende Analyse des internationalen und russischen Rechts. Bildung und Recht, (3), 75–79. DOI 10.24412/2076-1503-2023-3-75-79.

13. Lazarev, V. V. (2005). Allgemeine Theorie von Recht und Staat. Jurist.

14. Lisitsyn-Svetlanov, A. G. (2021). Beilegung von Streitigkeiten in Investitionsprojekten mit ausländischer Beteiligung. Forum für Energierecht, (2), 8–13. DOI 10.18572/2312-4350-2021-2-8-13.

15. Lisitsyn-Svetlanov, A. G. (2024). Rechtliche Grundlagen und Probleme einer neuen multipolaren Weltordnung. In Tagungsband der XXII. Internationalen Lichatschow-Lesungen.

16. Lukashuk, I. I. (2004). Recht der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit. Volters Kluver.

17. Lyapustina, N. A., & Rybka, O. S. (2024). Anwendungsperspektiven der Regelungen des FIDIC Silver Book im russischen Bauvertragsrecht. Juristische Studien, (6), 1–14. DOI 10.25136/2409-7136.2024.6.70982.

18. Martens, F. F. (2008). Zeitgenössisches Völkerrecht der zivilisierten Nationen (Bd. 1). Zertsalo.

19. Matveev, V. V. (2022). Entwicklungstendenzen völkerrechtlicher Mechanismen zum Schutz ausländischer Investoren. Zeitschrift für ausländische Gesetzgebung und Rechtsvergleichung, 18(1), 127–136. DOI 10.12737/jflcl.2022.017.

20. Milanovic, M. (2023). Neubewertung der Zwangsausübung im Völkerrecht. American Journal of International Law, 117(4), 601–650. DOI 10.1017/ajil.2023.40.

21. Orlov, V., & Yarkov, V. (2017). Neues russisches Schiedsrecht. Kazan University Law Review, 2, 6–20.

22. Pradier-Fodéré, P., & Pradier-Fodéré, C. (1906). Traktat über europäisches und amerikanisches öffentliches Völkerrecht (Bd. 8). G. Pedone-Lauriel.

23. Rusinova, V. N. (2017). Sanktionslisten und menschenrechtliche Staatspflichten. Internationale Justiz, 1(21), 68–84. DOI 10.21128/2226-2059-2017-1-68-84.

24. Sapozhnikova, M. A., & Khusainova, M. R. (2021). Völkerrechtliche Aspekte der Streitbeilegung im Bauwesen. In Aktuelle Probleme der Rechtspflege (S. 86–91).

25. Tupchienko, V. A. (2024). Aktuelle sozioökonomische Probleme Russlands unter fortbestehenden Sanktionen (2. Aufl.). Nauchny Konsultant.

26. Varavenko, V. E. (2021). Anpassung der FIDIC-Standardverträge an das russische Recht: Rechtsvergleichende Studie. Prospekt. ISBN 978-5-392-35594-5.

KAPITEL 10. Rechtsdogmatische Grundlagen der Mehrstufigkeit im internationalen Bauvertragsrecht: Von Soft-Law-Standards zur verbindlichen Vollstreckung

DOI: 10.64457/icl.de.ch10

Das Kapitel kontrastiert verbindliche völkerrechtliche Verträge (Washington-Konvention 1965, New-York-Konvention 1958) mit dem soft-law-Gefüge der UNCITRAL-Schiedsordnung und der FIDIC-Standards 2017/2022. Statistiken des ICSID sowie Entscheidungen indischer, südafrikanischer und schweizerischer Gerichte bestätigen die Verbindlichkeit von DAAB-Verfahren. Der Streit Nord Stream 2 zeigt unionsrechtliche Spannungen; die Anschläge von 2022 veranschaulichen Risiken für Energieinfrastruktur. Auf der Grundlage von Rechtsvergleichung und Doktrin entwickelt die Studie ein dreistufiges Schutzmodell: sofortige Anwendung der ICC Expedited Rules, mittelfristige Qualifikation internationaler Bauverträge als Investitionen per se und langfristige Annahme eines BRICS/UNCITRAL-Modellgesetzes. Ergebnisse stärken Vorhersehbarkeit und Harmonie von internationalen und innerstaatlichen Normen.

Internationale Bauprojekte sind zwangsläufig mit der Überschneidung verschiedener Rechtssysteme und Normen des Völkerrechts verbunden. Die rechtliche Regelung solcher Verträge hängt von den Quellen des Vertragsrechts in der jeweiligen Rechtsordnung sowie von der Geltung von zwingenden Normen des Völkerrechts (jus cogens) ab, von denen kein Staat abweichen darf. Jus cogens – zwingende Rechtsnormen wie das Verbot von Völkermord oder Sklaverei – gelten absolut und machen jede entgegenstehende vertragliche Vereinbarung nichtig. Der Einfluss des jus cogens auf gewöhnliche kommerzielle Verträge ist jedoch mittelbar: Er begrenzt die Vertragsfreiheit, indem er Vereinbarungen ausschließt, die grundlegenden Prinzipien der internationalen Rechtsordnung widersprechen.

In den verschiedenen Rechtstraditionen – dem anglo-amerikanischen (präzedenzbasierten), dem kontinentaleuropäischen (kodifizierten), dem lateinamerikanischen (öffentlich-rechtlich geprägten) sowie dem israelischen (gemischten) System – unterscheiden sich die Quellen des Vertragsrechts und die Mechanismen des Rechtsschutzes in internationalen Bauverträgen erheblich. Die nachfolgenden vier lokalisierten Fassungen der Analyse des Kapitels 10 der Monographie „Internationales Bauvertragsrecht“ – „Vertragsvölkerrecht in internationalen Bauverträgen: Rechtsprobleme und Schutzmechanismen“ – berücksichtigen:

(1) die spezifischen Quellen des Schuldrechts und der völkerrechtlich zwingenden Normen;

(2) die Anwendung der FIDIC-Standards in nationaler Praxis;

(3) verfügbare Schutzmechanismen bei Vertragsverletzungen (internationale Schiedsgerichtsbarkeit, ISDS, innerstaatliche Rechtsmittel, Gerichtsstandsvereinbarungen);

(4) die dogmatischen Grundlagen der Anerkennung internationaler Verträge im Baurecht;

(5) den Umgang mit Sanktionen, höherer Gewalt, unvorhergesehenen Umständen (hardship) und Vertragsanpassungen während der Projektdurchführung;

(6) die Rolle des Staates als Auftraggeber, Geldgeber, Regulierungsinstanz und Beklagter;

(7) Methoden der Vertragsauslegung (Unterschiede zwischen kontinentaleuropäischen und angelsächsischen Auslegungsstilen).

Quellen des Vertragsrechts und jus cogens. Im anglo-amerikanischen Common-Law (z. B. England und USA) beruhen Vertragsregeln primär auf Präjudizien und Einzelgesetzen, nicht auf einem umfassenden Zivilgesetzbuch. Die Privatautonomie ist stark, wird jedoch durch ordre public und Illegali¬täts-Doktrinen begrenzt. Zwingende Normen des Völkerrechts (jus cogens) sind nicht Bestandteil des innerstaatlichen Vertragsrechts, wirken aber als äußere Schranken: Verträge, die peremptorischen Normen widersprechen (z. B. Verbot von Korruption, Sklaverei), sind wegen Verstoßes gegen den ordre public nicht durchsetzbar (Shelton, 2011). Neben diesen Grenzen können Parteien Risiken weitgehend frei allokieren; Gerichte setzen ausdrücklich vereinbarte Klauseln durch. Für extreme supervening events dienen die Doktrinen der frustration und der Illegali¬tät als Korrektiv (Sloss, 2009). Eine allgemeine Hardship-Klausel kraft Gesetzes existiert nicht; ohne vertragliche Regel gilt Leistungspflicht fort, frustration greift nur ausnahmsweise. England folgt dem Dualismus; der ICSID-Vertrag wurde durch den Arbitration (International Investment Disputes) Act 1966 innerstaatlich wirksam. Die Wiener Vertragsrechtskonvention bindet Staaten, nicht Privatrechtsverträge, es sei denn, staatliches Recht inkorporiert entsprechende Regeln (Shelton, 2011).

Anwendung der FIDIC-Standards. FIDIC-Muster gelten in Common-Law-Jurisdiktionen als anerkannte internationale Standardwerke im Groß-anlagen- und Ingenieurbau (Seppälä, 2023). Gerichte setzen FIDIC-Klauseln grundsätzlich um, soweit keine zwingenden lokalen Normen entgegenstehen. Zentrale Elemente sind die Rolle des Engineers und das Dispute Avoidance/Adjudication Board (DAAB); time-bar-Regime sowie (vorläufig) verbindliche Entscheidungen werden in den Grenzen des anwendbaren Rechts durchgesetzt (Seppälä, 2024).

Schutzmechanismen (Foren und Rechtsbehelfe). Schiedsvereinbarungen sind Standard; London und New York sind führende Sitze. Die Anerkennung und Vollstreckung beruht auf dem New-York-Übereinkommen 1958 mit engen Versagungsgründen (Sloss, 2009; Shelton, 2011). Gegen Staaten steht ISDS (BITs, ICSID) offen; Art. 54 ICSID statuiert Anerkennung von Geldtiteln „wie“ rechtskräftige Urteile mit Ausschluss inländischer Sachkontrolle (Sloss, 2009). DAABs sichern interimsweisen Rechtsschutz bis zur Schiedslösung (Seppälä, 2024).

Dogmatik der Anerkennung völkerrechtlicher Verträge. Common-Law ordnet zwischen International- und Landesrecht dualistisch; Soft-Law (UNIDROIT, ICC) bindet nur bei Rechtswahl. Vertragsvölkerrechtliche Rahmen (Freihandel, Investitionsschutz) fördern Transparenz in Vergaben und bieten ausländischen Bauunternehmern zusätzliche Schutzebenen (Sloss, 2009; Shelton, 2011).

Sanktionen, höhere Gewalt, Hardship. Es existiert keine allgemeine gesetzliche Hardship-Lehre; frustration/impracticability wirken punktuell. Force-majeure ist vertraglich; Supervening illegality (z. B. Sanktionen) kann ohne Klausel zur Leistungsbefreiung führen (Sloss, 2009; Shelton, 2011). FIDIC-klauseln zur höheren Gewalt/Hardship werden, wenn vereinbart, durchgesetzt (Seppälä, 2023).

Rolle des Staates. Als Auftraggeber handelt der Staat grundsätzlich wie ein Privater; Immunitäten treten bei kommerziellen Akten zurück, soweit zugestimmt. Öffentliche Aufträge enthalten regelmäßig Sonderklauseln (Änderungen, termination for convenience). Regulatorische Eingriffe können als höhere Gewalt/frustration qualifizieren. Vertrags- und parallele Investitionsschutzverfahren sind möglich (Sloss, 2009).

Auslegung (Common Law vs. Zivilrecht). Common-Law interpretiert text- und kontextbezogen; parol evidence begrenzt extrinsische Beweismittel. Ein allgemeines Gebot von Treu und Glauben wie § 242 BGB existiert nicht; Implikationen erfolgen restriktiv. FIDIC-Terminologie wird nach Branchenusus ausgelegt; zwingendes Recht geht vor (Shelton, 2011; Seppälä, 2023).

Quellen des Vertragsrechts und zwingende Normen. Das deutsche Schuldvertragsrecht ist kodifiziert (BGB). Seit 2018 regeln §§ 650a ff. BGB ausdrücklich den Bauvertrag; zuvor galten im Kern §§ 631 ff. BGB. In der Baupraxis haben sich standardisierte Bedingungen, namentlich die VOB/B, etabliert: kein Gesetz, sondern ausgewogene AGB, die im öffentlichen Auftragswesen regelmäßig einbezogen und teils vorgeschrieben werden. Damit entsteht ein duales System: den zwingenden Rahmen (insb. § 242 BGB – Treu und Glauben; § 313 BGB – Störung der Geschäftsgrundlage) liefert das BGB, die praxisnahen Detailregelungen die VOB/B. Zwingende völkerrechtliche Normen (jus cogens) wirken nur mittelbar über den ordre public: Vertragsinhalte, die gegen grundlegende Prinzipien oder die guten Sitten verstoßen, sind nach § 138 BGB nichtig; ein auslandskorrupter Zahlungszweck würde etwa an § 138 BGB bzw. am ordre public scheitern (Shelton, 2011). Deutschland ist dualistisch (Art. 59 Abs. 2 GG); zugleich erklärt Art. 25 GG die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zu Bestandteilen der innerstaatlichen Rechtsordnung. Entscheidungen, die jus cogens verletzen, sind in Deutschland nicht vollstreckbar (Shelton, 2011).

Anwendung von FIDIC. Im Binnenmarkt dominiert die VOB/B; FIDIC gewinnt Bedeutung v. a. bei Auslandsvorhaben deutscher Unternehmen. Unter deutschem Recht bedarf FIDIC punktueller Anpassung (z. B. § 650b BGB – Anordnungsrecht mit Vergütungsanpassung; § 276 Abs. 3 BGB – Verbot des Haftungsausschlusses für Vorsatz). DA(B)B-Mechanismen sind dem deutschen Prozessrecht fremd, können aber vertraglich als vorläufig verbindliche Feststellungen bis zur Schiedsentscheidung anerkannt werden (Seppälä, 2023; Seppälä, 2024).

Rechtsschutzmechanismen. Bauprozesse werden vor Zivilgerichten geführt; Deutschland ist schiedsfreundlich (ZPO §§ 1025–1066; New-York-Übereinkommen mit enger ordre-public-Kontrolle) (Sloss, 2009). Selbständige Beweisverfahren (§§ 485 ff. ZPO) dienen der frühzeitigen Sicherung von Tatsachen. Investitionsschutz erfolgt über BITs und das ICSID-Übereinkommen; Art. 54 ICSID verlangt Anerkennung von Schiedssprüchen ohne Sachprüfung (Sloss, 2009).

Dogmatik der Anerkennung. Völkerrecht wirkt über Transformationsgesetze, allgemeines Völkergewohnheitsrecht über Art. 25 GG. Unionsrecht prägt Vergabe und Wettbewerb; Soft-Law kann bei Parteiwahl leitend sein.

Sanktionen, höhere Gewalt, Hardship. Gesetzliche Institute: Unmöglichkeit (§ 275 BGB) und Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Höhere Gewalt ist richterrechtlich konturiert (extern, unvorhersehbar, unabwendbar). Sanktionen können rechtliche Unmöglichkeit bzw. Anpassungsbedarf begründen (Shelton, 2011).

Staatliche Rolle. Der Staat handelt im Bauvertrag grundsätzlich privatrechtlich; Immunität ist für ius gestionis beschränkt. Verwaltungsrechtliche Nachprüfungen betreffen Vergabe/Genehmigungen. Ein einseitiges ius variandi ohne Grundlage besteht nicht; pacta sunt servanda gilt auch für die öffentliche Hand.

Auslegung. §§ 133, 157 BGB stellen auf den wirklichen Willen und die Verkehrssitte ab; ergänzende Auslegung und AGB-Kontrolle (§ 307 BGB) sichern Äquivalenz.

Quellen des Vertragsrechts und zwingende Normen (jus cogens). In Lateinamerika prägen kodifizierte Zivil- und Handelsrechte das Schuldvertragsrecht; das Verwaltungsrecht übt im Bereich öffentlicher Bauaufträge erheblichen Einfluss aus. Es wird zwischen zivilrechtlichen Verträgen und Verwaltungsverträgen unterschieden. Verfassungen (wirtschaftlicher ordre public, soziale Funktion des Vertrags, Vorrang des öffentlichen Interesses), Zivilkodizes sowie besondere Vergaberegeln bilden die Kernquellen. In Staaten wie Mexiko, Kolumbien oder Peru normieren Vergabegesetze zwingende Verfahren und Vertragsklauseln; sie haben öffentlich-rechtlichen Charakter und gehen der Privatautonomie vor. Französische Einflüsse sind sichtbar: einseitige Vertragsänderung und -auflösung aus öffentlichem Interesse bei gleichzeitiger Entschädigungspflicht. Viele Länder erkennen internationalen Verträgen übergesetzlichen Rang zu; teils genießen Menschenrechtsverträge Verfassungsrang. Jus-cogens-Konzepte wirken daher unmittelbar: Bauverträge, die etwa Zwangsarbeit oder gravierende Umweltverletzungen implizieren, verstoßen gegen innerstaatliche und internationale Grundsätze und sind unwirksam. Im Investitionsschutz zeigt sich transnationaler ordre public bei Korruption/Fraud mit Konsequenzen für Anerkennung/Vollstreckung von Schiedssprüchen (Calvo, 1868). Die Calvo-Doktrin des 19. Jahrhunderts—Ausländer haben Streitigkeiten lokal zu klären—prägte lange die Region und bremste internationale Zuständigkeiten zugunsten der Souveränität (Calvo, 1868).

Anwendung von FIDIC. FIDIC-Muster verbreiten sich als „Best Practice“. Historisch dominierten nationale Allgemeine Bedingungen; Entwicklungsbanken fördern FIDIC in finanzierten Großprojekten (Red/Yellow/Silver Book). Die neutrale Rolle des „Engineer“ wird in Systeme übertragen, in denen traditionell der Bauaufsicht führende Ingenieur Vertreter des Auftraggebers war. DAB/DAAB-Entscheidungen mit vorläufiger Bindungswirkung sind relativ neu, werden aber mit anschließender Bestätigung im internationalen Schiedsverfahren genutzt. Terminologische Anpassungen und die Vereinbarkeit mit öffentlich-rechtlichen Grenzen (Änderungsobergrenzen; Kündigung aus Zweckmäßigkeit) sind zentral.

Schutzmechanismen. Neben staatlichen Gerichten gewinnt die Schiedsgerichtsbarkeit an Boden; die New-York-Konvention 1958 und die Panamerikanische Konvention 1975 sichern Anerkennung. ISDS bleibt für Konzessionen/PPP bedeutsam, trotz einzelner ICSID-Austritte. Verwaltungsrechtliche Rechtsbehelfe gegen einseitige Akte bestehen fort.

Dogmatische Grundlagen. Viele Staaten folgen einem moderaten Monismus; der „Verfassungsblock“ ermöglicht unmittelbare Anwendung völkerrechtlicher Normen (z. B. indigene Konsultation). Schiedsklauseln mit dem Staat gelten als zulässige Zuständigkeitsunterwerfung; das Prinzip des wirtschaftlich-finanziellen Gleichgewichts korrespondiert internationalen Schutzstandards.

Sanktionen, höhere Gewalt, Hardship. Die zivilrechtliche Lehre der „imprevisión“ erlaubt Anpassung/Auflösung bei außergewöhnlicher, unvorhersehbarer Störung; höhere Gewalt ist kodifiziert. Internationale Sanktionen qualifizieren als nachträgliche Rechtswidrigkeit oder Anpassungsgrund; Verträge enthalten zunehmend Sanktions- und Suspendierungsklauseln. Öffentliche Bauverträge kennen Variationen bis zu gesetzlichen Prozentsätzen mit Termin-/Preisfortschreibung.

Rolle des Staates. Der Staat verfügt über Ausnahmeprärogativen (ius variandi/rescindendi), muss aber die Gleichgewichtslage kompensatorisch wahren. Moderne PPP-Gesetze (Mexiko, Chile, Brasilien) schaffen Vorhersehbarkeit (Schiedsgerichtsbarkeit, Fachgremien, Versicherung). Immunitäten schützen hoheitliche Vermögenswerte; Vollstreckung richtet sich auf kommerzielle Assets/Budget.

Vertragsauslegung. Im Vordergrund stehen gemeinsamer Parteiwille, objektive Treu und Glauben sowie der Vertragszweck; extrinsische Beweismittel sind zulässig; dispositives Recht füllt Lücken. Ziel ist Vertragserhalt und faire Balance.

Fuentes del derecho contractual y normas imperativas. Alemania, como sistema civilista, se rige por el BGB; desde 2018, los contratos de construcción están expresamente regulados en los §§ 650a y ss. BGB (antes regían §§ 631 y ss.). En la práctica, la VOB/B —condiciones generales equilibradas, no ley— actúa como estándar cuasi oficial, especialmente en contratación pública, donde su incorporación es habitual y en ocasiones exigida. Surge así una arquitectura dual: el BGB fija los límites inderogables (buena fe del § 242, alteración de la base del negocio del § 313), mientras la VOB/B provee reglas operativas. El jus cogens del derecho internacional impacta de modo indirecto a través del orden público: cláusulas contrarias a principios fundamentales o a las buenas costumbres son nulas (§ 138 BGB); pagos corruptos o violaciones graves de derechos humanos no se ejecutan (Shelton, 2011). Alemania es dualista (art. 59.2 GG) y, a la vez, el art. 25 GG incorpora las reglas generales del derecho internacional (costumbre). La ejecución de laudos o sentencias contrarios a jus cogens es inadmisible (Shelton, 2011).

Aplicación de FIDIC. En el mercado interno predomina la VOB/B; FIDIC se utiliza sobre todo en proyectos internacionales de empresas alemanas. Bajo derecho alemán, FIDIC se adapta a categorías del BGB (p. ej., § 650b BGB sobre órdenes de cambio con ajuste de precio; § 276(3) BGB prohíbe exonerar dolo). Los mecanismos DA(B)B son menos familiares, pero pueden hacerse valer como determinaciones contractuales vinculantes de manera provisional hasta el laudo (Seppälä, 2023; Seppälä, 2024).

Mecanismos de tutela. Los litigios se ventilan ante tribunales civiles o en arbitraje. Alemania favorece el arbitraje (ZPO §§ 1025–1066; Convención de Nueva York con control limitado por orden público) (Sloss, 2009). Son frecuentes los procedimientos probatorios autónomos (§§ 485 y ss. ZPO). Para inversión extranjera, los BIT y el CIADI proveen remedios; el art. 54 CIADI impone reconocimiento sin revisión de fondo (Sloss, 2009).

Base doctrinal. Los tratados requieren implementación; el derecho internacional consuetudinario rige ex art. 25 GG. El derecho de la UE estructura la contratación pública; los instrumentos de soft law operan por elección de las partes.

Sanciones, fuerza mayor, hardship. El BGB regula la imposibilidad (§ 275) y la alteración de la base (§ 313). La fuerza mayor es de elaboración jurisprudencial (evento externo, imprevisible e irresistible). Las sanciones pueden constituir imposibilidad jurídica o justificar adaptación/terminación (Shelton, 2011).

Rol del Estado. El Estado actúa como contratante privado; la inmunidad es limitada en actos comerciales. Existe control público en materia de compras y licencias. No hay ius variandi unilateral sin base normativa/contractual; rige pacta sunt servanda.

Interpretación. Los §§ 133 y 157 BGB priorizan la intención común y la buena fe; la integración supletoria y el control de cláusulas estándar (§ 307 BGB) preservan el equilibrio contractual.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 10: Recht der internationalen Verträge.

Literaturverzeichnis

1. Anisi, E., & Darabpour, M. (2021). Gewährung der Vollstreckbarkeit für Entscheidungen des FIDIC-DAB. Journal of Legal Affairs and Dispute Resolution in Engineering and Construction, 13(2).

2. Bakhnovskiy, A. V. (2018). Der völkerrechtliche Vertrag als Quelle des internationalen Privatrechts. Teoriya i Praktika Obshchestvennogo Razvitiya, (6), 91–94.

3. Boldyrev, O. Y., & Chikhladze, L. T. (2022). Ökonomische Souveränität des Staates. Antinomii, 22(4).

4. Verdier, P.-H., & Versteeg, M. (2015). Völkerrecht in nationalen Rechtssystemen. American Journal of International Law, 109(3), 514–533.

5. De Decker, Z. Z. (2021). Das Verhältnis zwischen EU-Recht und internationalem Investitionsrecht: Lehren aus Nord Stream 2. Dissertation, Ghent University.

6. Seppälä, C. R. (2023). Der FIDIC-Red-Book-Vertrag: Internationaler Kommentar. Kluwer Law International. ISBN 978-9403520605.

7. Seppälä, C. R. (2024). Vorschlag zur Vollstreckung von Parteivereinbarungen und DAAB-Entscheidungen. International Construction Law Review, 41(1), 106–115.

8. Sloss, D. (Hg.). (2009). Die Rolle nationaler Gerichte bei der Durchsetzung völkerrechtlicher Verträge. Cambridge University Press.

9. Thi Hoa, N. (2022). Ob FIDIC-DAB-Entscheidungen Schiedssprüche sind. Journal of Legal Affairs and Dispute Resolution in Engineering and Construction, 14(4).

10. Topornina, B. N., Baturin, Y. M., & Orekhova, R. G. (1994). Verfassung der Russischen Föderation: Kommentar.

11. Fanou, M. (2020). CETA-ICS und die Autonomie der EU-Rechtsordnung. Cambridge Yearbook of European Legal Studies, 22, 106–132.

12. Ferdross, A. (1959). Völkerrecht. Izdatel’stvo Inostrannoi Literatury.

13. Shelton, D. (Hg.). (2011). Internationales Recht und nationale Rechtssysteme. Oxford University Press.

14. Roberts, A., u. a. (Hg.). (2018). Vergleichendes Völkerrecht. Oxford University Press.

15. Yakubov, I. Kh. (2023). Sabotage von Nord Stream. Postsovetskie Issledovaniya, 6(1), 20–29.

KAPITEL 11. Dogmatische Strukturierung transnationaler Bauverträge im Lichte verfassungsrechtlicher Staatssouveränität

DOI: 10.64457/icl.de.ch11

Grenzüberschreitende Bauverträge gewinnen im multipolaren System diplomatische Relevanz.

Die Arbeit vergleicht CISG 1980, UNIDROIT-Prinzipien, FIDIC-Muster und den Foreign Corrupt Practices Act.

Dabei werden Normenkollisionen und Zuständigkeitslücken identifiziert.

Standardisierung und konsularische Begleitung verringern Rechtsunsicherheit.

Zehn diplomatische Mechanismen stärken Vertrauen und Planbarkeit globaler Projekte.

Grenzüberschreitende Infrastrukturverträge gewinnen im entstehenden multipolaren System zunehmend diplomatische Relevanz. Das Kapitel nutzt eine rechtsvergleichende Analyse des Übereinkommens der Vereinten Nationen über internationale Warenkaufverträge von 1980 (CISG), der UNIDROIT-Grundsätze, der FIDIC-Standardverträge und des US Foreign Corrupt Practices Act (FCPA). Dabei werden Normkollisionen, jurisdiktionelle Unklarheiten und Reputationsrisiken für Auftragnehmer identifiziert. Es zeigt sich, dass die Standardisierung von Vertragsbedingungen und eine kontinuierliche konsularische Unterstützung diese Risiken mindern. Aus den Ergebnissen werden zehn pragmatische diplomatische Mechanismen abgeleitet – von der Koordinierung mit der Neuen Entwicklungsbank der BRICS bis hin zur Etablierung einer globalen Infrastrukturmarke – die darauf abzielen, die Vorhersehbarkeit zu erhöhen und das Vertrauen der Investoren zu stärken. Durch die Integration der Vertragsdoktrin mit dem Recht der auswärtigen Beziehungen zeigt die Studie, dass Diplomatie, Schiedspraxis und Compliance-Rahmen gemeinsam die Rechtsunsicherheit verringern und die Kooperation fördern.

Internationale Bauprojekte erlangen vor dem Hintergrund beschleunigter Integrationsprozesse im Rahmen einer entstehenden multipolaren Weltordnung strategische Bedeutung, da sie sowohl die wirtschaftliche Entwicklung von Staaten als auch die Festigung ihrer diplomatischen Beziehungen maßgeblich beeinflussen. Die Umsetzung großer Infrastrukturprojekte – Pipelines, Häfen, Transportnetze, Energieanlagen – erfolgt überwiegend durch transnationale Bauunternehmen, was zwangsläufig die Interessen mehrerer Staaten berührt und Abstimmungen auf völkerrechtlicher Ebene erfordert.

Das Völkerrecht ist ein zentrales Instrument zur Regulierung grenzüberschreitender Bauverträge und schafft die rechtliche Grundlage für die Interaktion zwischen Staaten und transnationalen Unternehmen. Eine Studie von Ja. A. Anossow (2022) belegt, dass Integrationsprozesse im Rahmen der EAWU zur Verbesserung der rechtlichen Regulierung internationaler Bauaufträge beitragen, was für moderne grenzüberschreitende Projekte von großer Bedeutung ist. Darüber hinaus bestätigt die Untersuchung von D. I. Imamowa (2023), dass der Begriff des internationalen Bauvertrags im nationalen Recht noch unzureichend definiert ist, was die Streitbeilegung erschwert und eine Weiterentwicklung der Rechtsmechanismen in diesem Bereich erfordert. Im Zuge der Entwicklung einer multipolaren Welt steigt die Notwendigkeit, Rechtsnormen und Standards im Bausektor abzustimmen, was zur Harmonisierung der internationalen Beziehungen und zur Verringerung rechtlicher Unsicherheit beiträgt.

Internationale Abkommen wie das UN-Kaufrecht von 1980 (CISG) und die UNIDROIT-Grundsätze für internationale Handelsverträge spielen eine entscheidende Rolle beim Aufbau einer globalen Rechtsinfrastruktur für die Regulierung internationaler Bauverträge. Diese Vereinbarungen zielen darauf ab, universelle Standards im grenzüberschreitenden Handel und Vertragsrecht zu etablieren, was den Vertragsabschluss zwischen Parteien aus unterschiedlichen Rechtskreisen erleichtert. Die besondere Bedeutung dieser Dokumente liegt in ihrer Fähigkeit, sich an dynamische Bedingungen des internationalen Baumarkts anzupassen und so die Aktualität und Flexibilität der Rechtsregulierung zu gewährleisten. Zudem fördern die genannten Abkommen nicht nur die Harmonisierung von Rechtsnormen, sondern verringern auch die Rechtsunsicherheit beim Abschluss von Bauverträgen zwischen Parteien aus verschiedenen Staaten erheblich. Die Standardisierung von Bestimmungen über Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, Verfahrensanforderungen und Folgen von Vertragsverletzungen minimiert potenzielle Konflikte, gewährleistet die Vorhersehbarkeit der Vertragserfüllung und stärkt das Vertrauen zwischen den Akteuren internationaler Bauprojekte. Wie W. N. Schadan in seiner Studie anmerkt, reduzieren solche Abkommen die Wahrscheinlichkeit von Differenzen auf staatlicher Ebene und fördern das gegenseitige Verständnis zwischen Ländern, was wiederum die internationale Zusammenarbeit im Bausektor und stabile zwischenstaatliche Beziehungen stärkt. Ein wichtiger Aspekt dieser internationalen Instrumente ist zudem ihr Einfluss auf diplomatische Beziehungen, da sie einen Rechtsrahmen für die Lösung potenzieller Streitigkeiten schaffen, einschließlich solcher im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Bauprojekten.

Trotz zahlreicher Studien zum Recht der auswärtigen Angelegenheiten als Teilgebiet des Völkerrechts (einschließlich des Diplomaten- und Konsularrechts) besteht weiterhin ein dringender Bedarf, deren Einfluss auf praktische Aspekte der internationalen Wirtschaftsbeziehungen näher zu beleuchten. Bei der Durchführung grenzüberschreitender Bauprojekte gewinnt die Rolle diplomatischer und konsularischer Mechanismen zum Schutz der Rechte von Bürgern und Unternehmen im Ausland an Bedeutung. Solche Maßnahmen sind besonders wichtig, um Risiken zu minimieren und potenzielle Konflikte im internationalen Rechtsumfeld zu verhindern.

Die Dissertation von G. H. J. Al-Faki erläutert ausführlich die Mechanismen zur Stärkung des gegenseitigen Verständnisses zwischen Staaten durch diplomatischen Schutz und konsularische Hilfe zum Schutz der Rechte von Bürgern im Ausland. Diplomatischer Schutz und konsularische Unterstützung führen zu einer erhöhten Verantwortlichkeit der Empfangsstaaten gegenüber ausländischen Investoren und Auftragnehmern und tragen so zur Schaffung eines günstigen Umfelds für grenzüberschreitende Geschäftstätigkeiten bei. Al-Fakis Forschung betont, dass diplomatische Maßnahmen die Zusammenarbeit zwischen den Parteien internationaler Verträge deutlich verbessern können, indem sie die rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen ihrer Umsetzung beeinflussen. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass diplomatische und konsularische Maßnahmen als Bestandteil eines komplexen völkerrechtlichen Systems das Potenzial haben, die diplomatischen Beziehungen zwischen Staaten zu stärken. Der effektive Einsatz dieser Mechanismen im Kontext grenzüberschreitender Bauvorhaben ermöglicht es nicht nur, die Rechte der Beteiligten zu schützen, sondern auch stabile und berechenbare internationale Beziehungen aufrechtzuerhalten – ein wichtiger Faktor für die Regulierung von Bauverträgen zwischen Staaten.

Zudem zeigen Untersuchungen von H. Besaiso, dass internationale Schiedsrichter sowohl Vertragsklauseln als auch Handelsbräuche große Beachtung schenken, was die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes bei der Streitbeilegung im internationalen Bauwesen verdeutlicht. Wie J. Fitzmaurice treffend anmerkt, stärken solche Ansätze die rechtliche Stabilität und wahren die Interessen aller Parteien. Die Bedeutung von Schiedsmechanismen wird auch in der Forschung von J. Jenkins untersucht, die die Rolle der Schiedsgerichtsbarkeit als Hauptmethode der Streitbeilegung in internationalen Bauprojekten hervorhebt. Ferner schafft laut Internationaler Anwaltsvereinigung (IBA) die Einhaltung strenger Compliance-Standards eine Grundlage für mehr Vertrauen und Transparenz zwischen den Vertragsparteien – insbesondere bei großen Infrastrukturprojekten.

In einer Zeit zunehmender internationaler politischer Spannungen kommt den russischen diplomatischen und konsularischen Vertretungen steigende Bedeutung zu, da sie den rechtlichen Schutz von Bürgern und Unternehmen bei grenzüberschreitenden Bauverträgen gewährleisten und nationale Interessen Russlands wahren. Neuere Entwicklungen im Diplomatenrecht – etwa verstärkte Standardisierung und Kodifizierung – bestätigen die Notwendigkeit, diplomatische Mechanismen in der Regulierung grenzüberschreitender Projekte zu stärken. Bemerkenswert ist, dass A. Ch. Abaschidse in seinem Lehrbuch den Fragen der Kodifizierung diplomatischer Normen große Aufmerksamkeit widmet. Die historische Entwicklung der rechtlichen Grundlagen der auswärtigen Beziehungen – beginnend beim Wiener Reglement 1815 bis hin zu den Wiener Übereinkommen von 1961, 1963 und 1975 – unterstreicht die Notwendigkeit einer weiteren Kodifizierung der Normen. Diese Akte schufen ein solides rechtliches Fundament für den diplomatischen und konsularischen Schutz der Beteiligten transnationaler Projekte und verbesserten die Zusammenarbeit zwischen den Staaten erheblich.

Die Steuerung grenzüberschreitender Bauverträge über diplomatische und konsularische Mechanismen erfordert eine klare Koordination auf allen Ebenen. Die Praxis zeigt, dass die Wirksamkeit solcher Mechanismen direkt mit der Kodifizierung des Rechtsstatus konsularischer und diplomatischer Vertretungen verknüpft ist. Das wird durch Forschungsergebnisse bestätigt, die die Bedeutung diplomatischer Unterstützung bei der Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für internationale Kooperation hervorheben.

Das Bewusstsein für die Rolle staatlicher Organe und Amtsträger bei der Umsetzung internationaler Verträge spielt ebenfalls eine Schlüsselrolle. Wie W. A. Sorin zutreffend feststellt, fördert eine klare Aufgabenteilung zwischen den Beteiligten des diplomatischen Prozesses die Effizienz der Zusammenarbeit zwischen den an grenzüberschreitenden Projekten beteiligten Ländern. Dies ermöglicht es, Rechtskonflikte zu minimieren und das Vertrauen zwischen den Parteien zu stärken – besonders wichtig vor dem Hintergrund globaler Infrastrukturinitiativen.

Im Rahmen der rechtlichen Regulierung grenzüberschreitender Bauverträge kommt dem Schutz der staatlichen Souveränität und nationaler Interessen für Russland besondere Bedeutung zu. Die Untersuchung von I. Jernijasow (2023) zeigt, dass die Synergie zwischen internationalen Bauverträgen und Investitionsabkommen zur Harmonisierung kommerzieller und staatlicher Interessen beiträgt – ein wichtiger Aspekt der aktuellen außenpolitischen Strategie. Dies steht in direktem Zusammenhang mit der Notwendigkeit diplomatischer Unterstützung und Begleitung grenzüberschreitender Bauprojekte, die nicht nur wirtschaftliche Vorhaben, sondern auch Instrumente zur Stärkung der nationalen Sicherheit und des Ansehens des Landes auf internationaler Bühne sind. Die erfolgreiche Zusammenarbeit staatlicher Organe mit Völkerrechtssubjekten ist ein Schlüsselfaktor für die effektive Umsetzung solcher Verträge, die häufig eine abgestimmte Arbeit nicht nur innerhalb des Staates, sondern auch auf zwischenstaatlicher Ebene erfordern – einschließlich enger Koordination mit verschiedenen internationalen Organisationen und teils nicht freundlichen Akteuren. Diese Schlussfolgerung wird durch W. N. Schadan bestätigt, der schreibt, dass Russland zur Sicherung stabiler internationaler Beziehungen und zum Schutz nationaler Interessen aktiv mit europäischen internationalen Organisationen zusammenarbeiten muss, ungeachtet bestehender Probleme und Widersprüche (Schadan, 2016).

Staatliche Souveränität erfordert die Kontrolle über außenwirtschaftliche Beziehungen, einschließlich großer Infrastrukturprojekte, die häufig ausländische Investoren und Auftragnehmer anziehen. Die Realisierung solcher Projekte setzt nicht nur eine juristische Begleitung, sondern auch eine diplomatische Koordination voraus, um die Interessen russischer Unternehmen im Ausland zu schützen und deren Rechtssicherheit zu gewährleisten. Diese Erkenntnis wird durch W. A. Nikonow untermauert, der feststellt, dass die Wahrung der nationalen Souveränität und der Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Landes die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen erfordern, die ein Mindestmaß an Einmischung ausländischer Staaten in zentrale Aspekte transnationaler Projekte ermöglichen (Nikonow, 2014).

Zur Erreichung dieser Ziele entwickelt Russland ein System diplomatischer Unterstützung, das auf die Begleitung großer Infrastrukturprojekte außerhalb der nationalen Jurisdiktion ausgerichtet ist. Der diplomatische Schutz ermöglicht es, Risiken rechtlicher und wirtschaftlicher Konflikte zu minimieren und gleichzeitig die staatliche Souveränität durch wirksame Regulierung transnationaler Vertragsbeziehungen zu stärken. In diesem Zusammenhang bestätigen Studien von M. K. Gunar, dass eine solche Koordination zwischen diplomatischen Behörden und Wirtschaftsstrukturen die Entwicklung einer langfristigen Zusammenarbeit mit internationalen Partnern fördert und zugleich die nationalen Interessen schützt (Gunar, 2015).

Die strategische Ausrichtung der außenpolitischen Linie der Russischen Föderation ist in einer Reihe von Präsidialerlassen verankert. Die diplomatische Unterstützung grenzüberschreitender Bauverträge schafft Voraussetzungen für die Durchsetzung russischer Interessen in strategisch wichtigen Bereichen wie Energie, Transport und Verteidigungsinfrastruktur. Diese Projekte tragen nicht nur zur Stärkung der wirtschaftlichen Position Russlands auf dem Weltmarkt bei, sondern bilden auch die Grundlage für die Entwicklung langfristiger Partnerschaften mit ausländischen Staaten. Die diplomatische Begleitung gewährleistet die Beständigkeit solcher Projekte, stärkt Russlands internationale Stellung und hält das Gleichgewicht zwischen globaler Integration und nationalen Prioritäten.

Zehn Mechanismen zur strategischen Förderung nationaler Bauunternehmen über konsularische und diplomatische Kanäle

Aus der Untersuchung wurden zehn Mechanismen zur Unterstützung der internationalen Expansion nationaler Bauunternehmen abgeleitet. Diese Mechanismen können dem Außenministerium der Russischen Föderation empfohlen werden, um die Praxis der russischen diplomatischen Vertretungen und Konsulate im Ausland zu verbessern:

1. Aktive Unterstützung über staatsnahe Banken. Gemeint ist weniger die Tätigkeit nationaler Banken, die ohnehin russische Auslandsprojekte und Unternehmen im Auslandsbau finanzieren, sondern vielmehr eine gezielte Arbeit der diplomatischen Dienste mit der Neuen Entwicklungsbank (NDB) der BRICS. Die Auslandsvertretungen sollten es sich zur Aufgabe machen, russische Bauunternehmen bei der Beteiligung an jeder durch die NDB finanzierten Bauausschreibung zu unterstützen. Stand Januar 2025 waren bei 122 NDB-Projekten (Projekte in Russland nicht mitgezählt) keine russischen Auftragnehmer in den Ausschreibungen vertreten, obwohl Russland ein Fünftel des NDB-Stammkapitals eingezahlt hat.

2. Verlagerung bilateraler Foren und Initiativen auf ausländische statt auf heimische Plattformen. Russische konsularische und diplomatische Initiativen zur Unterstützung heimischer Bauunternehmen im Ausland konzentrieren sich bisher hauptsächlich auf die Organisation von Foren und Geschäftstreffen in Russland, zu denen Vertreter afrikanischer und lateinamerikanischer Länder eingeladen werden. Dieser Ansatz begrenzt die Möglichkeiten zum direkten Kontakt mit lokalen Behörden und Unternehmen vor Ort und mindert so die Effektivität der Förderung russischer Firmen bei internationalen Bauprojekten. China hingegen nutzt aktiv bilaterale Foren wie das Forum zur Zusammenarbeit zwischen China und Afrika (FOCAC) oder das China–CELAC-Forum, die überwiegend in Ländern Afrikas und Lateinamerikas abgehalten werden. Dadurch kann die chinesische Diplomatie engere Beziehungen zu lokalen Partnern knüpfen, Vertragsbedingungen zügig abstimmen und ihre Unternehmen in einem wettbewerbsintensiven Umfeld gezielt unterstützen.

3. Schaffung eines einheitlichen, großangelegten und wiedererkennbaren globalen Infrastrukturprojekts. Russland sollte als größtes Land der Welt und wichtiger eurasiatischer Verkehrsknotenpunkt eine einheitliche globale Infrastrukturlösung entwickeln, analog zur chinesischen „Neue Seidenstraße“-Initiative (Belt and Road Initiative). Vorgeschlagen wird die Initiative „Eurasischer Infrastruktur-Korridor“ (Eurasian Infrastructure Corridor, EIC), die verschiedene Projekte bündelt: den Nord-Süd-Transportkorridor (Russland–Iran–Indien–Persischer Golf), die Modernisierung der Transsibirischen Eisenbahn, die Entwicklung der Bahnstrecken in der Mongolei und der Route Russland–China–Zentralasien sowie die Ausweitung der Nordost-Passage (Nördlicher Seeweg) als Alternative zum Suezkanal und zur von den USA vorangetriebenen Nordwestpassage zwischen Grönland und Kanada.

4. Aufbau eines Systems zur Koordinierung der Entsendung russischer Fachkräfte auf internationale Projekte. Die Abwertung des Rubels in den letzten Jahrzehnten hat russische Fachkräfte auf dem globalen Arbeitsmarkt wettbewerbsfähiger gemacht: Verdienten sie Anfang der 2000er Jahre noch mehr als chinesische Kollegen, glichen sich die Gehälter bis zu den 2010er Jahren an und liegen seit den 2020ern etwa bei der Hälfte. Dies schafft günstige Bedingungen für die organisierte Vermittlung russischer Ingenieure an ausländische Bauprojekte mit anschließender Kapitalrückführung ins Land. Ohne institutionelle Unterstützung birgt dieser Prozess jedoch das Risiko einer ungesteuerten Auswanderung. Im Unterschied zu China, wo Konsulate den Einsatz von Arbeitskräften und Technik steuern, verfügt Russland über keine zentralisierte diplomatische Struktur für solche Aufgaben. Das russische Außenministerium sollte Visa-Verfahren vereinfachen, Arbeitsrechte schützen und die Zusammenarbeit mit internationalen Auftragnehmern organisieren, damit russische Spezialisten im Ausland im nationalen Interesse tätig sind und das Land nicht dauerhaft verlassen.

5. Schaffung diplomatischer Garantien für die langfristige Projektbegleitung. Für ausländische Auftraggeber ist die Herkunftsregion des Auftragnehmers ein entscheidender Vertrauensfaktor, und Fälle der Nichterfüllung von Verpflichtungen durch einzelne russische Firmen beeinträchtigen den Ruf der gesamten Branche im Ausland. Gleichzeitig übernehmen russische Selbstregulierungsorganisationen (SRO) trotz Pflichtbeiträgen der Mitglieder nicht die Verantwortung für die Suche nach Ersatzauftragnehmern, die Fertigstellung von Projekten oder Schadensersatz, was eine schnelle Beseitigung negativer Folgen verhindert. Das russische Außenministerium sollte einen Mechanismus für transparente Garantien eines dauerhaften Service-Supports für fertiggestellte Objekte entwickeln, und die diplomatischen Vertretungen sollten darauf hinwirken, diese Bedingungen in internationale Abkommen und Ausschreibungsvorgaben aufzunehmen. Dies würde die Wettbewerbsfähigkeit russischer Unternehmen steigern und ihren Ruf auf dem Weltmarkt festigen.

6. Gezielte Anwerbung ausländischer Studierender für russische Infrastrukturprojekte im Ausland. Zur personellen Absicherung russischer Auslandsinfrastrukturvorhaben sollte die Ausbildung ausländischer Fachkräfte an russischen Universitäten mit konkreten Projekten verknüpft werden, an denen Russland strategisches Interesse hat. Das Außenministerium sollte einen Mechanismus implementieren, bei dem diplomatische Vertretungen für einschlägige Studiengänge in Russland werben und die Auswahl von Studierenden entsprechend dem Bedarf bestimmter Branchen koordinieren. Beispielsweise könnten für Bergbauprojekte in Südafrika gezielt Studenten für geowissenschaftliche Studiengänge (an der Staatlichen Geologischen Universität) angeworben werden, oder für den Bau von Flugzeugwerken und Verkehrsinfrastruktur in Indonesien Programme des Moskauer Luftfahrtinstituts. Ein solcher Ansatz gewährleistet die Ausbildung von Fachkräften, die mit russischer Technologie vertraut sind, und erhöht die Wettbewerbsfähigkeit einheimischer Unternehmen bei internationalen Ausschreibungen. Diese Strategie wird von chinesischen Institutionen bereits aktiv genutzt: Mit Unterstützung der Botschaften werden Fortbildungskurse und Praktika für lokale Ingenieure und Manager in China organisiert, einschließlich staatlicher Stipendienprogramme.

7. Institutionelle Unterstützung staatlicher Baukonzerne. Auf Regierungsebene sollte der Ansatz zur Förderung russischer staatlicher Bauunternehmen im Ausland überdacht werden, da kurzsichtige Managemententscheidungen zur Auflösung einzigartiger, international anerkannter Organisationen führen können (z. B. Abschaffung von Spetsstroy Russland 2016). Diese Erfahrung steht im Kontrast zur Politik Chinas, das seine „Bauriesen“ wie CSCEC aktiv unterstützt, ihnen die Eröffnung von Niederlassungen erleichtert, Vergünstigungen gewährt und enge Kontakte zu ausländischen Regierungsstellen und Wirtschaftsverbänden knüpft. Wenn Russland den Ansatz großer staatlicher Generalunternehmer wiederbelebt, die in der Lage sind, umfangreiche Infrastrukturaufgaben zu bewältigen (Bau von Seehäfen, Raumfahrtzentren, Kernenergieanlagen), und ihnen zugleich systematische diplomatische Unterstützung bietet, können nationale Unternehmen auf dem globalen Baumarkt effektiver konkurrieren und das Ansehen des Landes stärken.

8. Vertragliche Garantien und Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. Die Untersuchung hat ergeben, dass einige öffentliche Äußerungen von Vertretern russischer diplomatischer und konsularischer Missionen in strategisch wichtigen Regionen der offiziellen russischen Position der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten widersprechen könnten. Obwohl dieser Grundsatz formal proklamiert wird, führt der häufige Vergleich der russischen Diplomatie mit der westlichen bei Gastländern zu dem Eindruck, Russland sei nicht bereit, bei großen Infrastruktur- und Energieprojekten mit jeder legitimen Regierung zusammenzuarbeiten. Dies erschwert den Abschluss langfristiger Verträge und mindert die Wettbewerbsfähigkeit russischer Unternehmen. Im Vergleich dazu hält sich die chinesische Diplomatie konsequent auf allen Ebenen an das Nichteinmischungsprinzip, was es chinesischen Firmen ermöglicht, ungehindert mit unterschiedlichen politischen Regimen zu kooperieren und Zugang zu strategischen Objekten zu erhalten. Angesichts dieser Beobachtungen erscheint es ratsam, dass das russische Außenministerium für Einheitlichkeit in öffentlichen Erklärungen und Handlungen im Rahmen des proklamierten Nichteinmischungsprinzips sorgt und entsprechende Garantieklauseln verankert, die Transparenz und Vorhersehbarkeit der Bedingungen für die Beteiligung russischer Unternehmen an langfristigen internationalen Projekten fördern.

9. Fokussierung auf Paketangebote im Rahmen der Auslandsstrategie. Die untersuchten Fälle zeigen, dass eines der effektivsten Instrumente zur Förderung nationaler Bauunternehmen auf Auslandsmärkten die Unterbreitung umfassender Paketangebote ist. In solchen Verträgen werden Finanzierungsphasen, Planung, Materiallieferung, Ausbildung lokaler Fachkräfte und die spätere Objektbetreuung in einem Gesamtpaket gebündelt. Diplomatische und konsularische Vertretungen können als Koordinatoren beim Abschluss solcher Abkommen fungieren, indem sie kommerzielle Angebote verschiedener russischer Akteure zu einem für den Auftraggeber attraktiven Gesamtpaket schnüren.

10. Diplomatisches Lobbying in internationalen Bauorganisationen. Zur strategischen Förderung russischer Bauunternehmen auf internationaler Ebene ist die aktive Mitwirkung russischer Konsulate und Botschaften in den Leitungsgremien internationaler Branchenorganisationen wie der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC) empfehlenswert. Angesichts der Tatsache, dass vier der fünf BRICS-Staaten (Brasilien, Indien, China und Südafrika) bereits FIDIC-Mitglieder sind, können russische diplomatische Kanäle die Positionen mit BRICS-Partnern effektiv koordinieren, um Ausschreibungsunterlagen zu vereinheitlichen und den Zugang zu Finanzierungen über die NDB zu erleichtern. Dies würde russischen Unternehmen ermöglichen, die internationalen Standards und Teilnahmebedingungen bei Ausschreibungen mitzugestalten, sie an nationale Interessen anzupassen und heimische Technologien zu fördern. Die Einrichtung russischer Arbeitsgruppen und Expertenkommissionen innerhalb der FIDIC durch diplomatische Initiativen würde das Ansehen russischer Auftragnehmer steigern, ihre Interessen auf dem Weltmarkt schützen und Russlands Position als Schlüsselakteur bei internationalen Infrastrukturprojekten festigen.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 11: Recht der auswärtigen Beziehungen.

Literaturverzeichnis

1. Abashidze, A. Kh., & Al-Faki, G. H. Y. (2001). Diplomatischer und konsularischer Schutz. Vestnik…, (2), 57–65.

2. Al-Faki, G. H. Y. (2001). Diplomatische und konsularische Maßnahmen… Moskau.

3. Anosov, Ya. A. (2022). Rechtliche Regelung internationaler Bauverträge. Obrazovanie i pravo, (11).

4. Besaiso, H. (2022). Wie internationale Bauschiedsrichter entscheiden. Journal of Construction Engineering and Management, 148(9).

5. Gunar, M. K. (2015). Zur Rolle der Verfassung Russlands. In Problemy i perspektivy… (S. 191–197).

6. Zhadan, V. N. (2016). Verfassungsrechtliche Grundlagen… Molodoi uchenyi, (5), 486–491.

7. Zhadan, V. N. (2016). Europäische Richtung… Aktualnye problemy…, (4-4), 41–47.

8. Zhadan, V. N. (2016). Russland und europäische Organisationen. Molodoi uchenyi, (8), 739–745.

9. Imamova, D. I. (2023). Begriff des internationalen Bauvertrags. Review of Law Sciences.

10. Martens, F. F. (1882). Modernes Völkerrecht der zivilisierten Nationen.

11. Nikonov, V. A. (2014). Russland und die Welt. Tetradi po konservatizmu, (1), 88–95.

12. Venoit, W. K. (Hrsg.). (2009). International construction law. American Bar Association.

13. Yerniyazov, I. (2023). Wechselwirkungen zwischen Bauverträgen und Investitionsabkommen. Review of Law Sciences, 7(3), 64–75.

14. Abashidze, A. Kh., & Fedorov, M. V. (2009). Recht der Außenbeziehungen. ISBN 978-5-7133-1335-7.

15. Zorin, V. A. (1977). Grundlagen des diplomatischen Dienstes. Mezhdunarodnye otnosheniya.

KAPITEL 12. Rechtsdogmatische Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten im Internationalen Bauvertragsrecht

DOI: 10.64457/icl.de.ch12

Das internationale Bauvertragsrecht verknüpft Investitionsschutz mit Menschenrechtskonformität. Das Kapitel ordnet Quellen wie Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, UN-Sozialpakt, ILO-Übereinkommen, UN-Leitprinzipien und FIDIC-Standards ein, analysiert Lehrmeinungen sowie ICSID-Rechtsprechung und zeigt, dass Sorgfaltspflichten, Antikorruptionsklauseln und arbeits- sowie umweltbezogene Garantien die Rechtssicherheit erhöhen und soziale Risiken mindern. Kulturelle und institutionelle Durchsetzungsfaktoren werden beleuchtet. Empfehlungen umfassen menschenrechtliche Impact-Assessments, gemeinsame Monitoring-Gremien und abgestufte Vertragsstrafen zur Stärkung transnationaler Projekte.

Angesichts wachsender Globalisierung und immer umfangreicherer grenzüberschreitender Infrastrukturprojekte gewinnen Fragen des Menschenrechtsschutzes an Bedeutung – sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich. Das internationale Baurechtsvertragsrecht (International Construction Contract Law) ist ein interdisziplinäres Rechtsgebiet, das darauf abzielt, wirksame vertragliche Mechanismen zu entwickeln, um zentrale Standards von Arbeitsbedingungen über die Interessen lokaler Gemeinschaften bis hin zum Umweltschutz zu gewährleisten. Mehrere Studien betonen, dass eine genaue Festlegung der Rechte und Pflichten aller Projektbeteiligten in den Bauverträgen notwendig ist, um Missbrauch zu verhindern und die Sicherung der Arbeits- und Sozialrechte zu verstärken. I. I. Kutscherow hebt hervor, dass die Korruptionsbekämpfung direkten Einfluss auf die wirtschaftliche Stabilität, den Umweltschutz und die Armutsminderung hat. Die Einbindung von Anti-Korruptionsklauseln in Bauverträge hilft daher, Missbräuche zu verhindern und erweitert gleichzeitig die Garantien für Arbeitnehmer- und Menschenrechte. Nach L. V. Uljaschina hängt die Wirksamkeit internationaler menschenrechtlicher Standards stark davon ab, wie sie in den nationalen Rechtsordnungen umgesetzt werden. Deshalb ist die Übertragung internationaler Verpflichtungen (z. B. der UN-Leitprinzipien) ins nationale Recht ein entscheidender Schritt für den tatsächlichen Schutz grundlegender Arbeits-, Umwelt- und Sozialrechte im Bausektor.

Ziel dieses Kapitels ist es, Wege aufzuzeigen, wie internationale Menschenrechtsnormen in das internationale Baurechtsvertragsrecht integriert werden, und die rechtlichen sowie institutionellen Hemmnisse zu analysieren, die deren Einhaltung in transnationalen Bauprojekten behindern. Wir untersuchen den relevanten völkerrechtlichen Rahmen (Allgemeine Erklärung, Internationalen Pakt, UN-Leitprinzipien, ILO-Konventionen), beleuchten doktrinäre Ansätze und vergleichende Studien sowie ausgewählte Fälle des ICSID-Schiedsrechts. Es wird unterstellt, dass die systematische Aufnahme universeller Menschenrechtsnormen – einschließlich sorgfältiger Risikoabwägung und Korruptionsbekämpfung – in Bauverträge den Rechtsschutz für Arbeitnehmer, Umwelt und soziale Gerechtigkeit verbessert und Verstößen vorbeugt. Solche vertraglichen Bestimmungen sollten durch nationale Gesetzgebung und die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Staaten ergänzt werden, um eine wirksame Rechtsdurchsetzung in Großprojekten zu ermöglichen.

Die grundlegenden Garantien des Menschenrechtsschutzes finden sich in universellen Rechtsdokumenten. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) verankert beispielsweise das Recht auf Arbeit (Art. 23) sowie das Recht auf einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohlergehen ermöglicht (Art. 25). Diese Normen wurden im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966) völkerrechtlich verpflichtend festgeschrieben, wodurch die Staaten verpflichtet wurden, faire Arbeitsbedingungen und ein angemessenes Lebensniveau sicherzustellen. Von besonderer Bedeutung für den Bausektor ist die ILO-Konvention Nr. 155 (1981) über Arbeitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die konkrete Standards der unternehmerischen Verantwortung definieren. Zusammen bilden diese internationalen Abkommen einen einheitlichen Rahmen für die Regulierung großer Projekte und dienen als Werkzeuge zum Schutz von Arbeits-, Umwelt- und Sozialstandards weltweit.

Auf nationaler Ebene werden diese Prinzipien konkretisiert. So erklärt etwa die russische Verfassung die Menschenrechte zur höchsten Rechtswertigkeit (Art. 2) und gewährt allgemein anerkannten völkerrechtlichen Normen Vorrang vor innerstaatlichem Recht (Art. 15 Abs. 4). Diese Verfassungsbestimmungen schaffen die Grundlage dafür, internationale Standards auch in nationale Verträge einzubetten. Zugleich wird darauf hingewiesen, dass die Durchsetzung von Menschenrechts- und Umweltvorschriften in globalen Lieferketten die Transparenz von Geschäftsaktivitäten deutlich erhöht.

Trotz dieser Grundlagen bestehen erhebliche Umsetzungsschwierigkeiten. Viele nationale Rechtssysteme verfügen über keine wirksamen Durchsetzungsinstrumente, insbesondere bei grenzüberschreitenden Projekten. In solchen Fällen gewinnen internationale Menschenrechtsinstitutionen an Bedeutung: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oder der UNO-Menschenrechtsausschuss können eingreifen, wenn nationale Behörden grundlegende Rechte nicht ausreichend schützen.

Internationale Bauprojekte bringen häufig reale Risiken für Menschenrechte in den betroffenen Regionen mit sich. Unangemessene Zwangsumsiedlungen, Verletzungen grundlegender Arbeitnehmerrechte und Umweltzerstörung führen wiederholt zu Konflikten und Rechtsstreitigkeiten. In diesem Umfeld bietet die Integration von Due-Diligence-Verpflichtungen in Vertragsdokumente die Möglichkeit, potenzielle Rechtsansprüche deutlich zu reduzieren und gleichzeitig die Achtung grundlegender Menschenrechte sicherzustellen.

Die internationale Investitionsschiedsgerichtsbarkeit verdeutlicht, wie Bauverträge Menschenrechtsthemen berühren. Im Fall Aguas del Tunari S.A. v. Republik Bolivien (ICSID ARB/02/3) ging es um einen Konzessionsvertrag im Wassersektor. Der Investor behauptete eine faktische Enteignung durch staatliches Handeln. Das Tribunal betonte Boliviens doppelte Pflicht: Es muss einerseits die Wasserversorgung der Bevölkerung gewährleisten und andererseits seine internationalen Investitionspflichten erfüllen. Der Fall zeigt, dass das Fehlen expliziter vertraglicher Garantien für lokale Gemeinschaften und klarer Risikoallokationsregeln zu langwierigen Streitigkeiten führen kann. Er unterstreicht die Bedeutung vorläufiger vertraglicher Regelungen, die soziale und ökologische Aspekte angemessen einbeziehen.

Im Verfahren Dirk Herzig (Insolvenzverwalter von Unionmatex) v. Turkmenistan (ICSID ARB/18/35) reklamierte ein deutscher Investor staatliche Eingriffe, die den Abschluss eines Großprojekts verhinderten. Das Tribunal wies darauf hin, dass bei Insolvenz des Investors und Finanzierung durch Dritte Sicherungsmaßnahmen (sogenannte „security for costs“) erforderlich sein können, um die Prozesskosten der Parteien abzusichern. Zudem betonte es, dass Verträge Klauseln enthalten sollten, welche universelle Menschenrechtsnormen (etwa die UDHR oder UN-Leitprinzipien) abbilden und deren Umsetzung gewährleisten. Dieser Fall verdeutlicht, dass selbst prozessuale Fragen (z. B. Finanzierungsbedingungen in Schiedsverfahren) eng mit menschenrechtlichen Erwägungen verknüpft sind.

Im Fall Muhammet Çap & Sehil İnşaat v. Turkmenistan (ICSID ARB/12/6) stritt der Investor über mehrere Baukontrakte. Er beklagte sich über rechtswidrige Enteignungen und mangelnden Rechtsschutz. Das Tribunal kam zu dem Schluss, dass Vertragskündigungen und Vermögensbeschlagnahmungen keine unmittelbare Enteignung im engeren Sinne darstellten. Gleichzeitig beleuchtete es mehrere Menschenrechtsaspekte: Verzögerungen bei Lohnzahlungen, Streitigkeiten um den Personaleinsatz und staatliche Restriktionen wiesen auf systematische Verletzungen von Arbeitnehmerrechten hin. Zwar betraf die Klage vorrangig investitionsrechtliche Fragen, doch argumentierten die Kläger auch mit Aspekten wie pünktlicher Lohnzahlung und Bewegungsfreiheit, also ganz konkreten Menschenrechtsfragen. Dieser Fall unterstreicht, dass potenzielle Verletzungen grundlegender Arbeitnehmerrechte Baukonflikte begleiten können und eine präzise vertragliche Regelung erfordern.

In Quiborax S.A. v. Plurinational State of Bolivia (ICSID ARB/06/2) wehrten sich ausländische Firmen gegen die staatliche Verstaatlichung ihrer Konzessionen zur Rohstoffgewinnung. Das Tribunal befand, dass Bolivien gegen das Fair-and-Equitable-Treatment-Gebot verstieß: Die Maßnahmen der Regierung waren rechtswidrig, diskriminierend und erfolgten ohne angemessene Entschädigung. Dieser Fall zeigt, dass das Fehlen klarer vertraglicher Garantien für Transparenz und Nichtdiskriminierung zu schwerwiegenden internationalen Konflikten führen kann. Selbst wenn der Streit primär investitionsrechtlicher Natur ist, werden dabei grundlegende Rechtsprinzipien berührt. Der Quiborax-Award bestätigt, dass die Aufnahme von Menschenrechtsklauseln – etwa die Bezugnahme auf das I. Pakt oder UN-Standards – in Verträgen solchen Konflikten vorbeugen könnte.

Das Urteil in Salini Costruttori S.p.A. v. Königreich Marokko (ICSID ARB/00/4) ist ebenfalls richtungsweisend. Dort entschied das Tribunal, dass groß angelegte Bauverträge für öffentliche Infrastrukturprojekte als Investments gelten können. Folglich können Generalunternehmer ihre Rechte nach internationalen Investitionsabkommen geltend machen, selbst wenn der Auftrag formal von einem staatseigenen Unternehmen vergeben wird. In der Praxis bedeutet dies, dass sich der Staat auch für Vertragsverletzungen verantworten muss, die Arbeits- oder Umweltstandards betreffen. Die Salini-Entscheidung weist somit darauf hin, dass Menschenrechtsstandards (etwa Arbeitsschutz) auch in staatsgeführten Großprojekten durchsetzbar sind.

Im Fall SAUR International S.A. v. Republik Argentinien (ICSID ARB/04/4) drehte sich der Streit um einen Wasserkonzessionsvertrag. Der Zugang zu Wasser ist ein anerkanntes Menschenrecht. Das Tribunal prüfte, wie argentinische Eingriffe (z. B. staatlich regulierte Wasserpreise) die Investitionsinteressen beeinträchtigten und indirekt das Recht der Bevölkerung auf sauberes Wasser bedrohten. Der SAUR-Fall verdeutlicht, dass der Menschenrechtsschutz oft indirekt erfolgt: Die Gewährleistung der Vertragserfüllung im Wassersektor dient zugleich der Umsetzung des Rechts der Bevölkerung auf Zugang zu Wasser. Er macht deutlich, dass bei langfristigen Infrastrukturverträgen finanzielle Aspekte und mögliche Auswirkungen auf grundlegende Menschenrechte gemeinsam berücksichtigt werden müssen.

Die Analyse dieser Fälle zeigt, dass ein koordinierter Rechtsansatz notwendig ist. Wichtige Schritte sind die Harmonisierung nationaler Gesetze mit vertraglichen und internationalen Verpflichtungen sowie die konsequente Umsetzung der UN-Leitprinzipien und anderer Menschenrechtsübereinkommen. Aufgrund unterschiedlicher Auslegungen sollten Verträge klare Verweise auf internationale Menschenrechtsinstrumente enthalten, und es sollte ein strukturiertes Monitoring-System etabliert werden. Dieses Modell berücksichtigt die Dynamik einer multipolaren Welt und hilft, die Interessen von Staaten, Unternehmen und Gemeinden in Einklang zu bringen.

Ländervergleiche belegen, dass trotz verschiedenartiger politischer Systeme die schrittweise Einführung internationaler Menschenrechtsstandards möglich ist. In Israel etwa besteht eine ausdrückliche Pflicht für Unternehmen, internationales Menschenrecht auch in umstrittenen Gebieten zu achten. China beteiligt sich aktiv an UN-Menschenrechtsverfahren (etwa dem Universellen Periodischen Überprüfungsverfahren), wobei es bisher vorwiegend ausgewählte Normen – insbesondere im Bereich bürgerlicher Freiheitsrechte – umsetzt. Nach Babaei/Torabi integrieren Länder wie der Iran Menschenrechtsprinzipien unter Berücksichtigung nationaler Traditionen und religiöser Vorgaben.

In der russischen Rechtslehre werden auch methodische Grundlagen diskutiert. A. N. Savenkov verweist auf Fichtes Theorie der Selbstbeschränkung des Rechtsstaates, die als Ausgangspunkt für die Einbindung internationaler Standards in das Binnenrecht dienen kann. I. V. Lawrenyak untersucht EPC/M-Verträge im Vergleichsrecht und betont die Notwendigkeit, bei ihrer Ausgestaltung die Interessen aller Beteiligten zu schützen, einschließlich der Arbeitnehmerrechte. Beide Positionen verdeutlichen, dass Rechtsvereinheitlichung auch den Schutz sozialer Grundrechte in den Mittelpunkt stellen muss.

Abschließend ist festzustellen, dass die weitere Entwicklung des Baurechts von der zügigen Schließung regulatorischer Lücken abhängt. Internationale Übereinkünfte über einheitliche Herangehensweisen minimieren Konfliktrisiken und schaffen Vertrauen unter den Beteiligten. Nationale Politiken, die die internationalen Verpflichtungen bei jedem Projekt berücksichtigen, legen eine solide Basis für nachhaltige Entwicklung und sozialen Ausgleich. Unverzichtbar sind fortlaufende Anpassungen der Rechtsinstrumente: Ein ganzheitlicher Ansatz – der Anti-Korruptionsverbote, Due-Diligence-Anforderungen und eine umfassende Unternehmenshaftung für Verstöße gegen Arbeits- und Umweltauflagen umfasst – wird einen vollumfänglichen Menschenrechtsschutz im Bausektor sicherstellen. Die Relevanz dieser Maßnahmen zeigt sich beispielsweise in der Analyse der „Schlüsselfertig“-Verträge der FIDIC: Mechanismen zur Entschädigung materieller Verluste (Silver Book) können den Schutz der Vertragsparteien zusätzlich verbessern.

Aus den vorstehenden Überlegungen ergeben sich folgende praktische Empfehlungen zur Stärkung des Menschenrechtsschutzes in internationalen Bauverträgen:

1. Menschenrechtsverträglichkeitsprüfung. Verankern Sie im Vertrag eine Verpflichtung des Auftragnehmers, die Menschenrechtsauswirkungen des Projekts nach den UN-Leitprinzipien regelmäßig zu überprüfen.

2. Bindung an ILO-Standards. Fügen Sie im Vertrag einen ausdrücklichen Verweis auf die ILO-Konventionen Nr. 155, 29 und 87 ein, um strenge Anforderungen an Arbeitsschutz, Verbot von Zwangsarbeit und Vereinigungsfreiheit festzulegen.

3. Kontroll- und Streitbeilegungsmechanismus. Errichten Sie bei Großprojekten einen gemeinsamen Ausschuss (Auftraggeber, Auftragnehmer, unabhängiger Experte), der die Einhaltung von Menschenrechts- und Anti-Korruptionsmaßnahmen überwacht und bei Verstößen verpflichtende Mediation oder Schiedsverfahren einleiten kann.

4. Vertragsstrafen und Haftung. Vereinbaren Sie im Vertrag Vertragsstrafen (z. B. 3 % der Auftragsumme) für nachgewiesene systematische Verletzungen der Menschenrechte sowie eine Verpflichtung des Auftragnehmers, entdeckte Mängel unter unabhängiger Aufsicht zu beheben.

5. Internationale und nationale Normen. Verankern Sie, dass der Auftragnehmer sowohl internationale Akte (einschließlich der UN-Leitprinzipien) als auch nationales Recht zum Menschenrechtsschutz einhalten muss; die Nichteinhaltung dieser Vorgaben ist als wesentliche Vertragsverletzung zu werten.

Die direkte Implementierung dieser Maßnahmen im Vertragstext wird die Durchsetzung von Menschenrechten im Bausektor deutlich verbessern und stützt sich dabei auf bestehende zwischenstaatliche Standards (ILO-Konventionen, UN-Leitprinzipien).

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 12: Internationaler Menschenrechtsschutz.

Literaturverzeichnis

1. Anosov, Ja. A. (2024). Normative Regelung der Anforderungen an Bestimmungen des internationalen Bauvertrags. Yuridicheskaya nauka, 1, 80–83.

2. Babaei, I., & Torabi, M. (2021). Der Einfluss menschenrechtlicher Sozialwürde auf das Vertragsrecht im iranischen Recht und in der europäischen Rechtsprechung. Public Law Research, 23(71), 161–191. 10.22054/qjpl.2021.52977.2427.

3. Dai, R. (2024). China und das internationale Menschenrechtsrecht. In I. de la Rasilla & C. Cai (Hrsg.), Das Cambridge-Handbuch zu China und Völkerrecht (S. 261–283). Cambridge University Press.

4. Gustafsson, M.-T., Schilling-Vacaflor, A., & Lenschow, A. (2023). Die Politik der Lieferkettenregulierung: Auf dem Weg zu internationaler Unternehmensverantwortung für Menschenrechte und Umwelt? Regulation & Governance, 17(4), 853–869. 10.1111/rego.12526.

5. Klee, L. (2018). Internationales Bauvertragsrecht. John Wiley & Sons. ISBN 9781119430469.

6. Kremnitzer, M. (2021). David Kretzmer: Ein Vorbild. In J. E. David, Y. Ronen, Y. Shany & J. H. H. Weiler (Hrsg.), Stärkung des Menschenrechtsschutzes in Genf, Israel, dem Westjordanland und darüber hinaus (S. 247–257). Cambridge University Press.

7. Kucherov, I., u. a. (2021). Einsatz von Finanzinstrumenten und Umsetzung neuer verfassungsrechtlicher Verbote.

8. Lawrenjak, I. V. (2023). EPC/M-Verträge und Bauverträge: Rechtsvergleichende Analyse des internationalen und russischen Rechts. Obrazovanie i pravo, 3, 75–79. 10.24412/2076-1503-2023-3-75-79.

9. Lyapustina, N. A., & Rybka, O. S. (2024). Perspektiven der Anwendung der Regelungen zur Vermögensschadenskompensation im FIDIC Silver Book im russischen Bauvertragsrecht. Yuridicheskie issledovaniya, 6, 1–14. 10.25136/2409-7136.2024.6.70982.

10. Pravkina, I. N., & Semjonowa, M. N. (2019). Internationale Mechanismen des Menschenrechtsschutzes. Vestnik nauki i obrazovaniya, 6-1(60), 46–50.

11. Savenkov, A. N. (2023). Die russische Sicht auf Fichtes Rechtsphilosophie. Trudy Instituta gosudarstva i prava RAN, 18(3), 11–31. 10.35427/2073-4522-2023-18-3-savenkov.

12. Sapozhnikova, M. A., & Khusainova, M. R. (2021). Völkerrechtliche Aspekte der Streitbeilegung im Bausektor in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Aktualnye problemy pravosudiya i pravookhranitelnoi deyatelnosti, 86–91.

13. Sveshnikova, L. N., & Chramova, O. E. (2018). Internationale Mechanismen zum Schutz der Menschen- und Bürgerrechte. Voprosy rossiyskogo i mezhdunarodnogo prava, 3A, 144–151.

14. Uljaschina, L. V. (2013). Internationale Rechtsnormen im Bereich der Menschenrechte und deren Umsetzung: Theorie und Praxis. Vilnius: EGU. ISBN 978-9955-773-65-8.

15. Varavenko, V. E. (2021). Anpassung der FIDIC-Musterverträge an das russische Recht: Eine rechtsvergleichende Studie. Moskva: OOO Prospekt. ISBN 978-5-392-35594-5.

16. Chiver, P. S. (2020). Internationale Mechanismen des Menschenrechtsschutzes. Vestnik nauki, 1(11), 130–133.

KAPITEL 13. Doppelte Staatsangehörigkeit als Gestaltungsfaktor im internationalen Bauvertragsrecht: rechtsdogmatische Systematisierung von Zuständigkeits- und Investitionsschutzfragen

DOI: 10.64457/icl.de.ch13

Die Studie zeigt, dass Mehrfachstaatsangehörigkeit bei grenzüberschreitenden Bauverträgen vier Hauptrisiken erzeugt: Zuständigkeits¬unsicherheit, steuerliche Divergenzen, arbeitsrechtliche Mobilitätshürden und Offenlegungspflichten im Due-Diligence-Prozess. Gestützt auf einen Vergleich nationaler Regelungen, zwölf einschlägige Schiedsurteile (u. a. Champion Trading, Siag & Vecchi, Ballantine) und das weltweite Panel zu dualer Staatsbürgerschaft werden Vertragsklauseln vorgeschlagen, die durch Passstatuserfassung und harmonisierte Investitionsabkommen Forum Shopping einschränken.

Die doppelte Staatsbürgerschaft (Inhaber zweier Nationalitäten) wird in der globalisierten Wirtschaft immer häufiger anzutreffen, insbesondere bei Personen und Unternehmen, die an großen internationalen Bauprojekten beteiligt sind. Solche Projekte stützen sich oft auf standardisierte Vertragsmuster (zum Beispiel FIDIC-Verträge) mit neutralen Schiedsklauseln. Eine Vertragspartei, die gleichzeitig zwei Jurisdiktionen untersteht, kann bei der Auslegung und Durchsetzung ihrer Verpflichtungen mit den Rechtsordnungen beider Staaten konfrontiert werden. Daher ist es erforderlich, sowohl völkerrechtliche Grundsätze (die Staatsangehörigkeit und diplomatischen Schutz betreffen) als auch privatrechtliche Regeln (Gerichtszuständigkeit und Kollisionsnormen) zu berücksichtigen. Internationale Instrumente wie das UNCITRAL-Modellgesetz, die UNIDROIT-Grundsätze für internationale Handelsverträge und Übereinkommen der Haager Konferenz sowie Schiedssprüche liefern Leitlinien zu Fragen der Nationalität in grenzüberschreitenden Verträgen. Beispielsweise deckt das UNCITRAL-Modellgesetz alle Phasen des Schiedsverfahrens ab und spiegelt den weltweiten Konsens über zentrale Aspekte der Schiedsgerichtspraxis wider.

Nach internationalem Recht ist die Staatsangehörigkeit die rechtliche Bindung zwischen einer Person und einem Staat. Ein Doppelstaatsbürger gehört juristisch zugleich zwei Staaten an. Klassischerweise darf ein Staat nur seine Staatsangehörigen diplomatisch schützen, soweit sie nicht auch Staatsangehörige des Beklagtenstaates sind, oft unter Anwendung eines Tests der „dominanten und effektiven Nationalität“. So stellte das Schiedsgericht in Pey Casado gegen Chile fest, dass bei einem Kläger mit spanisch-chilenischer Doppelstaatsbürgerschaft die spanische Nationalität dominierte, was ihm die Klage ermöglichte. Das ICSID verfolgt hingegen einen formalen Ansatz: Nach Art. 25 Abs. 2(a) des ICSID-Übereinkommens ist einer Person, die sowohl Staatsbürger des Gaststaats als auch eines anderen Vertragsstaats ist, das ICSID-Schiedsverfahren gegen den Gaststaat verwehrt, sofern der Gaststaat nicht einverstanden ist, diese Person als einen bloß anderen Staatsangehörigen zu behandeln.

Art. 25(2)(b) des ICSID-Übereinkommens enthält aber eine Ausnahme: Hat eine juristische Person bzw. ein Anleger wesentliche Geschäftstätigkeit im andern Staat der Staatsangehörigkeit, kann trotzdem ein ICSID-Schiedsverfahren erfolgen. Nichtsdestotrotz knüpft das ICSID strenge Bedingungen an die Staatsangehörigkeit zu zwei Zeitpunkten – bei Zustimmung zum Schiedsverfahren und bei Registrierung der Klage. Im Gegensatz dazu enthalten die UNCITRAL-Schiedsregeln keine speziellen Vorgaben zur Staatsangehörigkeit der Parteien. Artikel 1 Abs. 1 der Regeln gilt generell für jede Schiedsvereinbarung, ohne dass Staatsangehörigkeit gefordert wäre. Zudem gestattet Artikel 17 Abs. 1 den Schiedsrichtern, über ihre Zuständigkeit zu entscheiden (inklusive Einwänden wegen Staatsangehörigkeit). Folglich haben UNCITRAL-Tribunale größeren Spielraum, bei Doppelstaatsbürgern fallweise zu prüfen, ob ihre Nationalität einer Klage den Zugang eröffnet, etwa durch Bewertung der dominanten Nationalität.

Einige Fälle verdeutlichen die praktischen Unterschiede: In Pey Casado gegen Chile (UNCITRAL) erkannte das Schiedsgericht die spanische Nationalität des Klägers als dominant an. Im Gegensatz dazu wies im Saba Fakes gegen die Türkei (ICSID) ein Kläger mit türkisch- und jordanischer Staatsbürgerschaft das Verfahren ab, weil seine nicht-türkische Staatsbürgerschaft nicht dominant war. Diese Beispiele zeigen, dass in Investitionsschiedsverfahren die Zulässigkeit der Klage entscheidend von den anwendbaren Regeln abhängt. Häufig wenden Gremien auch das Prinzip der effektiven Nationalität an, wie es etwa in Nottebohm und dessen späterer Praxis formuliert wurde.

Im internationalen Handels- und Baurechtsarbitrage sollten neutrale Prinzipien gelten. Nach dem UNCITRAL-Modellgesetz gilt etwa in Artikel 11, dass niemand wegen seiner Staatsangehörigkeit als Schiedsrichter ausgeschlossen werden darf, und Artikel 18 fordert Gleichbehandlung der Parteien. Diese Regeln verhindern eine diskiminierende Begrenzung der Schiedsrichterauswahl oder der Klageberechtigung aufgrund der Nationalität. Inländische Gerichte hingegen beurteilen ihre Zuständigkeit klassisch nach Präsenz oder Wohnsitz; viele behandeln Doppelstaatsbürger als Einheimische. So gilt nach russischem Recht ein Doppelstaatsbürger stets als nur russischer Staatsbürger, was bedeutet, dass Russland jede zweite Staatszugehörigkeit ignoriert.

Im internationalen Privatrecht kann die doppelte Staatsbürgerschaft bei der Anwendbarkeit des Rechts und der Zuständigkeit eine Rolle spielen. Heutige Verträge regeln dies aber meist selbst durch eine klare Rechtswahl. Für die Anerkennung ausländischer Urteile gibt es multilaterale Abkommen. Insbesondere besagt die Haager Urteilsanerkennungs-Konvention von 2019 ausdrücklich, dass Art und Nationalität der Parteien das Anwendungsgebiet nicht beeinflussen. Das erleichtert die Vollstreckung zivil- und wirtschaftsrechtlicher Entscheidungen in anderen Vertragsstaaten auch bei Beteiligung von Doppelstaatsbürgern.

Doppelte Staatsbürgerschaft bringt daher spezifische Risiken in Bauverträgen mit sich. Ein Bauunternehmer mit zwei Nationalitäten kann in einem Land als Inlandsgesellschaft gelten und in einem anderen als Auslandsgesellschaft, mit unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen (etwa zur Absicherung, Finanzierung oder Devisenvorschriften). Er kann in beiden Staaten steuerpflichtig sein. Politische Spannungen oder Sanktionen gegen einen seiner Heimatstaaten könnten seine Vertragsausführung stören. Um diese Risiken zu steuern, sollten die Parteien eindeutige Kollisionsklauseln und Verfahren zur Streitbeilegung vereinbaren (z.B. internationale Schiedsgerichtsvereinbarungen nach UNCITRAL-Regeln). Internationale Grundsätze (UNCITRAL, UNIDROIT) und Vereinbarungen (z.B. bilaterale Investitionsschutzverträge) betonen dabei Neutralität und Fairness. Zu beachten ist auch, dass BRICS-Staaten unterschiedlich mit doppelter Staatsbürgerschaft umgehen: China und Indien erlauben sie nicht, Russland betrachtet Doppelstaatsbürger allein als eigene Staatsbürger, während Brasilien und Südafrika sie zulassen. Diese Unterschiede müssen bei Vertragsgestaltung und Vertragserfüllung bedacht werden, damit doppelte Staatsbürgerschaft die Durchführung internationaler Bauverpflichtungen nicht behindert.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 13: Bevölkerung und Staatsangehörigkeit im Völkerrecht.

Literaturverzeichnis

1. Adjei, E. N. (2023). Schiedsverfahren mit Doppelstaatsangehörigen nach Investitionsschutzverträgen: Ein neues Feld widersprüchlicher Entscheidungen im Völkerrecht. Journal of Law and Sustainable Development, 11(11), e1961. DOI: 10.55908/sdgs.v11i11.1961.

2. Adzhba, D. D. (2023). Voraussetzungen für die Entstehung doppelter und mehrfacher Staatsangehörigkeit im zeitgenössischen Völkerrecht. Aktualnye Problemy Rossiiskogo Prava, 18(6), 115–121. DOI: 10.17803/1994-1471.2023.151.6.115-121.

3. Bluntschli, J. K. (1876). Modernes internationales Recht der zivilisierten Staaten. Moskau: Ripol Klassik.

4. Chernichenko, S. V. (1968). Völkerrechtliche Fragen der Staatsangehörigkeit. Moskau: Mezhdunarodnye Otnosheniya.

5. Gagloev, O. F. (2020). Die völkerrechtliche Entwicklung der doppelten Staatsangehörigkeit: Ein historisch-rechtlicher Ansatz. Zhurnal Zarubezhnogo Zakonodatel’stva i Sravnitel’nogo Pravovedeniya, 2020(3), 115–129. DOI: 10.12737/jflcl.2020.022.

6. Hammar, T. (1985). Doppelte Staatsbürgerschaft und politische Integration. International Migration Review, 19(3), 438–450.

7. Harpaz, Y. (2019). Staatsangehörigkeit 2.0: Doppelte Staatsangehörigkeit als globaler Vermögenswert. Princeton: Princeton University Press.

8. Olmedo, J. G. (2025). Fairness gegenüber Nottebohm: Staatsangehörigkeit im Zeitalter der Globalisierung. Asian Journal of International Law, 15(1), 76–106.

9. Reshetnyeva, T. V. (2023). Internationale Verträge der Russischen Föderation zur Regelung von Fragen der doppelten Staatsbürgerschaft: Ein Vergleich. Vestnik Udmurtskogo Universiteta. Seriya Ekonomika i Pravo, 33(5), 883–889. DOI: 10.35634/2412-9593-2023-33-5-883-889.

10. Soloveva, K. (2025). Instrumentalisierung der Staatsangehörigkeit natürlicher Personen: Legitime strategische Planung versus Missbrauch prozessualer Rechte. ICSID Review – Foreign Investment Law Journal. DOI: 10.1093/icsidreview/siae043.

11. Spiro, P. J. (1997). Doppelte Staatsangehörigkeit und die Bedeutung von Staatsbürgerschaft. Immigration and Nationality Law Review, 18, 491.

12. Spiro, P. J. (2011). Ein neues Völkerrecht der Staatsangehörigkeit. American Journal of International Law, 105(4), 694–746.

13. Vink, M., van der Baaren, L., & Reichel, D. (2024). Ein globales Panel-Datenset zur dyadischen Anerkennung doppelter Staatsangehörigkeit. International Migration Review. DOI: 01979183241305388.

14. Vijayvergia, C. (2021). Doppelte Staatsangehörigkeit eines privaten Investors in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit: Ein mögliches Hindernis für die Zuständigkeit ratione personae? ICSID Review – Foreign Investment Law Journal, 36(1), 150–170. DOI: 10.1093/icsidreview/siaa054.

KAPITEL 14. Transnationale Baurechtsdogmatik und Arbeitsmigration: Systematische Rekonstruktion der Schutzpflichten

DOI: 10.64457/icl.de.ch14

Das Kapitel ordnet das zersplitterte Geflecht öffentlich- und privatrechtlicher Normen, die den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte in grenzüberschreitenden Bauprojekten steuern. Universelle UN- und IAO-Übereinkommen, Instrumente der Europäischen Union, bilaterale Abkommen und Unternehmensstandards, einschließlich der FIDIC-Musterverträge, werden systematisch aufgearbeitet. Anhand von Entscheidungen des EGMR, des Gerichtshofs der EU und von ICSID-Schiedsgerichten wird gezeigt, wie migrationsbezogene Maßnahmen die Vertragserfüllung und das Investitionsrisiko beeinflussen. Rechtslücken, die Ausbeutung begünstigen, werden identifiziert; gefordert wird ein einheitlicher Pflichtenkern bei gleichzeitiger bilateraler Flexibilität. Ergebnisse sind Vorschläge zur Verankerung von Nichtdiskriminierung, Anwerbegebührenverbot und gesamtschuldnerischer Haftung in internationalen Instrumenten und Standardverträgen.

Internationale Bauprojekte erfordern erhebliche Mengen an Arbeitskräften und führen zwangsläufig zu dauerhaften Wanderungsströmen von Arbeitsmigranten. Das entstehende Modell „Bau ↔ Migration“ bringt ein Geflecht völkerrechtlicher Beziehungen hervor, in deren Rahmen der Aufnahmestaat, der Herkunftsstaat, das transnationale Bauunternehmen und der Migrant selbst miteinander agieren und die einer mehrstufigen Normenhierarchie des öffentlichen und privaten Völkerrechts unterliegen. Die moderne Doktrin hebt hervor, dass die Fragmentierung dieser Normen und das Fehlen verlässlicher Haftungsmechanismen zur Aufrechterhaltung des Ausbeutungsrisikos von Bauarbeitsmigranten beitragen [1]. Forschungen von F. L. Cooke, die ausführlich die Personalpraktiken chinesischer Staatsunternehmen auf Auslandsbaustellen analysiert und deren Einfluss auf internationale Arbeitsschutzstandards für Migranten aufgezeigt hat [2], von A. Halegua, der die Haftung von Auftragnehmern für die Verletzung von Arbeitnehmerrechten auf mit Chinas Belt-and-Road-Initiative verbundenen Baustellen untersucht und die Notwendigkeit der Kohärenz nationaler und internationaler Normen beim Migrantenschutz betont [3], sowie von J. Wells, die einen Zusammenhang zwischen der “pay-when-paid”-Klausel in Standardverträgen der FIDIC und der Verwundbarkeit von Arbeitsmigranten auf Mega-Bauprojekten im Nahen Osten festgestellt und die Einführung einer gesamtschuldnerischen Haftung der gesamten Auftragnehmerkette begründet hat [4], bestätigen diese Problematik. Angesichts einer multipolaren Weltordnung und wachsender Interdependenz der Staaten gewinnt der Schutz der Rechte von Wanderarbeitnehmern im Bausektor besondere Bedeutung. Internationale Bauverträge sehen immer häufiger den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte vor, wodurch Fragen der Migrationsregulierung zu zentralen Themen des Völkerrechts werden [5]. Die Schaffung einheitlicher rechtlicher Mechanismen und die Anwendung internationaler Standards gelten als notwendige Voraussetzungen, um Rechtsrisiken zu minimieren und faire Arbeitsbedingungen für Migranten zu gewährleisten.

Gleichzeitig entwickelt sich eine vertraglich-korporative Regulierungsebene. Der entworfene UN-Vertrag zu Wirtschaft und Menschenrechten (UN Business & Human Rights Treaty) zielt darauf ab, freiwillige soziale Selbstverpflichtungen von Unternehmen in rechtsverbindliche Standards zu überführen, was für den Bausektor, der systematisch mit Arbeitsrechtsverstößen konfrontiert ist, besonders relevant ist [6]. Der postsowjetische Raum bleibt eines der größten regionalen Zentren für Arbeitsmigration: Arbeitskräfte exportierende und importierende Staaten etablieren eigene Regime, die oft von den universellen Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) abweichen. Ohne Rückgriff auf internationale Standards erweisen sich nationale Praktiken als übermäßig repressiv oder umgekehrt als unzureichend schützend für Migranten [7]. Gleichzeitig bilden bilaterale Abkommen als flexibelstes Instrument heute das faktische „Gerüst“ der Rechtsquellen im Bereich der Arbeitsmigration, indem sie den Interessenausgleich der Parteien festschreiben und Verfahren gegenseitiger Anerkennung von Dokumenten regeln – was für Bauprojekte mit straffen Zeitplänen kritisch ist [8]. Die institutionelle Inkohärenz zwischen weichen Unternehmensstandards, universellen Übereinkommen und bilateralen Abkommen führt also zu rechtlichen Lücken, welche die Ausbeutungsrisiken für Migranten erhöhen; demgegenüber kann eine umfassende Vereinheitlichung der Schlüsselverpflichtungen auf Grundlage der sich entwickelnden Verträge zu Wirtschaft und Menschenrechten bei gleichzeitiger Beibehaltung der Flexibilität bilateraler Regelungen diese Lücken schließen und die rechtliche Vorhersehbarkeit für alle Akteure steigern.

Mehrebenensystem internationaler Normen zum Schutz von Wanderarbeitnehmern. Der internationale Schutz von Arbeitsmigranten wird durch ein ausgedehntes Mehrebenensystem von Normen geprägt. Die UN-Charta von 1945 formuliert das allgemeine Ziel der Achtung der Menschenrechte und verpflichtet die Staaten zur Wahrung von Rechten und zur Zusammenarbeit. Konkrete Gleichbehandlungsstandards für Wanderarbeitnehmer sind in dem IAO-Übereinkommen Nr. 97 „Über Migration für Beschäftigung (revidiert), 1949“ und dem IAO-Übereinkommen Nr. 143 „Über Wanderarbeitnehmer (ergänzende Bestimmungen), 1975“ verankert, die Nichtdiskriminierung beim Arbeitsentgelt, gleichberechtigten Zugang zu Gewerkschaften und den Austausch von Migrationsstatistiken verlangen. Zum 6. Mai 2025 hatten 54 Staaten das Übereinkommen 97 ratifiziert und 30 Staaten das Übereinkommen 143. Die Bewegungsfreiheit und das gleiche Recht auf Arbeit sind in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 sowie dem UN-Zivilpakt und UN-Sozialpakt von 1966 proklamiert. Diese Garantien wurden durch das Internationale Übereinkommen der UN zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen von 1990 erweitert, das Verpflichtungen zu gerechter Entlohnung, Sicherheit am Arbeitsplatz und Familienzusammenführung hinzufügte (Stand Mai 2025: 60 Ratifikationen). In Europa ergänzen auf regionaler Ebene die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK, 1950) und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) den Schutz. Innerhalb der Europäischen Union legt die Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern Mindestarbeitsbedingungen für entsandte Bauarbeitnehmer fest, darunter Vorgaben zu Lohn, Arbeitszeit und Unterkunft; die EU-Staaten behalten das souveräne Recht, die Einreise zu steuern, sind jedoch zugleich völkerrechtlich verpflichtet, diese Mindeststandards der Union einzuhalten, was ein flexibles, wenngleich ungleichmäßiges Gerüst des Migrationsrechts in der EU bildet. Seit dem 30. Juli 2020 (Ablauf der Umsetzungsfrist) gilt zudem in der EU das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ (same work – same pay) und erweiterte Garantien für entsandte Bauarbeiter (z.B. Ersatz von Reise- und Unterbringungskosten, Unterbringung in Quartieren, Schutz gegen missbräuchliche Subvergabe).

Regionale Handelsabkommen übernehmen bereits die Funktion von „Korridoren“ für legale Arbeitsmigration. Kapitel über die temporäre Verlagerung von Fachkräften sind etwa in das nordamerikanische Abkommen USA–Mexiko–Kanada (USMCA, vormals NAFTA), in das Abkommen über die Eurasische Wirtschaftsunion und in das GUS-Freihandelszonenabkommen integriert. Die multilateralen Abkommen der Welthandelsorganisation, allen voran das Allgemeine Abkommen über den Dienstleistungsverkehr (GATS), gestatten es im Modus 4 Unternehmen, Manager und Ingenieure ins Ausland zu entsenden. Soft-Law-Instrumente verstärken dieses Normengefüge: Die IAO verabschiedete 2016 globale Grundsätze und operationelle Leitlinien für faire Anwerbung sowie die Empfehlungen Nr. R97 und Nr. R151, die Transparenz bei der Arbeitsvermittlung, ein Verbot von Rekrutierungsgebühren und den Schutz verwundbarer Migranten fordern. Weitere Standards fördern UN-Organe – z.B. die Internationale Organisation für Migration (IOM) mit ihren World Migration Reports oder die OSZE mit dem Kompendium „International Legal Framework on the Protection of Migrant Workers“. Finanzinstitutionen wie die Weltbank binden soziale und arbeitsrechtliche Garantien in die Kreditauflagen für große Bauprojekte ein und machen sie so faktisch zu Überwachungsmechanismen für die Einhaltung von Arbeitsrechten.

Regionale und bilaterale Abkommen im Bausektor, einschließlich der Vereinbarungen innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion, erleichtern Migranten zwar den Zugang zum Arbeitsmarkt, schaffen aber zugleich spezielle Regelungsregime, die mit international anerkannten Standards abgestimmt werden müssen. Nationale Gesetze zu Arbeit und Migration (z.B. das deutsche Aufenthalts- und Arbeitsrecht oder das russische Gesetz „Über den Rechtsstatus ausländischer Staatsangehöriger“) verweisen direkt auf ratifizierte IAO-Konventionen, und die Aufsicht über deren Umsetzung verteilt sich auf Gerichte, Migrationsbehörden und Arbeitsinspektionen. Die Analyse zeigt, dass in Staaten mit weniger entwickelten Rechtssystemen Bauarbeitermigranten häufiger unter Lohndrückerei, fehlendem Gewerkschaftsschutz und dem Risiko von Zwangsarbeit leiden, was den Bedarf einer Vereinheitlichung der Normen auf internationaler Ebene bestätigt [9]. Das Ausmaß des Problems ist erheblich: Das IOM-Migrationsdatenportal verzeichnet rund 280,6 Millionen internationale Migranten, und der Bericht Global Migration Indicators 2024 stellt fest, dass diese Zahl infolge von Wirtschaftskrisen, Konflikten und Klimawandel wächst. Laut IAO nimmt der Anteil von Frauen an den Migrationsströmen nur langsam zu, doch die Mehrheit der im Bausektor beschäftigten Migranten sind gering- oder mittelqualifizierte Arbeiter im informellen Sektor, wo sie besonders Verletzungen von Arbeits- und Sozialrechten ausgesetzt sind. Gerade die IAO- und UN-Konventionen, die Urteile europäischer Gerichte und die Bestimmungen von Handelsabkommen bilden das nötige „rechtliche Gerüst“, während internationale Organisationen sowohl als Normsetzer als auch als Überwachungsmechanismen agieren und so den Migrantenschutz und die Projektsicherheit im Bauwesen gewährleisten.

Rechtsprechung: Ausgleich zwischen Migrantenschutz und Marktfreiheiten. Präzedenzfälle der internationalen Gerichte für Menschenrechte und Wirtschaftsrecht veranschaulichen eindrücklich den Konflikt zwischen dem Schutz von Bauarbeitsmigranten und den Prinzipien der Marktfreiheit. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Fall Chowdury u.a. gegen Griechenland (Nr. 21884/15, Urteil vom 30. März 2017) die Beschwerde von 42 bangladeschischen Staatsangehörigen – irregulären Migranten, die 2012–2013 ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis auf einer Erdbeerfarm in Griechenland beschäftigt waren – geprüft. Man hatte ihnen einen Lohn von täglich 22 € versprochen, tatsächlich aber den Lohn systematisch vorenthalten; die Unterbringung war extrem schlecht, und die Arbeit wurde von bewaffneten Aufsehern überwacht. Als die Arbeiter ihren Lohn einforderten, schoss einer der Wachmänner auf sie und verletzte mehrere. Ein griechisches Gericht verurteilte 2014 die Täter lediglich wegen schwerer Körperverletzung und sprach sie vom Vorwurf des Menschenhandels frei, mit der Begründung, die Migranten hätten angeblich freiwillig gearbeitet und seien in ihrer Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt gewesen. Der EGMR stellte fest, dass Griechenland Artikel 4 EMRK verletzt hatte, und berief sich dabei auch auf das Europarats-Übereinkommen zur Bekämpfung des Menschenhandels sowie das Zusatzprotokoll zur UN-Konvention gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (Palermo-Protokoll). Die Zustimmung des Arbeiters schließe Zwangsarbeit nicht aus, so der Gerichtshof, wenn dessen besondere Verwundbarkeit ausgenutzt wurde; zudem habe der Staat die Pflicht, nicht nur selbst Ausbeutung zu unterlassen, sondern sie auch effektiv durch Private zu verhindern. Der Gerichtshof erkannte Griechenland eine staatliche Verantwortung für das Unterlassen von Schutzmaßnahmen zu und sprach jedem der am nationalen Verfahren beteiligten Beschwerdeführer 16.000 € sowie jedem der übrigen 12.000 € zu. Griechenland hatte seine Verpflichtung versäumt, Menschenhandel vorzubeugen, zu verfolgen und zu ahnden, und keine angemessene Entschädigung sichergestellt. Dieses Urteil hat unmittelbare Relevanz auch für das internationale Bauvertragsrecht, da vergleichbare Ausbeutungsformen auf Baustellen mit Migranten auftreten können; in solchen Fällen trägt der Staat völkerrechtlich die Verantwortung für Untätigkeit.

Auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat zur Abwägung zwischen Arbeitnehmerrechten und Grundfreiheiten beigetragen. Im Fall Laval un Partneri Ltd ./. Svenska Byggnadsarbetareförbundet (Rs. C 341/05, Urteil 2007) entsandte ein lettisches Bauunternehmen Arbeitnehmer nach Schweden, weigerte sich jedoch, den örtlichen Tarifvertrag mit höheren Löhnen als in Lettland zu unterzeichnen. Daraufhin organisierte die schwedische Gewerkschaft eine Blockade der Baustelle (einen Arbeitskampf), wodurch die Arbeiten stillstanden und die Firma sich zurückziehen musste. Laval klagte, und der EuGH stellte sich auf ihre Seite: Die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG-Vertrag habe Vorrang gegenüber gewerkschaftlichen Maßnahmen, wenn diese Anforderungen erzwingen, die über die offiziell festgelegten und dem ausländischen Auftragnehmer zugänglichen Mindeststandards hinausgehen (den „harten Kern zwingender Mindestvorschriften“ i.S.d. Richtlinie 96/71/EG). Die Gewerkschaftsaktion wurde als Verstoß gegen EU-Recht gewertet: Laval gewann den Prozess, Lohnerhöhungen wurden nicht erreicht, und das Urteil begrenzte den übermäßigen Druck auf ausländische Bauunternehmer.

Ähnlich lag der Fall Viking Line ./. International Transport Workers’ Federation (ITF) und Finnischer Seemannsbund (Rs. C 438/05, Urteil 2007). Die finnische Reederei Viking Line ABP wollte die Fähre Rosella unter estnische Flagge stellen und günstigeres Personal anheuern, um Kosten zu sparen. Die Gewerkschaften drohten mit Streik, um Lohnsenkungen zu verhindern und den Arbeitgeber zum Abschluss eines finnischen Tarifvertrags zu zwingen. Viking klagte in Großbritannien, und der EuGH entschied, das Streikrecht sei zwar ein anerkanntes Grundrecht, dürfe aber die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG-Vertrag) nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen. Der gewerkschaftliche Druck, der einen Flaggenwechsel wirtschaftlich unsinnig machen würde, stelle eine Beschränkung dieser Freiheit dar und sei nur zulässig, wenn er zum Schutz der Arbeitnehmer erforderlich und mit den am wenigsten einschneidenden Mitteln ausgeübt werde. Somit obsiegte de jure Viking: Die Firma konnte sich unmittelbar auf Art. 43 gegen die Gewerkschaften berufen, der Streik wurde als potenziell rechtswidrig angesehen, und eine Lohnerhöhung für die Besatzung wurde nicht erreicht. Für internationale Bauverträge mit Migranteneinsatz bedeutet dies: Gewerkschaften dürfen zwar Löhne zu schützen versuchen, aber ihre Aktionen müssen streng verhältnismäßig sein und sich an transparenten Rechtsstandards orientieren; andernfalls verstoßen sie gegen die Marktfreiheiten.

Im Fall Kommission ./. Luxemburg (Rs. C 319/06, Urteil 2008) warf die Europäische Kommission Luxemburg vor, übermäßig strenge Anforderungen an ausländische Baufirmen zu stellen, die Arbeitnehmer aus anderen EU-Ländern entsenden. Luxemburg verlangte insbesondere, dass jede solche Firma einen besonderen Vertreter mit Wohnsitz in Luxemburg bestellt, der alle Arbeitnehmerdokumente im Land aufbewahrt; außerdem versuchte man, unter dem Vorwand der „öffentlichen Ordnung“ zusätzliche Arbeitsregeln aufzuerlegen, ohne ausreichende Begründung. Der EuGH erklärte diese Auflagen für rechtswidrig und mit der Dienstleistungsfreiheit unvereinbar. Luxemburg unterlag und musste die Regelungen abschaffen. Für das internationale Bauvertragsrecht war das ein wichtiges Signal: Bei Verträgen nach FIDIC-Bedingungen dürfen überzogene und unbegründete Verwaltungsvorgaben (wie die Pflicht zur Benennung eines örtlichen Bevollmächtigten oder zur Lagerung aller Unterlagen im Projektland ohne konkreten arbeitsbezogenen Anlass) nicht vereinbart werden. Dies erleichterte ausländischen Baufirmen die Tätigkeit und die Entsendung von Arbeitnehmern, ohne deren Rechte zu schmälern.

Im Fall Dirk Rüffert ./. Land Niedersachsen (Rs. C 346/06, Urteil vom 3. April 2008) focht der Insolvenzverwalter der Objekt und Bauregie GmbH & Co. KG die Kündigung eines öffentlichen Bauauftrags und eine Geldbuße an, die von Niedersachsen verhängt worden waren. Ein polnischer Subunternehmer hatte seine entsandten Arbeitskräfte mit nur ca. 46% des in einem regionalen Bautarifvertrag festgelegten Lohnniveaus bezahlt. Nach dem Landesvergabegesetz mussten Auftragnehmer jedoch schriftlich zusichern, mindestens zu diesen Tarifsätzen zu entlohnen. Der EuGH befand, eine solche Forderung verletze die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) und die Entsenderichtlinie 96/71/EG, da der in Bezug genommene Tarifvertrag nicht allgemeinverbindlich war. Die Richtlinie erlaubt es, die Einhaltung von Arbeitsbedingungen einschließlich Mindestlohn zwingend vorzuschreiben, nur wenn sie gesetzlich festgelegt oder per Tarif mit Allgemeinverbindlichkeitserklärung für die ganze Branche eingeführt sind. Da dies hier nicht gegeben war, schuf die Lohnvorgabe ein Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr und war unzulässig. Niedersachsen verlor den Rechtsstreit, die Verpflichtung zur Zahlung des regionalen Tariflohns wurde aufgehoben, sodass die Löhne auf dem vom polnischen Subunternehmer vorgegebenen Niveau blieben und keine Erhöhungen für die Arbeiter erreicht wurden. Dieses Urteil begrenzte die Möglichkeit, “soziale Klauseln” in internationale Bauverträge in der EU aufzunehmen, sofern sie nicht auf allgemein verbindlichem Recht beruhen.

Die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit (ISDS) ergänzt dieses Bild, indem sie staatliche Migrationsmaßnahmen an Investitionsschutzpflichten misst. Im Fall Biwater Gauff (Tanzania) Ltd. ./. Tansania (ICSID-Fall Nr. ARB/05/22, Schiedsspruch 2008) klagte ein britischer Investor – Betreiber eines Wasserkonzessionsprojekts in Daressalam – gegen Tansania wegen der zwangsweisen Ausweisung ausländischer Manager, der einseitigen Kündigung des Konzessionsvertrags, der Beschlagnahme von Vermögenswerten und der Übertragung der Geschäfte auf das staatliche Unternehmen DAWASCO. Der Investor machte Verstöße gegen das britisch-tansanische Investitionsschutzabkommen geltend, darunter verbotene Enteignung ohne Entschädigung, Verletzung des Maßstabs der gerechten und billigen Behandlung (fair and equitable treatment) und der Pflicht zu vollem Schutz und Sicherheit (full protection and security). Das Schiedsgericht stellte fest, dass die Deportation der ausländischen Fachkräfte ohne Verfahrensgarantien sowie die Besitzergreifung und Vertragskündigung zusammengenommen eine Verletzung der Investitionsverpflichtungen darstellten. Obwohl mangels wirtschaftlichen Werts des Projekts zum Eingriffszeitpunkt keine Entschädigung zugesprochen wurde, betonten die Schiedsrichter, dass migrationsbezogene Maßnahmen, die Schlüsselpersonal in internationalen Bauverträgen betreffen, eine völkerrechtliche Staatshaftung auslösen können, sofern sie die Durchführung des Investitionsvorhabens behindern. Der Fall Biwater Gauff verdeutlicht, dass im Bereich des internationalen Bauvertragsrechts eine effektive Regulierung der Arbeitsmigration nicht nur im innerstaatlichen Recht, sondern auch als Voraussetzung für die Erfüllung der völkerrechtlichen Investitionsschutzpflichten von Bedeutung ist – insbesondere wenn Migrationsmaßnahmen die Erfüllung von Infrastrukturverträgen und die Tätigkeit ausländischer Auftragnehmer beeinflussen.

Im Fall Caratube International Oil Company LLP ./. Republik Kasachstan (I) (ICSID-Fall Nr. ARB/08/12, Schiedsspruch 2014) behauptete der Kläger – ein in Kasachstan registriertes Unternehmen unter mutmaßlicher Kontrolle eines US-Staatsbürgers (D. Khourani) –, dass umfangreiche Inspektionen kasachischer Behörden im Rahmen eines Öl- und Pipelineprojekts das US–Kasachstan-Investitionsschutzabkommen verletzten, weil sie die Projektdurchführung (einschließlich des Einsatzes ausländischer Arbeitskräfte und der Visa-/Arbeitserlaubniserteilung) erschwerten. Das ICSID-Tribunal wies die Klage ab, da der Kläger das Bestehen einer “ausländischen Kontrolle” i.S.v. Art. 25(2)(b) des ICSID-Übereinkommens nicht bewiesen habe; zudem bewegten sich die staatlichen Maßnahmen zur Überwachung der Einhaltung des Migrations- und Arbeitsrechts im Rahmen seines legitimen staatlichen Regulierungsermessens (police powers) und stellten keinen Bruch internationaler Verpflichtungen dar. Die Überprüfungen seien rechtmäßig und nicht enteignend gewesen, der Staat habe lediglich innerstaatliche Normen vollzogen; eine Entschädigung sei daher nicht geschuldet, vielmehr habe der Kläger Kasachstan $3,2 Mio. Verfahrenskosten zu erstatten. Die betroffenen Arbeitsmigranten selbst waren am Verfahren nicht beteiligt und etwaige Ansprüche auf Lohnnachzahlung oder bessere Bedingungen wurden nicht verhandelt. Der Fall zeigt, dass internationale Schiedsgerichte den Schutz von Migrantenrechten nicht als Selbstzweck betrachten, sondern staatliches Handeln nach der Einhaltung von Investitionszusagen beurteilen. Visa- und arbeitsrechtliche Kontrollen fallen in die staatliche Hoheitsgewalt und verletzen das Völkerrecht nicht, wenn sie redlich und ohne Diskriminierung angewandt werden. Umgekehrt müssen Bauunternehmen im Voraus für strikte Compliance mit Migrations- und Arbeitsvorschriften sorgen, andernfalls riskieren sie behördliche Sanktionen und den Verlust des internationalen Rechtsschutzes.

Im Fall Muhammet Çap & Sehil İnşaat Endüstri ve Ticaret Ltd. Şti. ./. Turkmenistan (ICSID-Fall Nr. ARB/12/6, Entscheidung 2021) argumentierten türkische Investoren, Turkmenistan habe das BIT mit der Türkei verletzt, indem es den Bau von Projekten in der Tourismuszone Awaza behinderte – namentlich durch die systematische Verweigerung von Visa und die Zurückweisung ausländischer Arbeitskräfte. Dies verletze ihr Recht, qualifizierte Arbeitsmigranten einzusetzen, und untergrabe die Erfüllung der Bauverträge; die Investoren trugen vor, sie hätten Visaanträge gestellt, doch die Behörden hätten übermäßige bürokratische Hürden aufgebaut (besonders für die Einreise in die Region Daschogus). Das Tribunal prüfte die Klage jedoch nicht inhaltlich, da es mangels Zuständigkeit abschloss: Gemäß Art. VII(2) des BIT hätte der Streit zunächst den turkmenischen Gerichten für ein Jahr vorgelegt werden müssen, und erst danach wäre ein Schiedsverfahren zulässig gewesen. Die Investoren hatten sich direkt an ICSID gewandt, ohne nationale Gerichte anzurufen, wodurch das Tribunal seine Zuständigkeit als nicht gegeben ansah und das Verfahren zugunsten des Staates beendete, ohne Entschädigung. Bei dieser Entscheidung stützte man sich primär auf internationales Investitionsrecht (u.a. das ICSID-Übereinkommen 1965 und die Wiener Vertragsrechtskonvention 1969), da es um ein BIT ging; letztlich erhielten weder die Arbeiter noch die Investoren eine Abhilfe oder Rechtsschutz – der Fall betraf in erster Linie die Sicherung von Investorenrechten, nicht der Migranten. Damit wird deutlich, dass staatliche Migrationskontrollmaßnahmen, selbst wenn sie faktisch Bauprojekte und den Zustrom ausländischer Arbeitskräfte erschweren, in der Schiedsgerichtsbarkeit als rechtmäßig gelten können, sofern formale vertragliche Voraussetzungen (wie eine in Verträgen vorgeschriebene Warte- oder Klagfrist) nicht eingehalten wurden. Die Nichtbefolgung solcher verfahrensrechtlicher Bedingungen verhindert eine inhaltliche Prüfung und beschränkt die Möglichkeiten der Investoren (und mittelbar der betroffenen Migranten), ihre Interessen zu wahren.

Vertragsrechtliche Mechanismen und Unternehmensstandards. Internationale Bauverträge (z.B. FIDIC-Standardbedingungen) sind privatrechtliche Vereinbarungen zwischen den Baubeteiligten. Trotz ihres privatrechtlichen Charakters überschneiden sich diese Verträge mit dem internationalen öffentlichen Recht, wo Beschäftigung und Migration tangiert sind: Verpflichtungen zu Visa, lokaler Belegschaft, sozialer Absicherung usw. Die meisten FIDIC-Musterverträge enthalten Rechtswahlklauseln und die Pflicht zur Einhaltung nationaler Gesetze. Sie schreiben dem Auftragnehmer vor, bei der Durchführung der Arbeiten alle anwendbaren Rechtsvorschriften, einschließlich Arbeitsrecht, zu befolgen. In der Praxis bedeutet dies, dass der Auftragnehmer Arbeitsgenehmigungen für ausländische Fachkräfte einholen oder die vorgeschriebene Anzahl lokaler Arbeitnehmer einstellen muss, entsprechend den Vorschriften des Projektlandes. In einer neueren FIDIC-Übersicht wurde betont, dass „in den meisten Ländern Zwangsarbeit verboten ist“ und der Auftraggeber sicherstellen muss, dass die Verträge Maßnahmen gegen illegalen Arbeitseinsatz zulassen. Solche Klauseln spiegeln das internationale Prinzip wider, Ausbeutung zu verhindern: Sie unterbinden den Versuch, nationale Anforderungen zu umgehen oder Migranten rechtswidrig zu beschäftigen.

Mitunter werden in Verträgen Quoten für die Einstellung einheimischer Arbeitskräfte oder Verpflichtungen zur Schulung der lokalen Bevölkerung ausdrücklich festgelegt. Diese Bedingungen dienen Entwicklungszielen und dem Schutz des heimischen Arbeitsmarkts, müssen jedoch mit internationalen Verpflichtungen in Einklang stehen. Hat z.B. der Aufnahmestaat IAO-Übereinkommen über Gleichbehandlung ratifiziert, dürfen solche Quoten die ausländischen Arbeiter nicht formal von Rechten ausnehmen (gleicher Lohn, Sozialleistungen usw.). Andernfalls könnte der Auftragnehmer an der Redlichkeit des Gastlandes zweifeln und ein internationales Schiedsverfahren anstrengen (etwa vor dem ICSID). Im Völkerrecht ist anerkannt, dass die Anwendung innerstaatlicher Einwanderungsregeln und die Festlegung von Quoten zum staatlichen Hoheitsrecht gehören, jedoch müssen die vom Staat ratifizierten Übereinkommen beachtet werden.

Hervorzuheben ist auch die Rolle internationaler Finanzinstitutionen. Entwicklungsbanken (z.B. die Neue Entwicklungsbank der BRICS, Weltbank, EBWE), die große Bauvorhaben finanzieren, knüpfen die Kredite an die Einhaltung von „Umwelt- und Sozialstandards“, welche die Rechte der Arbeiter festschreiben. Sie verlangen von Regierungen und Auftragnehmern, nicht nur die nationalen Gesetze, sondern auch internationale Standards einzuhalten (z.B. keinen Zwangsarbeitseinsatz zu dulden, Mindestlohnvorgaben und Arbeitsschutznormen zu befolgen usw.). Obwohl solche Anforderungen formal Teil des Kreditvertrags sind, stärken sie die völkerrechtliche Grundlage der Arbeitsmigration: Die realen Projektverträge nehmen faktisch auf internationale Normen Bezug.

Neben staatlichen und zwischenstaatlichen Foren spielen quasijudizielle Verfahren, die von multilateralen Entwicklungsbanken und transnationalen Unternehmen eingerichtet werden, eine bedeutende Rolle beim Schutz von Arbeitsstandards. Der unabhängige Ombudsmann der Weltbankgruppe (Compliance Advisor Ombudsman, CAO) behandelt Beschwerden von Beschäftigten in durch die Weltbank finanzierten Unternehmen, einschließlich Bauprojekten mit Migrantenbeteiligung. Trotz seines informellen Status bewegen CAO-Entscheidungen die Kreditnehmer dazu, Verstöße zu beheben, und ergänzen somit faktisch die internationalen Überwachungsmechanismen der Arbeitsbedingungen.

Schließlich zieht der Bausektor die Aufmerksamkeit transnationaler Unternehmensleitfäden für Menschenrechte auf sich (z.B. die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, der UN Global Compact). Diese Soft Law-Instrumente drängen die an internationalen Projekten beteiligten Unternehmen, die Rechte der Beschäftigten – einschließlich der Migranten – zu garantieren. So sollen Unternehmen vermeiden, illegale Migranten zu beschäftigen, und sie vor Missbrauch durch Subunternehmer schützen. Zwar sind diese Normen rechtlich nicht bindend, doch sie prägen ein Umfeld unternehmerischer Verantwortung im Bauwesen und werden bei Finanzierungs- und Versicherungsentscheidungen für Projekte berücksichtigt.

Globale Entwicklungen und humanitäre Aspekte der Migration. Die Untersuchung hat gezeigt, dass das internationale Bauvertragsrecht vor erheblichen Herausforderungen steht, die mit der Gewährleistung des rechtlichen Schutzes von Arbeitsmigranten und der Erfüllung internationaler Verpflichtungen verbunden sind. Vincent Chetail [5,9] und T. Alexander Aleinikoff [9] betonen die Notwendigkeit, internationale Rechtsnormen zum Schutz von Migrantenrechten zu entwickeln und Bedingungen für legale und sichere Arbeit zu schaffen. Internationale Verträge erfordern zunehmend die Heranziehung von Arbeitskräften aus anderen Ländern, wodurch der Stellenwert internationaler Standards und Mechanismen in diesem Bereich steigt. Einer der Hauptfaktoren für Migration ist die Armut: Wirtschaftliche Instabilität verschlechtert Lebensbedingungen, führt zu steigender Arbeitslosigkeit und schwächt den Schutz von Migrantenrechten. Die Armut der Migranten macht sie oft verwundbar und zur Zielscheibe von Ausbeutung am Arbeitsplatz, was umfassende rechtliche Maßnahmen zu ihrem Schutz erfordert.

Die internationale Gemeinschaft arbeitet aktiv an der Umsetzung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung [18], die auf die Beseitigung der Armut und die Verbesserung der Lebensbedingungen abzielen. Dies steht in direktem Zusammenhang mit der Arbeitsmigration im Bausektor, wo Migranten häufig gering entlohnte und unsichere Arbeitsplätze einnehmen. Die Beseitigung von Armut und die Gewährleistung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen bilden die Grundlage für die Entwicklung von Rechtsmechanismen zum Schutz der Migranten und ihrer Integration in die Volkswirtschaften der Aufnahmeländer.

Die Analyse der Migrationskrise 2015 in Europa – mit über einer Million Migranten – hat gezeigt, dass diese Massenzuwanderung eine ernsthafte Herausforderung für die internationale Gemeinschaft darstellte. Die Krise offenbarte die Unfähigkeit der bestehenden internationalen Mechanismen, Migrationsströme effektiv zu steuern, und unterstrich politische sowie soziale Konflikte unter den europäischen Staaten. Das Problem der fairen Verteilung von Migranten auf die EU-Länder machte die Notwendigkeit deutlich, die internationalen Rechtsnormen zu reformieren, mit einem Schwerpunkt auf verstärkter Koordination und einer gleichmäßigeren Lastenverteilung für Flüchtlinge [19]. Die Debatten um die humanitären Aspekte der Migration spitzten sich 2019 zu, als das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) die europäischen Regierungen aufforderte, eine humane Lösung für über 500 gerettete Migranten zu finden, die auf dem Mittelmeer keine Ausschiffungserlaubnis erhielten. Das Schicksal dieser Migranten, die ohne Möglichkeit zum Anlanden auf offener See ausharrten, betonte die Uneinigkeit der EU-Staaten in Migrationsfragen. Dies zeigte den Bedarf, die bestehenden Migrationsansätze zu überdenken, um ein gerechteres und humaneres Regulierungssystem zu schaffen. Wie E. W. Jeremjan anmerkt, beeinflusst die Zuwanderungsfrage die politische Stabilität der EU erheblich und führt durch den massenhaften Zustrom von Flüchtlingen zu einer Krise der liberalen Demokratie [20]. Die Unfähigkeit der Staaten, Immigranten zu integrieren, führt zum Abbau demokratischer Institutionen und zu wachsender sozialer Spannung.

Ein wichtiges Element ist das Re-Admisssionsverfahren, das es Staaten ermöglicht, illegal Aufhältige wirksam zu bekämpfen, indem Personen ohne regulären Status in ihre Herkunftsländer oder früheren Aufenthaltsstaaten zurückgeführt werden. Wie A. J. Jastrebowa feststellt [21], hängt der Erfolg von Rückübernahmeabkommen vom Zusammenwirken der Staaten aufgrund gegenseitiger Verpflichtungen zur Identitätsfeststellung, Feststellung der Staatsangehörigkeit irregulärer Migranten und Rücknahme eigener Staatsbürger ab. Im Bausektor fördert der Einsatz von Repatriierungsmechanismen die Legalität der Migrationsprozesse und erhöht die nationale und öffentliche Sicherheit.

Internationale Koordination und nationale Anpassung. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts spielt die UNO eine führende Rolle bei der Koordination der internationalen Migrationssteuerung. Die Annahme der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten 2016 und des Globalen Pakts für sichere, geordnete und reguläre Migration 2018 waren Schlüsselschritte in der Entwicklung des internationalen Migrationsrechts. Diese Dokumente legten Grundlagen für die Abstimmung internationaler Anstrengungen und hoben die Bedeutung des Migrantenschutzes hervor, was für die Baubranche besonders relevant ist. Die IOM spielt eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung wirksamer Mechanismen des Migrationsmanagements. Ihr Grundprinzip lautet, dass geordnete und menschenwürdige Migration sowohl den Migranten als auch den Aufnahmestaaten zugutekommt und die sozioökonomische Entwicklung fördert.

Migrationsdaten nehmen eine Schlüsselrolle im globalen Informationsraum ein, und angesichts heftiger Informationskonflikte um Bevölkerungsbewegungen ist es besonders wichtig, ein positives rechtliches und soziales Umfeld für Migranten zu schaffen. Dazu trägt die Plattform „I am a migrant“ bei, die von der UNO gemeinsam mit der IOM eingerichtet wurde: Durch die realen Geschichten von Migranten erhöht sie die öffentliche Wahrnehmung des Beitrags von Bauarbeitermigranten zur Wirtschaft der Aufnahmeländer und stärkt zugleich die Toleranz gegen

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 14: Völkerrechtliche Regelung der Migration.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Международно-правовое регулирование миграции в контексте международного строительного контрактного права / Д. С. Белкин // Право и политика. – 2025. – № 5. – С. 29-51. – DOI 10.7256/2454-0706.2025.5.74469. – EDN UFUVMM. DOI: 10.7256/2454-0706.2025.5.74469 EDN: UFUVMM

Article URL: https://nbpublish.com/library_read_article.php?id=74469

Article PDF: https://www.elibrary.ru/download/elibrary_82416537_23982522.pdf

Literaturverzeichnis

1. Aleinikoff, T. A., & Chetail, V. (Hrsg.). (2003). Migration und internationale Rechtsnormen. TMC Asser Press.

2. Chetail, V. (2019). Internationales Migrationsrecht. International Organization for Migration.

3. Chuang, J. A. (2020). Verhinderung von Menschenhandel durch eine neue globale Steuerung der Arbeitsmigration. Georgia State University Law Review, 36(4), 1027–1078.

4. Cooke, F. L., Wang, D., & Wang, J. (2017). Staatskapitalismus im Bauwesen: Personalpraktiken und Arbeitsbeziehungen chinesischer Bauunternehmen in Afrika. Journal of Industrial Relations, 60(1), 77–100. 10.1177/0022185617724836.

5. Eremyan, E. V. (2024). Die Einwanderungsfrage als einer der Faktoren der Krise der liberalen Demokratie. Pravovaya politika i pravovaya zhizn, 3, 260–270.

6. Gulieva, M. E. (2021). Völkerrechtliche Regelung der Arbeitsmigration im postsowjetischen Raum. Obrazovanie i pravo, 8, 311–315.

7. Halegua, A. (2020). Wohin führt die Belt-and-Road-Initiative die internationalen Arbeitsrechte? Eine Untersuchung des Missbrauchs von Arbeitnehmern durch chinesische Unternehmen auf Saipan. In Die Belt-and-Road-Initiative und Global Governance (S. 225–257). Edward Elgar Publishing.

8. Kulev, M. G. (2023). Die Bedeutung bilateraler Abkommen im System der Quellen der völkerrechtlichen Regelung der Arbeitsmigration im 21. Jahrhundert. Mezhdunarodnyi pravovoi kur'er.

9. Minigulova, I. (2018). Konsolidierung der Weltgemeinschaft im Kampf gegen Armut. Vestnik Instituta prava Bashkirskogo gosudarstvennogo universiteta, 1(1), 95–104.

10. Muecke, A. P. (2022). Internationales Baurecht: Die Entwicklung des Vertrags über Wirtschaft und Menschenrechte und seine Auswirkungen auf Wanderarbeitnehmer. Georgia Journal of International & Comparative Law, 50(2), 548–562.

11. Nigmatullin, R. V., & Minigulova, I. R. (2017). Migration als Phänomen der modernen globalisierten Welt: Probleme und Perspektiven. Vestnik VEGU, 4, 101–110.

12. Wells, J. (2023). Arbeitsverträge, Migration und Lohnraub in der Bauindustrie in Katar, China, Indien, den USA und der EU. In Routledge-Handbuch zur Arbeit im Bauwesen und in Siedlungen (S. 114–136). Routledge.

13. Yastrebova, A. Yu. (2024). Der völkerrechtliche Begriff und die Grundlagen der Durchführung von Rückübernahme. Pravo i upravlenie. XXI vek, 20(2), 3–10.

KAPITEL 15. Globale Baurechtsverträge und Arbeitssozialschutz: Eine rechtsdogmatische Untersuchung zur Normenkohärenz

DOI: 10.64457/icl.de.ch15

Das Kapitel untersucht die arbeits- und sozialrechtlichen Herausforderungen internationaler Bauverträge in einer multipolaren Welt. Zunächst werden die Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation—Übereinkommen 102, 95 und 111—sowie die Maßstäbe der Europäischen Sozialcharta analysiert. Anschließend folgt ein Rechtsvergleich nationaler Systeme, etwa aktualisierte Mindestlohnformeln und Reformen in den Golfstaaten, wodurch Konflikte und Diskriminierungsrisiken gegenüber Wanderarbeitskräften sichtbar werden. Abschließend stellt das Kapitel FIDIC-Klauseln vor, die eine Anpassung von Verträgen an Gesetzesänderungen und höhere Gewalt erlauben. Das Ergebnis zeigt, dass ein wirksamer Arbeitnehmerschutz flexible Implementierung internationaler Normen und anpassungsfähige Vertragsmodelle erfordert, um Arbeitsbedingungen weltweit zu harmonisieren und Rechtsunsicherheiten für alle Beteiligten zu verringern.

In einer zunehmend multipolaren Welt stehen internationale Bauprojekte vor neuen rechtlichen Herausforderungen im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerrechte und die Gewährleistung sozialer Sicherheit. Unterschiedliche nationale Arbeits- und Sozialsysteme erschweren die Durchführung grenzüberschreitender Projekte und verdeutlichen die Notwendigkeit harmonisierter internationaler Standards. Das internationale Arbeitsrecht fungiert daher als zentrales Instrument zur Abstimmung von Ansatzpunkten, mit denen die Rechte der Arbeitnehmer weltweit geschützt werden.

Internationale Arbeits- und Sozialstandards. Die Grundlage des internationalen Schutzes sozialer Sicherheit bilden die Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Die ILO-Konvention Nr. 102 über soziale Sicherheit legt grundlegende Mindeststandards für Alters-, Invaliditäts- und Arbeitslosenleistungen sowie Gesundheitsversorgung und weitere Sozialleistungen fest, um einen angemessenen Lebensstandard für alle Arbeitnehmer sicherzustellen. Die Europäische Sozialcharta verpflichtet die Mitgliedstaaten darüber hinaus dazu, angemessene Löhne zu garantieren, die einen würdigen Lebensstandard ermöglichen. Shaykhutdinova weist darauf hin (Shaykhutdinova, 2012), dass nach dieser Charta der Mindestlohn mindestens 60–68 % des landesweiten Durchschnittslohns betragen und soziale Ausgleichsmaßnahmen für unzureichendes Einkommen vorsehen sollte. Insgesamt zielen diese internationalen Normen darauf ab, einheitliche Mindestgarantien für Arbeitnehmer festzulegen.

Nationale Regelungen und Konflikte. Jedes Land verfügt über eigene Arbeits- und Sozialsysteme, die die Durchführung internationaler Verträge prägen. In Russland etwa wird diskutiert, wie der Mindestlohn berechnet werden sollte: Davletgildeev und Zarubin weisen darauf hin (Davletgildeev und Zarubin, 2023), dass die Berechnung anhand des Durchschnitts- statt des Medianeinkommens die Erfüllung internationaler Verpflichtungen verbessern und den Schutz der Arbeitnehmer stärken würde. Ähnliche Reformdebatten finden weltweit statt. In den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde beispielsweise 2022 (Bundesgesetz Nr. 33/2021) das Arbeitsrecht im Privatsektor reformiert, um die Bedingungen für Arbeitnehmer zu verbessern. Die Internationale Gewerkschaftskonföderation (ITUC) berichtet jedoch weiterhin von massenhaften Abschiebungen von Migranten ohne rechtliche Unterstützung, verspäteter Lohnauszahlung und Einschränkungen bei Arbeitskämpfen, was auf eine Diskrepanz zwischen neuen Regeln und ILO-Standards hinweist. Diese Beispiele verdeutlichen die Spannungen zwischen nationalen Maßnahmen und internationalen Vorgaben.

Begriff des internationalen Arbeitsrechts und Methodik. Der Begriff „internationales Arbeitsrecht“ ist nicht einheitlich definiert und variiert je nach Rechtstradition. Wissenschaftler wie Bugrov und Tuaev (Bugrov, 2007; Tuaev, 2016) heben hervor, dass diese Vielfalt die Komplexität des Fachgebiets widerspiegelt und die Notwendigkeit betont, gemeinsame Prinzipien zu entwickeln, die nationale Besonderheiten berücksichtigen. Das internationale Arbeitsrecht kann sowohl als Studienfach als auch als praktisches Rechtsgebiet betrachtet werden: Kiselev präsentiert es (Kiselev, 1999) als Fach, das hilft, die Mechanismen zu verstehen, mit denen nationale Arbeitsordnungen in Einklang mit internationalen Standards gebracht werden können, und somit effektiv zum Schutz der Arbeitnehmer beiträgt. Im Bauwesen, wo Projekte häufig mehrere Rechtssysteme durchqueren, ist eine solche Integration entscheidend. Tomashevsky weist darauf hin (Tomashevsky, 2010), dass das internationale Arbeitsrecht sowohl internationale Abkommen als auch kollisionsrechtliche Fragen umfasst, die in grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen auftreten. In diesem Sinn überschneidet es sich mit dem internationalen öffentlichen Recht, da es Normen einschließt, die zum Schutz der Arbeitsrechte und zur Festlegung von Mindeststandards in Bereichen wie Sozialversicherung und Arbeitsschutz dienen.

Diskriminierung und Arbeitnehmerschutz. Nichtdiskriminierung ist ein zentrales Anliegen internationaler Standards. ILO-Konvention Nr. 111 verbietet ausdrücklich Unterschiede in Beschäftigung oder Beruf aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder anderem Status. In internationalen Bauprojekten ist es entscheidend, gleiche Bedingungen für Migranten, Frauen, Menschen mit Behinderung und andere verletzliche Gruppen sicherzustellen. Forscher wie Agatov sowie Alyoshina und Kosovskaya (Agatov, 2023; Alyoshina und Kosovskaya, 2014) betonen, dass Rechtsmechanismen zur Vermeidung von Arbeitsdiskriminierung integraler Bestandteil des internationalen Arbeitsrechts sind und für den Schutz der Arbeitnehmerrechte unerlässlich. Studien heben beispielsweise hervor, dass Bau-Migranten oft in informellen Verhältnissen tätig sind, komplexen Subunternehmerketten unterliegen, Lohnraub erleben und an Arbeitgeber gebunden werden (z. B. durch Wohnraum oder Visabestimmungen). Dies unterstreicht den Bedarf an transnationalen Schutzmaßnahmen: Vorgeschlagen werden multilaterale Abkommen, größere Transparenz bei der Personalbeschaffung, erweiterte Tarifverhandlungsrechte für Migranten und verstärkte Durchsetzung der Standards auf nationaler Ebene. Internationale Normen zu Nichtdiskriminierung und sozialer Sicherheit bilden somit die Grundlage für faire Arbeitsbedingungen.

Vertragliche Standards und FIDIC. Der Internationale Verband beratender Ingenieure (FIDIC) entwickelt Musterbedingungen für Bauverträge, die auch soziale Aspekte berücksichtigen. FIDIC-Klauseln erlauben den Vertragsparteien ausdrücklich, Vertragsbedingungen anzupassen, wenn sich gesetzliche oder sonstige Rahmenbedingungen ändern (höhere Gewalt). Diese Flexibilität ermöglicht es, Abkommen an neue rechtliche Gegebenheiten anzupassen und die Risiken für Arbeiter zu mindern. Konkret bietet die Möglichkeit zur Vertragsüberprüfung bei regulatorischen Änderungen Schutz bei Krisen (etwa Wirtschaftsabschwung oder Pandemie). FIDICs Ansatz betont die Bedeutung internationaler Sozialstandards: Er trägt dazu bei, den Schutz von Arbeitskräften in verschiedenen Rechtsordnungen zu vereinheitlichen.

Herausforderungen und Ausblick. Die Analyse zeigt, dass ILO-Konventionen und FIDIC-Standards zwar zur Angleichung von Arbeitsbedingungen beitragen, aber nicht alle Konflikte lösen. Einheitliche Regelwerke stoßen an Grenzen, wenn kulturelle und rechtliche Vielfalt der Staaten ins Spiel kommt. Bestrebungen, universelle Lösungen zu etablieren, haben gemischte Ergebnisse erzielt. Daher sind flexiblere Ansätze erforderlich. Experten schlagen vor, bestimmte ILO-Abkommen zu überarbeiten – etwa Anpassungen bei der Diskriminierungs-Konvention – um sie für unterschiedliche nationale Traditionen anzupassen. Dabei gilt es anzuerkennen, dass ein globales System lokale Unterschiede nicht ausblenden kann. Die Hauptaufgabe des internationalen Arbeitsrechts liegt darin, adaptive Mechanismen zu schaffen, die den Schutz der Arbeitnehmer gewährleisten und dabei den Besonderheiten jeder Rechtsordnung gerecht werden.

Internationales Arbeitsrecht und internationale Zusammenarbeit im Bereich sozialer Sicherung bilden eine Brücke zwischen unterschiedlichen nationalen Regelsystemen im Bauwesen. Trotz erheblicher Herausforderungen kann die Entwicklung flexibler Regelungen auf der Basis von ILO-Prinzipien und FIDIC-Standards den Arbeitnehmerschutz verbessern. Nur durch die Anerkennung kultureller und rechtlicher Unterschiede – bei gleichzeitiger Stärkung gemeinsamer Mindeststandards – lässt sich eine echte Harmonisierung der Arbeitsbedingungen und eine Stärkung sozialer Rechte in internationalen Bauprojekten erreichen.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 15: Internationales Arbeitsrecht. Völkerrechtliche Zusammenarbeit im Bereich der sozialen Sicherheit.

Literaturverzeichnis

1. Agatov, K. D. (2023). Rechtsregelung des Diskriminierungsverbots im Arbeitsbereich. Evraziiskaya advokatura, 2(61), 108–112.

2. Alyoshina, A. V., & Kosovskaya, V. A. (2014). Völkerrechtliche Standards zur Verhinderung der Diskriminierung von Arbeitnehmern. Obshchestvo. Sreda. Razvitie (Terra Humana), 2(31), 95–98.

3. Bekyashev, D. K. (2008). Internationales Arbeitsrecht: Lehrbuch. Prospekt.

4. Buckley, M., Zendel, A., Biggar, J., Frederiksen, L., & Wells, J. (2016). Migrantenarbeit und Beschäftigung im Bausektor. International Labour Organization.

5. Bugrov, L. Yu. (2007). Zur Debatte über das Verständnis des internationalen Arbeitsrechts. Vestnik Permskogo universiteta. Yuridicheskie nauki, (8), 116–121.

6. Chernyaeva, D. V. (2010). Internationale Arbeitsstandards. KnoRus.

7. Davletgildeev, R. Sh., & Zarubin, D. V. (2023). Internationale Arbeitsstandards zum Mindestlohn. Moskovskiy zhurnal mezhdunarodnogo prava, (2), 6–20.

8. Frost, N. (2021). Raus mit dem „Alten“, herein mit dem „Neuen“. European Journal of International Law, 32(2), 507–536.

9. Karateeva, E. D., & Shamova, E. O. (2019). Jurisprudenz: Fragen des russischen und internationalen Rechts. Forum molodyh uchenyh, 3(31), 441–445.

10. Kaurov, V. G. (2006). Sozial-rechtlicher Schutz des Arbeitnehmers vor Diskriminierung. Leningradskiy yuridicheskiy zhurnal, (1), 143–167.

11. Khesina, A. I. (2017). Diskriminierung wegen Behinderung. Vestnik Samarskoy gumanitarnoy akademii. Seriya: Pravo, 1–2(19), 19–23.

12. Kiselev, I. Ya. (1999). Vergleichendes und internationales Arbeitsrecht. Delo.

13. Meshev, I. Kh., & Khazhirokov, V. A. (2022). Rechtsregelung der Diskriminierung im Sport. Zhurnal prikladnyh issledovaniy, 4(11), 343–347.

14. Nesmeyanova, I. A. (2021). Ist Diskriminierung von Rentnern möglich? Legal Bulletin, 6(2), 77–83.

15. Shaykhutdinova, G. R. (2012). Der Begriff eines würdigen Lebensstandards. Pravovaya politika i pravovaya zhizn’, (3), 97–100.

16. Tomashevsky, K. L. (2010). Internationales Arbeitsrecht. Trudovoe pravo v Rossii i za rubezhom, (4), 52–55.

17. Tuaev, V. V. (2016). Die Rechtsnatur des internationalen Arbeitsrechts. Sotsial’no-ekonomicheskie issledovaniya, (7-2).

KAPITEL 16. Systematische Rechtsdogmatik der Streitbeilegung bei Infrastrukturvorhaben in Polarzonen: Arbeits- und völkerrechtliche Verflechtungen

DOI: 10.64457/icl.de.ch16

Das Kapitel untersucht die Rechtsgrundlagen der Streitbeilegung bei Bauverträgen für Infrastrukturprojekte in Polarregionen vor dem Hintergrund der wachsenden russisch-indischen Beteiligung. Zunächst werden internationale und nationale Regime für Arktis und Antarktis gegenübergestellt, wobei das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und das Prinzip der territorialen Integrität hervorgehoben werden. Anschließend werden Indiens wirtschaftliche Motive und diplomatische Instrumente, darunter das „Programm-2030“ und die Mitarbeit im Arktischen Rat, analysiert. Fünf Konflikttypen – Investor-Staat, Seewege, Forschungsinfrastruktur, bauvertragliche Pflichten, Ressourcengewinnung und Rechte indigener Völker – werden identifiziert. Die Studie entwickelt Kriterien zur Anpassung des internationalen Bauvertragsrechts und arbeitsrechtlicher Garantien an extreme Klimabedingungen; dadurch werden Projektrisiken reduziert und ökologische Sicherheit sowie Arbeitsschutz gestärkt.

Die Streitbeilegung in Bauverträgen, die Infrastrukturprojekte in Polarregionen betreffen, gewinnt zunehmend an Bedeutung, da die völkerrechtlichen Herausforderungen nicht nur territoriale Aspekte, sondern auch Arbeitsverhältnisse und die soziale Absicherung von Beschäftigten unter extremen Bedingungen umfassen. Polarregionen wie die Arktis und die Antarktis decken weite Räume ab, deren Rechtsstatus durch eine Kombination aus Vertragsrecht, Völkergewohnheitsrecht und Entscheidungen internationaler Organe geprägt ist. Die Vielfalt der Rechtsregime verlangt die Berücksichtigung sowohl staatlicher Hoheitsgebiete als auch internationaler Räume mit ihren besonderen Regelungsmechanismen. Unter harschen klimatischen Bedingungen erhalten Arbeitsschutz, soziale Versicherung und präventive Sicherheitsmaßnahmen zentrale Bedeutung; dies setzt eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen Staaten, Organisationen und privaten Akteuren im Rahmen des internationalen Bauvertragsrechts voraus.

Der Mangel an spezialisierten multilateralen Übereinkünften, die einen umfassenden Schutz der Beschäftigten unter extremen polaren Bedingungen gewährleisten, verstärkt die Relevanz der vertraglich-prozeduralen Instrumente des internationalen Bauvertragsrechts. In den letzten Jahrzehnten hat die Zunahme wirtschaftlicher Aktivitäten im Zusammenhang mit Ressourcengewinnung und dem Ausbau der Transportinfrastruktur die Notwendigkeit flexibler, zugleich rechtssicherer Mechanismen der Streitbeilegung und Risikoverteilung offengelegt, die den territorialen, ökologischen und sozialen Besonderheiten der Arktis und Antarktis Rechnung tragen. Das Polarrecht hat sich als eigenständige Disziplin herausgebildet, die das Zusammenspiel globaler, regionaler und nationaler Regime analysiert und dabei die Rechte indigener Völker sowie die wachsende Rolle des Privatrechts bei der Regulierung komplexer Projektbeziehungen in den Vordergrund stellt (Tanaka, Johnstone & Ulfbeck, 2023).

Das wachsende Interesse an den Polarregionen zeigt sich nicht nur bei arktischen Küstenstaaten, sondern auch bei nichtarktischen Ländern. Indien hat mit der Annahme seiner Arktispolitik im März 2022 seine institutionalisierte Präsenz im arktischen Diskurs durch Teilnahme an internationalen Foren und wissenschaftlichen Programmen verstärkt und wissenschaftliche wie infrastrukturelle Initiativen mit außen- und wirtschaftspolitischen Interessen unterlegt. In der Analyse werden vier Dimensionen des Einflusses des internationalen Diskurses auf Indiens arktische Agenda unterschieden: die diskursive, strukturelle, institutionelle und moralische Dimension—diplomatische Erklärungen und Mitwirkung im Arktischen Rat; der Ausbau der eigenen Forschungs- und Eisbrecherkapazitäten; Präsenz in Organisationen und Normsetzungsprozessen; sowie eine ethische Agenda zum Schutz indigener Rechte und der Umwelt (Hua, 2023). Angesichts der Bevölkerungsgröße und einer kostenwettbewerbsfähigen Arbeitskraft ist Indien objektiv auf die Teilnahme an nördlichen Infrastrukturprojekten ausgerichtet, was eine besondere Aufmerksamkeit für prozedurale Sicherungen in Bauverträgen und für Streitbeilegungsregime erfordert.

Der rechtliche Rahmen der Polarregionen gründet auf einer Verbindung von Vertragsrecht, Völkergewohnheitsrecht und allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) legt die maßgeblichen Algorithmen für die Abgrenzung des Festlandsockels und der ausschließlichen Wirtschaftszone fest und stellt internationale Mechanismen zur Beilegung maritimer Streitigkeiten bereit—einschließlich eines spezialisierten Gerichtshofs und schiedsgerichtlicher Verfahren—, die eine friedliche Streitbeilegung und die Vorhersehbarkeit des Rechtsstatus maritimer Räume sichern (Churchill, Lowe & Sander, 2022). Für Infrastrukturprojekte in der Arktis bedeutet dies die Notwendigkeit, seerechtliche Regelungen mit umweltrechtlichen Anforderungen und den vertraglichen Pflichten der Bauakteure in Einklang zu bringen.

Im Rechtsgefüge der Vereinten Nationen besitzen die Grundsätze der territorialen Integrität, der souveränen Gleichheit und der friedlichen Streitbeilegung fundamentale Bedeutung. Sie sind in der Erklärung über die Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten verankert, die die Unzulässigkeit der Androhung oder Anwendung von Gewalt und die Pflicht zur Achtung der politischen Unabhängigkeit und territorialen Integrität der Staaten betont. Diese Grundsätze fungieren nicht nur als äußere Schranken zulässigen Verhaltens, sondern auch als Legalitätsrahmen für projektbezogene Entscheidungen in Polarregionen, wo die Überschneidung staatlicher Interessen häufig von Abgrenzungs- oder Zuständigkeitsstreitigkeiten begleitet ist (Starushenko, 1978).

Indiens Beteiligung am arktischen Diskurs wird durch praktische Initiativen in Energie und Schifffahrt ergänzt, einschließlich des Dialogs mit Küstenstaaten und des Ausbaus der Eisbrecherkapazitäten—wie Studien hervorheben, die die politisch-rechtliche und wirtschaftliche Zweckmäßigkeit dieses Kurses betonen (Kumari, 2015; Jawahar, 2020). Zugleich verdeutlichen sanktionsbedingte Beschränkungen einzelner arktischer Vorhaben die Sensibilität grenzüberschreitender Infrastrukturen gegenüber geoökonomischen Risiken und verweisen auf den Bedarf nach stabilisierenden Vertragsinstrumenten des internationalen Bauvertragsrechts, die Sekundärsanktionen, höhere Gewalt und veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen berücksichtigen.

Das internationale Bauvertragsrecht erfüllt vier funktionale Rollen: Risikoverteilung, Streitbeilegung, rechtliche Koordination und Änderungsmanagement. Erstens verlangt die Risikomatrix polarer Projekte eine präzise Allokation von Temperatur- und Eisrisiken, logistischer Abgeschiedenheit, umweltrechtlichen Restriktionen und arbeitsrechtlichen Garantien zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer unter Berücksichtigung von Versicherungsklauseln und Verzugsverantwortung. Zweitens sollte der Streitbeilegungsmechanismus mehrstufige Verfahren mit operativer Schnelligkeit verbinden: vorstreitige Verhandlungen, Sachverständigenentscheidungen und Schiedsverfahren, zugeschnitten auf die Spezifika des Nordens. Drittens setzt die rechtliche Koordination die Harmonisierung seevölkerrechtlicher, umwelt-, arbeits- und investitionsrechtlicher Anforderungen über eine einheitliche Vertragsadministration voraus. Viertens umfasst das Änderungsmanagement vorhersehbare Modelle für Leistungsänderungen, Entschädigungstatbestände und Fristanpassungen aufgrund saisonaler Zugänglichkeit, Wetterfenster und Lieferbeschränkungen (Tanaka, Johnstone & Ulfbeck, 2023; Patricia et al., 2009).

Indem UNCLOS die Grundlage für die Abgrenzung von Festlandsockel und AWZ bereitstellt, beeinflusst es auch die Standortwahl von Infrastrukturanlagen, die Parameter maritimer Logistikketten und die Umweltverträglichkeitsprüfung—einschließlich solcher für Förder- und Verflüssigungsanlagen. Die sich verdichtenden arktischen Projektportfolios illustrieren die Komplexität vertraglicher Lösungen, in denen Umweltschutz und seerechtlicher Status eng miteinander verflochten sind (Churchill, Lowe & Sander, 2022). Für die Russische Föderation und ihre Partner besitzen Fragen zum Status der Nördlichen Seeroute sowie die Koordinierung der Projekttätigkeit mit internationalen Verpflichtungen zum Schutz der Meeresumwelt besondere Relevanz.

Zentral bleiben die Garantien der Arbeits- und Sozialrechte der Beschäftigten. Unter Bedingungen niedriger Temperaturen, der Polarnacht, logistischer Zersplitterung und begrenzter medizinischer Verfügbarkeit müssen im Vertrag erhöhte Standards des Arbeitsschutzes, der Krankenversicherung, der Entschädigung und der Rotationsmodelle festgelegt werden, ebenso Sonderregelungen für temporäre Siedlungen und Schichtlager. Diese Elemente sind Gegenstand vertraglicher Konkretisierung und zugleich Teil eines grenzüberschreitenden Sozialregimes, das dem allgemeinen Trend einer Stärkung der sozialen Komponente internationaler Wirtschaftsprojekte entspricht (Rajan, 2017).

Im Kontext der Weltpolitik betont der strukturelle Realismus, dass das internationale System anarchisch bleibt; Staaten sorgen in erster Linie selbst für Sicherheit und Schutz ihres Territoriums—insbesondere in Regionen des Wettbewerbs um Ressourcen und Transportkorridore. Dies erfordert projektbezogene Entscheidungen, die geopolitischen Beschränkungen angemessen sind, und stärkt die Argumente zugunsten vorhersehbarer, rechtlich belastbarer Verfahren des internationalen Bauvertragsrechts zur Neutralisierung politischer Risiken (Waltz, 2000).

Angesichts der Einbindung nichtarktischer Staaten in die arktische Governance ist es angezeigt, die institutionellen Parameter der Beobachterteilnahme und den sachlichen Zuständigkeitsrahmen konsultativer Plattformen zu präzisieren. Konzeptionell ist eine Betonung des Vorrangs der souveränen Rechte der Küstenstaaten bei gleichzeitiger Offenheit für wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit sachgerecht; zugleich kann die Regelung der Teilnahme externer Akteure an die Anerkennung nationaler Zuständigkeiten für wirtschaftliche Tätigkeiten in arktischen Gebieten geknüpft werden.

Für das Projektmanagement ist eine Typisierung von fünf Streitmustern mit Beteiligung nichtarktischer Staaten nützlich: kommerzielle Meinungsverschiedenheiten zwischen Investor und Staat einschließlich Sanktionsrisiken und Anteilsumverteilungen; Streitigkeiten über das Regime von Transportkorridoren und die Anwendung des Seerechts; Konflikte über den Zugang zu Forschungsinfrastruktur; Ansprüche im Zusammenhang mit dem Bau von Häfen, Straßen und sonstiger arktischer Infrastruktur; sowie Streitigkeiten aus Rohstoffgewinnung und dem Schutz der Rechte indigener Völker. Diese Muster verweisen auf das Erfordernis einer modularen Architektur des internationalen Bauvertragsrechts, die Schiedsklauseln, mehrstufige Sachverständigenverfahren und adaptive Stabilisierungsklauseln kombiniert.

Das Gesamtergebnis weist auf die Notwendigkeit hin, die internationale Zusammenarbeit zu stärken und spezialisierte Regelwerke für Polarprojekte zu entwickeln, die Umweltschutz, Rechte indigener Völker und erweiterte arbeitsrechtliche Garantien einbeziehen. Die Priorisierung vertraglicher Mechanismen des internationalen Bauvertragsrechts, gestützt durch see-, umwelt- und sozialrechtliche Normen, senkt Transaktionskosten und erhöht die Resilienz von Projekten in einem komplexen politisch-rechtlichen Umfeld (Patricia et al., 2009; Churchill, Lowe & Sander, 2022; Tanaka, Johnstone & Ulfbeck, 2023).

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 16: Staatsterritorium und andere Räume im Völkerrecht. Polare Regionen und das Völkerrecht.

Literaturverzeichnis

1. Churchill, R., Lowe, V., und Sander, A. (2022). Das Seerecht. Manchester University Press.

2. Hua, J. (2023). Der Einfluss des internationalen Diskurses auf die Arktispolitik Indiens. AiS, 51.

3. Jawahar, B. (2020). Zusammenarbeit zwischen Russland und Indien in der Arktis: Wunschtraum oder strategische Notwendigkeit. Vestnik of St Petersburg University: International Relations, 13(4), 488–506.

4. Kumari, P. (2015). Bewertung des indischen Bedarfs an einem Polareisbrecher. Arctic Perspectives, 38–40.

5. Patricia, W., et al. (2009). Internationales Recht und Umwelt. Oxford University Press.

6. Rajan, H. P. (2017). Kommentar: Das Rechtsregime der Arktis sowie Indiens Rolle und Handlungsoptionen. In Arctic (S. 146–154). Routledge.

7. Shaumyan, T. L., und Zhuravel, V. P. (2016). Indien und die Arktis: Umweltschutz, Wirtschaft und Politik. Arktika i Sever, 24, 175–184.

8. Starushenko, G. B. (1978). Der weltrevolutionäre Prozess und das moderne Völkerrecht. Mezhdunarodnye otnosheniia.

9. Tanaka, Y., Johnstone, R. L., und Ulfbeck, V. (Hrsg.). (2023). Das Routledge-Handbuch des Polarrechts. Routledge.

10. Waltz, K. N. (2000). Struktureller Realismus nach dem Kalten Krieg. International Security, 25(1), 5–41.

KAPITEL 17. Rechtsdogmatische Systematisierung von Seevölkerrecht und FIDIC-Baurecht im Kontext großskaliger Offshore-Infrastruktur

DOI: 10.64457/icl.de.ch17

Dieses Kapitel analysiert die Wechselwirkung zwischen dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) und dem internationalen Bauvertragsrecht auf Grundlage der FIDIC-Bedingungen für maritime Infrastrukturvorhaben. Die kombinierte Anwendung verringert Staaten- und Investorenstreitigkeiten, schafft Rechtssicherheit und schützt die Meeresumwelt. Aufbau: rechtliche Grundlagen, Pflichtenverteilung, Leitentscheidungen, Handlungsempfehlungen. Befunde bestätigen, dass die Integration von UNCLOS-Normen und FIDIC-Risikoallokation ein ausgewogenes Verhältnis von Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit ermöglicht.

Nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS, 1982) gliedern sich die maritimen Zonen eines Küstenstaates in aufeinanderfolgende Gebiete: Hoheitsgewässer (12 Meilen), Anschlusszone, ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ, bis 200 sm) und Kontinentalschelf. Im Küstenmeer gelten Hoheitsrechte des Staates, während die AWZ und der Schelf dem Küstenstaat ausschließliche Rechte zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen gewähren. Dieser Rechtsrahmen erlaubt es dem Küstenstaat, im Rahmen der AWZ beispielsweise Offshore-Öl- und Gasvorkommen zu fördern oder Fischbestände zu verwalten. NOAA weist ausdrücklich darauf hin, dass dem Küstenstaat in der AWZ «sovereign rights… for the purpose of exploring, exploiting, conserving and managing natural resources, whether living or non-living, of the seabed and subsoil and the superjacent waters» zustehen. UNCLOS Art. 60 gestattet den Küstenstaaten ferner, künstliche Inseln, Bohrplattformen oder andere Anlagen in ihrer AWZ zu errichten und zu regulieren. Diese künstlichen Inseln genießen selbst keine eigene Zone und fallen vollständig in die Jurisdiktion des Errichterstaates. Alle Staaten dürfen gemäß Art. 80 UNCLOS auf dem Kontinentalschelf Kabel und Pipelines verlegen, unter Vorbehalt der Küstenrechte. Schutzgewässer, wie z. B. Archipelgewässer bei Inselstaaten, können nach Art. 51–54 UNCLOS vom Staat im Rahmen spezieller Verträge vollständig kontrolliert werden. Nationale Rechte fügen sich in dieses System: etwa hat Deutschland das UNCLOS-Kontinentalregime im Seeaufgabengesetz und Wasserhaushaltsgesetz umgesetzt, ebenso verfügt Spanien über ein Küstengesetz und einen Kodex des Seerechts.

Im Bereich des Baurechts spielen die Standardverträge der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC) eine zentrale Rolle. FIDIC hat für Meerestechnik verschiedene Vertragsmuster geschaffen: Die «Blue Book» (Form of Contract for Dredging and Reclamation, 2006) beispielsweise regelt standardisierte Ausbaggerungsprojekte. Aufwendige Offshore-Bauwerke – etwa Windkraftplattformen, Unterwasserpipelines oder Hafenanlagen – werden oft durch angepasste FIDIC-Verträge oder Hybride gehandhabt. Diese Verträge enthalten üblicherweise spezielle Bestimmungen zu maritimen Bauten (z. B. Erkundungsbohrungen, Fundamentarbeiten, Liegeplatzrechte), Haftung bei Öl/Gas-Leckagen und Umweltschutzpflichten. Je nach Projekt werden zusätzliche Klauseln eingefügt, um Küstenschutz (Vogelschutzgebiete, Korallenriffe) oder erneuerbare Energien (Offshore-Wind) zu berücksichtigen. In allen Fällen gilt: Die Wahl des anwendbaren Rechts umfasst neben FIDIC-Regeln und Vertragsrecht regelmäßig internationales Seerecht. Internationale Abkommen wie das London-Übereinkommen (Meeresmüllverbringung) oder Emissionsrichtlinien (MARPOL) werden mit Vertragsklauseln verknüpft.

Bei grenzüberschreitenden Projekten kommt dem Schiedsverfahren besondere Bedeutung zu. Arbitraltribunale (etwa ICC, UNCITRAL, ICSID) wenden die vertraglichen und seerechtlichen Normen an. So identifizierte ein aktuelles Kapitel unter Einbeziehung von FIDIC-Formularen, bilateralen Investitionsabkommen und sechs Schiedsurteilen (Unionmatex v. Turkmenistan, Jan de Nul v. Ägypten, LESI/ASTALDI v. Algerien, Muhammet Çap v. Turkmenistan, Salini v. Marokko, COMMISA v. PEP) wirtschaftliche, administrative, rechtliche und politische Zwänge als zentrale Risikofaktoren. Im deutschen Fachjournal wurde hierzu ausgeführt, dass in diesen Fällen oft finanzielle Druckmittel oder politische Vorgaben einseitig vertragswidrige Änderungen erzwingen können. Im erwähnten ICC-Fall COMMISA v. Pemex betraf die Auseinandersetzung Plattformen für Ölbohrungen: Der Schiedsrichter verurteilte Pemex zur Entschädigung der Klägerin wegen unrechtmäßiger Vertragsauflösung, während Mexiko dieses Ergebnis als hoheitliches Handeln einstufte. Der Fall zeigt die Notwendigkeit klarer Vertrags- und Schiedsgerichtsbarkeitsklauseln sowie die Internationalisierung der Rechtsdurchsetzung. Deutsche Gerichte und Schiedsstellen beziehen außerdem die deutschen und EU-Umwelt- und Küstenvorschriften in ihre Entscheidungen ein. Bismarck mahnt vor diesem Hintergrund: „Mit Rußland muß Deutschland immer ein gutes Einvernehmen haben.“ Dies betont die Bedeutung guter nachbarschaftlicher Abstimmung, etwa bei gemeinsamen Infrastrukturprojekten wie den Gaspipelines im Ostseeraum, wo deutsche und russische Interessen zusammentreffen.

Schließlich bleibt festzuhalten, dass das Seerecht den Koordinationsrahmen bildet, in den sich internationale Bauregeln einfügen müssen. Bauverträge im Meeressektor müssen sowohl internationale Standards (UNCLOS, IMO-Kodizes) als auch nationale Normen konsolidieren. Projekte wie Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee oder Tiefsee-Ölplattformen werden durch multilaterale Investitions- und Klimaschutzabkommen flankiert. FIDIC-Verträge bieten einen einheitlichen Regelungsrahmen, der durch Anbindung an internationale Konventionen stabilisiert wird. Insgesamt führt die kohärente Anwendung von UNCLOS-Normen und FIDIC-Bedingungen zu kalkulierbarer Rechtssicherheit und nachhaltiger Entwicklung im internationalen Meerbau.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 17: Internationales Seerecht. Rechtsregime der Meeresräume und ihrer natürlichen Ressourcen.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Правовой режим морских пространств и их природных ресурсов в контексте международного строительного контрактного права / Д. С. Белкин // Международное право. – 2025. – № 3. – С. 32-48. – DOI 10.25136/2644-5514.2025.3.74094. – EDN YLQSFJ. DOI: 10.25136/2644-5514.2025.3.74094 EDN: YLQSFJ

Article URL: https://nbpublish.com/library_read_article.php?id=74094

Article PDF: https://www.elibrary.ru/download/elibrary_83001220_54667336.pdf

Literaturverzeichnis

1. Arkhipova, A. G., & Abrosimova, E. A. (2021). Schiedsfähigkeit von Seestreitigkeiten mit öffentlich-rechtlichem Element. Vestnik Tomskogo Gosudarstvennogo Universiteta, 463, 196–205. 10.17223/15617793/463/25.

2. Boyle, A. E., & Redgwell, C. (2021). Internationales Recht und Umwelt. Oxford University Press.

3. Charrett, D. (Hrsg.). (2019). Internationale Anwendung der FIDIC-Verträge: Ein Praxishandbuch. Taylor & Francis.

4. Dzhunusova, D. N. (2012). Internationales Seerecht: Lehrbuch. Astrakhanskii Universitet Verlag. ISBN 978-5-9926-0557-0.

5. Elizarov, M. V. (2017). Über die friedliche Beilegung internationaler Seestreitigkeiten. Aktualnye Problemy Prava i Gosudarstva v XXI Veke, 9(3), 197–201.

6. Garaev, M. I. (2019). Internationale Grenzstreitigkeiten über die maritime Delimitation in der IGH-Rechtsprechung. Vestnik Ekonomiki, Prava i Sotsiologii, 1, 65–69.

7. Roberts, J. (2006). Schutz der Meeresumwelt und Erhaltung der Biodiversität: Anwendung und Weiterentwicklung des IMO-PSSA-Konzepts. Springer.

8. Seregina, O. N. (2016). Kodifikation des Völkerrechts: Das Seerechtsübereinkommen 1982. Aktualnye Problemy Prava, , 195–197.

9. Vylegzhanin, A. N., & Korzhenyak, A. M. (2022). Klauseln nachhaltiger Entwicklung im internationalen Seerecht. Moskovskiy Zhurnal Mezhdunarodnogo Prava, 4, 6–33. 10.24833/0869-0049-2022-4-6-33.

KAPITEL 18. Rechtsdogmatische Grundlagen eines koordinierten Luftraum-Bauwerksregimes im Zeitalter urbaner Vertikalität

DOI: 10.64457/icl.de.ch18

Dieses Kapitel untersucht die Schnittstelle zwischen dem internationalen Luftrecht und dem internationalen Bauvertragsrecht vor dem Hintergrund des raschen Wachstums von Passagierdrohnen und dichter Hochhausbebauung rund um Flughäfen. Anhand von ICAO-Statistiken, ADREP-Daten sowie den Arbeiten von Breyer, Venoit, Klee, Godwin u. a. wird gezeigt, dass Regelungslücken die Zahl der Kollisionen von Luftfahrzeugen mit Bauwerken erhöhen. Eine kombinierte Methodik – rechtsvergleichende Analyse und 3-D-GIS-Modellierung mit QGIS/ArcGIS – deckt Konflikte zwischen dem Chicagoer und dem Montrealer Übereinkommen und FIDIC-basierten Verträgen auf. Die Studie belegt, dass die Aufnahme von Luftsicherheitsklauseln in FIDIC-Standards, flankiert von einem hybriden Rahmen „ICAO + nationale Regeln“ und einem globalen automatisierten Höhenüberwachungssystem, Vorfälle verringern und die nachhaltige Entwicklung von Aerotropolis-Konzepten fördern kann.

Das Kapitel untersucht die Schnittstelle zwischen dem internationalen Luftrecht und dem internationalen Bauvertragsrecht vor dem Hintergrund des raschen Wachstums von Passagierdrohnen und dichter Hochhausbebauung in Flughafennähe. Kollisionen von Luftfahrzeugen mit Bauwerken sind längst keine Seltenheit mehr: Allein in Russland wurden zwischen 1991 und 2013 insgesamt 66 Flugvorfälle registriert, die auf Zusammenstöße mit Hochspannungsleitungen zurückgehen. Diese Beispiele verdeutlichen, wie wichtig eine erneute Analyse solcher Unfälle und rechtzeitige Gegenmaßnahmen sind.

Das internationale Luftrecht (gestützt auf die Abkommen von Chicago 1944 und Montreal 1999 sowie ICAO-Standards und -Empfehlungen) bildet die Grundlage für die Regulierung der Flugsicherheit. Gleichzeitig gewinnt das internationale Bau- und Baurecht an Bedeutung, insbesondere sein Zweig des internationalen Bauvertragsrechts auf Basis der FIDIC-Musterverträge. Trotz dieser Entwicklungen klafft eine Lücke zwischen den Regelwerken: Der Zuwachs an Hochhausbauten und innovativen Stadtmodellen (etwa dem Aerotropolis-Konzept) bringt neue Sicherheitsrisiken mit sich.

Die Forschungslage zeigt, dass Luftfahrtrechtler und Baurechtsexperten meist getrennt arbeiten. Batalov (2020) analysiert die Quellen des internationalen Luftrechts und betont die Bedeutung der ICAO-Standards, ohne auf baurechtliche Vorgaben einzugehen. Kudinov et al. (2020) weisen auf Lücken in den internationalen Luftverkehrsabkommen Russlands hin, während Sipos (2023) die zentralen internationalen Luftverkehrsabkommen untersucht. Keiner dieser Ansätze verknüpft jedoch explizit Luftverkehrsrecht mit Bauvorschriften.

Methodisch kombiniert die Studie eine rechtsvergleichende Analyse der Chicagoer und Montrealer Abkommen sowie der ICAO-Vorschriften mit geoinformatischer 3D-Modellierung. Mit QGIS und ArcGIS wurden 3D-Modelle von Hochhäusern und Infrastruktur in Flughafennähe erstellt, um potenzielle Gefährdungen für Flugrouten zu simulieren. Ergänzend wurden die ICAO-Unfalldatenbank (ADREP) und reale Unfallberichte ausgewertet, um den Zusammenhang zwischen Regelungslücken und Kollisionen zu quantifizieren.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass fehlende einheitliche internationale Standards und unterschiedliche nationale Baunormen das Risiko für die Luftsicherheit erheblich erhöhen. ADREP-Daten bestätigen, dass Zusammenstöße mit Hochspannungsleitungen und hohen Gebäuden regelmäßig zu Katastrophen führen. Während das Aerotropoliskonzept wirtschaftliche Vorteile bringt, führt fehlende Koordination dazu, dass nationale Bauhöhenbegrenzungen stark variieren – mit erhöhter Unfallwahrscheinlichkeit.

Empfehlungen: Erstens sollten die FIDIC-Standardverträge verbindliche Luftsicherheitsklauseln enthalten, welche die Bauunternehmen verpflichten, den Einfluss von neuen Bauwerken auf das Luftraum einzuschätzen und zu minimieren. Zweitens wird ein hybrides Regulierungskonzept vorgeschlagen, das verbindliche ICAO-Standards mit adaptiven nationalen Vorschriften verknüpft. Drittens sollte ein globales automatisiertes System zur Überwachung der Flughafenumgebung eingerichtet werden (z.B. mit Drohnen und Satellitentechnik), das potenzielle Bedrohungen in Echtzeit erfasst.

Die Umsetzung dieser Maßnahmen würde die Zahl der Kollisionen von Luftfahrzeugen mit Bauwerken deutlich verringern und so eine nachhaltige Entwicklung von Aerotopolen ermöglichen, die sowohl die Luftfahrtsicherheit als auch infrastrukturelle und wirtschaftliche Interessen in Einklang bringt.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 18: Internationales Luftrecht. Rechtsregime und Gewährleistung der Sicherheit des Luftraums. Völkerrechtliche Regelung des Luftverkehrs.

Literaturverzeichnis

1. Breyer, W. (2024). Internationales Baurecht: Ein Überblick. Taylor & Francis.

2. Venoit, W. K. (2009). Internationales Baurecht. American Bar Association.

3. Molineaux, C. B. (1998). Internationales Baurecht. John Wiley & Sons.

4. Klee, L. (2018). Internationales Bauvertragsrecht. John Wiley & Sons.

5. Godwin, W. (2013). Internationale Bauverträge: Ein Handbuch. Wiley-Blackwell.

6. Skeggs, C. (2003). Projektpartnerschaft in der internationalen Bauindustrie. International Construction Law Review.

7. Batalov, A. A. (2020). Quellen des internationalen Luftrechts: Aktuelle Fragen von Theorie und Praxis. Moskovskij zhurnal mezhdunarodnogo prava, (3), 64–90.

8. Kudinov, A. S., Kudryashova, A. M., & Alekseev, M. A. (2020). Zur Modernisierung der internationalen Luftverkehrsabkommen der Russischen Föderation. Elektronnoe prilozhenie k Rossiyskomu yuridicheskomu zhurnalu, (5), 23–32.

9. Sipos, A. (2023). Internationales Luftfahrtrecht: Regelungen in drei Dimensionen. Springer.

10. Charles, M. B., Barnes, P., Ryan, N., & Clayton, J. (2007). Flughafenzukünfte: Zu einer Kritik des Aerotropolis-Modells. Futures, 39(9), 1009–1028. DOI: 10.1016/j.futures.2007.03.017

11. Freestone, R., & Baker, D. (2011). Raumplanungsmodelle der flughafengetriebenen Stadtentwicklung. Journal of Planning Literature, 26(3), 263–279. DOI: 10.1177/0885412211401341

KAPITEL 19. Systematische Koordination des Weltraumrechts und des internationalen Baurechts: Eine rechtsdogmatische Rekonstruktion von Normenkollisionen

DOI: 10.64457/icl.de.ch19

Das internationale Weltraumrecht und das internationale Bauvertragsrecht (FIDIC) treffen bei Projekten wie ISS, Starlink und zukünftigem extraterrestrischem Abbau aufeinander. Abschnitt 1 zeichnet die Rechtsentwicklung vom Weltraumvertrag 1967 bis zu den US- und Luxemburger Gesetzen 2015 nach und zeigt die Lücke bei privaten Ressourcenrechten. Abschnitt 2 behandelt Militarisierungstendenzen nach der Aussetzung von New START und der Einrichtung des U.S. Space Command. Abschnitt 3 analysiert den „New Space“-Aufschwung am indischen Modell. Abschließend werden FIDIC-Standardverträge für Risiko-, Haftungs- und Ressourcenfragen bewertet. Ergebnis: Eine extraterrestrische Anpassung von FIDIC ist erforderlich, um Interessen¬ausgleich und friedliche Nutzung zu sichern.

Das internationale Weltraumrecht zielt traditionell darauf ab, die Raumfahrt zu regeln – einschließlich der Erschließung und Nutzung von Weltraumressourcen – und die Militarisierung des Weltraums zu verhindern. Parallel dazu stellt das internationale Baurecht das Rechtsgrundgerüst für große transnationale Bauprojekte bereit. Beispiele dafür sind der Bau der Internationalen Raumstation (ISS) und globaler Satellitennetzwerke. Angesichts neuer Raumfahrtinitiativen – etwa des Starlink-Programms von Elon Musk – und der fortgesetzten Erweiterung der ISS wird der Bedarf an juristischer Abstimmung zwischen diesen Rechtsbereichen immer offensichtlicher.

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war geprägt von bedeutenden Fortschritten in der Raumfahrt – dem Übergang von theoretischer Forschung zur praktischen Umsetzung – und dem Aufbau eines internationalen Rechtsrahmens. In dieser Zeit entwickelten Staaten Verträge, die das Verhalten im Weltraum normieren. Der Weltraumvertrag von 1967 verankerte den Grundsatz der ausschließlich friedlichen Nutzung des Weltraums, wiederholte damit die UN-Erklärung von 1963. Allerdings führte die Interpretation des Prinzips „friedlicher Nutzung“ insbesondere hinsichtlich der Stationierung von Waffen in der Umlaufbahn zu Kontroversen. Auseinandersetzungen zwischen Staaten und Fachleuten über die Militarisierung nahmen zu, als sich Technologie und geopolitische Spannungen entwickelten. Die Aussetzung mehrerer Rüstungskontrollverträge durch die USA in den Jahren 2001 und 2019 sowie die russische Reaktion darauf unterstrichen die Unzulänglichkeit bilateraler Abkommen und die Notwendigkeit einer umfassenderen internationalen Regulierung des Weltraums.

Das Weltraumrecht gehört zu den jüngsten und dynamischsten Bereichen der Rechtswissenschaft, da ständig neue und komplexere Herausforderungen im Weltraum auftauchen. Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung ist die wachsende Bedeutung von Weltraumtechnologien für Wirtschaft und Gesellschaft. Etwa seit 2011 bilden sich Konzepte einer „vierten industriellen Revolution“, die die Philosophie des „New Space“ auslösten. Dieses Phänomen zeichnet sich durch eine starke Verbreiterung der Akteure in der Raumfahrt und neue Formen von Unternehmertum aus, basierend auf Weltraumprodukten und -dienstleistungen, finanziert überwiegend durch private Mittel. Walter Peters betont, dass sich im „New Space“ die Rolle privater Unternehmen deutlich erhöht hat und eine auf Venture-Kapital basierende Entwicklungsdynamik vorherrscht – ein deutlicher Gegensatz zu früheren Phasen, in denen staatliche Institutionen dominierten. Diese Veränderungen transformieren die rechtlichen und ökonomischen Grundlagen: Sie verlangen neue Regulierungsansätze auf internationaler Ebene.

Die heutigen globalen Herausforderungen – Klimawandel, Bevölkerungswachstum, Herausbildung einer multipolaren Welt, Ressourcenknappheit – verstärken die Spannungen zwischen führenden Staaten und machen neue Energieressourcen im All immer attraktiver. P. N. Lozhkovoy hebt hervor, dass die Raumfahrt zu einem wichtigen Stabilisierungselement der Weltwirtschaft geworden ist. Die Nutzung des Weltraums in Bereichen wie Kommunikation, Navigation, Meteorologie und globaler Sicherheit fördert nicht nur technologische Fortschritte, sondern erweitert auch die Möglichkeiten internationalen finanziellen, kulturellen und wissenschaftlichen Austauschs. Dies erfordert eine weitergehende Verfeinerung der internationalen Rechtsregulierung.

Besonderes Augenmerk gilt verschiedenen Ansätzen zum „New Space“ in unterschiedlichen Staaten. Indien wurde wegen seiner einzigartigen Stellung gewählt: N. N. Prasad stellt heraus, dass das indische Raumfahrtprogramm aufgrund jahrzehntelanger Investitionen außerordentlich dynamisch ist und – im Gegensatz zu USA, Russland oder China – eine ausgewogene Entwicklung von staatlichem und privatem Sektor verfolgt. Dies macht Indien zum Beispiel für die Analyse völkerrechtlicher Aspekte staatlich-privater Kooperationen in Raumfahrtprojekten besonders interessant.

In der Forschung wurde eine umfassende Analyse internationaler Rechtsakte vorgenommen, die den Weltraum regeln, mit Schwerpunkt auf ihrer Wechselwirkung mit dem Baurecht. Dabei lag ein besonderes Augenmerk auf dem Weltraumvertrag von 1967 – als Fundament des friedlichen Weltraumnutzungsrechts – im Kontext heutiger Herausforderungen wie Infrastrukturaufbau, Ressourcenmanagement und Verhinderung der Militarisierung. Es wurden auch bedeutende Baurechtsverträge in großen Raumfahrtprojekten analysiert (etwa beim Bau der ISS und weltweiten Satellitennetzwerken).

Die Ergebnisse zeigen, dass die Weltraumtransformation der Weltwirtschaft neue Strategien auf globaler und nationaler Ebene erfordert und einen starken Bedarf an rechtlichen Innovationen schafft. Die Analyse identifizierte zentrale Probleme und Perspektiven in der Regulierung der Interaktion staatlicher und privater Akteure in internationalen Bauverträgen für Raumfahrtvorhaben. Wie A. A. Yanik betont, übersteigen das Tempo und die Wirkung dieser Veränderungen die gegenwärtige Wissenschaft und unterstreichen den Bedarf, Rechtsmechanismen für eine nachhaltige Entwicklung des Sektors zu verfeinern.

Eine wesentliche Neuerung ist die Verwendung und Anpassung der standardisierten Verträge der Internationalen Beratenden Ingenieur-Föderation (FIDIC). Diese Musterverträge spielen eine wichtige Rolle bei der Vereinheitlichung der Herangehensweisen an große internationale Bauprojekte, einschließlich Raumfahrtprogramme. Sie schaffen eine juristische Grundlage, die Stabilität, Transparenz und Ausgewogenheit der Interessen aller Beteiligten sicherstellt – besonders relevant bei der wachsenden Beteiligung staatlicher und privater Akteure im All. Anhand von Beispielen dieser Verträge in internationalen Projekten für Orbitalinfrastruktur und Satellitennetze wurde deutlich, dass die Regulierungsmechanismen weiter verbessert und an die Anforderungen moderner Raumfahrtprogramme angepasst werden müssen.

Das internationale Weltraumrecht bedarf angesichts einer multipolaren Welt, in der sich die Großmächte bei der Nutzung des Alls gegenüberstehen, einer Neubewertung. Die jüngste Verlängerung und Rücknahme des russisch-amerikanischen New-START-Abkommens (Strategic Arms Reduction Treaty) hat die Grenzen bilateraler Rüstungsabkommen offenbart. So weist die USA zu Recht auf das Fehlen Chinas im Abkommen hin und auf die Bedeutung dieses Mangels für die US-Sicherheit, während Russland aufgrund der neuen chinesischen Weltraumkapazitäten ebenfalls seine Verpflichtungen überdenken muss. Daraus ergibt sich, dass ohne die Einbindung aller führenden Akteure die Militarisierung des Weltraums und die Eskalation von Spannungen nahezu unvermeidlich ist. Gleichzeitig fehlt es an einer einheitlichen Regelung für den Bau weltraumbezogener Infrastruktur. Es geht dabei nicht nur um strategisch wichtige Systeme (Aufklärungssatelliten, Technologien zur Beseitigung von Weltraumschrott etc.), sondern auch um humanitäre Projekte, zum Beispiel Rettungssatelliten. In diesem Zusammenhang könnte die FIDIC – als erfahrene Organisation für internationale Bauvertragsstandards – eine Vorreiterrolle übernehmen und einheitliche Normen für den Bau von Weltrauminfrastruktur entwickeln, welche deren strategische und humanitäre Bedeutung berücksichtigen. Ein gemeinsamer Normenkanon würde die Interoperabilität und Effizienz solcher Projekte erheblich steigern, was in Zeiten globaler Krisen besonders wichtig ist.

Politische Initiativen wie die Einrichtung des US Space Command verdeutlichen den Willen, den Weltraum als strategische Domäne militärisch zu nutzen. Dieses Wachsen der Militarisierung erfordert eine Überprüfung bestehender Rechtsnormen, um Konflikte zu vermeiden und den Einsatz von Waffen in der Umlaufbahn einzuschränken. Bestehende internationale Verträge, etwa der Weltraumvertrag 1967, proklamieren zwar die friedliche Nutzung, enthalten aber unklare Formulierungen, die unterschiedliche Auslegungen zulassen und Schlupflöcher für strategische Manöver bieten. Dies unterstreicht den Bedarf an neuen rechtlichen Mechanismen zur Gewährleistung eines friedlichen Weltraumgebrauchs.

Gleichzeitig zeigen Projekte wie der Bau und Betrieb der ISS oder der Ausbau globaler Satellitennetze (inklusive Starlink), dass ein integriertes Rechtsregime erforderlich ist, wenn sich die Raumfahrt ausweitet. Solche Projekte erfordern nicht nur technische Abstimmung, sondern auch rechtliche Mechanismen, die das internationale Weltraumrecht mit Bauvertragsrecht harmonisieren. Zentrale Fragen sind dabei die Haftung für Weltraumschäden, der Rechtsstatus von orbitalen Infrastrukturbauteilen und die Regeln für Nutzung und Verteilung von Weltraumressourcen.

Seit dem Inkrafttreten 1958 hat das UN-Komitee für die friedliche Nutzung des Weltraums (COPUOS) die internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich stetig gefördert. Zahlreiche UN-Resolutionen bekräftigen das Prinzip des friedlichen Weltraumgebrauchs und fordern einen rechtlichen Rahmen für Weltraumprogramme. Insbesondere wird der gleichberechtigte Zugang aller Staaten zum Weltraum betont, was die Grundlage für die Vermeidung militärischer Konflikte im Weltraum bildet. Diese Prinzipien haben die Weiterentwicklung des Weltraumrechts getragen und Mechanismen etabliert, um die friedliche Nutzung im Interesse der gesamten Menschheit sicherzustellen.

Seit 2015 haben mehrere Staaten, darunter die USA und Luxemburg, nationale Gesetze erlassen, die private Unternehmen bei der Ausbeutung von Weltraumressourcen regulieren. Diese Gesetze schaffen eine inländische Rechtsgrundlage für Entwicklung und Nutzung von Planetengewinnungsprojekten und anerkennen das Eigentum privater Akteure an gewonnenen Ressourcen. So ermöglichte etwa der US Commercial Space Launch Competitiveness Act von 2015 privaten Firmen eine stärkere Teilnahme an Raumfahrtprogrammen und gewährleistete Rechte für die kommerzielle Verwertung von Weltraumressourcen. Dies hat einen Präzedenzfall geschaffen und eine internationale Diskussion über die Legalität der Ressourcennutzung im All und den Bedarf an klareren internationalen Rechtsnormen angestoßen.

Solche Gesetzgebungsinitiativen setzen wichtige Präzedenzfälle, die das Weltraumrecht weiterentwickeln können. Unsere Forschung zeigt, dass die Zunahme kommerzieller Aktivität eine Überprüfung bestehender internationaler Normen nötig macht, um die Zusammenarbeit von Privatunternehmen und Staaten klarer zu regeln. V. L. Tolstykh betont in diesem Kontext die Notwendigkeit einer Reform des Weltraumrechts als Antwort auf neue Herausforderungen. I. A. Khavanova weist darauf hin, dass entsprechende nationale Gesetze praktisch das Verbot der Aneignung von Weltraumressourcen durchbrechen und damit den Weg für eine wirtschaftlich-rechtliche Expansion ebnen. Sie analysiert nationalstaatliche Regelungen, die privaten Firmen die Gewinnung und Aneignung von außerirdischen Ressourcen erlauben – ein kontrovers diskutiertes Thema im Völkerrecht.

All dies verdeutlicht: Das steigende kommerzielle Interesse an Weltraumressourcen und private Initiativen machen eine Überarbeitung der internationalen Rechtsordnung notwendig. Die bestehenden Normen, obwohl sie den Weltraum als demilitarisierte Zone und gemeinschaftliches Erbe der Menschheit schützen sollen, erweisen sich unter modernen Herausforderungen als unzureichend. Die wachsende Zahl kommerzieller Projekte unterstreicht die Dringlichkeit, internationale Regeln anzupassen und detailliertere Regelungen für die Ressourcennutzung zu entwickeln.

Die Analyse zeigt, dass die Integration internationalen Weltraumrechts und internationalen Baurechts unerlässlich ist, um nachhaltige und friedliche Weltraumnutzung zu gewährleisten. Bestehende Verträge – etwa der Weltraumvertrag von 1967 – müssen an die Realität anpassend weiterentwickelt werden, um die kommerzielle Ausbeutung von Weltraumressourcen wirksam zu regeln und die Militarisierung der Weltrauminfrastruktur zu verhindern. Die Anwendung der FIDIC-Standardverträge hat sich als wichtig für die Vereinheitlichung rechtlicher Ansätze bei großen internationalen Bauprojekten im Weltraumbereich erwiesen.

Unsere Ergebnisse betonen die Notwendigkeit, das Weltraumrecht zu aktualisieren und durch klare Vorschriften für die kommerzielle Nutzung von Weltraumressourcen Rechtslücken zu schließen und eine gerechte Verteilung der Ressourcen zu sichern. Darüber hinaus ist die Integration internationaler Baunormen (über FIDIC-Standards) in Weltrauminfrastrukturprojekte erforderlich, um eine juristische Übereinstimmung und die Vermeidung von Rechtskonflikten zwischen staatlichen und privaten Akteuren zu erreichen. Diese Maßnahmen werden dazu beitragen, internationales und nationales Recht im Sinne der Raumfahrtentwicklung anzugleichen, die internationale Zusammenarbeit zu stärken und eine Militarisierung des Weltraums zu verhindern.

In einer multipolaren Welt, in der mehrere Staaten eine bedeutende Rolle im Weltraum spielen, rücken nationale Interessen – etwa jene Russlands – in den Mittelpunkt der Normbildung. Russland als Weltraummacht strebt danach, seine strategische Sicherheit und wirtschaftlichen Interessen im Weltraum zu schützen. Dies erfordert abgestimmte internationale Anstrengungen zur Verbesserung der Regelungen und Kontrollmechanismen. Angesichts geopolitischer Veränderungen und verstärkten globalen Wettbewerbs wird die Erarbeitung einheitlicher internationaler Regeln zur Grundlage für eine stabile und sichere Weltraumforschung durch alle Länder.

Langfristige Stabilität und Sicherheit im Weltraum erfordern daher ein gemeinsames internationales Engagement für die Weiterentwicklung rechtlicher Normen und Regelungsmechanismen. Nur so können nicht nur aktuelle Rechtsprobleme effizient gelöst, sondern auch eine solide Basis für künftige Weltrauminitiativen geschaffen werden – zum Wohle des Friedens und des Fortschritts der Menschheit im All.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 19: Internationales Weltraumrecht. Rechtsregelung der angewandten Formen der Weltraumtätigkeit sowie der Tätigkeit zur Erforschung, Erschließung und Nutzung der Ressourcen des Weltraums und der Himmelskörper. Verhinderung der Militarisierung des Weltraums.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Международное космическое право и строительство: правовое регулирование прикладных видов космической деятельности, использование ресурсов космоса и предотвращение милитаризации в контексте международного строительного контрактного права / Д. С. Белкин // Вестник ученых-международников. – 2025. – № 2(32). – С. 213-230. – EDN QXOPXC. EDN: QXOPXC

Article PDF: https://www.elibrary.ru/download/elibrary_82641448_23323342.pdf

Literaturverzeichnis

1. Brooks, E. (1966). Nationale Kontrolle über natürliche planetare Himmelskörper: Vorläufige Überlegungen. J. Air L. & Com., 32, 315.

2. Grunert, J. (2022). Vertrag über die Grundsätze der Tätigkeit der Staaten bei Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper. In The United States space force and the future of American space policy (S. 249–254). Brill Nijhoff.

3. Iglin, A. V. (2020). Das völkerrechtliche Regime des Weltraums als entmilitarisierte Zone. Predstavitel'naya vlast'-XXI vek: zakonodatel'stvo, kommentarii, problemy, (3), 22–30.

4. Khavanova, I. A. (2020). Rohstoffabbau im Weltraum: Aktuelle Fragen der ökonomisch-rechtlichen Expansion. Ekonomika. Nalogi. Pravo, 13(4), 140–147.

5. Lozhkovoy, P. N. (2016). Internationales Weltraumrecht als Teilgebiet des öffentlichen Völkerrechts. Vestnik Diplomaticheskoi akademii MID Rossii. Mezhdunarodnoe pravo, (1), 105–115.

6. Lozhkovoy, P. N. (2017). Veränderungen bei Durchführung und Regulierung der Weltraumtätigkeit am Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts: völkerrechtliche Aspekte. Sovremennoe pravo, (6), 114–120.

7. Peeters, W. (2018). Zu einer Definition von „New Space“? Die unternehmerische Perspektive. New Space, 6(3), 187–190.

8. Shinkaretskaya, G. G. (2021). Analogien im Völkerrecht und Probleme der Entwicklung des Weltraumrechts. Mezhdunarodnoe pravo, (2), 25–36.

9. Shinkaretskaya, G. G. (2021). Das internationale Privatrecht bei der Regulierung der Weltraumtätigkeit. Trudy Instituta gosudarstva i prava Rossiiskoi akademii nauk, 16(1), 114–132.

10. Tolstykh, V. L. (2021). Reform des Weltraumrechts. Aktual'nye problemy rossiiskogo prava, 5(126), 166–182.

11. Yanik, A. A. (2019). Die Weltraumtransformation der Wirtschaft: Vorboten und Tendenzen. Issledovaniya kosmosa, (1), 1–14.

KAPITEL 20. Systembildung des Internationalen Bauvertragsrechts: Rechtsdogmatische Perspektiven auf die Rolle von Transnationalen Unternehmen und Verfassungsprinzipien der Wirtschaftssicherheit

DOI: 10.64457/icl.de.ch20

Das Kapitel verortet das internationale Baurecht im Gefüge des internationalen Wirtschaftsrechts und zeigt die rechtliche Vereinheitlichung mittels der von der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC) entwickelten Musterverträge. Es skizziert die Dynamik grenzüberschreitender Projekte und den Bedeutungszuwachs transnationaler Unternehmen, analysiert Regelwerke von der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten von 1974 bis zu aktuellen Soft-Law-Instrumenten und bezieht den Begriff der wirtschaftlichen Sicherheit ein. Die rechtsvergleichende Analyse belegt, dass FIDIC-Formulare rechtliche und finanzielle Risiken senken, indem sie Verantwortlichkeiten eindeutig zuordnen. Empfohlen werden eine Weiterentwicklung der Standards und eine intensivere multilaterale Kontrolle unternehmerischer Akteure, um Großprojekte in einer multipolaren Welt verlässlich umzusetzen.

Das internationale Wirtschaftsrecht umfasst eine Vielzahl von Normen, die globale Wirtschaftsbeziehungen regeln, darunter Handel, Investitionen und die Zusammenarbeit zwischen Staaten in unterschiedlichen Wirtschaftssektoren. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Rechtsgebiets ist das internationale Bauvertragsrecht – die Gesamtheit der Rechtsnormen und Institutionen, welche die Beziehungen und Verpflichtungen der Parteien in grenzüberschreitenden Bauprojekten ordnen. Die Komplexität solcher Vorhaben sowie die Notwendigkeit, die Interessen verschiedener Staaten und privater Akteure zu berücksichtigen, verlangen nach einer besonderen rechtlichen Steuerung. Die völkerrechtliche Zusammenarbeit in diesem Bereich fördert die Ausarbeitung einheitlicher Standards und Normen, die die Interaktion der Parteien erleichtern und ihre Rechte in Bauverträgen schützen. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Unifizierung von Vertragsmustern durch Standardbedingungen. So hebt etwa Lucas Klee die tragende Bedeutung der rechtlichen Vereinheitlichung durch die von der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC) entwickelten Musterbedingungen hervor (Klee, 2018).

Der Drang zur Unifizierung mittels FIDIC-Formularen ist dem Bedürfnis geschuldet, homogene Rechtsrahmen zu schaffen, welche die vertraglichen Beziehungen in internationalen Bauprojekten ordnen. Der Einsatz von FIDIC-Standardverträgen senkt die rechtlichen und finanziellen Risiken bei der Projektdurchführung, erhöht die Vorhersehbarkeit rechtlicher Folgen und ermöglicht eine effiziente Risikozuordnung zwischen den Beteiligten. Dies erleichtert das Projektmanagement und begünstigt die Befolgung internationaler Normen und Branchenstandards in der Bauwirtschaft.

Der vorliegende Beitrag richtet den Fokus auf die Rolle völkerrechtlicher Mechanismen bei der Unifizierung und Regulierung grenzüberschreitender Bauverträge. Zugrunde liegen Methoden des Rechtsvergleichs und der juristischen Analyse, einschließlich der Auswertung internationaler Instrumente und der FIDIC-Musterverträge sowie des allgemeinen transnationalen Regulierungsgefüges. Besonderes Augenmerk gilt dem Zusammenwirken nationaler und internationaler Normen, was eine vertiefte Bewertung der Rolle transnationaler Konzerne (TNK) im internationalen Bauvertragsrecht erlaubt. Die Heranziehung gesetzlicher Akte, doctrinaler Quellen und projektbezogener Beispiele ermöglicht Schlussfolgerungen und Empfehlungen zur Normenunifizierung und zur Gewährleistung wirtschaftlicher Sicherheit.

Die FIDIC-Musterbedingungen sind für die Harmonisierung internationaler Vertragsnormen von Schlüsselbedeutung. Die Schaffung und Nutzung einheitlicher Vertragsmodelle standardisiert die Rechtsrahmen und reduziert die Rechtsunsicherheit für die Parteien. Durch die Unifizierung erhalten Projektbeteiligte verlässliche Zusagen zur Risikoverteilung und Pflichtenlage – ein entscheidender Faktor in komplexen, grenzüberschreitenden Vorhaben. Dies ermöglicht ein effizienteres Projektmanagement, stärkt das gegenseitige Vertrauen und erhöht die Stabilität der Rechtsfolgen im Bausektor.

Transnationale Konzerne zählen zu den Triebkräften der Globalisierung der Weltwirtschaft und beeinflussen die Entwicklung des internationalen Wirtschaftsrechts sowie die rechtliche Zusammenarbeit in verschiedenen Sektoren, einschließlich des Bauvertragsrechts, erheblich. TNK sind aktiv an großen grenzüberschreitenden Bauprojekten beteiligt; dies erfordert spezielle regulatorische Instrumente sowie eine Harmonisierung zwischen den Rechtsordnungen. Nach Angaben der UNCTAD stieg die Zahl der TNK weltweit von einigen Hundert in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf Zehntausende gegen Ende des Jahrhunderts, was ihre wachsende Bedeutung in der Weltwirtschaft reflektiert (Zoi, 2019).

Obwohl die Mehrheit der TNK in entwickelten Staaten ansässig ist, dehnen viele ihre Tätigkeit in Entwicklungsregionen aus (rund 65 % unterhalten dort Niederlassungen). Der globale Zuschnitt ihrer Aktivität unterstreicht die Notwendigkeit einheitlicher völkerrechtlicher Regelungen. Zu den Beweggründen ihres Wachstums zählen die Begrenztheit der Binnenmärkte und der Bedarf, zur Kapazitätsausweitung auf ausländische Märkte zu gehen. In einem Umfeld globalen Wettbewerbs und kartellrechtlicher Kontrolle suchen TNK ihre Vorteile auf Auslandsmärkten zu nutzen, wofür einheitliche Rechtsmechanismen im internationalen Bauvertragswesen erforderlich sind. Solche Mechanismen schützen die Interessen der Projektparteien und fördern die Normharmonisierung, wodurch wirtschaftliche Entwicklung und internationale Zusammenarbeit gestärkt werden. Zugleich schwächt der Einfluss der TNK die traditionelle Rolle des Staates als zentraler Regulator und erhebt Konzerne zu maßgeblichen Akteuren der weltpolitischen und -ökonomischen Bühne. Da jeder Staat im Rahmen internationaler Wirtschaftsbeziehungen seine nationalen Interessen wahren will, führt die Knappheit und ungleiche Verteilung von Ressourcen zwangsläufig zu wettbewerblichen Spannungen, auch im internationalen Bauwesen. Dies verlangt wirksame Streitbeilegungsmechanismen und rechtliche Kooperation (Mantusow, 2022).

Im multilateralen Regulierungsrahmen für TNK spielen völkerrechtliche Normen in zentralen Dokumenten eine tragende Rolle. Die Charta über die wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten von 1974 problematisierte erstmals den Bedarf spezifischer Regeln für TNK und betonte die Leitfunktion der Staaten bei der Setzung und Sicherung rechtlicher Rahmenbedingungen für Konzerne. Artikel 2 der Charta verankert das souveräne Recht jedes Staates, ausländische Investitionen in seiner Jurisdiktion zu regulieren und zu kontrollieren, wodurch eigenständige Vorgaben für Investoren entsprechend nationaler Prioritäten (Wachstum, Binnenmarktschutz, nachhaltige Entwicklung) möglich werden. Zugleich ermächtigt die Charta Staaten, die Tätigkeit von TNK auf ihrem Territorium zu regulieren und die Übereinstimmung mit ihrer wirtschafts- und sozialpolitischen Linie zu verlangen – ein Ausgleich zwischen Investitionsanreiz und Souveränitätsschutz.

Die Charta verlangt ferner, dass die Tätigkeit von TNK weder die politische Stabilität noch die soziale Ordnung der Gaststaaten gefährdet – eine Vorgabe von besonderer Relevanz für Entwicklungsländer. Entsprechend sind Mechanismen zu entwickeln, die unerwünschte Einmischungen verhindern und einen Ausgleich zwischen Kapitalzufluss und nationalem Interesse herstellen. Die Regelungswirkung der Charta schwächte sich jedoch infolge der Reaktion einzelner Staaten: So wandten sich etwa die Vereinigten Staaten gegen strikte Vorgaben, die als Hemmnis für Freihandel und US-Unternehmensinteressen gesehen wurden. In den 1980er Jahren führte dies zu Neubewertungen und zur Herausbildung des Konzepts der „internationalen wirtschaftlichen Sicherheit“. 1987 befasste sich die UN-Generalversammlung mit dieser Idee, die der Charta verwandt ist, jedoch ohne ein verbindliches System wirtschaftlicher Rechte und Pflichten zu etablieren. In diesem Zusammenhang weist die Lehre darauf hin, dass empfehlende internationale Instrumente im Bereich der Menschenrechte – etwa die „Normen über die Verantwortlichkeiten transnationaler Konzerne und anderer Wirtschaftsunternehmen in Bezug auf Menschenrechte“ – eine wichtige Rolle bei der Festlegung von Verhaltensstandards spielen, deren Wirksamkeit jedoch von der nationalen Umsetzung abhängt (Natapow, 2010).

Die Überprüfung von 1992 schwächte den verpflichtenden Charakter der Charta und erweiterte den Handlungsspielraum der TNK in der internationalen Arena. In der Praxis des internationalen Bauvertragsrechts gewann vor diesem Hintergrund die unternehmerische Sozialverantwortung (CSR) an Bedeutung – nicht nur als ethischer Imperativ, sondern als strategisches Risikomanagement-Instrument zugunsten nachhaltiger Entwicklung und der Befolgung internationaler Normen. Eine aktive Sozialpolitik von Unternehmen stärkt die Beziehungen zu lokalen Gemeinschaften und unterstützt eine nachhaltige sozioökonomische Entwicklung der Regionen; dies fungiert als Kompensationsmechanismus angesichts nachlassender supranationaler Steuerung (Karandejew & Slinko, 2015).

Auf nationaler Ebene bleibt das Recht der ausländischen Direktinvestitionen (ADI) ein zentrales Instrument zur Steuerung der TNK-Tätigkeit im Bausektor. Die Beteiligung von TNK ist für den Infrastrukturausbau und das Wachstum der Gaststaaten kritisch; nicht selten treten neue Unternehmen von Beginn an als transnationale Akteure auf. Die Investitionsmotive der TNK im Bauwesen lassen sich wie folgt ordnen: Marktausweitung für Bauleistungen und -technologien; Prozessoptimierung durch Innovation; Zugang zu Ressourcen des Gastlandes (Rohstoffe, Arbeitskräfte); Erwerb neuer Vermögenswerte (Immaterialgüter, Spezialgeräte). In vielen Ländern erfolgt das Engagement über Fusionen und Übernahmen oder als Greenfield-Investitionen. Die ADI-Ströme im Bausektor wachsen weiter und prägen die globale Infrastruktur; ihre erfolgreiche Anziehung setzt günstige institutionelle Rahmenbedingungen voraus (steuerliche Anreize, Sonderwirtschaftszonen, Rechtssicherheit). Die Erfahrungen Südostasiens – namentlich Singapur und Südkorea – belegen, dass eine proaktive ADI-Strategie Hochtechnologiesektoren und die Integration in die Weltwirtschaft befördern kann (Gubajdullina, 2023).

Die wirtschaftliche Sicherheit ist eine zentrale Kategorie des internationalen Wirtschaftsrechts und der rechtlichen Zusammenarbeit – insbesondere für internationale Bauprojekte. Dogmatisch handelt es sich um eine synthetische Kategorie an der Schnittstelle von Ökonomie und Politikwissenschaft, verbunden mit wirtschaftlicher Unabhängigkeit, Resilienz und Anpassungsfähigkeit. Funktional gründet sie auf der Fähigkeit des Staates und seiner Wirtschaft, externen und internen Bedrohungen zu widerstehen, deren Auswirkungen zu minimieren und Stabilität und Entwicklung zu gewährleisten (Krutikow, 2017).

Im Kontext des Bauvertragsrechts realisiert sich wirtschaftliche Sicherheit durch Risikosteuerung hinsichtlich politischer, finanzieller und institutioneller Faktoren, die die Projektrealisierung beeinflussen können. Ein Kernelement bildet die makroökonomische Stabilität, gestützt durch Strukturreformen, Innovationsförderung und investitionsfreundliche Bedingungen, einschließlich ausländischer Investitionen. In einer multipolaren Welt weisen viele Bedrohungen transnationalen Charakter auf und erfordern umfassende Sicherheitsstrategien. Da internationale Bauprojekte stark von externer Finanzierung und Partnerschaften abhängen, zielt wirtschaftliche Sicherheit darauf ab, zentrale ökonomische Interessen zu schützen, nachhaltige Entwicklung zu sichern und die Abhängigkeit von externen Einflüssen zu verringern. Ihr Zusammenhang mit Nachhaltigkeit liegt auf der Hand: langfristiges Wachstum, Beschäftigung, Infrastrukturentwicklung und Steigerung des Lebensstandards fördern Stabilität – besonders wichtig bei langfristigen Bauinvestitionen, die staatliche Unterstützung (einschließlich Maßnahmen zur Prävention wirtschaftlicher und sozialer Risiken) benötigen.

Der Sicherheitsbegriff – insbesondere in seiner ökonomischen Ausprägung – nimmt im internationalen Recht und in der Zusammenarbeit, auch im Bauvertragsrecht, eine zentrale Stellung ein. Er umfasst den Schutz lebenswichtiger Interessen des Individuums, der Gesellschaft und des Staates gegen innere und äußere Bedrohungen. In der multipolaren Gegenwart gehört dazu die Gewährleistung von Rechten und sozialem Schutz gemäß nationalen Verfassungen und internationalen Normen. Im Bausektor dient die Resilienz des Wirtschaftssystems als Indikator für die Zuverlässigkeit internationaler vertraglicher Verflechtungen und die Anpassungsfähigkeit an Krisen und Instabilität.

Die Ausarbeitung einer Konzeption wirtschaftlicher Sicherheit für das Bauvertragsrecht verlangt die Analyse ihrer theoretischen Grundlagen im internationalen Wirtschaftsrecht und die Ermittlung der Wechselbeziehungen zwischen globalen Prozessen und regionalen ökonomischen Realitäten. Eine begriffliche Synthese erlaubt es, Schlüsselrisiken und Steuerungsmechanismen herauszuarbeiten, die die Stabilität vertraglicher Beziehungen tragen. Auf regionaler Ebene erleichtert ein typologisch-indikatorischer Ansatz – mit Ebenen und Kennziffern – die Messung und Steuerung sektoraler und territorialer Risiken; die Identifikation risikogeneigter Faktoren und Neutralisationsmechanismen unterstützt die protektive Anpassung der Wirtschaft (Feofilowa, 2015). Übertragen auf internationale Projekte bedeutet dies präventive und adaptive Mechanismen, die externe Bedrohungen reduzieren und die Dauerhaftigkeit von Verträgen sichern – besonders relevant unter multipolaren Bedingungen.

Die internationale wirtschaftliche Sicherheit hängt nicht nur von der Stabilität globaler Wirtschaftsbeziehungen ab, sondern auch von Rechtsmechanismen, die die weltweite ökonomische Tätigkeit regulieren. Im Bauvertragsrecht zeigt sich dies in der Notwendigkeit rechtlicher Sicherungen zum Schutz der Interessen aller Projektbeteiligten unter Berücksichtigung ressourcenbezogener Potenziale und territorialer Besonderheiten. Auf regionaler Ebene werden Stabilität und Schutz gegen exogene Schocks durch internationale Kooperation und Normharmonisierung erreicht; dies fördert nachhaltige ökonomische Verflechtungen und verringert die Exponiertheit gegenüber negativen Außeneinflüssen.

Die nationale wirtschaftliche Sicherheit umfasst zahlreiche Komponenten – demografische, informationsbezogene, politische, soziale, verteidigungsbezogene –, deren Wirksamkeit wesentlich von der angemessenen Anwendung des internationalen Wirtschaftsrechts abhängt. Die Globalisierung erzeugt neue Herausforderungen und Bedrohungen, die Akteure auf allen Ebenen betreffen und einen strategischen Ansatz zur Wahrung der Stabilität sowie zur Abwehr externer negativer Einwirkungen verlangen – auch im Rahmen internationaler Bauprojekte (Rychagowa, 2020). Die mehrstufige Interaktion internationaler und nationaler Normen in der wirtschaftlichen Sicherheit schafft ein günstiges und sicheres Umfeld für die Durchführung internationaler Bauverträge und trägt damit zur langfristigen Stabilität und Entwicklung der Regionen bei.

Die nationalen Zugänge zur wirtschaftlichen Sicherheit variieren je nach Tradition und Rechtssystem. In westlichen Modellen – etwa dem US-amerikanischen – stehen entscheidungssouveräne Wirtschaftspolitik und die Sicherung des Lebensstandards im Vordergrund; dies spiegelt sich in strikten Vertragsklauseln und der Wahrung nationaler Interessen in internationalen Absprachen. Auf Unternehmensebene zeigt sich die Politik wirtschaftlicher Sicherheit als Bestandteil der Corporate Governance: Wirksames Risikomanagement und strategische Unternehmensentwicklung stärken den Schutz ökonomischer Interessen im internationalen Kontext (Alpysbajew, 2019). In der russischen Praxis wird wirtschaftliche Sicherheit typischerweise unter dem Blickwinkel nachhaltiger sozioökonomischer Entwicklung und des Schutzes nationaler Interessen betrachtet; dies prägt den Regulierungsrahmen internationaler Bauverträge und die Beteiligung in globalen Projekten. A. A. Remezkow definiert wirtschaftliche Sicherheit als Zustand der produktiven Kräfte der Volkswirtschaft, der nationale Interessen und Wettbewerbsfähigkeit schützt – eine nach wie vor tragfähige Definition (Remezkow, 2007).

Die Analyse unterstreicht die Bedeutung des internationalen Bauvertragsrechts innerhalb des internationalen Wirtschaftsrechts, mit Akzenten auf Normenunifizierung und Stärkung der Kooperation. Besondere Aufmerksamkeit galt der Bestimmung des anwendbaren Rechts, der Regulierung grenzüberschreitender Bauprojekte und der Rolle der TNK. Die Ergebnisse bestätigen, dass FIDIC-Formulare wesentlich zur Risikoreduktion beitragen, die Vorhersehbarkeit rechtlicher Folgen erhöhen und die Harmonisierung von Normen im internationalen Rahmen fördern (Klee, 2018).

Vor diesem Hintergrund besteht Bedarf, die Unifizierung rechtlicher Normen im transnationalen Bauwesen weiter zu vertiefen. Der Einsatz einheitlicher FIDIC-Verträge zeigt deutliche Effekte bei Risikominderung und Vereinfachung der Interaktion zwischen den Parteien und legt nahe, internationale Standards unter den Bedingungen einer multipolaren Welt fortzuentwickeln und anzupassen. Angesichts der strukturellen Rolle der TNK sind wirksame Regulierungen und eine Koordination zwischen nationalen und internationalen Normen erforderlich. Ebenso ist es entscheidend, den internationalen Rechtsaufsichtsradius zu stärken und die Einhaltung von FIDIC-Standards sicherzustellen, um nationale Interessen zu schützen und regulatorische Rahmen zu harmonisieren – durch internationale Zusammenarbeit, die auf die Stabilität und Sicherheit vertraglicher Verflechtungen gerichtet ist (Mantusow, 2022).

Auf dieser Grundlage wird empfohlen, die unifizierten FIDIC-Vertragswerke im Lichte aktueller globaler Herausforderungen weiterzuentwickeln und die international-rechtlichen Kontrollmechanismen der TNK-Tätigkeit zu verbessern, um nachhaltige Entwicklung und wirtschaftliche Sicherheit im Bausektor zu gewährleisten (Klee, 2018; Karandejew & Slinko, 2015).

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 20: Internationales Wirtschaftsrecht und völkerrechtliche Zusammenarbeit in einzelnen Bereichen der wirtschaftlichen Tätigkeit.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Международное строительное контрактное право / Д. С. Белкин // Современный юрист. – 2024. – № 4(49). – С. 51-65. – EDN NIEEJX. EDN: NIEEJX

Literaturverzeichnis

1. Alpysbayev, K. S. (2019). Die Politik der wirtschaftlichen Sicherheit als Element der Corporate Governance (Dissertation). Sankt-Petersburger Staatliche Wirtschaftsuniversität.

2. Feofilova, T. Y. (2015). Wirtschaftliche Sicherheit bei der Sicherung der Entwicklung des sozioökonomischen Systems einer Region: Theorie und Methodik (Dissertation). Universität des Innenministeriums Russlands Sankt-Petersburg.

3. Karandeev, S. M., & Slinko, A. A. (2015). Die soziale Unternehmenspolitik in der Region: Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung. Region: sistemy, ekonomika, upravlenie, (2), 153–158.

4. Kharlamov, A. V. (2010). Globalisierung und die wirtschaftliche Sicherheit des Staates. Izvestiya Sankt-Peterburgskogo gosudarstvennogo ekonomicheskogo universiteta, (5), 22–28.

5. Klee, L. (2018). Internationales Bauvertragsrecht. John Wiley & Sons.

6. Krutikov, V. K. (2017). Wirtschaftliche Sicherheit.

7. Malinovskaya, I. G. (2013). Transnationale Konzerne und die völkerrechtliche Regulierung ihrer Tätigkeit. Sovremennye nauchnye issledovaniya i innovatsii, (11), 30–30.

8. Mantusov, V. B. (2022). Der Welthandel im System der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Litres.

9. Natapov, S. L. (2010). Transnationale Unternehmen und anwendbare völkerrechtliche Soft-Law-Instrumente im Bereich der Menschenrechte. Problemy ekonomiki i yuridicheskoi praktiki, (4), 137–139.

10. Remezkov, A. A. (2007). Theoretische und methodologische Grundlagen der wirtschaftlichen Sicherheit. Natsionalnye interesy: prioritety i bezopasnost, (1), 54–59.

11. Rychagova, A. A. (2020). Wirtschaftliche Sicherheit – neue Ansätze im Kontext der Globalisierung. In Ekonomicheskaya bezopasnost: problemy, perspektivy, tendentsii razvitiya (S. 354–358).

12. Shumilov, V. M. (2023). Die Transformation der globalen wirtschaftsrechtlichen Ordnung im Kontext einer multipolaren Weltordnung. Rossiyskii vneshneekonomicheskii vestnik, (5), 9–16.

13. Tsoi, E. V. (2019). Investitionen aus dem Ausland im Jahr 2017: Prognose und Realität (nach den UNCTAD-Berichten über weltweite Investitionen). Akademiya pedagogicheskikh idei Novatsiya. Seriya: Studencheskii nauchnyi vestnik, (4), 168–173.

KAPITEL 21. Systematische Analyse der Kollisionsnormen im Internationalen Bauvertragsrecht: Öffentliche Ordnung und zwingendes Recht im mehrschichtigen Rechtsgefüge

DOI: 10.64457/icl.de.ch21

Das Kapitel analysiert die Schnittstelle zwischen Völkerrecht und internationalem Privatrecht bei grenzüberschreitenden Bauverträgen. Es skizziert die historische Entwicklung von Kollisionsnormen und die Schutzfunktion des ordre public, beleuchtet anschließend die Normierungsarbeit der Vereinten Nationen, der Neuen Entwicklungsbank der BRICS, der Weltbank, von UNIDROIT und den FIDIC-Musterverträgen. Eine vergleichende Untersuchung zwingender Vorschriften, Parteiautonomie, der Lehre der engsten Verbindung sowie digitaler Verfahrensinstrumente legt systemische Kollisionsrisiken offen. Die Studie zeigt, dass Treu-und-Glauben- und Transparenzklauseln in FIDIC-Verträge sowie eine erweiterte Anerkennung ausländischer Entscheidungen durch moderne Konventionen Vorhersehbarkeit, Fairness und Effizienz globaler Bauprojekte steigern.

Im Zeitalter einer gefestigten Multipolarität und vertiefter Integrationsprozesse gewinnen transnationale Verflechtungen eine systembildende Bedeutung für jene Sektoren, in denen sich öffentlich-rechtliche Anforderungen mit privatrechtlichen Verpflichtungen schneiden. Das internationale Bauvertragsrecht entsteht genau an der Schnittstelle von Völkerrecht und Internationalem Privatrecht (IPR): Zivilrechtliche Verpflichtungen der Parteien entstehen und werden innerhalb des Wirkungsfeldes mehrerer nationaler Rechtsordnungen und supranationaler Normen erfüllt, die von internationalen Organisationen entwickelt werden und Verhaltensstandards für Akteure des globalen Baumarktes setzen (Klee, 2018).

Die steigende Größenordnung grenzüberschreitender Projekte, die wachsende Komplexität technologischer Lösungen und die Diversifizierung der Finanzierungsquellen haben die Zahl der beteiligten Akteure und Rechtsregime objektiv erhöht. Dies hat das Problem der Kollisionsnormen in den Vordergrund gerückt – Konstellationen, in denen dasselbe Rechtsverhältnis konkurrierenden Regulierungsansprüchen verschiedener Rechtsordnungen unterfällt, deren Normen divergieren oder einander widersprechen. Für internationale Baugeschäfte folgt daraus die Notwendigkeit, innerstaatliches Recht mit internationalen Vorgaben abzustimmen und belastbare Mechanismen der Rechtswahl und der Koordination des anwendbaren Rechts aufzubauen (Kudryavtseva & Mkhitaryants, 2024; Kuts, 2022).

Unter den Instrumenten zur Überwindung solcher Kollisionen nimmt die ordre-public-Doktrin einen besonderen Rang ein. Negative wie positive Vorbehalte der öffentlichen Ordnung (öffentliche Ordnung/ordre public) dienen dem Schutz grundlegender Interessen des Forumsstaates und stützen die Stabilität internationaler Privatrechtsbeziehungen, indem sie die Anwendung ausländischen Rechts ausschließen, das den kritischen Wertentscheidungen der aufnehmenden Rechtsordnung widerspricht (Shulakov, 2023). In einem Feld wie dem internationalen Bauvertragsrecht, in dem Akteure aus unterschiedlichen Rechtskulturen interagieren, ist der sachgerechte Einsatz der öffentlichen Ordnung ein Schlüssel zu Vorhersehbarkeit und Legitimität des vertraglichen Regimes.

Gleich bedeutsam ist die prozedurale Koordination zwischen den Systemen. In jedem grenzüberschreitenden Streitfall haben Gericht oder Schiedsgericht unvermeidlich drei Fragen zu klären: Welche Verfahrensnormen sind anwendbar? Welche Beweismittel sind zulässig? Nach welchen Kriterien erfolgt die Würdigung des Vorbringens? Divergenzen zwischen nationalen Prozessmodellen können sowohl den Verfahrensausgang als auch die effektive Wahrnehmung prozessualer Rechte der Parteien und betroffener Dritter beeinflussen (Kudryavtseva & Mkhitaryants, 2024). Verfahrenslegitimität verlangt daher die Beachtung der Vergleichbarkeit von Garantien in verschiedenen Jurisdiktionen und – soweit möglich – die Entwicklung harmonisierter Ansätze zur Beweiszulässigkeit und Beweiswürdigung.

Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen bildet das dritte Nadelöhr kollisionsrechtlicher Steuerung. Sie trifft auf Unterschiede nationaler Verfahrensregime, auf Einwände aus ordre public sowie auf Reziprozitätstests. Das Gleichgewicht zwischen Gläubiger- und Schuldnerinteressen im grenzüberschreitenden Vollstreckungsverfahren hängt nicht nur von der Rechtsprechung, sondern ebenso von der institutionellen Ausgestaltung der Vollstreckungsorgane ab (Fedin, 2023). In Bau-Investitionsprojekten schlägt geringe Vorhersehbarkeit in der Vollstreckungsphase unmittelbar auf Kapitalkosten und Risikoprämien durch.

Internationale Organisationen sind für den Aufbau eines kohärenten Regulierungsrahmens von zentraler Bedeutung. Die Vereinten Nationen, die Neue Entwicklungsbank der BRICS, die Weltbank und UNIDROIT initiieren und tragen Standards und Verfahren zur Beilegung multilateraler Streitigkeiten und zur Vereinheitlichung privatrechtlicher Regime, sobald ein Auslandsbezug vorliegt. Im Bausektor kommt den Standardbedingungen der FIDIC besondere Bedeutung zu; sie werden in Planung, Errichtung und Betrieb von Bauwerken in zahlreichen Staaten breit eingesetzt (Klee, 2018). Die Analyse aktueller FIDIC-Dokumente belegt das Bedürfnis, nicht nur vertragliche Architekturen, sondern auch prozedurale Normen zu harmonisieren, um Einheitlichkeit und Transparenz der Rechtsanwendung zu sichern (Kudryavtseva & Mkhitaryants, 2024).

Der europäische Harmonisierungsvektor im Kollisions- und Verfahrensrecht ist instruktiv. Die Verordnungen Rom I und Rom II verankern systematische Ansätze zur Rechtswahl für vertragliche und außervertragliche Verpflichtungen und entfalten die Konstruktion überragend zwingender Vorschriften (Eingriffsnormen) und der öffentlichen Ordnung in ihren politischen, sozialen und wirtschaftlichen Dimensionen – im Geiste der klassischen Ideen F. C. von Savignys zur Koordination von Rechtsordnungen (von Savigny, 2011). Das Schlussantrag von Generalanwalt M. Szpunar zur Reichweite solcher Eingriffsnormen und des ordre public bestätigt die Tragfähigkeit dieser Methodik im heutigen Unionsrecht (Szpunar, 2016). Nationale Gesetze und Kodifikationen neuer EU-Mitgliedstaaten (etwa Kroatien) illustrieren ein „Neu-Denken mit Entlehnungen“, bei dem lokale Spezifika auf gemeinsame europäische Raster aufgesetzt werden (Zupan, 2021).

Der russische Ansatz zu Eingriffsnormen und öffentlicher Ordnung weist – bei gleicher dreidimensionaler Grundlegung (politisch, sozial, wirtschaftlich) – eine eigenständige Konfiguration auf. Art. 1192 ZGB RF und das Plenumsdekret des Obersten Gerichts der RF vom 9. Juli 2019 Nr. 24 benennen Kennzeichen der öffentlichen Ordnung und akzentuieren Souveränitäts- und Sicherheitsinteressen (etwa Beschränkungen des Grundstücksverkehrs für Ausländer), den Schutz privater Rechte (einschließlich Eheschließungen mit Ausländern) sowie nationale Wirtschaftsinteressen (Erwerbsbeschränkungen in strategischen Sektoren) (Dmitrieva, 2016). Dies ist – im Vergleich zur auf inter-systemische Abstimmung gerichteten Savigny-Tradition – ein eher defensives Modell (von Savigny, 2011).

Kollisionsnormen wirken im internationalen Bauvertragsrecht primär über die Parteiautonomie: Die Parteien können das auf den Vertrag, seine Form und die Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung anwendbare Recht bestimmen sowie Gerichts- oder Schiedsforen vereinbaren. Art. 1210–1215 ZGB RF bilden die Grundlage der Rechtswahl in grenzüberschreitenden Verträgen unter Einbeziehung des Kriteriums der engsten Verbindung und weiterer Anknüpfungen. In der internationalen Doktrin hat die Ausdehnung der Parteiautonomie auf außervertragliche Schuldverhältnisse den Koordinationsraum für komplexe Bau- und Finanzierungsstrukturen zusätzlich erweitert (Kutashevskaya, 2022; Guskov & Sichinava, 2021). Zugleich stützt der Rekurs auf internationale Referenzwerke – einschließlich soft law und Organisationsstandards – die Einheitlichkeit projektbezogener Lösungen und senkt Transaktionskosten (Klee, 2018).

Beteiligen sich öffentliche Rechtsträger an Bauprojekten, stellen sich Fragen der Staatenimmunität und der Zuständigkeit ausländischer Gerichte und Schiedsgerichte. Selbst bei Rechtswahl- und Schiedsklauseln kann das gewählte Recht durch Eingriffsnormen des Forums zum Schutz grundlegender Werte zurückgedrängt werden (so das in Rom I angelegte Modell) (Szpunar, 2016). Dies wirkt unmittelbar auf Risikozuteilung, Garantien und die Architektur der Streitbeilegung.

Die Unvollständigkeit der Harmonisierung bleibt eine Unsicherheitsquelle. Internationale Abkommen des Privatrechts werden häufig nur teilweise und ohne sektorspezifische Kalibrierung für den Bausektor umgesetzt, was die Prognosefähigkeit von Ergebnissen mindert. Technisch-juristische Defekte infolge mangelnder Kohärenz und terminologischer Heterogenität untergraben die Regulierungseinheit (Kozhokar, 2020; Zanina, 2019). Zentrale Begriffe wie engste Verbindung, öffentliche Ordnung und Eingriffsnormen erhalten in den Rechtskulturen uneinheitliche Inhalte und bedürfen dogmatischer wie normativer Feinabstimmung.

Als maßgebliches – in der Literatur als unterreguliert ausgewiesenes – Regelungsprinzip ragt die Treu und Glauben (good faith) hervor. Für das internationale Bauvertragsrecht würde eine normative Verankerung der Treu-und-Glauben-Gebote und operationaler Mechanismen in vertraglichen wie außervertraglichen Beziehungen Konflikte der Interessen mindern und das Vertrauen in die Rechtsanwendung stärken (Kudryavtseva & Aleksandrov, 2019). Dies ist besonders relevant für langfristige Projekte, in denen externe Rahmenbedingungen (Preise, Sanktionen, Verkehrskorridore) unvermeidlich schwanken und vertragliche Anpassungen rechtliche Sicherheitsventile verlangen.

Die prozessuale Architektur der russischen Gerichtsbarkeit in Sachen mit Auslandsbezug bildet einen weiteren Knotenpunkt. Zuständigkeit, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung sowie die Anwendung des Prozessrechts in grenzüberschreitenden Streitigkeiten sind in der Zivilprozessordnung und der Arbitrazh-Prozessordnung geregelt und schaffen eine Grundlage für die Integration öffentlich- und privatrechtlicher Interessen in Bausachen. Das Haager Beweisübereinkommen 1970 und das Haager Zustellungsübereinkommen 1965 erleichtern die Kooperation mit ausländischen Behörden; Unterschiede nationaler Verfahren fördern jedoch Forum-Shopping und Parallelverfahren (Solodilov, 2023). So ermöglicht das Fehlen einer „harten“ Regel in Art. 406 ZPO RF zur Priorität eines bereits anhängigen ausländischen Verfahrens Doppelverfahren, trotz anderweitiger Ansätze, etwa im Kischinau-Übereinkommen (Art. 29) (Solodilov, 2023).

Gezielte institutionelle Lösungen können Fragmentierungsrisiken mindern: ein Bundesgesetz zur Vereinheitlichung und Vereinfachung grenzüberschreitender Prozesshandlungen (einschließlich elektronischer Kommunikation, beschleunigten Dokumentenaustauschs, standardisierter Beweisanforderungen); die Ratifikation des Haager Übereinkommens 2019 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile, um die Vorhersehbarkeit des Rechtsschutzes von Investoren zu erhöhen; sowie die Digitalisierung der Zwangsvollstreckung als technologische Grundlage durchgängiger Nachvollziehbarkeit und Verhältnismäßigkeit von Zwangsmitteln (Ustimova & Rasskazova, 2022; Fedin, 2023).

Zusammenfassend operiert das internationale Bauvertragsrecht als mehrstufiges Regime, in dem öffentlich-rechtliche Schutzvorrichtungen (Eingriffsnormen, öffentliche Ordnung, Immunität) mit privatrechtlichen Instrumenten (Parteiautonomie, Rechts- und Gerichtsstandsvereinbarung, vertragliche Anpassung) verzahnt sind und über FIDIC-Standards, gerichtlich-schiedsgerichtliche Praxis und prozedurale Übereinkommen operationalisiert werden. Normharmonisierung, prozessuale Brücken zwischen Jurisdiktionen und die Entwicklung digitaler Werkzeuge für Beweis und Vollstreckung sind strategische Prioritäten, die Risikokosten senken und die Resilienz transnationaler Bauinitiativen erhöhen können (Klee, 2018; Kudryavtseva & Mkhitaryants, 2024; Solodilov, 2023).

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 21: Wechselwirkung von internationalem öffentlichem Recht und internationalem Privatrecht. Völkerrechtliche Grundlagen der Regelung privatrechtlicher Beziehungen. Internationale Zusammenarbeit und Rolle internationaler Organisationen bei der Regelung von Beziehungen mit Auslandsbezug.

Literaturverzeichnis

1. Dmitrieva, G. K. (2016). Internationales Privatrecht: Lehrbuch (4., überarb. und erw. Aufl.).

2. Fedin, D. P. (2023). Das Problem der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen. Forum der jungen Wissenschaftler, 1(77), 218–222.

3. Guskov, A. A., & Sichinava, I. S. (2021). Die Rolle der Grundprinzipien des internationalen Privatrechts. Studencheskii Forum, 25.

4. Kalinichenko, P. A. (2020). Anwendung des EU-Rechts durch russische Gerichte im Rahmen selektiver Interaktion zwischen Russland und der EU. Actual Problems of Russian Law, 1(110), 142–150. 10.17803/1994-1471.2020.110.1.142-150.

5. Klee, L. (2018). Internationales Bauvertragsrecht (2. Aufl.). Wiley-Blackwell. ISBN 978-1-119-43038-4.

6. Kozhokar, I. P. (2020). Technisch-rechtliche Defekte im russischen Recht (Dissertation). Moskva: IGP RAN.

7. Kudryavtseva, L. V., & Aleksandrov, S. A. (2019). Die Wirkung des Grundsatzes von Treu und Glauben in der Tätigkeit landwirtschaftlicher Erzeuger. Problemy ekonomiki i iuridicheskoi praktiki, (2), 166–169.

8. Kudryavtseva, L. V., & Mkhitaryants, D. O. (2024). Zu einigen Fragen der kollisionsrechtlichen Regelung zivilprozessualer Rechtsverhältnisse mit Auslandsberührung. Pravo i praktika, (1), 168–173. 10.24412/2411-2275-2024-1-168-173.

9. Kutashevskaya, Ya. S. (2022). Die historische Entwicklung des Prinzips der Parteiautonomie bei der Bestimmung des auf außervertragliche Verpflichtungen anwendbaren Rechts. Vestnik Moskovskogo universiteta. Serie 11: Pravo, (1), 46–65.

10. Kuts, S. O. (2022). Verhältnis der Kollisionsnormen internationaler Verträge und des nationalen Rechts bei der Regelung vertraglicher Rechtsverhältnisse mit Auslandsbezug. Severo-Kavkazskii iuridicheskii vestnik, (3), 115–122. 10.22394/2074-7306-2022-1-3-115-122.

11. Shulakov, A. A. (2023). Internationales Privatrecht: Von der Vergangenheit zur Gegenwart. Vestnik Universiteta imeni O. E. Kutafina, 9(109), 248–255.

12. Solodilov, A. V. (2023). Res judicata und Konkurrenz widersprüchlicher Gerichtsakte: Einige Probleme von Theorie und Praxis. Ekonomicheskoe pravosudie na Dalnem Vostoke Rossii, (4), 10–58.

13. Ustimova, S. A., & Rasskazova, E. N. (2022). Digitalisierung der Zwangsvollstreckung: Vorteile und Probleme. Vestnik Moskovskogo universiteta MVD Rossii, (5), 267–270. 10.24412/2073-0454-2022-5-267-270.

14. von Savigny, F. C. (2011). System des modernen römischen Rechts. Moskva: Statut.

15. Zanina, M. A. (2019). Konflikte von Normen gleicher Rechtskraft (Begriff, Ursachen, Arten). LitRes.

16. Zupan, M. (2021). The new Croatian private international law act: Something old, something new and much borrowed. Yearbook of Private International Law, 22, 435–458. 10.9785/9783504388442-018.

KAPITEL 22. Rechtsdogmatische Grundlagen der Integration von Umweltstandards in das internationale Bauvertragsrecht

DOI: 10.64457/icl.de.ch22

Das Kapitel untersucht die Einbettung des internationalen Umweltrechts in das entstehende internationale Bauvertragsrecht. Es behandelt die dogmatischen Grundlagen des lex constructionis, das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeiten sowie die Umweltverträglichkeitsprüfung, die Risikosteuerung in den Standardverträgen der International Federation of Consulting Engineers und die Nachhaltigkeitspolitik multilateraler Entwicklungsbanken. Auf rechtsvergleichender Basis werden Musterklauseln zu Force Majeure, Hardship und unvorhersehbaren Ereignissen entwickelt, die mit LEED, BREEAM, DGNB, WELL und Green Star korrespondieren. Ergebnis ist ein übertragbares Modell, das ökonomische Interessen mit Umweltschutz vereint und die Rechtssicherheit grenzüberschreitender Projekte stärkt.

Das internationale Umweltrecht ist als eigenständiger Teil des Völkerrechts etabliert und bildet einen entscheidenden Rahmen für Mechanismen zur Verhütung grenzüberschreitender Umweltgefahren und zur Gewährleistung nachhaltiger Entwicklung. Demgegenüber befindet sich das internationale Baurecht als Fachgebiet noch in der Entstehung. Zwar betrachten viele ausländische Experten dieses Gebiet bereits als konsolidiert – was durch grundlegende Werke wie W. Breyer, International Construction Law: An Overview (Breyer, 2024), W.K. Venoit, International Construction Law (Venoit, 2009), D. Wightman und H. Lloyd, International Construction Law Review (Wightman, Lloyd, 2002) und C.B. Molineaux, International Construction Law (Molineaux, 1998) belegt wird – doch in Deutschland und anderen kontinentaleuropäischen Ländern wird „Internationales Baurecht“ als eigenes Lehr- und Praxisfeld erst allmählich entwickelt. Entsprechende Inhalte werden hierzulande im Rahmen des Bauvertragsrechts und des internationalen Wirtschaftsrechts behandelt. Standardvertragsordnungen wie die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B) spielen dabei eine wesentliche Rolle, und europäische Richtlinien (z.B. im Vergabe- und Umweltrecht) prägen den Rahmen für internationale Bauprojekte. Bemerkenswert ist, dass vier der fünf Gründungsmitglieder der BRICS-Staaten – Brasilien, Indien, China und Südafrika – Mitglieder der FIDIC (Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils) sind, was die globale Bedeutung dieser Vertragsstandards verdeutlicht.

Auf internationaler Ebene kristallisiert sich parallel eine spezialisiertere Teildisziplin heraus: das internationale Bauvertragsrecht (International Construction Contract Law – ICCL). Diese Disziplin konzentriert sich auf die Vertragsbedingungen grenzüberschreitender Bauprojekte. In der russischsprachigen Fachliteratur verdienen Arbeiten wie die von Ja. A. Anossow über die rechtliche Regulierung internationaler Bauverträge in den EAWU-Staaten (Anossow, 2022) und von I.A. Goddard über die völker- und innerstaatliche Regulierung transnationaler Bauverträge (Goddard, 2018) Beachtung. International haben etwa L. Klee, International Construction Contract Law (Klee, 2018) und D.I. Imamova, The Concept of an International Construction Contract (Imamova, 2023) wichtige Beiträge zur Doktrin des ICCL geleistet.

Für die Entwicklung des ICCL sind insbesondere die Grundsätze der lex constructionis und die von FIDIC erarbeiteten Musterverträge bedeutsam. Diese Standardverträge bieten universelle juristische Instrumente für das Risikomanagement, die Minimierung von Streitigkeiten und die Erhöhung der rechtlichen Vorhersehbarkeit bei grenzüberschreitenden Bauprojekten. Die FIDIC-Vertragsbedingungen enthalten detaillierte Klauseln zur Risikoverteilung sowie mehrstufige Verfahren der Streitbeilegung (einschließlich Dispute Adjudication Boards, DAB), die Konflikte reduzieren und eine stabile Projektdurchführung gewährleisten. Besonders hervorzuheben ist ferner die Rolle internationaler Finanzinstitutionen wie der Neuen Entwicklungsbank der BRICS-Staaten (NDB), welche vor Kreditvergabe die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen verlangen. Diese Anforderung treibt die Entwicklung von Mechanismen voran, um Umweltstandards in den Rechtsrahmen internationaler Bauverträge zu integrieren.

Gemäß der Erklärung von Rio 1992 erfordert nachhaltige Entwicklung ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichem Wachstum, sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) koordiniert die Umsetzung von Umweltabkommen und erarbeitet Methodologien und Empfehlungen. In diesem Kontext betonen O.N. Otraschewskaja und andere (2023) die Bedeutung quasi-gerichtlicher Non-Compliance-Verfahren zur Überwachung der Einhaltung internationaler Umweltverpflichtungen. Solche Verfahren spielen eine Schlüsselrolle bei der Lösung von Problemen im Zusammenhang mit der Befolgung umweltrechtlicher Normen und sichern die Erfüllung vertraglicher Umweltpflichten durch spezialisierte Compliance-Ausschüsse, wie sie etwa das Übereinkommen von Aarhus vorsieht. Darüber hinaus heben F.F. Nasirov und T.E. Sedankina (Nasirov, Sedankina, 2024) die Rolle des islamischen Rechts bei der Unterstützung nachhaltiger Entwicklung hervor. Basierend auf den Prinzipien der „himma“ (Gemeinwohl) und „haram“ (Verbotenes) fördern islamisch geprägte Rechtssysteme Umweltverantwortung und nachhaltige Ressourcennutzung. Islamisch geprägte Staaten wie Marokko und Saudi-Arabien integrieren diese Prinzipien aktiv in ihre nationalen Rechtsordnungen und internationalen Verpflichtungen, indem sie Schlüsselübereinkünfte im Umweltbereich ratifizieren, darunter das Pariser Abkommen. Es hat sich gezeigt, dass die Kombination quasi-gerichtlicher Kontrollverfahren mit den religiös-rechtlichen Grundsätzen des islamischen Rechts globale Initiativen für nachhaltige Entwicklung und die Einhaltung von Umweltstandards stärkt.

Aktuelle Entwicklungen im internationalen Umweltrecht deuten darauf hin, dass der Schwerpunkt von einer Verstärkung normativer Regulierung hin zu einer Steigerung der Effektivität der Umsetzung bestehender Abkommen verlagert wird. Im Rahmen solcher Mechanismen können Maßnahmen von finanzieller und technischer Unterstützung bis zu restriktiven Sanktionen reichen. So besitzt das CITES-Komitee die Befugnis, Handelsverbote für bestimmte Arten zu verhängen, falls ein Staat seinen Verpflichtungen zum Schutz natürlicher Ressourcen nicht nachkommt, und der Compliance-Ausschuss des Aarhus-Übereinkommens kann die Verfahrensrechte von Parteien einschränken, wenn Pflichten bezüglich des Zugangs zu Umweltinformationen und Gerichten nicht erfüllt werden.

Internationale Bauverträge müssen die strengen Anforderungen der internationalen Umweltstandards beachten, die in Übereinkommen wie dem Pariser Abkommen 2015 verankert sind. Dies unterstreicht die Wichtigkeit der Untersuchung des internationalen Umweltrechts im Kontext von Bauverträgen, da Umweltauflagen mit den kommerziellen Interessen der Vertragsparteien kollidieren können. In ihrer Studie richten I.M. Lifschitz, A.S. Smbatjan und M.R. Salija (Lifschitz u. a., 2024) den Fokus auf die rechtlichen Besonderheiten der Umsetzung des Pariser Abkommens in den Ländern der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), das auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen und die Erreichung von Klimaneutralität abzielt. Die nationalen Rechtsordnungen leisten den Hauptbeitrag zur Erfüllung dieser Verpflichtungen: Russland und Kasachstan streben Klimaneutralität bis 2060 an, Belarus und Armenien bis 2050, was für die Synchronisierung von Umwelt- und Baumaßnahmen bedeutsam ist. Die Autoren stellen fest, dass sektorale nationale Minderungsbeiträge den Willen der Staaten widerspiegeln, lokale Gegebenheiten zu berücksichtigen und gleichzeitig globale Klima- und Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen. Zudem betonen sie, dass die Entwicklung eines gemeinsamen Kohlenstoffregulierungssystems innerhalb der EAWU erforderlich ist, um Klimaschutzmaßnahmen effektiv umzusetzen – insbesondere in Branchen mit hoher Umweltrelevanz wie dem Bau- und Infrastruktursektor.

Die Grundprinzipien des internationalen Umweltrechts – darunter das Vorsorgeprinzip und das Konzept der nachhaltigen Ressourcennutzung – bilden das Fundament der globalen Rechtsordnung für nachhaltige Entwicklung. Das Prinzip der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“ (Common but Differentiated Responsibilities, CBDR) verteilt die Verpflichtungen der Staaten je nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und ihrem Entwicklungsstand. Im internationalen Bauvertragsrecht bedeutet dies, dass Entwicklungsstaaten im Vergleich zu Industriestaaten unter Umständen geringere Umweltschutzauflagen tragen. L. Rajamani weist darauf hin, dass dadurch der unterschiedlichen ökonomischen und technologischen Leistungsfähigkeit der Staaten bei der Umsetzung großer Infrastrukturprojekte Rechnung getragen wird. In den vergangenen Jahrzehnten sind Kontrollmechanismen zur Einhaltung von Umweltstandards zu einem wichtigen Bestandteil verschiedener internationaler Übereinkünfte geworden, etwa des Kyoto-Protokolls 1997, des Montrealer Protokolls 1987 und der Aarhus-Konvention 1998. Diese Verfahren schaffen einen völkerrechtlichen Rahmen für den Umweltschutz, den Staaten in ihr nationales Recht übernehmen und der sicherstellt, dass Teilnehmer an Bauprojekten Umweltstandards einhalten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Anwendung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) als unverzichtbares Instrument zur Vermeidung von Umweltrisiken bei großangelegten Bauprojekten. Der UVP-Prozess erfordert eine obligatorische vorherige Bewertung der potenziellen Auswirkungen, die ein Projekt auf die Umwelt haben kann, bevor mit seiner Durchführung begonnen wird. Dies umfasst die Analyse verschiedener Faktoren wie der Einwirkung auf Ökosysteme, der Luft- und Wasserqualität sowie der Gesundheit der Bevölkerung. Die UVP fördert nicht nur einen ausgewogeneren und verantwortungsvolleren Ansatz bei der Projektplanung, sondern stellt auch die Beachtung der Nachhaltigkeitsprinzipien sicher, indem ökologische Belange in frühen Planungsphasen integriert werden. Professor Alan Gilpin merkt an, dass die Einführung der UVP in internationale Bauverträge zu einem Schlüsselelement eines effektiven Umwelt-Risikomanagements geworden ist (Gilpin, 1995). Dieses Verfahren hilft, negative Umweltauswirkungen zu minimieren, und schafft ausgewogene Rahmenbedingungen für die Vereinbarung wirtschaftlicher Interessen mit den Anforderungen des Umweltschutzes. Ein solcher Ansatz ist besonders relevant vor dem Hintergrund zunehmender Bauaktivitäten und immer strengerer Umweltauflagen. Die konsequente Anwendung der UVP kann dazu beitragen, Konflikte zwischen wirtschaftlichen Projektinteressen und Umweltbelangen zu verhindern und eine nachhaltigere sowie sicherere Entwicklung der Bauwirtschaft auf internationaler Ebene zu ermöglichen. Voraussichtlich wird in den kommenden Jahren vermehrt auf „hybride“ Verträge zurückgegriffen, die verbindliche Rechtsnormen mit freiwilligen Umweltstandards kombinieren, um den CO₂-Fußabdruck von Bauprojekten zu verringern.

Des Weiteren zeigt sich die Integration des Umweltvölkerrechts in Bauverträge darin, dass die Vertragsparteien sich verpflichten, internationale Umweltstandards einzuhalten. Dies beinhaltet die Anwendung „grüner“ Baustandards wie BREEAM und LEED, die dazu beitragen, die Umweltauswirkungen von Bauprojekten zu minimieren (Kubba, 2012). Es wurde festgestellt, dass internationale Umweltstandards wie LEED, BREEAM, DGNB, Green Star und WELL eine wichtige Rolle bei der Bewertung von Projekten spielen, die von internationalen Banken finanziert werden – darunter der BRICS-Entwicklungsbank (NDB) und der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB). Die in den Richtlinien dieser Banken verankerten Nachhaltigkeitspolitiken schreiben die sorgfältige Beachtung der ökologischen und sozialen Verantwortung eines Projekts vor, was mit den Kernprinzipien der genannten Standards übereinstimmt. Darüber hinaus trägt die Zertifizierung nach Systemen wie BREEAM und LEED zur Steigerung der Energieeffizienz, zur Senkung der Betriebskosten und zur Minimierung von Umweltrisiken bei, wodurch Projekte für internationale Finanzierungen attraktiver werden. Eine solche Zertifizierung ermöglicht es den Banken auch, „grüne Anleihen“ für nachhaltige Investitionen auszugeben und das Vertrauen der Anleger zu stärken. Die Standards LEED und BREEAM, als die weltweit verbreitetsten, finden oft Anwendung bei der Bewertung großangelegter Infrastrukturprojekte. Der deutsche DGNB-Standard zeichnet sich durch den gleichrangigen Fokus auf Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialaspekte aus, während WELL und Green Star das Augenmerk auf die Gesundheit der Nutzer und den Erhalt der Biodiversität legen. Derartige Standards fördern die Transparenz von Projekten, was für langfristige internationale Investitionen wichtig ist. Die Aufnahme von Umweltkriterien in den Bewertungsprozess garantiert, dass finanzierte Projekte nicht nur profitabel, sondern auch nachhaltig sind und den aktuellen Herausforderungen des Klimawandels gerecht werden. Infolgedessen agieren Banken, die diese Ansätze integrieren, als Schrittmacher der globalen Umweltagenda und setzen Maßstäbe für nachhaltige Entwicklung. Es ist zu erwarten, dass sich die Zertifizierungssysteme erweitern und neue Indikatoren für Biodiversität und Klimaanpassung einbeziehen.

Eine der größten Herausforderungen für international tätige Bauunternehmen besteht darin, die nationalen und internationalen Umweltauflagen einzuhalten, die von Jahr zu Jahr verschärft werden. L. Zhang u. a. (2023) betonen die Wichtigkeit des Einsatzes saubererer Technologien und der Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz, um die Ziele nachhaltiger Entwicklung zu erreichen. Ein anschauliches Beispiel für die Balance zwischen Umweltverantwortung und Investorenrechten bietet das Investitionsschiedsverfahren zwischen Costa Rica und der Firma Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. (CDSE). Die Regierung von Costa Rica enteignete ein Grundstück im Eigentum von CDSE, um ein geschütztes Naturgebiet zu schaffen. Dies führte zu einem Schiedsverfahren vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), in dem CDSE eine Verletzung ihrer Eigentumsrechte und eine unzureichende Entschädigung für die Enteignung geltend machte. Der Schiedsspruch zugunsten des Unternehmens unterstrich die Bedeutung der Wahrung eines Gleichgewichts zwischen den Umweltinteressen des Staates und den Rechten der Investoren.

Die Durchführung der UVP in frühen Phasen der Planung und Umsetzung von Bauprojekten ermöglicht es vielfach, negative Folgen abzuschwächen, resiliente Infrastrukturen zu stärken und die Einhaltung internationaler Umweltverpflichtungen sicherzustellen.

Im Rahmen dieser Untersuchung wurden universelle Ansätze entwickelt, um Prinzipien des internationalen Umweltrechts in das ICCL zu integrieren. Besondere Aufmerksamkeit wurde theoretischen Aspekten gewidmet, wie der Berücksichtigung der Prinzipien nachhaltiger Entwicklung in juristischen Konstruktionen, der Einbeziehung ökologischer Risiken in allgemeine Kategorien höherer Gewalt sowie der Anpassung internationaler Musterverträge an nationale Gegebenheiten. Dies fördert die Harmonisierung der Rechtsordnungen und trägt zur Schaffung eines einheitlichen internationalen Fundaments für die Regulierung grenzüberschreitender Bauprojekte bei.

Die praktische Analyse ergab, dass alle untersuchten großskaligen Bauprojekte zwangsläufig mit externen, internen und gemischten Umweltgefahren konfrontiert waren. Die Aufnahme spezieller Mechanismen in Verträge zur Identifizierung, Analyse und Minderung solcher Risiken wird helfen, ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Interessen und ökologischer Sicherheit zu erreichen. Dieser Ansatz stimmt mit den in internationalen Abkommen verankerten Nachhaltigkeitsprinzipien überein und berücksichtigt die Anforderungen internationaler Finanz- und Versicherungsinstitutionen (wie der NDB), vor der Kreditvergabe Umwelt-Risikoabschätzungen durchzuführen.

Die Verteilung unvorhergesehener und unkontrollierbarer Risiken unter den Baubeteiligten sollte auf den in dieser Studie herausgearbeiteten lex constructionis-Prinzipien basieren, die die gebotene Sorgfalt und die Redlichkeit (Treu und Glauben gemäß § 242 BGB) der Vertragsparteien einschließen. Diese Prinzipien bilden das Fundament für die Entwicklung flexibler Mechanismen, um auf veränderte Umstände (z.B. Naturkatastrophen oder technische Unglücke) zu reagieren, indem sie Vertragsverpflichtungen anpassbar machen und eine gerechte Risikoverteilung gewährleisten. Bei der Ausarbeitung internationaler Bauverträge sollte besonderes Augenmerk auf die Ausgestaltung folgender Klauseln gelegt werden: unvorhergesehene Umstände, höhere Gewalt, Unmöglichkeit der Leistung und übermäßige Belastung (Wegfall der Geschäftsgrundlage). Diese Bestimmungen definieren Mechanismen zur Reaktion auf veränderte Bedingungen während der Projektdurchführung, einschließlich außergewöhnlicher äußerer Faktoren wie Naturkatastrophen oder vom Menschen verursachter Katastrophen. Sie schaffen die Grundlage dafür, die Verpflichtungen der Parteien anzupassen, ihre Interessen zu schützen und Verluste zu minimieren. Es wird empfohlen, im Vertrag spezielle Bestimmungen aufzunehmen, die eine unverzügliche Benachrichtigung über das Eintreten unvorhergesehener Ereignisse, die verpflichtende Einhaltung von Umweltstandards und die Integration von UVP-Verfahren in die Vertragsvereinbarungen vorsehen.

Ein umfassender Ansatz der Risikoverteilung – einschließlich Umweltverpflichtungen (z.B. Anforderungen nach LEED, BREEAM, DGNB, WELL und Green Star) in der Verhandlungsphase des Vertrags – ist unerlässlich. Es erscheint sinnvoll, internationale Mechanismen (z.B. die FIDIC-Standardverträge) so anzupassen, dass sie die Prioritäten nachhaltiger Entwicklung berücksichtigen. Ein konkretes Instrument könnte die Aufnahme von Klauseln sein, welche die obligatorische Anwendung internationaler Umweltstandards sowie die Durchführung von UVP-Verfahren vorschreiben. Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen, dass die Integration von Umweltstandards und internationalen Regulierungsmechanismen (wie etwa der FIDIC-Musterverträge) unter Berücksichtigung nationaler Gegebenheiten nicht nur die Resilienz von Infrastrukturprojekten erhöht, sondern auch die Wettbewerbsposition der beteiligten Staaten und Unternehmen auf dem Weltmarkt stärkt. Die Umsetzung der vorgeschlagenen Mechanismen trägt zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele bei und erhöht die Rechtssicherheit grenzüberschreitender Bauvorhaben. Die entwickelten Ansätze können genutzt werden, um FIDIC-Standards an nationale Rechtsordnungen anzupassen und Umweltstandards in die Praxis der Umsetzung transnationaler Projekte einzuführen. Die Anwendung dieser Ansätze wird die Nachhaltigkeit von Infrastrukturprojekten verbessern, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Beteiligten stärken und zur Verwirklichung der Ziele nachhaltiger Entwicklung beitragen.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 22: Internationales Umweltrecht und seine Rolle bei der Gewährleistung nachhaltiger Entwicklung.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Международное экологическое право и механизмы его интеграции в систему правового регулирования транснациональных строительных проектов / Д. С. Белкин // Теория и практика общественного развития. – 2025. – № 1(201). – С. 131-137. – DOI 10.24158/tipor.2025.1.16. – EDN NXDZJJ. DOI: 10.24158/tipor.2025.1.16 EDN: NXDZJJ

Article URL: https://disk.yandex.ru/i/mHQutac55Cl8gA

Article PDF: https://www.elibrary.ru/download/elibrary_80261967_38599831.pdf

Literaturverzeichnis

1. Anosov, Ya. A. (2022). Rechtliche Regulierung des internationalen Bauvertrags im Raum der EAWU-Staaten. Obrazovanie i Pravo, 11, 218–224. 10.24412/2076-1503-2022-11-218-224.

2. Breyer, W. (Hrsg.) (2024). Internationales Baurecht: Ein Überblick. London: Routledge: Taylor & Francis.

3. Gilpin, A. (1995). Umweltverträglichkeitsprüfung: Spitzentechnologie für das 21. Jahrhundert. Cambridge: Cambridge University Press.

4. Goddard, I. A. (2018). Völker- und innerstaatliche Regulierung grenzüberschreitender Bauverträge. Izvestiya Yugo-Zapadnogo Gosudarstvennogo Universiteta, 22(3), 153–164. 10.21869/2223-1560-2018-22-3-153-164.

5. Klee, L. (2018). Internationales Bauvertragsrecht. Oxford: John Wiley & Sons.

6. Kubba, S. (2012). Handbuch für grünes Bauen: LEED, BREEAM und Green Globes. Oxford: Butterworth-Heinemann.

7. Lifshits, I. M., Smbatyan, A. S., & Saliya, M. R. (2024). Umsetzung des Pariser Abkommens in den Rechtssystemen der EAWU-Staaten. Lex Russica, 77(1), 103–118. 10.17803/1729-5920.2024.206.1.103-118.

8. Murodjonova, M. M., & Imamova, D. I. (2023). Der Begriff des internationalen Bauvertrages. Vestnik Yuridicheskikh Nauk, 7(2), 61–69. 10.51788/tsul.rols.2023.7.2./VJGM1988.

9. Nazarov, M. A. (2022). Moderne Umweltbedrohungen im Kontext nachhaltiger Entwicklung. Vestnik Nauki i Tvorchestva, 8(80), 58–62.

10. Nazirov, F. F. (2024). Lehre des Umweltrechts im Islam und globale Umweltagenda. Vestnik Nauki, 4(1), 185–192.

11. Otrashevskaya, A. M., Solntsev, A. M., & Yusifova, P. N. (2023). Die Rolle der Vertragsorgane bei der Überwachung der Einhaltung internationaler Umweltverpflichtungen. Moscow Journal of International Law, 1, 47–75. 10.24833/0869-0049-2023-1-47-75.

12. Rajamani, L. (2000). Gemeinsame, aber differenzierte Verantwortlichkeiten und der Ausgleich der Verpflichtungen im Klimaregime. Review of European Community & International Environmental Law, 9(2), 120–131. 10.1111/1467-9388.00243.

13. Venoit, W. K., Brannan, A. D., Beaumont, D. R., Ness, A. D., & Oles, D. S. (Hrsg.) (2009). Internationales Baurecht. Chicago: American Bar Association.

14. Wightman, D., & Lloyd, H. (Hrsg.) (2001). International Construction Law Review (Jahrbuch). London; Hongkong: LLP.

15. Zhang, L., Xu, M., Chen, H., Li, Y., & Chen, S. (2022). Globalisierung, Green Economy und Umwelt-Herausforderungen. Frontiers in Environmental Science, 10, 870271. 10.3389/fenvs.2022.870271.

KAPITEL 23. Dogmatische Grundstrukturen des völkerrechtlichen Energiebaurechts: Systematisierung, Vertragsdogmatik und verfassungsrechtliche Bezüge

DOI: 10.64457/icl.de.ch23

Internationale Energieabkommen prägen vielschichtig die Risikoverteilung, Investitionsschutz- und Schiedsklauseln von Bauverträgen im Energiesektor. Die Arbeit untersucht Vertrag zur Energiecharta, das Dritte Energiepaket der EU, Statuten von OPEC und GECF sowie die Pariser (1960) und Wiener (1963) Haftungsübereinkommen. Sanktionen und die Sabotage der Nord-Stream-Leitungen werden als Belastungsproben für force-majeure-Regelungen herangezogen. Ergebnis ist ein Katalog FIDIC-basierter Vertragsklauseln (ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit, grenzüberschreitende Unitisation, adaptive Preisformeln) und der Vorschlag UN- oder BRICS-weiter Modellverträge zur globalen Projektsicherheit.

Internationale Energieabkommen sind ein maßgeblicher Faktor für die Ausgestaltung internationaler Bauverträge im Energiesektor. Ihre Wirkung entfaltet sich auf normativer, institutioneller und ökonomischer Ebene: durch die Setzung zwingender öffentlich-rechtlicher Anforderungen an Marktteilnehmer, durch die Etablierung transparenter Transit- und Investitionsregime sowie durch die Vorgabe preislicher und technologischer Referenzrahmen, die Projektträger in ihre Vertragsarchitektur integrieren müssen. In der heutigen multilateralen Regulierungsordnung nimmt der Energiecharta-Vertrag von 1994 (ECT) eine zentrale Stellung ein; die Forschung hebt hervor, dass er als erstes multilaterales Instrument den Schutz von Energieinvestitionen und einen Rechtsrahmen für den grenzüberschreitenden Energietransit etabliert und Investoren zudem ein unmittelbares Klagerecht gegen Staaten vor internationalen Schiedsgerichten verleiht (Golovanova & Kuklina, 2020; Konoplyanik & Walde, 2006). Für EPC/EPCM-Verträge über Energieinfrastruktur folgt hieraus die Notwendigkeit, Investitionsschutzklauseln vorzusehen und die Streitbeilegung so zu kalibrieren, dass bei Vorliegen von Investitionselementen der Weg zum ICSID offensteht, während für reine Leistungsstreitigkeiten ein kommerzielles Schiedsforum (z. B. ICC) erhalten bleibt.

Vor dem Hintergrund einer beschleunigten Energiewende und einer Verschiebung geopolitischer Gewichte wirken die regulatorischen Initiativen der Europäischen Union – namentlich das Dritte Energiepaket – in außergewöhnlicher Weise auf den Abschluss und die Durchführung von Bauverträgen, die mit den Strom- und Gasmärkten verknüpft sind. Liberalisierung, diskriminierungsfreier Netzzugang und Entflechtung (Unbundling) werden in techno-juristische Pflichten für Auftraggeber und Auftragnehmer „übersetzt“, einschließlich Interoperabilitätsanforderungen, Umweltgenehmigungen und Kartellrechts-Compliance (Chugunov, 2022; Gudkov, 2016). Vertragspraktisch führt dies zu „Besonderen Bedingungen“ (FIDIC: Particular Conditions) mit Zusagen zum Drittzugang, zu ringfenced-Rechnungslegung sowie zu feineren Risikomatrizen für Verzögerungen aufgrund von Rechtsänderungen, flankiert durch aufschiebende Bedingungen (conditions precedent), strenge Anzeigefristen (time-bar; etwa 28-Tage-Mitteilungen) und „change in law“-Mechanismen, deren Wirksamkeit einer AGB-Kontrolle und dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) standhalten muss.

Produzentenassoziationen wie die OPEC und zwischenstaatliche Foren wie das Gas Exporting Countries Forum beeinflussen Bauverträge mittelbar über Preisbildung und Sanktionsrisiken. Das OPEC-Statut kodifiziert die Koordinierung der Exportpolitik der Mitgliedstaaten; dies prägt langfristige Preisbenchmarks und Nachfrageprognosen und wirkt damit auf Finanzmodelle, Indexierungen und Preisanpassungsklauseln in EPC/EPCM-Verträgen (OPEC, 2021). Fragen der Sanktionsverträglichkeit von Zahlungen, Ausrüstungen und Dienstleistungen sind zur Regeldisziplin der Gasbranche geworden; aktuelle Berichte über Genehmigungen für bestimmte Energiegeschäfte mit russischen Kontrahenten unterstreichen diese Exponierung (Interfax, 2023). Vertraglich geboten sind robuste Force-Majeure-, Change-in-Law- und Sanktionsklauseln sowie erweiterte „Representations and Warranties“ von Lieferanten, ausstellenden Banken für „on-demand bonds“ und Versicherern; zugleich sind Verhältnismäßigkeit und Privatautonomie im Blick zu behalten.

Die Doktrin der Energiesicherheit liefert den öffentlich-rechtlichen Rahmen, der die privatautonome Gestaltung begrenzt. Als Fähigkeit des Staates verstanden, eine stabile Versorgung zu gewährleisten und kritische Infrastruktur zu schützen, bildet Energiesicherheit ein eigenständiges rechtliches Schutzgut, das die Vertragsfreiheit kanalisiert: Routenentscheidungen, Standards der physischen Sicherheit, Anforderungen an Versorgungssicherheit und Importsubstitution geraten unter Regulierungsregime (Shestopalov, 2012). Für Bauvertragsformen bedeutet dies verschärfte Lizenz- und Zulassungsvoraussetzungen, die Einbindung detaillierter Business-Continuity-Pläne (BCP), Stresstest-Protokolle sowie Informationspflichten gegenüber Aufsichtsbehörden; im nationalen Werkvertragsrecht sind hierbei VOB/B-Schnittstellen und HOAI-Belange mitzudenken.

Ein besonderer Regimekomplex sind die Übereinkommen zur zivilrechtlichen Haftung für Nuklearschäden – das Pariser Übereinkommen (1960) und das Wiener Übereinkommen (1963). Diese Verträge setzen imperative Haftungszuweisungen, Haftungshöchstgrenzen und Versicherungspflichten, die die vertragliche Risikostruktur beim Bau von Kernkraftwerken unmittelbar prägen: Sie erzwingen erweiterte Versicherungsdeckungen, periodische Sicherheits-Audits, das Management nuklearer Stoffe und Notfallprotokolle. Rechtlich verschiebt sich damit ein Teil der Risiken aus dem dispositiven Bereich der Parteien in den Orbit völkerrechtlicher Verpflichtungen der Staaten, was die Spielräume der FIDIC-„Particular Conditions“ und den Zuschnitt von Sicherheiten (Garantien, Versicherung) vorgibt.

Forschungen zum grenzüberschreitenden Rohstoffabbau in der Arktis zeigen, wie zwischenstaatliche Abkommen über Abgrenzung, Unitisierung und gemeinsame Bewirtschaftung in privatrechtliche Pflichten transformiert werden – über Beteiligungsformeln, Koordinierungsausschüsse und Joint Operators; einschlägig ist die russisch-norwegische Praxis (Vylegzhanin, Salygin & Krymskaya, 2020). Für Auftragnehmer resultieren strenge Anforderungen an „supply chain compliance“, einheitliche Standards der technischen Dokumentation sowie Akzeptanz von an zwischenstaatlichen Abkommen ausgerichtetem anwendbarem Recht und Gerichtsstand, die dispositiven Vertragsregelungen vorgehen.

Geopolitische Schocks und einseitige restriktive Maßnahmen beeinflussen Termine und Kosten von Energie-Bauprojekten und verlangen bereits in der Vorvertragsphase einen „Schutzgürtel“ der Rechtspositionen. Illustrativ sind die Verzögerungen und weiteren Entwicklungen um „Nord Stream 2“, die in der Literatur im Lichte von Sanktionsregimen analysiert werden (Kritskiy, 2017). Nach dem Sabotageakt im September 2022, der Stränge von „Nord Stream“ und „Nord Stream 2“ physisch zerstörte, stellten sich Fragen der Zuweisung von Force-Majeure-Risiken, der Versicherungsdeckung, von Beweismaßstäben und Subrogation zwischen Auftragnehmern, Betreibern und Versicherern. Vertragsreaktionen sind vertiefte Pflichten zu Vermessung und Monitoring, Cyber- und physische Sicherheitsauflagen, eine Klassifizierung der Risiken nach Versicherbarkeit sowie klare Trigger für Frist- und Preisfortschreibungen bei internationaler Spannungslage. In diesem Kontext erinnert ein klassischer Grundsatz deutscher Außen- und Energiepolitik an die strukturelle Interdependenz: „Mit Rußland muß Deutschland immer ein gutes Einvernehmen haben.“ [Германия всегда должна поддерживать хорошие отношения с Россией.] – eine Mahnung zur Risikosaldierung, die auch die Vertragsgestaltung durchzieht.

Abkommen im Rahmen der EAWU und andere Regionalregime implementieren besondere Streitbeilegungsverfahren für grenzüberschreitende Netze und Trasseninfrastruktur; Analysen des russisch-norwegischen Unitisierungsmodells verweisen auf deren Effektivität (Fodchenko, 2018). Die Entwicklung zeigt eine Präferenz für gestufte Mechanismen: Verhandlung – unabhängiges Sachverständigengutachten – Dispute Avoidance/Adjudication Board (DAAB) – Schiedsverfahren. In Energie-Bauverträgen schlägt sich dies in obligatorischen FIDIC-DAAB-Klauseln, in Good-Faith-Pflichten bei Vorstufen sowie in einer an den „standard of review“ und das Verhältnismäßigkeitsprinzip angelehnten Eskalationslogik nieder.

Internationale Energieabkommen wirken auf das nationale Recht ein, indem sie Gesetzesnovellen anstoßen, die Sicherheits- und Nachhaltigkeitsstandards von Energieanlagen anheben. Die russische Lehre betont die Notwendigkeit, solche internen Neuerungen mit internationalen Verpflichtungen zu harmonisieren – als Bestandteil der Stärkung der Energiesicherheit (Lisitsyn-Svetlanov, 2021). Dies recalibriert Projekt- und Bauvorschriften und schafft normative „Anker“ für Verträge: Listen obligatorischer Standards (GOST, SP, ISO), erweiterte „Arbeitgeber-Anforderungen“, unabhängige technische Aufsicht und Compliance-Audits; im deutschen Kontext sind Schnittstellen zu Bauordnungs- und Vergaberecht (GWB-Vergaberecht) mitzudenken.

Ökonomisch schlagen sich internationale Energieabkommen in Preis- und Investitionsanreizen nieder. Langfristige Gasabreden zwischen Russland und EU-Staaten sowie Förderregime für Erneuerbare – Subventionen und steuerliche Erleichterungen aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen – werden in die Finanzmodelle von Bauverträgen eingebettet und bestimmen EPC-Preisparameter, Zahlungspläne, KPI und Bonus-Malus-Systeme (Gudkov, 2016; Romanova, 2015, 2016).

Eine systematische dogmatische Bewertung bestätigt die Mehrebenen-Normbildung. Studien zu internationalen Energiebeziehungen heben die Komplexität des Akteursgefüges sowie die Notwendigkeit klarer Rechte-/Pflichtenallokation und effektiver Streitbeilegungsmechanismen hervor (Bogonenko, 2017). Für das internationale Bauvertragsrecht ergeben sich drei Folgerungen: Erstens sollte dem Investor neben dem kommerziellen Schiedsverfahren der Zugang zu investitionsrechtlichen Schutzforen eröffnet sein. Zweitens sind Sanktions-, Umwelt- und Technologieregime als eigenständige Gründe für Frist-/Preis-Anpassungen in die Risikomatrix zu integrieren. Drittens sind Leistungssicherheiten (on-demand-Garantien, CAR/EAR- und Betriebsunterbrechungs-Deckungen, politische Risikoversicherungen) im Rahmen der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Grenzen abzustimmen.

Die weitere Entwicklung des internationalen Energierechts – und seine Projektion auf Bauverträge – wird von der Vereinheitlichung „grüner“ Baustandards und der Erneuerbaren sowie von der Digitalisierung des Lebenszyklus der Anlagen geprägt sein. Die Literatur bestätigt, dass politisch-rechtliche Faktoren des Energie-Dialogs zwischen Russland und der EU weiterhin erhebliche Projektwirkungen entfalten (Gudkov, 2014) – mit Konsequenzen für Vertragsstruktur, Genehmigungen und Risikoteilung. Strategisch erscheint es angezeigt, einheitliche Infrastruktur-Formulare im Rahmen der BRICS oder der Vereinten Nationen zu entwickeln, aufbauend auf bewährten FIDIC-Formen und angepasst an regionale öffentlich-rechtliche Anforderungen. Kernbestandteil sollte eine ICSID-Schiene sein, wo die Streitigkeit Investitionselemente aufweist – unter Bezug auf die in Salini angewandten Kriterien –, während für „rein“ kommerzielle Differenzen weiterhin ICC-Schiedsgerichtsbarkeit vorgesehen wird (Salini Costruttori S.p.A. and Italstrade S.p.A. v. Kingdom of Morocco [I], 2001).

In der Summe ziehen internationale Energieabkommen die Grenzen und Vektoren der Vertragsautonomie im Energiebau: Sie kodifizieren Regeln zu Zugang, Transit, Haftung und Streitbeilegung; sie definieren Preis- und Technologierahmen und kanalisieren staatliche Förder- und Versicherungslösungen. FIDIC-basierte, an öffentliche Regime – von nuklearer Haftung bis Sanktionsklauseln – angepasste Vertragsformen bieten die nötige Vorhersehbarkeit. Der Fortschritt hängt von zwischenstaatlicher Vereinheitlichung, digitalen Informations-Standards und belastbaren mehrschichtigen Mechanismen zum Schutz der Rechte der Projektbeteiligten ab.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 23: Völkerrechtliche Zusammenarbeit im Energiebereich. Internationales Energierecht. Probleme des internationalen Atomrechts.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Влияние международных энергетических соглашений на условия международных строительных контрактов в энергетическом секторе / Д. С. Белкин // Законы России: опыт, анализ, практика. – 2025. – № 3. – С. 82-86. – EDN LFNVDS. EDN: LFNVDS

Article URL: http://www.bukvoved.ru/anno/anno-03-2025.html

Literaturverzeichnis

1. Bogonenko, V. A. (2017). Rechtliche Natur und Merkmale völkerrechtlicher Beziehungen im Energiebereich. Vestnik Polotskogo gosudarstvennogo universiteta. Seriya D, (14), 127–132.

2. Chugunov, D. K. (2022). Rechtliche Aspekte der Umsetzung der Energiepolitik der EU gegenüber Drittstaaten (Dissertation). Moskau.

3. Fodchenko, I. P. (2018). Mechanismen der Streitbeilegung im russisch–norwegischen Modell der Unitisierung. Predprinimatel’skoe pravo, (4), 63–69.

4. Golovanova, A. E., & Kuklina, A. N. (2020). Grundlagen des Energiechartavertrags. In Rynochnaya transformatsiya ekonomiki Rossii (S. 12–14).

5. Gudkov, I. V. (2016). Zuständigkeit der EU in der Regulierung energierechtlicher Beziehungen. Mezhdunarodnoe ekonomicheskoe pravo, (1), 10–17.

6. Konoplyanik, A., & Walde, T. (2006). Energiechartavertrag und seine Bedeutung. Journal of Energy & Natural Resources Law, 24, 523.

7. Kritskiy, K. V. (2017). Einseitige restriktive Maßnahmen. Moskovskii zhurnal mezhdunarodnogo prava, (1), 131–140.

8. Lapshina, I. E., Zelenkova, L. K., & Ogorodnikova, L. E. (2023). Völkerrechtliche Regulierung des Handels mit Energieressourcen. Zakon i vlast’, (5), 84–95.

9. Lisitsyn-Svetlanov, A. G. (2021). Energiesicherheit und rechtspolitische Aufgaben. Pravovoi energeticheskii forum, (4), 8–12.

10. Romanova, V. V. (2015). Rechtsgrundlagen der internationalen Energieordnung. Mezhdunarodnoe publichnoe i chastnoe pravo, (3), 9–12.

11. Romanova, V. V. (2016). Außenwirtschaftliche Geschäfte im Gassektor. Mezhdunarodnoe publichnoe i chastnoe pravo, (3), 12–16.

12. Shestopalov, P. V. (2012). Wesen der Energiesicherheit. Problemy ekonomiki i yuridicheskoi praktiki, (5), 200–201.

13. Vylegzhanin, A. N., Salygin, V. I., & Krymskaya, K. A. (2020). Grenzüberschreitende Rohstoffnutzung. Mezhdunarodnye protsessy, 18(3), 23–41.

KAPITEL 24. Rechtsdogmatische Verknüpfung von Humanitärem Völkerrecht und internationalem Bauvertragsrecht beim Wiederaufbau ziviler Unterkunft

DOI: 10.64457/icl.de.ch24

Das Kapitel verknüpft humanitäres Völkerrecht (HVR) und internationales Bauvertragsrecht (ICCL), um den Schutz von Kriegsopfern durch Notunterkünfte zu sichern.

Konventionelle und gewohnheitsrechtliche HVR-Quellen – insbesondere die Genfer Konventionen und der IKRK-Katalog von 161 Regeln – werden mit FIDIC-Standardverträgen verglichen.

Fallstudien zu UN- und UNHCR-Programmen sowie der schwimmenden Pier von Gaza (2024) verdeutlichen, wie FIDIC-Klauseln zu Höherer Gewalt, Streitbeilegung und adaptiver Terminplanung Projekte unter Extrembedingungen sichern.

Die Analyse betont Pflichten von Staaten, bewaffneten Gruppen und privaten Auftragnehmern sowie den Bedarf an koordinierten, regelbasierten Wiederaufbaustrategien.

Das internationale humanitäre Völkerrecht (IHL) ist ein zentrales Instrument zum Schutz von Kriegsopfern, einschließlich der Zivilbevölkerung. In bewaffneten Konflikten befinden sich diese Menschen oft in Situationen, in denen ihre Wohnhäuser zerstört werden und sie gezwungen sind, einen neuen Aufenthaltsort zu suchen. Die Einhaltung der Normen des humanitären Völkerrechts wird besonders wichtig, wenn es darum geht, denjenigen, die unter den Folgen von Kriegshandlungen leiden, sicheren Schutz zu garantieren. Moderne Konflikte erfordern jedoch nicht nur die Bereitstellung humanitärer Hilfe, sondern auch die Schaffung eines klaren rechtlichen Rahmens für die schnelle Organisation des Baus temporärer oder permanenter Unterkünfte für Flüchtlinge. In diesem Zusammenhang spielt das internationale Bauvertragsrecht (ICCL) eine wichtige Rolle, da es die rechtlichen und organisatorischen Aspekte von Bauprojekten regeln kann, die dem Wiederaufbau zerstörter Wohnhäuser und dem Schaffen neuer Wohnanlagen für Vertriebene dienen. Hervorzuheben sind die Standards der Internationalen Föderation der Beratenden Ingenieure (FIDIC) sowie die Baunormen verschiedener Länder, die die rechtliche Regulierung vielgestaltig machen und deren Anpassungsfähigkeit im Rahmen des Schutzes von Kriegsopfern und der Systematisierung ihres Rechts auf sicheres und angemessenes Wohnen erschweren.

Innerhalb des IHL unterscheidet man häufig zwischen zwei Schlüsselkomponenten – dem „Haager Recht“ und dem „Genfer Recht“. Das Haager Recht, wie es in den Haager Konventionen von 1899 und 1907 formuliert ist, regelt die Methoden der Kriegsführung und das Verhalten der Streitkräfte, während die Genfer Konventionen darauf abzielen, die von Kriegshandlungen Betroffenen zu schützen, einschließlich der Zivilbevölkerung und der Kriegsgefangenen. Die Verabschiedung der Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen hat den Regulierungsbereich erweitert, der traditionell dem Haager Recht zugerechnet wird, was in der modernen Konfliktregulierungspraxis zur Verminderung der Bedeutung dieser Unterteilung geführt hat (Avakyan, 2022).

In modernen bewaffneten Konflikten wie den Militäroperationen in Syrien oder im Irak gehen die Probleme des Schutzes von Zivilbevölkerung und Flüchtlingen jedoch über das bloße Befolgen der IHL-Normen hinaus. Der Bedarf, rasch Wohnraum und Infrastruktur bereitzustellen, erfordert die Entwicklung umfassender Rechtsmechanismen, die sowohl Sicherheitsstandards berücksichtigen als auch die zügige Durchführung von Bauprojekten gewährleisten. In diesem Kontext spielt das ICCL eine Schlüsselrolle, indem es Mittel zur Ausarbeitung von Verträgen bereitstellt, die flexibel auf Notlagen reagieren können. Beispielsweise bieten die FIDIC-Standardverträge Mechanismen zur Streitbeilegung und Anpassung vertraglicher Verpflichtungen in Fällen höherer Gewalt, wie bewaffnete Konflikte oder Naturkatastrophen. Dies ermöglicht die Fertigstellung von Wohnbauprojekten selbst in Krisenzeiten, was für den Schutz von Flüchtlingen und Betroffenen von äußerster Bedeutung ist. Der Einsatz solcher flexibler Rechtsmechanismen trägt somit nicht nur zur Durchführung von Bauprojekten bei, sondern verhindert auch juristische Konflikte, die durch Verzögerungen und Vertragsverletzungen in Krisensituationen entstehen (Goodwin-Gill et al., 2021).

Diese Untersuchung basiert auf einer Analyse der Normen des humanitären Völkerrechts und ihrer Anwendung im Kontext des ICCL. Der Schwerpunkt liegt auf den Genfer Konventionen, den von der FIDIC entwickelten Musterbauvertragsformularen und ihrer Integration in Prozesse zum Wiederaufbau zerstörter Wohnhäuser und zur Schaffung temporärer Unterkünfte für Flüchtlinge. Analysiert werden die rechtlichen Grundlagen der Regulierung von Bauprojekten in Konfliktzonen mit besonderem Augenmerk auf die Rechtspraxis und die Einhaltung internationaler sowie nationaler Sicherheitsstandards. Ein wesentlicher Teil der Arbeit ist realen Fallstudien humanitärer Operationen gewidmet, darunter solche unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen und anderer internationaler Organisationen, um die Schlüsselfaktoren zu identifizieren, die den Schutz von Kriegsopfern im Zusammenhang mit Infrastrukturaufbau und -wiederherstellung sicherstellen. Auf dieser Basis sollen Ansätze zur Integration internationaler Verpflichtungen in konkrete Projekte zur Bereitstellung von Wohnraum und Infrastruktur für von bewaffneten Konflikten Betroffene entwickelt werden.

Das Gewohnheitsrecht (CIL) spielt eine Schlüsselrolle im rechtlichen Schutz von Kriegsopfern, besonders in Fällen, in denen einzelne Staaten wichtige internationale Verträge nicht ratifiziert haben. Dies ist insbesondere bei innerstaatlichen bewaffneten Konflikten relevant, in denen das Fehlen rechtlich verbindlicher Normen zu bedeutenden Lücken im Schutz der Rechte der Zivilbevölkerung führen kann. Der durch das CIL geschaffene Rechtsrahmen schließt diese Lücken aufgrund seiner Universalität. Staaten, internationale Organisationen oder andere völkerrechtlich anerkannte Akteure mit Rechtsfähigkeit können nicht nur am Gesetzgebungsprozess mitwirken, sondern sind auch die Hauptträger der durch diese Normen festgelegten Rechte und Pflichten. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Schaffung rechtlicher Schutzmechanismen für Kriegsopfer, indem sie Standards implementieren, die einen dauerhaften Rechtsschutz auf internationaler Ebene gewährleisten (Kuzmin, 2022).

Trotz der Bedeutung des Gewohnheitsrechts als Schutzinstrument in bewaffneten Konflikten müssen seine Beschränkungen beachtet werden. Gewohnheitsrecht enthält im Gegensatz zum Vertragsrecht nicht immer klare, formalisierte Normen, die unmittelbar anwendbar sind. Dies erschwert die praktische Anwendung, da solche Normen meist abstrakter und weniger detailliert sind als vertragliche Verpflichtungen, was ihre Interpretation und Umsetzung in konkreten Fällen erschweren kann. Zudem erfordert das ungeschriebene Wesen des Gewohnheitsrechts häufig zusätzlichen Aufwand, um den genauen Inhalt der in einer bestimmten Situation anwendbaren Normen zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist die Arbeit des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) von besonderer Bedeutung: Es hat eine umfassende Studie durchgeführt, um die Gewohnheitsnormen des IHL zu kodifizieren. Als Ergebnis dieses Projekts wurden 161 Regeln ermittelt, die als Gewohnheitsrecht anerkannt sind und von Praktikern zum Schutz von Kriegsopfern und Betroffenen eingesetzt werden können (Guliyev, 2022). Dieses Projekt des IKRK stellt eine wertvolle Ressource für Juristen und Völkerrechtler im humanitären Bereich dar, da es zur Präzisierung und Systematisierung der in verschiedenen Konfliktkontexten anwendbaren Normen beiträgt und damit ihre praktische Anwendung erleichtert.

Die Quellen des humanitären Völkerrechts lassen sich in zwei Hauptkategorien einteilen, die jeweils erhebliche Bedeutung für die Durchführung von Bauprojekten in Konfliktzonen haben: konventionelle Quellen und außer-konventionelle Quellen. Konventionelle Quellen sind internationale Verträge wie die Genfer Konventionen, die die Grundlage für die Regulierung der Rechte und Pflichten der Konfliktparteien während bewaffneter Auseinandersetzungen bilden. Diese Abkommen schaffen detaillierte rechtliche Normen zum Schutz der Zivilbevölkerung, der Verwundeten, der Kranken, der Kriegsgefangenen und weiterer schutzbedürftiger Gruppen. Die Genfer Konventionen haben im Völkerrecht zentralen Rang, da sie Aspekte regeln, die mit der Wahrung von Rechten und Sicherheit in Kampfgebieten verbunden sind. Diese Normen bilden die rechtliche Basis für die Wiederherstellung zerstörter Infrastruktur, einschließlich der Bereitstellung temporärer Unterkünfte für Flüchtlinge, sofern solche Projekte den Anforderungen des IHL und den Sicherheitsbaunormen entsprechen.

Außer-konventionelle Quellen umfassen das Völkergewohnheitsrecht, allgemeine Rechtsgrundsätze und Resolutionen internationaler Organisationen, die die konventionellen Normen ergänzen. Obwohl diese Quellen rechtlich weniger formell bindend sind, zeigt sich ihre praktische Bedeutung besonders in Fällen, in denen internationale Verträge nicht anwendbar sind. Sie bieten eine zusätzliche Rechtsgrundlage für die Einhaltung von Sicherheitsstandards und den Schutz der Konfliktopfer, vor allem wenn Bauprojekte beschleunigt umgesetzt werden müssen und dabei sofortige Anwendung von IHL-Normen erfordern. Diese Quellen erweitern die Möglichkeiten des rechtlichen Schutzes, indem sie erlauben, Sicherheitsstandards an die Besonderheiten der Konfliktzonen anzupassen.

Staaten: Staaten sind die primären Akteure, die für die Einhaltung und Umsetzung der Bestimmungen des IHL in Konfliktgebieten verantwortlich sind, einschließlich jener Zonen, in denen Bauprojekte stattfinden. Zu ihren Pflichten gehört es, die Sicherheit der Bauprojekte zu gewährleisten, das Personal zu schützen, das am Wiederaufbau der Infrastruktur beteiligt ist, und die Rechte der Konfliktopfer zu respektieren. Dies ist besonders wichtig für den zügigen Aufbau humanitärer Einrichtungen in Krisensituationen.

Bewaffnete Nicht-Staatliche Gruppen: Bewaffnete Gruppen, die nicht staatlichen Strukturen unterstehen – wie Aufständische – sind ebenfalls verpflichtet, die IHL-Normen zu beachten, insbesondere solche zum Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Infrastruktur. In Konfliktgebieten, wo diese Gruppen operieren, sind Bauprojekte häufig bedroht. Die internationale Praxis verlangt zunehmend, diese Gruppen in Haftung zu nehmen, wenn ihre Aktivitäten Gefahren für humanitäre Bauprojekte verursachen.

Private Akteure: Private Personen und Unternehmen – etwa zivile Auftragnehmer und das Personal, das an Bauprojekten teilnimmt – müssen ebenfalls die IHL-Vorschriften befolgen, um die Rechte der Konfliktopfer zu schützen. Ihre Beteiligung an Bauvorhaben in Konfliktzonen erfordert die Einhaltung internationaler Sicherheitsstandards und die Beachtung aller IHL-Vorgaben, um Risiken zu minimieren und den Schutz der Beteiligten sicherzustellen.

In der modernen Völkerrechtsordnung hat sich die Bestimmung des zeitlichen Geltungsbereichs des humanitären Völkerrechts als komplex erwiesen, besonders in Situationen, in denen bewaffnete Konflikte von einem Modus in einen anderen übergehen. Wie L. A. Lazutin (Lazutin, 2022) erläutert, beeinflussen Prozesse der Internationalisierung und Internalisierung von Konflikten das rechtliche Regime und den Anwendungsbereich der geltenden Normen erheblich. Die Umwandlung eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts in einen internationalen führt zu einer Erweiterung der Garantien für Kombattanten und Zivilbevölkerung, was sich direkt auf die Organisation und rechtliche Regulierung des Wohnungsbaus für Flüchtlinge im Konfliktgebiet auswirkt. Daher ist das Verständnis der zeitlichen Aspekte des IHL für alle Beteiligten internationaler Bauprojekte in Konfliktzonen von großer Bedeutung. Unklarheiten über die anwendbaren Rechtsnormen können zu juristischen Kollisionen führen und die Hilfestellung für Kriegsopfer erschweren. Die Integration der Analyse der temporal begrenzten Anwendung des IHL in die ICCL-Praxis trägt dazu bei, die Effektivität humanitärer Operationen zu steigern und einen zusätzlichen Schutz der Rechte der Betroffenen sicherzustellen, indem sie die Dauer von Bauprojekten berücksichtigt.

Der Mensch ist das zentrale Subjekt des IHL und spielt in bewaffneten Konflikten eine Schlüsselrolle im Anwendungsprozess. Zu den verschiedenen Kategorien von Konfliktbeteiligten gehören Kombattanten, Verwundete und Kranke, Zivilisten, Mitarbeiter internationaler Organisationen, Ausländer, Flüchtlinge, Binnenvertriebene, Staatenlose, Doppelstaatler, Söldner, Spione usw. All diese Personen fallen unter den Schutz der IHL-Normen, was in modernen Konflikten besonders relevant ist, da diese oft die zivile Infrastruktur, einschließlich internationaler Bauprojekte, betreffen.

Trotz der zentralen Rolle, die dem Menschen im IHL zukommt, besitzt die natürliche Person keine volle völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit. Zwar verfügt der Mensch über völkerrechtliche Rechts- und Deliktsfähigkeit, die ihm bestimmte Rechte und Pflichten auf internationaler Ebene verleiht (Avakyan, 2022), doch seine Fähigkeit zu handeln bleibt eingeschränkt. Diese Beschränkung der völkerrechtlichen Persönlichkeit führt zu zusätzlichen rechtlichen Komplikationen bei der Ausarbeitung internationaler Bauverträge. Es gilt, den Schutz der Leidtragenden von bewaffneten Konflikten und die Interessen der an den Bauprojekten Beteiligten, die in solchen Situationen erheblichen Investitionsrisiken ausgesetzt sind, sorgfältig gegeneinander abzuwägen.

Das ICCL und die Rechtspraxis sehen sich daher vor die Notwendigkeit gestellt, die eingeschränkte Rechtsfähigkeit einzelner Konfliktbeteiligter zu berücksichtigen, indem sie nicht nur Staaten, sondern auch nichtstaatliche Akteure zur Verantwortung heranziehen, deren Handeln die Einhaltung der IHL-Normen beeinträchtigen könnte. Dies ist besonders wichtig, wenn Bauprojekte, die der Schaffung sicheren Wohnraums und dem Wiederaufbau von Infrastruktur dienen, unter den Bedingungen bewaffneter Konflikte realisiert werden.

In der internationalen Politik behält die humanitäre Agenda große Bedeutung. Trotz globaler Trends zur Verringerung der Gewaltbelastung, wie von Stephen Pinker (Pinker, 2021) herausgestellt, haben bewaffnete Konflikte weiterhin verheerende Auswirkungen auf die zivile Infrastruktur. Diese Konflikte bedrohen Bau- und Hilfsprojekte, die für den Wiederaufbau betroffener Regionen entscheidend sind. Hier spielen das humanitäre Völkerrecht und das ICCL eine besonders wichtige Rolle, da sie Rechtsmechanismen schaffen, um die Zivilbevölkerung und Infrastruktur auch in Krisenzeiten zu schützen.

Neben den sozialen Gefahren durch bewaffnete Konflikte sind Bauprojekte und humanitäre Einsätze erheblichen physischen Risiken durch Naturprozesse und geografische Faktoren ausgesetzt – wie Erdbeben, Überschwemmungen und biologische Gefahren (Epidemien, Pandemien). Die COVID-19-Pandemie hat eindrucksvoll gezeigt, wie biologische Bedrohungen die Durchführung von Bauprojekten und humanitären Operationen erschweren und die Risiken für alle Beteiligten erhöhen (Glaser & Novik, 2020).

Besondere Herausforderungen ergeben sich in Situationen, in denen physische Bedrohungen sich mit den sozialen durch Konflikte bedingten Gefahren überlagern. Beispielsweise kann es in aktiven Kampfgebieten erforderlich werden, dringend Spezialkrankenhäuser zur Bekämpfung einer Epidemie zu errichten, oder ein bewaffneter Konflikt kann in einem Gebiet ausbrechen, das bereits einer biologischen Gefahr ausgesetzt ist. Solche kombinierten Krisenszenarien erfordern flexible und robuste Ansätze bei der Ausführung von Bauprojekten und Vertragsschlüssen, um rechtzeitig die notwendige Infrastruktur zum Schutz der Zivilbevölkerung und der Einsatzkräfte bereitzustellen.

Diese Umstände erfordern die Weiterentwicklung und Verbesserung der Instrumente der humanitären Diplomatie und der humanitären Hilfe, insbesondere im Kontext des ICCL. Die Einführung rechtlicher Schutzmechanismen für Konfliktopfer sowie die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Staaten und internationalen Organisationen spielen eine entscheidende Rolle, um die negativen Auswirkungen bewaffneter Auseinandersetzungen und Naturkatastrophen auf die Durchführung von Bauprojekten in Konflikt- und Nachkriegsszenarien zu minimieren.

Die Intensivierung humanitärer Aktivitäten in aktuellen bewaffneten Konflikten führt zu dem Bedarf nach vertiefter theoretischer Reflexion über die laufenden Prozesse. Diese Aufgabe wird jedoch durch zwei wesentliche Faktoren erschwert. Zum einen existiert trotz der weit verbreiteten humanitären Praxis und der Übernahme internationaler Verpflichtungen durch verschiedene staatliche und nichtstaatliche Akteure weiterhin kein einheitliches Verständnis grundlegender humanitärer Begriffe. So trat zum Beispiel der Begriff „humanitäre Diplomatie“ (HD) erst Anfang der 2000er Jahre in die wissenschaftliche Diskussion ein, im Zuge der Entstehung neuer Felder diplomatischen Handelns. Die Probleme bei der Einordnung und Analyse dieses Phänomens spiegeln sich in Studien wie der von D. M. Kovba (Kovba, 2020) wider. Zum anderen erschien die erste umfangreiche Monographie zur humanitären Diplomatie erst im Jahr 2007 (Caballero-Anthony, 2018), was den relativ jungen Charakter dieses Forschungsgebiets in den internationalen Beziehungen betont.

Darüber hinaus zeichnet sich das humanitäre Umfeld durch zunehmende Komplexität aus, was direkte Auswirkungen auf große internationale Bauprojekte hat, insbesondere auf sektorübergreifende Infrastrukturvorhaben, die das Gebiet mehrerer Staaten betreffen, vor dem Hintergrund anhaltender Konflikte im Nahen Osten und im postsowjetischen Raum. Anders als traditionelle Formen der Diplomatie sind moderne humanitäre Initiativen nicht mehr allein auf bilaterale Interaktionen zwischen Staaten beschränkt. Zunehmend werden multilaterale Formate genutzt, die neben staatlichen auch nichtstaatliche Akteure einbeziehen; dies spiegelt den multifunktionalen und vernetzten Charakter der zeitgenössischen Diplomatie wider. Wie die Wissenschaftlerin Clark (Clark, 2018) hervorhebt, ist die heutige humanitäre Diplomatie „multifunktional“ und „vernetzt“, was ihre Flexibilität und Anpassungsfähigkeit unter verschiedenen Umständen betont. Medienvertreter, Wirtschaftsunternehmen und Privatpersonen werden ebenfalls immer häufiger in humanitäre Diplomatieprozesse eingebunden.

Eine bemerkenswerte Untersuchung aktueller Schutzprobleme unter humanitär-rechtlichen Aspekten bildet die Monographie von E. S. Gromoglasova, Humanitäre Diplomatie in den modernen internationalen Beziehungen: Erfahrung systematischer Forschung (Gromoglasova, 2018). Sie untersucht ausführlich Fragen der humanitären Sicherheit mit besonderem Fokus auf die Praktiken der Europäischen Union zum Schutz der Rechte der Zivilbevölkerung in Konfliktgebieten. Diese Praktiken dienen als Beispiele für die Integration humanitärer Mechanismen in das ICCL, indem sie juristische Instrumente zum Schutz der Interessen der Zivilbevölkerung und der Projektbeteiligten in Konfliktzonen schaffen.

Die humanitäre Zusammenarbeit zwischen den BRICS-Staaten stellt einen wichtigen Aspekt der internationalen Rechtskoordination in diesem Bereich dar. Insbesondere betont Paragraph 66 der Johannesburg-Erklärung des BRICS-Gipfels von 2018 die Bedeutung einer nachhaltigen Infrastrukturentwicklung und Integration in Nachkriegssituationen, unter anderem durch Programme wie die NEPAD-Initiative und das African Programme for Infrastructure Development (PIDA). Diese Unterstützung unterstreicht den Bedarf an Investitionen in Projekte, die eine stabile Erholung nach bewaffneten Konflikten ermöglichen und Infrastruktur bieten, um die Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung zu verbessern. Die Integration humanitärer Normen in internationale Bauverträge wird damit zu einem Schlüssel für die Schaffung belastbarer Rechtsrahmen, die darauf abzielen, Kriegsopfer zu schützen und künftige humanitäre Katastrophen im Wiederaufbauprozess zu verhindern.

Im ICCL-Kontext bleibt das Zusammenwirken humanitärer Organisationen und der Akteure von Bauprojekten in Krisengebieten entscheidend. Organisationen wie Médecins Sans Frontières (Ärzte ohne Grenzen) spielen eine kritische Rolle bei der humanitären Versorgung der Opfer bewaffneter Konflikte, indem sie medizinische Hilfe und Unterstützung leisten, wenn die grundlegende Infrastruktur zerstört ist. Obwohl ihre Aktivitäten nicht direkt mit der Durchführung von Bauprojekten verbunden sind, schaffen sie einen wichtigen Kontext, indem sie zeigen, dass beim Wiederaufbau von Infrastruktur in Konfliktzonen humanitäre Standards und Anforderungen berücksichtigt werden müssen, um die Sicherheit und den Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen für die betroffene Bevölkerung zu gewährleisten. Die erfolgreiche Integration humanitärer Normen und Rechtsstandards in den Wiederaufbauprozess trägt dazu bei, humanitäre Risiken zu mindern und die Rechte der Konfliktopfer zu wahren, und wird so Teil eines umfassenden Ansatzes zum Wiederaufbau nach Konflikten.

Staaten wenden aktiv Instrumente der humanitären Diplomatie an, um die Rechte von Konfliktopfern zu schützen. Ein Beispiel ist die Errichtung eines temporären schwimmenden Piers vor der Küste des Gazastreifens, die 2024 abgeschlossen wurde und den Transport humanitärer Hilfe in eine vom Konflikt schwer getroffene Region ermöglichte. Das Projekt beschleunigte die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten und zeigte damit die Bedeutung der Integration internationaler humanitärer Normen in Infrastrukturprojekte unter extremen Bedingungen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit der Kooperation zwischen Staaten, internationalen Organisationen und lokalen Akteuren bei der Umsetzung von Bauinitiativen zur Wiederherstellung und Unterstützung der betroffenen Regionen.

Die Erfahrungen des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) betonen die Wichtigkeit der strikten Einhaltung internationaler Baunormen beim Bau temporärer Unterkünfte für Kriegsopfer. Die Herangehensweise des UNHCR an die Bereitstellung von Notunterkünften, einschließlich speziell für Notfälle entwickelter Standards, demonstriert den engen Zusammenhang zwischen humanitärem Völkerrecht und Baurechtsverträgen.

In aktuellen Konflikten wie in Syrien und im Jemen erfordert die Versorgung von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen mit Notunterkünften die Lösung komplexer juristischer, technischer und organisatorischer Fragen. Zentrale Aufgabe ist dabei die Einhaltung internationaler humanitärer Normen und Standards, wobei zugleich lokale Bauvorschriften, klimatische Bedingungen und kulturelle Besonderheiten berücksichtigt werden müssen. Dies schafft zusätzliche Schwierigkeiten und verkompliziert den Aufbau temporärer Unterkünfte. In solchen Situationen kann das ICCL Instrumente bereitstellen, um diese Herausforderungen zu meistern, wie Beispiele allgemeiner Ansätze zur Regulierung von Migration und deren Verknüpfung mit externen Kontrollmechanismen zeigen (Cantor et al., 2022). Cantors Untersuchung betrachtet die Externalisierungsprozesse im Bereich Migration und die rechtlichen Aspekte ihrer Steuerung, was erlaubt, einige dieser Ansätze auf den weiter gefassten Bereich des Völkerrechts und humanitärer Operationen zu übertragen.

Moderne Rechtsnormen über den Status und die Rechte von Flüchtlingen betonen die Notwendigkeit, dieser verletzlichen Gruppe Wohnraum bereitzustellen. Gemäß UN-Prinzipien und Empfehlungen des IKRK ist die Gewährung von individuellem Wohnraum für Konfliktopfer von großer Bedeutung, da sie zur Stärkung ihrer Sicherheit und psychischen Widerstandsfähigkeit beiträgt. Die Umsetzung dieser Standards bringt viele Herausforderungen mit sich, einschließlich der Notwendigkeit, lokale Bauvorschriften, klimatische Gegebenheiten und kulturelle Aspekte zu berücksichtigen. Dies erfordert eine flexible Anpassung internationaler Standards an die spezifischen Bedingungen der jeweiligen Region. Die standardisierten FIDIC-Vertragsformulare, die in internationalen Bauprojekten weit verbreitet sind, bieten wirksame Mechanismen zur Streitbeilegung und zum Management von Bauprozessen in Notsituationen, auch während bewaffneter Konflikte.

Klee (Klee, 2018) leistet einen bedeutenden Beitrag zur Forschung im ICCL. In seinem Werk International Construction Contract Law analysiert der Autor ausführlich die zentralen Prinzipien und Mechanismen, die in Bauprojekten unter Krisenbedingungen Anwendung finden. Klee hebt hervor, wie wichtig die Standardisierung von Vertragsbedingungen ist, etwa durch FIDIC-Regelungen, die eine flexible Anpassung der vertraglichen Verpflichtungen im Falle höherer Gewalt ermöglichen (Klee, 2018). Dies ist besonders relevant im Kontext eines raschen Krisenmanagements und des Schutzes von Kriegsopfern. Eine wesentliche Eigenschaft der FIDIC-Verträge ist ihre Fähigkeit, eine schnelle Errichtung temporärer Unterkünfte wie Flüchtlingslager unter Einhaltung grundlegender Sicherheits- und Stabilitätsstandards sicherzustellen. Diese Mechanismen ermöglichen es, Bauprozesse an Notlagen anzupassen und umgehend auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge zu reagieren. Trotz der in FIDIC-Verträgen verankerten Flexibilität stellt sich in der Praxis jedoch oft die Frage, wie in Krisenzeiten das Gleichgewicht zwischen Baugeschwindigkeit und Normkonformität gewahrt werden kann.

Ein Beispiel für eine erfolgreiche Anwendung der FIDIC-Standards sind Projekte in der Demokratischen Republik Kongo. Dort wurde trotz anhaltender Kampfhandlungen der Bau von Flüchtlingslagern realisiert, wobei grundlegende Sicherheits- und Stabilitätsstandards temporärer Bauten eingehalten wurden. Diese Erfahrungen unterstreichen die Bedeutung umfassender internationaler Vertragsstandards wie der FIDIC, um in Notsituationen das Recht auf Unterkunft zu gewährleisten (Dowd & McAdam, 2017). Häufig müssen provisorische Lösungen genutzt werden, etwa Zeltlager oder Fertiggebäude. UNHCR-Studien zeigen jedoch, dass solche Interimslösungen langfristig oft nicht ausreichen, insbesondere unter extremen Klimabedingungen. Temporäre Maßnahmen wie der Einsatz von Plastikplanen entsprechen häufig nicht den Nachhaltigkeitsanforderungen, was das Problem verschärft und den Einsatz höherwertiger, langlebiger Materialien erfordert, die an lokale Gegebenheiten angepasst sind. In diesen Situationen müssen zusätzlich Faktoren wie begrenzter Zugang zu Baumaterialien, schwierige Sicherheitsbedingungen für Arbeiter und Umweltauflagen berücksichtigt werden. Der Einsatz lokaler Baumaterialien und traditioneller Bauweisen kann nicht nur Kosten senken, sondern auch die Ausführung der Bauarbeiten beschleunigen, was in humanitären Krisen von entscheidender Bedeutung ist.

Das internationale Bauvertragsrecht, insbesondere die in der FIDIC entwickelten Standards und Verfahren, erweist sich als verlässliches Instrument zur Steuerung von Bauprojekten unter Krisenbedingungen. Diese Mechanismen können erfolgreich zum Bau temporärer sowie dauerhafter Unterkünfte für Kriegsopfer eingesetzt werden und sind damit entscheidend für die Bewältigung humanitärer Herausforderungen. Die effektive Umsetzung solcher Projekte erfordert jedoch die Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten jeder Konfliktzone: die Verfügbarkeit von Ressourcen, klimatische und kulturelle Faktoren sowie die Einhaltung internationaler humanitärer Normen müssen beachtet werden. Die zentrale Aufgabe besteht darin, internationale Standards an lokale Bedingungen anzupassen, um Kosten zu minimieren und die Wohnungsbaugeschwindigkeit zu erhöhen, ohne die hohen Sicherheitsstandards zu vernachlässigen.

Globale Zusammenarbeit und die Verteilung von Verantwortung zwischen Staaten gewinnen in Krisen mit massiven Bevölkerungsbewegungen besondere Bedeutung. Wie Dowd und McAdam (Dowd & McAdam, 2017) hervorheben, bleibt trotz der zentralen Bedeutung staatlicher Verpflichtungen zum Schutz von Flüchtlingen das Fehlen eines systematischen, vorhersagbaren und gerechten Mechanismus zur Verteilung der Verantwortung ein ungelöstes Problem. Dies führt zu zusätzlichen Belastungen für Staaten, insbesondere in Phasen umfangreicher Fluchtbewegungen und Krisen. Die Studie von Dowd und McAdam (Dowd & McAdam, 2017) zeigt, dass eine wirksame Verteilung der Verantwortung nur durch gemeinsame Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft erreicht werden kann, etwa durch finanzielle und technische Unterstützung der aufnehmenden Länder sowie durch den Aufbau nachhaltiger Umsiedlungsmechanismen für Flüchtlinge. Dies unterstreicht die Bedeutung eines ganzheitlichen Ansatzes bei humanitären und Bauprojekten, der darauf abzielt, die Rechte und Interessen von Flüchtlingen zu schützen.

Auf der Grundlage dieser Analyse lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen: Das internationale Bauvertragsrecht spielt eine bedeutende Rolle beim Schutz von Kriegsopfern, insbesondere bei der Bereitstellung temporärer und dauerhafter Wohnmöglichkeiten für Flüchtlinge und Binnenvertriebene. Die Untersuchung internationaler und nationaler Rechtsnormen, einschließlich der FIDIC-Standards, verdeutlicht, wie diese Vorschriften die Durchführung von Bauprojekten in Krisen- und Nachkriegsgebieten beeinflussen. Dabei wurde festgestellt, dass die Integration internationaler Verpflichtungen in nationale Vorschriften mit verschiedenen Herausforderungen verbunden ist, die eine sorgfältige Herangehensweise erfordern.

Ziel der Untersuchung war es, die Anwendungsmöglichkeiten der Instrumente des ICCL zum Schutz von Konfliktopfern zu ermitteln. Durch die Analyse wurden zentrale rechtliche Mechanismen identifiziert, die eine wirksame Durchführung von Bauprojekten in Krisenzeiten fördern können, ebenso wie Fragen der Anpassung vertraglicher Verpflichtungen in Notfallsituationen untersucht.

Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung, internationale Rechtsmechanismen zum Schutz von Kriegsopfern durch eine breitere Nutzung des ICCL weiterzuentwickeln. Besonderes Augenmerk sollte auf die Koordinierung der Bemühungen zwischen Staaten, internationalen Organisationen und anderen Akteuren gelegt werden, um umfassende rechtliche Lösungen zu erarbeiten. Die Weiterentwicklung und Anpassung internationaler Standards für Bauverträge in Krisenbedingungen kann dazu beitragen, den Rechtsschutz der Betroffenen zu stärken und die Wiederherstellung zerstörter Infrastruktur effizienter zu gestalten.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 24: Internationales humanitäres Recht. Probleme der Qualifizierung moderner bewaffneter Konflikte. Schutz der Kriegsopfer. Beschränkung der Methoden и Mittel der Kriegsführung.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Belkin, D. S. Protection of war victims through the lens of international construction contract law: issues and solutions // Advances in Law Studies. 2024. no. 4. pp. 16–20. DOI: https://doi.org/10.29039/2409-5087-2024-12-4-16-20 DOI: 10.29039/2409-5087-2024-12-4-16-20 EDN: IZEKMW

Article URL: https://riorpub.com/en/nauka/article/91953/view

Literaturverzeichnis

1. Avakyan, S. A. (2022). Internationales humanitäres Recht. Yurist.

2. Caballero-Anthony, M. (2018). Aushandlung von Governance zur nichttraditionellen Sicherheit in Südostasien und darüber hinaus. Columbia University Press.

3. Cantor, D., Lison, V., & Menz, G. (2022). Externalisierung, Zugang zum territorialen Asyl und Völkerrecht. International Journal of Refugee Law, 34(1), 120–156.

4. Clark, M. D. (2018). Humanitäre Multispur-Diplomatie: Konzeptualisierung der bestimmenden, besonderen und kritischen Rolle diplomatischer Funktion in humanitärem Handeln.

5. Dowd, R., & McAdam, J. (2017). Internationale Zusammenarbeit und Lastenteilung zum Schutz von Flüchtlingen: Was, warum und wie? International and Comparative Law Quarterly, 66(4), 863–892.

6. Glaser, M. A., & Novik, N. N. (2020). Humanitäre Sicherheit in Südostasien: Spezifika, Probleme, Ansätze. Yugo-Vostochnaya Aziya: Aktual’nye problemy razvitiya, 2(47), 12–26.

7. Goodwin-Gill, G., McAdam, J., & Dunlop, E. (2021). Der Flüchtling im Völkerrecht. Oxford University Press.

8. Gromoglasova, E. S. (2018). Humanitäre Diplomatie in den modernen internationalen Beziehungen: Systematische Studie.

9. Guliyev, G. A. (2022). Subjekte des humanitären Völkerrechts: Aktuelle Tendenzen. Yuridicheskii Mir, (2), 63–70.

10. Klee, L. (2018). Internationales Bauvertragsrecht. John Wiley & Sons.

11. Kovba, D. M. (2020). Die humanitäre Dimension der Diplomatie: Kategorisierung und Analyse. Vestnik KRSU, 20(11), 169–174.

12. Kuzmin, A. V. (2022a). Subjekte des humanitären Völkerrechts. Yuniti-Dana.

13. Kuzmin, A. V. (2022b). Neue Subjekte des humanitären Völkerrechts: Probleme und Perspektiven. Vestnik Rossiiskogo Universiteta Druzhby Narodov. Seriya: Yuridicheskie Nauki, 1, 124–133.

14. Lazutin, L. A. (2022). Probleme der zeitlichen Geltung bestimmter Regime des humanitären Völkerrechts. Russian Juridical Journal, 144(3).

15. Pinker, S. (2021). Die besseren Engel unserer Natur: Warum die Gewalt abgenommen hat. Viking.

KAPITEL 25. Rechtsdogmatische Grundlagen einer integrativen Antikorruptionsordnung im internationalen Bauvertragsrecht

DOI: 10.64457/icl.de.ch25

Das Kapitel untersucht strafrechtliche Instrumente zur Bekämpfung von Korruption in internationalen Bauverträgen mit grenzüberschreitender Struktur. Es verfolgt die dogmatische Entwicklung von Schargorodskij (1947) bis zu Entscheidungen wie World Duty Free, Metal-Tech, Spentex und P&ID und zeigt, dass unrechtmäßige Zahlungen Verträge nichtig machen und Investoren den Schutz entziehen. Die Methodik vereint rechtsvergleichende, historisch-rechtliche und Fallanalyse auf Basis von ICSID-Schiedssprüchen, nationalen Urteilen sowie UN-, OECD- und Europaratsdokumenten. Ergebnis ist ein Modell zur Einbettung strafrechtlicher Normen in FIDIC-Standardverträge, das Clean-Hands-Doktrin, flexible Beweismaßstäbe und Vermögensabschöpfung kombiniert und so Prävention stärkt.

In zeitgenössischen grenzüberschreitenden Bauprojekten gewinnen Korruptionsprobleme besondere Brisanz. Die Beteiligung staatlicher Stellen, privater Auftragnehmer und internationaler Organisationen an groß angelegten Infrastrukturprogrammen erhöht zugleich das Investitionsvolumen und die Risiken strafbarer Missbräuche. Internationale Bauverträge werden nicht selten von Versuchen der Bestechung oder unzulässiger Einflussnahme auf Vergabeverfahren (Ausschreibungen) begleitet. Derartige Erscheinungen gefährden die Existenz der Verträge selbst: Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit versteht nachgewiesene Korruption zunehmend als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung (internationaler ordre public) und als Grund für die Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften. Im Fall World Duty Free v. Kenya stellte das Schiedsgericht des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) erstmals ausdrücklich fest, dass ein durch Bestechung erlangter Vertrag „nicht schutzfähig“ ist (unter Berufung auf den Grundsatz ex turpi causa non oritur actio). Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer umfassenden Betrachtung nicht nur nationaler, sondern auch internationaler Rechtsinstrumente zur Korruptionsbekämpfung bei der Durchführung von Bauverträgen.

Die fortschreitende Globalisierung und der Ausbau grenzüberschreitender Integration im Bausektor erhöhen die Vulnerabilität der Branche gegenüber Korruptionsrisiken. In der russischsprachigen Rechtswissenschaft wird hervorgehoben, dass die öffentlich-rechtliche Anwendung internationaler Antikorruptionsnormen weiterhin fragmentiert ist. Wie Inogamova-Hegai (2019) feststellt, besteht im Völkerstrafrecht ein Kodifikationsdefizit hinsichtlich Korruptionsdelikten, das zu inkonsequenter Verfolgung und heterogener Rechtspraxis führt (Inogamova-Hegai, 2019). Dieses Problem wird in Bauverträgen besonders virulent, in denen Streitfragen mehrere Jurisdiktionen kreuzen. Vor diesem Hintergrund zielt unsere Untersuchung darauf, völkerrechtliche Mechanismen zu identifizieren, die Korruptionsrisiken in Infrastrukturprojekten wirkungsvoll zu senken vermögen.

Aus historischer Perspektive spiegelt die Entwicklung des Völkerstrafrechts die wachsende Aufmerksamkeit für Delikte wider, welche die Welt¬sicherheit berühren. Bereits Schargorodskij (1947) betonte, die besondere Aufgabe des Rechtszweigs bestehe in der Koordinierung internationaler Zusammenarbeit bei der Bekämpfung vielfältiger Kriminalitätsformen (Schargorodskij, 1947). Gegen Ende des 20. Jahrhunderts verwiesen Dinstein (1985) und Bassiouni (1997) auf die Notwendigkeit, Normen zur Bekämpfung schwerster Verbrechen zu vereinheitlichen, einschließlich der Heranziehung auch von Staaten zur Verantwortung (Dinstein, 1985; Bassiouni, 1997). Zugleich rückte das Korruptionsphänomen in den Mittelpunkt: Nach Chabriewa (2017) bildeten die anfänglichen Soft-Law-Akten der Vereinten Nationen zur Korruptionsbekämpfung später die Grundlage völkerrechtlich verbindlicher Übereinkünfte (Chabriewa, 2017). Die moderne Forschung bestätigt, dass abgestimmte Ansätze und der Austausch von Vollzugspraxis für die Bekämpfung transnationaler Korruption unerlässlich sind (Ivanov, 2016; Panov, 2018).

Neben der Theorie wächst die Rechtsprechung, die völkerstrafrechtliche Erwägungen auf das internationale Bauwesen projiziert. Im Überblick die maßgeblichen Präzedenzfälle:

• World Duty Free Co. Ltd. v. Republic of Kenya (ICSID, 2006). In diesem Verfahren schloss ein britisches Unternehmen mit Kenia einen Vertrag über Bau und Betrieb von Duty-Free-Geschäften. Erst im Schiedsverfahren wurde offengelegt, dass der Vertrag durch eine Bestechungszahlung von 2 Mio. USD an den Präsidenten zustande gekommen war. Das ICSID-Tribunal stellte fest, dass das Geschäft „durch Bestechung“ zustande kam, und entschied, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rechtsschutz, da ihre Forderungen aus einem gegen den internationalen ordre public verstoßenden Vertrag hervorgingen. Der Präzedenzfall verdeutlichte erstmals klar: Nachgewiesene Korruption entzieht dem Investor den Schutz in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit.

• Siemens A.G. v. Argentina (ICSID, 2007). Anfang der 1990er Jahre erhielt Siemens von Argentinien einen Großauftrag zum Aufbau eines nationalen Ausweissystems. Später wurde der Vertrag beendet; Siemens gewann das Schiedsverfahren (ca. 217 Mio. USD). Nachfolgende Ermittlungen in den USA und Deutschland ergaben jedoch, dass Siemens argentinische Amtsträger bestochen hatte. Nach Anerkennung des Bestechungssachverhalts verzichtete Siemens auf die Vollstreckung. Der Fall zeigt: Auch wenn ein Tribunal Korruption nicht im Verfahren geprüft hat, kann die straf- bzw. verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit des Investors die Neutralisierung eines Schiedsspruchs bewirken. In der Folge setzten Staaten vermehrt die sogenannte Korruptionsverteidigung ein, während Schiedsgerichte Anzeichen von Bestechung strenger bewerteten; der Konzernskandal und die hohen Sanktionen (u. a. nach dem FCPA) gelten als Beispiel für die enormen Kosten von Korruption.

• Metal-Tech Ltd. v. Republic of Uzbekistan (ICSID, 2013). Ein israelisches Unternehmen gründete mit Usbekistan ein Joint Venture zum Bau und Betrieb einer Aufbereitungsanlage. Das Tribunal stellte fest, dass Metal-Tech 4 Mio. USD an „Berater“ mit Nähe zu hochrangigen Amtsträgern zahlte – nominell als Dienstleistungen, tatsächlich aber als verschleierte Bestechung. Das ICSID gelangte zu dem Ergebnis, dass die Investition unter Verstoß gegen das lokale Antikorruptionsrecht erfolgte, und verweigerte Schutz für die „kontaminierte“ Investition. Das Urteil betont die Zugangsvoraussetzung der Legalität im Investitionsrecht: Nachgewiesene Korruption entzieht den Streit dem Schutzbereich. Bemerkenswert ist der flexible Beweisansatz (Analyse von Red Flags und indiziellen Belegen), der zeigt, dass der Beweisstandard angesichts der typischen Intransparenz solcher Delikte modulierbar ist.

• Inceysa Vallisoletana S.L. v. Republic of El Salvador (ICSID, 2006). Die spanische Inceysa gewann eine Ausschreibung, der Vertrag wurde später wegen Betrugs im Vergabeverfahren aufgehoben. Das Tribunal sah das Täuschungsverhalten des Investors als eine Form von Korruption im weiteren Sinne und wandte die Clean-Hands-Doktrin an: Eine rechtswidrig erlangte Investition ist nicht schutzwürdig. Der Fall verfestigte die Regel, dass die Legalitätsvoraussetzung (Compliance) auch mittelbar über allgemeine Vertragsprinzipien wirken kann. Für Bauverträge bedeutet Inceysa: Wer einen Auftrag unredlich erlangt, erhält keinen völkerrechtlichen Schutz.

• EDF (Services) Ltd. v. Romania (ICSID, 2009). In diesem „Spiegel“-Fall warf der Investor dem Staat Bestechungsforderungen zur Vertragsverlängerung vor. Das Tribunal hielt fest, Korruptionsvorwürfe seien äußerst gravierend und erforderten „klare und überzeugende Beweise“ (clear and convincing evidence). Mangels hinreichender Belege (eine Tonaufnahme und nicht tragfähige Zeugenaussagen) wurden die Anträge von EDF abgewiesen. Der Präzedenzfall bestätigt den hohen Beweisstandard in Korruptionsfragen: Das bloße Behaupten von Bestechung genügt nicht. Zugleich zeigt er, dass Vorwürfe auch gegen den Staat erhoben werden können – bei unverändert strengen Anforderungen an die Beweiswürdigung.

• Spentex Netherlands B.V. v. Republic of Uzbekistan (ICSID, 2016). Ein niederländisches Unternehmen privatisierte Textilbetriebe; Usbekistan machte geltend, die Privatisierung sei durch Bestechung (6 Mio. USD an „Berater“) erlangt worden. Zwar wurden keine konkreten Beamten benannt, das Tribunal verknüpfte die Tatsachen: außergewöhnliche Zahlung vor der Zuschlagserteilung, fehlende wirtschaftliche Logik und das Ausbleiben weiterer Zahlungen nach Eigentumsübergang bestätigten das Korruptionsmuster. Der Schutz wurde verneint; die Linie einer strikten Legalität der Investition wurde gefestigt. Besonderheit: Das Tribunal empfahl Usbekistan eine Zahlung von 8 Mio. USD an einen UN-Antikorruptionsfonds, womit die Mitverantwortung beider Seiten anerkannt wurde – ein früher Ansatz restaurativer Gerechtigkeit im Investitionsschiedsrecht.

• MOL Hungarian Oil & Gas Co. v. Croatia (ICSID, 2016). Kroatien warf MOL vor, mittels Bestechung des Premierministers Kontrolle über INA erlangt zu haben. Trotz strafrechtlicher Verurteilung des Amtsträgers in der nationalen Jurisdiktion wies das (nach UNCITRAL/Cour Permanente d’Arbitrage) administrierte Tribunal die Klage ab: fehlender Nachweis einer Beteiligung von MOL. Das Tribunal sah sich durch die nationale Entscheidung nicht gebunden und verlangte eigenständige und eindeutige Belege (Identitäten, Beträge, Zahlungsflüsse, Kommunikation). Der Fall illustriert die Spannung zwischen nationaler Strafjustiz und internationaler Schiedsgerichtsbarkeit: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Amtsträgers garantiert keinen Erfolg des Staates im Schiedsverfahren, wenn die Verbindung des Investors zur Bestechung nicht zweifelsfrei belegt ist.

• Process & Industrial Developments (P&ID) Ltd. v. Nigeria (kommerzielles Schiedsverfahren in London, 2017–2023). Obwohl außerhalb des ICSID, ist der Fall exemplarisch. P&ID erhielt einen Schiedsspruch über mehr als 6 Mrd. USD wegen Auflösung eines Vertrags zum Bau einer Gasaufbereitungsanlage. Spätere Ermittlungen ergaben, dass der Vertrag Teil eines Korruptionsgeflechts war: Bestechung nigerianischer Beamter und falsche Beweismittel im Schiedsverfahren. 2023 hob der High Court in London die Vollstreckung wegen Betrugs auf und qualifizierte den Fall als „außergewöhnlich“, in dem der internationale ordre public Vorrang vor der Endgültigkeit des Schiedsspruchs habe. Der Präzedenzfall zeigt, dass Korruption post festum aufgedeckt werden kann und nationale Gerichte die Integrität des Schiedsverfahrens wiederherstellen können; zugleich befeuert er Reformdebatten (Validierung von Affidavits, Informationspflichten).

• Lesotho Highlands Water Project (Lesotho, 2002–2004). Beispiel wirksamer nationaler Strafverfolgung in einem Mega-Bauprojekt. Es wurde nachgewiesen, dass ausländische Auftragnehmer (u. a. Acres, Lahmeyer) Bestechungsgelder an den Projektleiter zahlten, um Zuschläge zu erhalten. Die Gerichte Lesothos verhängten Freiheitsstrafen (15 Jahre) gegen den Beamten und erhebliche Geldbußen gegen die Unternehmen. Die Weltbank führte Ausschlüsse (Debarment) durch. Der Fall belegt, dass leistungsfähige nationale Strafjustiz Rechtsstaatlichkeit auch in großen internationalen Infrastrukturvorhaben ex post wiederherstellen kann; er bestätigt zudem den Grundsatz, dass beide Seiten der Bestechung sanktioniert werden.

Die Auswertung dieser Präzedenzfälle und der völkerrechtlichen Erfahrung zeigt, dass eine effektive Korruptionsbekämpfung im internationalen Bauvertragsrecht eine Verknüpfung präventiver Maßnahmen mit konsequenter Sanktionierung erfordert. In Musterverträgen – namentlich den FIDIC-Bedingungen – ist der Block antikorruptionsrechtlicher Verpflichtungen bislang unzureichend ausdifferenziert und für multilaterale Investitionsstrukturen wenig angepasst. Zugleich kommt einem konsolidierten internationalen Ansatz erhebliche Bedeutung zu: Konventionen und Empfehlungen von UN, OECD und Europarat setzen Standards, deren nationale Umsetzung jedoch variiert. Cholikow und Aprosimow (2023) warnen, dass enge Tatbestandsfassungen Grauzonen für Umgehungen belassen (Cholikow/Aprosimow, 2023). Die deutsche Erfahrung, so Serebrinnikowa (2022), belegt die Wirksamkeit eines integrierten Ansatzes: strenge strafrechtliche Sanktionen, Verhaltenskodizes und Transparenz in der öffentlichen Beschaffung. Ökonomische Faktoren verstärken den Wandel: Investoren meiden Jurisdiktionen mit hohem Korruptionsrisiko; die OECD hebt die Bedeutung von Risikomitversicherung und multilateralen Abkommen hervor, um Investitionstätigkeit zu sichern.

Die systematische Analyse zeigt, dass Korruption in internationalen Bauverträgen einen eigenständigen Versagungsgrund für Rechtsschutz bildet. Wird die Verbindung des Investors zur Bestechung durch Schieds- oder staatliche Gerichte festgestellt, ist der Vertrag nichtig bzw. unwirksam, und die rechtliche Absicherung entfällt (vgl. World Duty Free, Metal-Tech, Inceysa, Spentex u. a.). Zugleich werden Vorwürfe ausgewogen angewandt: Schiedsgerichte verlangen auch vom Staat eine strenge Beweisgrundlage (etwa EDF v. Romania) – reine Behauptungen genügen nicht; gefordert sind „klare und überzeugende Beweise“. Die Standards passen sich der Wirklichkeit an: Liegen Indizien und Red Flags in verdichteter Form vor (z. B. Metal-Tech, Spentex), kann der Vertrag ohne Schutz bleiben. Schließlich unterstreicht P&ID v. Nigeria, dass die nationale Strafjustiz als ultima ratio wirken kann: Ist ein privatrechtlicher Schiedsspruch korruptionsbehaftet, können staatliche Gerichte ihn im Interesse der öffentlichen Ordnung aufheben. Insgesamt konsolidiert die Praxis die Dogmatik der Legalität: Sowohl Investor als auch Staat müssen „reine Hände“ haben; andernfalls ist Investitionsschutz bei beiderseitiger Korruption ausgeschlossen.

Aus alledem folgt, dass sich die völkerstrafrechtliche Rechtspflege eng in das Regelungssystem des internationalen Bauwesens einfügt. Präzedenzfälle stimulieren Compliance-Programme auf Unternehmensseite und verstärkte Kooperation nationaler Behörden bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Korruption. Gesamtfazit: Korruption ist mit dem Investitionsregime schwer vereinbar; wird sie aufgedeckt, entziehen Schieds- und Strafinstanzen dem Verletzer die unrechtmäßig erlangten Vorteile. Dies rechtfertigt vorsichtigen Optimismus: Die Durchsetzung des Rechtsstaatsprinzips im globalen Infrastruktursektor nimmt zu.

Zur Effektivierung der Korruptionsbekämpfung im internationalen Bauvertragsrecht sind angezeigt:

— Globale, universelle Standards der Transparenz und Rechenschaft in Verträgen, verbindlich für alle Beteiligten;

— Vertiefte Zusammenarbeit zwischen internationalen Organisationen (UN, OECD, UNESCO u. a.) und nationalen Strafverfolgungsbehörden zur gemeinsamen Untersuchung transnationaler Delikte;

— Spezialisierte Gerichts- und Schiedsmechanismen für Fälle internationaler Korruption im Bausektor, um rasch und mit technischer Expertise zu entscheiden;

— Strikte Vermögensabschöpfung aus Korruptionsdelikten mit breiter internationaler Kooperation bei der Durchsetzung (im Sinne des UN-Übereinkommens gegen Korruption).

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 25: Internationales Strafrecht. Internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität. Internationale Strafgerichtsbarkeit. Völkerrechtliche Probleme der Korruptionsbekämpfung.

KAPITEL 26. Rechtsdogmatische Grundstrukturen des supranationalen Bauvertragsrechts im Integrationsprozess

DOI: 10.64457/icl.de.ch26

Das Kapitel liefert eine rechtsvergleichende Untersuchung der Integrationsformen, die das internationale Baurecht in der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) und der Europäischen Union (EU) prägen. Aufbau: theoretische Grundlagen der Regionalintegration; institutionelle Zuständigkeiten; Bedeutung privatrechtlicher Instrumente und FIDIC-Formen; Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU zur Niederlassungsfreiheit; Risiken bilateraler Prioritäten. Ergebnisse: Übertragene Hoheitsrechte in der EU sichern eine verlässliche Anwendung der FIDIC-Bedingungen, während in der EAWU nationale Anpassungen rechtliche Unsicherheiten erhöhen. Dominante bilaterale Abkommen unterminieren die Harmonisierung; flexibles Privatrecht bleibt jedoch Schlüssel zur Balance zwischen Souveränität und Integrationspflichten.

Das internationale Bauwesen hat sich an der Schnittstelle zwischen staatlicher Souveränität und privater Autonomie herausgebildet; gerade deshalb treten in diesem Feld die Stärken und Schwächen rechtlicher Integrationsformen besonders deutlich zutage. In einer multipolaren Konstellation wird Regionalisierung zu einem praktischen Instrument der Ordnung der Vertragspraxis, wenn universale Mechanismen überlastet oder politisch sensibel werden (Prihodko, 2023). Die Wahrung der staatlichen Souveränität und der Schutz der nationalen verfassungsrechtlichen Identität sind dabei keine fakultativen Zusätze, sondern strukturprägende Kriterien des institutionellen Designs von Integration (Nikez u. a., 2023).

Die Erfahrung des postsowjetischen Raums zeigt, dass selbst bei proklamiertem gemeinsamen Wirtschafts¬ziel die praktische Herstellung eines „einheitlichen Raums“ an Divergenzen der Rechtsordnungen, Entwicklungsstände und Verwaltungskapazitäten scheitert, wodurch Integrationsnormen häufig nur fragmentarisch wirken (Jarischew, 2021). Unter solchen Bedingungen gewinnen verfassungsrechtliche Schranken und Filter der Umsetzung internationaler Verpflichtungen an Bedeutung: Für die Russische Föderation begrenzt Art. 15 Abs. 4 der Verfassung den Rahmen der Rezeption internationaler Normen und wirft zugleich Fragen des rechtlichen Souveränitäts- und Identitätsschutzes auf (Kondraschtschenko & Kotschesokowa, 2023).

Im eurasischen Modell, in dem der Vertrag über die Eurasische Wirtschaftsunion eine spezifische institutionelle Architektur mit gerichtlicher Instanz, eigener Völkerrechtspersönlichkeit und Kompetenzabgrenzung geschaffen hat, ist die Suche nach einem Gleichgewicht zwischen Koordination und Supranationalität erkennbar (Vertrag über die EAWU, 2014; Sokolowa, 2017). Parallel aktive bilaterale Formate – etwa der Unionsstaat Russland–Belarus – ziehen jedoch die Normsetzungsenergie häufig von der EAWU-Ebene auf engere Plattformen ab und erzeugen zentrifugale Effekte im Gesamtrahmen (Sokolowa, 2010).

Demgegenüber demonstriert die europäische Integration, dass die Stabilität der Niederlassungsfreiheit nicht nur durch Konventionstexte, sondern vor allem durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs gesichert wurde. Die in den 1960er Jahren gescheiterten Übereinkommen zur Anerkennung juristischer Personen wurden teilweise durch Judikatur „ersetzt“: Die Entscheidungen in Centros (1999) und Überseering (2002) drängten die starre Sitztheorie zurück, gewährleisteten tatsächliche gesellschaftsrechtliche Mobilität und hoben regulatorische Hemmnisse für grenzüberschreitende Tätigkeit auf (Lebedew & Kabatowa, 2015; Centros, 1999; Überseering, 2002). Für Bauverträge bedeutet dies Vorhersehbarkeit des Parteistatus, die Möglichkeit zentralisierter Leitung sowie eine Vereinheitlichung formeller und beweisrechtlicher Anforderungen.

Die Praxis der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit legt hingegen die Risiken träger Kollektivmechanismen und die Tendenz zur Auflösung in ein Netz bilateraler Arrangements offen: „Langsame“ Kooperation mindert die Wahrscheinlichkeit gemeinsamer Standards für komplexe sektorspezifische Verträge (Alijew, 2014). In der EAWU zeigen sich ähnliche Symptome: Bilaterale Koordination in „schmalen“ Formaten verläuft politisch und technisch oftmals schneller als multilaterale Vereinheitlichung, was die Transaktionskosten bei grenzüberschreitenden Bauvorhaben erhöht (Sokolowa, 2017; Sokolowa, 2010).

Vor diesem Hintergrund kommt der zivilrechtlichen Vereinheitlichung durch Standardbedingungen eine Schlüsselrolle zu: Die FIDIC-Bücher sind faktisch zur operativen Sprache des internationalen Bauvertragsrechts für Risikozuweisung, Notifikationsregime, Änderungsmanagement und gestufte Streitbeilegung geworden (FIDIC, 2024). In der EU wird ihre Anwendung durch ein „Ökosystem“ des Vergabe- und Vertragsrechts gestützt; in der EAWU erfordern dieselben Bedingungen häufiger Besonderen Bedingungen (Particular Conditions), um sie an zwingendes Recht und regulatorische Praxis anzupassen, was die Unsicherheit für Auftragnehmer und Investoren erhöht. Hier wirkt sich auch die unterschiedliche „Tiefe“ der Integration aus: Während gerichtliche und regulatorische Institutionen der EU eine einheitliche Auslegung sichern, verbleibt in der EAWU ein größerer Teil der Harmonisierung auf Vertragsebene und in Schiedsklauseln (Besborodow & Lichatschew, 2023; Vertrag über die EAWU, 2014).

Entscheidend ist ferner der Kontur der wirtschaftlichen öffentlichen Ordnung. Die zunehmende Autonomisierung außenpolitischer Instrumente der EU – einschließlich restriktiver Maßnahmen und jurisdiktioneller Gegenmaßnahmen – errichtet Schutzbarrieren für die Union und erzeugt zugleich zusätzliche Risiken für Teilnehmer aus Drittstaaten (Abdullin & Keschner, 2021). In großen Bauprojekten schlägt sich dies in Sanktionsklauseln, der Überprüfung von Bank-Covenants und der „Neuverdrahtung“ von Lieferketten zur Einhaltung von Exportkontrollregimen nieder – und all dies muss mit der FIDIC-Vertragsarchitektur (Notices, Time-Bar, DAAB-Pfad und Schiedsverfahren) synchronisiert werden.

Parallel entsteht ein alternativer Integrationspfad über die Koordinierung diskreter Blöcke des Privatrechts. Noch vor „harter“ Harmonisierung zeigt der steuerrechtliche Vektor der BRICS-Staaten, wie die Annäherung bei bestimmten Normen (Betriebsstätten, Missbrauchsvermeidung, Doppelbesteuerungsentlastung) Hürden für KMU senken kann – Schlüsselakteure in den Wertschöpfungsketten des Bauwesens (Winnizkij & Kurotschkin, 2018). Dieser modulare Ansatz schafft ein „weiches“ Rechtsfeld, auf das sektorspezifische FIDIC-Standards anschließend einfacher aufgesetzt werden können.

Der Vergleich zwischen EU, EAWU und SOZ zeigt eine robuste Dichotomie: Die positive Integration der EU liefert Universalität von Standards und deren einheitliche Auslegung; eurasische Formate priorisieren flexible Koordination und bilaterale Kompromisse, was die Vorhersehbarkeit erschwert. Sektorale „Schmierung“ durch FIDIC reduziert einen Teil der Kosten, kann jedoch ohne supranationalen Rückhalt – oder zumindest stabile quasi-gerichtliche Konvergenz – nicht alle Konflikte ausräumen (Sokolowa, 2017; Jarischew, 2021; Besborodow & Lichatschew, 2023).

Daraus ergeben sich praxisorientierte Leitplanken für internationale Bauverträge mit Beteiligten aus EAWU-Staaten. Erstens sind regionale Modell-Besondere Bedingungen zu den maßgeblichen FIDIC-Büchern zu entwickeln, die Stabilisierungsmechanismen und Sanktionsklauseln, harmonisierte Notice-Fristen sowie Prozesslandkarten für DAAB und Schiedsverfahren enthalten und mit den öffentlich-rechtlichen Imperativen der beteiligten Staaten in Einklang stehen (FIDIC, 2024; Kondraschtschenko & Kotschesokowa, 2023). Zweitens ist eine Standardisierung der Vergaberahmen auf eine gemeinsame „minimale Suffizienz“ bei Technischem Regelwerk und Transparenz sinnvoll, um Streubreiten zu begrenzen und Vergleichbarkeit bei grenzüberschreitenden Bauvorhaben herzustellen (Vertrag über die EAWU, 2014). Drittens sollte eine „weiche Supranationalität“ institutionalisiert werden – etwa durch abgestimmte Auslegungshinweise des Gerichts der EAWU zu zentralen FIDIC-Fragen oder gemeinsame Leitlinien der Aufseher –, um Regulierungsarbitrage zu reduzieren. Schließlich ist der Fokus auf modulare Privatrechtsblöcke (Steuern, Finanzierungsgarantien, Exportkredit) zu richten, die die bauwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten unmittelbar speisen (Winnizkij & Kurotschkin, 2018; Abdullin & Keschner, 2021).

In der Summe können diese Maßnahmen die eurasische Praxis an das europäische Vorhersehbarkeitsniveau heranführen, ohne das Gleichgewicht zwischen Souveränität und Koordination zu gefährden. Für grenzüberschreitende Bauverträge resultieren daraus geringere Transaktionskosten, beschleunigte Genehmigungen und weniger Streitigkeiten – erreicht durch gleichmäßiges Einbetten der FIDIC-Standards in die regionalen Rechtsformen der Integration (Prihodko, 2023; Jarischew, 2021; Sokolowa, 2017).

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 26: Integration und Völkerrecht. Rechtsformen der Integration. Begriff, Rechtsnatur, Arten, Merkmale, Zuständigkeit und Tätigkeit internationaler Integrationszusammenschlüsse. Recht zwischenstaatlicher regionaler Integrationsorganisationen. Rechtsfragen der eurasischen Integration. Rechtsstatus der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) und ihrer Organe. Recht der EAWU. Recht der Europäischen Union (EU). Völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit und Zuständigkeit der EU.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Правовые формы интеграции в международном строительном контрактном праве: концептуальные и практические аспекты в рамках интеграционных объединений ЕАЭС и ЕС / Д. С. Белкин // Международное право и международные организации. – 2025. – № 2. – С. 127-140. – DOI 10.7256/2454-0633.2025.2.72752. – EDN VOXHOU. DOI: 10.7256/2454-0633.2025.2.72752 EDN: VOXHOU

Article URL: https://nbpublish.com/library_read_article.php?id=72752

Article PDF: https://www.elibrary.ru/download/elibrary_82415049_71377541.pdf

Literaturverzeichnis

1. Abdullin, A. I., & Keschner, M. V. (2021). Anwendung restriktiver Maßnahmen im Rahmen der GASP der EU. Sovremennaya Evropa, (7), 72–83.

2. Alijew, M. A. (2014). Wirtschaftliche Institutionen der SOZ. Regionalnye Problemy Preobrazovaniya Ekonomiki, 2(40), 19–24.

3. Besborodow, J. S., & Lichatschew, M. A. (2023). Eurasischer Regionalismus. Rossiiskoe Pravo: Obrazovanie, Praktika, Nauka, (3), 4–11.

4. Kondraschtschenko, D. A., & Kotschesokowa, S. Kh. (2023). Verfassungsrechtliche Grundlagen der Teilnahme Russlands. Pravo i Upravlenie, (3), 62–65.

5. Lebedew, S. N., & Kabatowa, E. V. (2015). Internationales Privatrecht. Jurajt.

6. Naletow, K. I. (2023). Privatrecht als Integrationsfaktor. Bol’shaya Evraziya: Razvitie, Bezopasnost’, Sotrudnichestvo, 6-1, 438–440.

7. Nikez, A. Ya., Bokerija, S. A., Degterev, D. A., Mesjajew, A. B., & Schamarow, P. V. (2023). Nichtwestliches Peacekeeping. Vestnik RUDN. Seriya: Mezhdunarodnye Otnosheniya, 23(3), 415–434.

8. Prihodko, T. V. (2023). Probleme regionaler Integration. Pravo i Gosudarstvo: Teoriya i Praktika, 7(223), 155–156.

9. Sokolowa, N. A. (2017). Eurasische Wirtschaftsunion. Lex Russica, (11), 47–57.

10. Sokolowa, N. W. (2010). Politische Integration. Dissertation (Autoreferat). Voronezh State University.

11. Winnizkij, D. W., & Kurotschkin, D. A. (2018). Koordinierung der BRICS-Staaten. Nalogi i Nalogooblozhenie, (11), 1–15. 10.7256/2454-065X.2018.11.27977

12. Jarischew, S. N. (2021). Gemeinsamer Wirtschaftsraum. Moskovskiy Zhurnal Mezhdunarodnogo Prava, (1), 206–225.

KAPITEL 27. Systematische Verknüpfung von Energiesicherheitsdogmatik und internationalem Bauvertragsrecht im Zeitalter transnationaler Infrastrukturnetze

DOI: 10.64457/icl.de.ch27

Dieses Kapitel beleuchtet die Wechselwirkungen zwischen umfassender internationaler Sicherheit und dem internationalen Bauvertragsrecht (ICCL). Anhand der Fälle Nord Stream, Colonial Pipeline und unterseeischer Datenkabel werden rechtliche Verwundbarkeiten gegenüber Sabotage, Cyberangriffen und geopolitischer Instabilität aufgezeigt. Die Analyse weist strukturelle Lücken in Systemen kollektiver Sicherheit sowie in FIDIC-Vertragsmustern nach, die heutige hybride Bedrohungen unzureichend berücksichtigen. Aufbauend auf vergleichenden Studien von Klee, Koskenniemi und Yakovenko werden Reformoptionen entwickelt: Integration von Cyber- und Umweltstandards in Risikoklauseln, Einrichtung eines internationalen Monitorings und stärkere mehrstufige staatliche Kooperation. Deren Umsetzung verspricht höhere Rechtssicherheit, robuste Infrastruktur und verbesserte globale Energiesicherheit.

Das moderne System internationaler Sicherheit umfasst nicht nur militärische Aspekte, sondern auch wirtschaftliche und infrastrukturelle Verbindungen, die direkt mit internationalen Bauprojekten verknüpft sind. Solche Projekte haben erheblichen Einfluss auf die globale Stabilität und das friedliche Zusammenleben der Staaten, da sie eine umfassende rechtliche Regelung in einem zunehmend komplexen internationalen Umfeld erfordern. Fragen der kollektiven Sicherheit – einschließlich der Energiesicherheit und der rechtlichen Standardisierung von Infrastrukturprojekten – spielen in diesem Kontext eine entscheidende Rolle.

Große Infrastrukturprojekte wie die Gaspipeline „Nord Stream“ und Unterseekabel für Kommunikation zeigen anschaulich, wie Sicherheitsinteressen und rechtliche Regelungen ineinandergreifen. Infrastrukturprojekte berühren stets die Interessen ganzer Bevölkerungsgruppen, und ihre Beschädigung wirkt sich auf das Leben vieler Menschen in verschiedenen Staaten aus. Dieser rechtliche Ansatz, der die Wechselbeziehung von Gesellschaftsinteressen und den Interessen der Eigentümer globaler Infrastrukturprojekte berücksichtigt, ist hilfreich, um die tatsächlichen Geschädigten bei Entschädigungsforderungen im Falle von Schäden an solch großen Projekten zu ermitteln. Yarkov und Dolganichev (2020) verdeutlichen, dass Sammelklagen ein effektives Mittel zum Schutz der Rechte von Teilnehmern an großen Infrastrukturprojekten sein können, wenn massive Verletzungen durch vertragswidriges Verhalten von Auftragnehmern oder durch äußere Bedrohungen vorliegen (Jarkow und Dolganitschew, 2020). Diese Erkenntnisse können bei der rechtlichen Sicherung der Infrastruktur nützlich sein – insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit von Pipelines und Unterseekabeln –, da Sammelklagen dabei helfen, die Interessen aller betroffenen Parteien im Falle von Störungen durch Cyberangriffe oder andere äußere Einwirkungen effektiver zu verteidigen.

Angesichts dieser neuen Realitäten muss das internationale Recht kontinuierlich überprüft und an sich wandelnde Bedingungen angepasst werden, um die Wirksamkeit der Rechtsnormen und den Schutz der Interessen der Staaten zu gewährleisten. Die effektive Einhaltung internationaler Sicherheitsnormen setzt einen koordinierten Ansatz voraus. Ein solcher Ansatz muss sowohl nationale Interessen als auch internationale Verpflichtungen berücksichtigen und erfordert die Integration verschiedener Ebenen der Zusammenarbeit – sowohl universeller als auch regionaler Natur. Es ist wichtig zu betonen, dass Sicherheit nicht isoliert von globalen Prozessen betrachtet werden kann, da moderne Herausforderungen wie Terrorismus, grenzüberschreitende Kriminalität und Umweltkatastrophen gemeinsame Anstrengungen auf allen Ebenen erfordern. Es muss ein System geschaffen werden, in dem nationale und internationale Aspekte der Sicherheit miteinander verknüpft und sich ergänzen, was entscheidend für die wirksame Umsetzung internationaler Rechtsnormen und Standards ist (Kulagin, 2021).

Im Zuge der sich wandelnden globalen Ordnung, wie von A. W. Jakowenko (2019) aufgezeigt, stehen moderne internationale Systeme vor Herausforderungen im Zusammenhang mit zunehmender Regionalisierung und der Schwächung traditioneller Kooperationsformen. Jakowenko weist auf eine Tendenz hin, wonach die angloamerikanische Dominanz abnimmt und die Positionen der Entwicklungsländer gestärkt werden, was flexiblere Sicherheitsmodelle und eine stärkere Rolle regionaler Strukturen erfordert (Jakowenko, 2019). Diese Schlussfolgerungen bestätigen die Notwendigkeit, neue rechtliche Mechanismen zum Schutz von Infrastrukturprojekten zu entwickeln, insbesondere angesichts von Cyberangriffen und Sabotage. Jakowenko spricht zudem von einem Übergang zu dezentralisierten und flexiblen Interaktionsformen, bei denen regionale Organisationen eine führende Rolle in der Schaffung nachhaltiger Rechtsrahmen übernehmen können. Dieser Ansatz wäre ein wichtiger Schritt zur Reform kollektiver Sicherheitssysteme, die wachsenden Herausforderungen ausgesetzt sind und sich an veränderte internationale Realitäten anpassen müssen.

Im 21. Jahrhundert spielen Energiequellen eine Schlüsselrolle für das stabile Funktionieren der Gesellschaft; sie bilden nicht nur die Grundlage der Wirtschaft, sondern auch den Rahmen für soziale Prozesse und die Verwirklichung von Menschenrechten und Freiheiten. Die Energiesicherheit gewinnt angesichts der zunehmenden Bedrohungen der nationalen und internationalen Sicherheit, globaler Wirtschaftskrisen, bewaffneter Konflikte und Naturkatastrophen besondere Bedeutung (Kukeyev, 2024). In solchen Situationen rückt die Frage in den Vordergrund, die bestehenden Systeme kollektiver Sicherheit, einschließlich ihrer Energiesicherheitselemente, zu reformieren. Die aktuellen Herausforderungen im Energiebereich erfordern die Entwicklung neuer rechtlicher Mechanismen zum Schutz großer internationaler Infrastrukturprojekte. In diesem Kapitel wird untersucht, wie die rechtliche Sicherung eines umfassenden internationalen Sicherheitssystems eng mit dem internationalen Bauvertragsrecht (ICCL) verknüpft ist und wie die bestehenden rechtlichen Mechanismen angesichts aktueller und zukünftiger Bedrohungen durch internationale Bauprojekte – insbesondere im Energiesektor – verbessert werden können.

Eine der bedeutendsten Herausforderungen im Energiebereich des 21. Jahrhunderts ist die Cyber-Bedrohung, die in den letzten Jahren alarmierende Ausmaße angenommen hat. Laut einer Studie der Europäischen Agentur für Cybersicherheit (ENISA) werden Cyberangriffe auf Energieinfrastruktur nicht nur komplexer, sondern auch organisierter, was eine ernsthafte Gefahr für die nationale und internationale Sicherheit darstellt. Ein hervorstechendes Beispiel für dieses Phänomen war der Angriff auf die Colonial Pipeline in den USA im Jahr 2021. Durch diesen Angriff wurde eines der größten Kraftstoffversorgungssysteme der USA lahmgelegt, was erhebliche Versorgungsstörungen an der Ostküste der USA zur Folge hatte und zahlreiche Verbraucher und Unternehmen betraf. Dieser Vorfall war wegweisend im Kontext der Cyber-Bedrohungen, da er eindrucksvoll verdeutlichte, wie anfällig Energiesysteme für moderne Cyberangriffe sind und wie wichtig es ist, dass die Rechtsmechanismen den Schutz solcher kritisch wichtiger Einrichtungen gewährleisten.

Ein effektives rechtliches Regime im Bereich der internationalen Sicherheit erfordert daher einen umfassenden Ansatz, der mehrere Schlüsselelemente umfasst. Erstens müssen neue Sicherheitsstandards entwickelt und eingeführt werden, die die modernen Herausforderungen berücksichtigen, wie etwa weltweite Bedrohungen im Zusammenhang mit Terrorismus, Cybersicherheit und Klimawandel. Diese Standards müssen flexibel und anpassungsfähig sein, um den sich dynamisch ändernden Bedingungen der internationalen Politik und Wirtschaft gerecht zu werden.

Zweitens ist eine aktive Zusammenarbeit zwischen Staaten auf internationaler Ebene ein wesentlicher Bestandteil eines erfolgreichen rechtlichen Regimes. Diese Zusammenarbeit sollte den Informationsaustausch, gemeinsame Übungen und Trainings sowie die Entwicklung gemeinsamer Strategien zur Vermeidung und Bewältigung von Krisensituationen umfassen. Nachhaltige internationale Beziehungen, die auf Vertrauen und gegenseitiger Verantwortung beruhen, bilden das Fundament eines effektiven Sicherheitssystems. Darüber hinaus ist die Integration bestehender Rechtsnormen und Mechanismen ein wichtiger Schritt zur Erhöhung der Rechtsstabilität. Dies erfordert nicht nur die Harmonisierung nationaler Gesetze mit internationalen Standards, sondern auch die Schaffung neuer Rechtsinstrumente, die in der Lage sind, effektiv auf neu auftretende Bedrohungen zu reagieren. Die Umsetzung dieses umfassenden Ansatzes ist von entscheidender Bedeutung, um künftigen Herausforderungen im Bereich der internationalen Sicherheit erfolgreich zu begegnen (ENISA, 2021).

Diese Untersuchung basiert auf einer detaillierten Analyse internationaler Rechtsnormen, einschließlich Verträgen zur kollektiven Sicherheit und gesetzlicher Dokumente zum Schutz internationaler Infrastrukturprojekte. Dabei wurden die Arbeiten führender Experten herangezogen, wie etwa die von L. Klee (2018), die sich in ihrem Buch International Construction Contract Law auf die Besonderheiten internationaler Bauverträge konzentriert, und Martti Koskenniemi (2006) mit seiner Studie From Apology to Utopia: The Structure of International Legal Argument, die die Struktur internationaler Rechtsargumente und die Fragmentierung des Völkerrechts untersucht. Besonderes Augenmerk gilt konkreten Präzedenzfällen wie den Nord-Stream-Projekten und der Sicherheit von Unterseekabelsystemen, um reale Beispiele für die Integration von Sicherheitsmechanismen in internationale Bauverträge zu analysieren.

Das Problem politischer Instabilität im Energiesektor erfordert ebenfalls eine angemessene rechtliche Regelung. Ein eindrucksvolles Beispiel für den Einfluss politischer Konflikte auf die Energiesicherheit ist die Lage im Nahen Osten. Regionale Konflikte, wie der Bürgerkrieg in Syrien, haben erhebliche Auswirkungen auf Öl- und Gastransportrouten sowie auf die Stabilität der globalen Energiemärkte (Ahmed, o. J.). Insbesondere der syrische Konflikt hat die politische und wirtschaftliche Stabilität der Ländern in der Region beeinträchtigt, was die Notwendigkeit unterstreicht, internationale Rechtsmechanismen zu schaffen, die negative Folgen politischer Instabilität für die Energieversorgung minimieren können.

Im Rahmen des Völkerrechts, wie es in der Charta der Vereinten Nationen verankert ist, liegt der Schwerpunkt auf der Verpflichtung der Staaten zur Zusammenarbeit, um internationalen Frieden und Sicherheit zu gewährleisten. Von zentraler Bedeutung für das kollektive Sicherheitssystem sind dabei Infrastrukturprojekte, insbesondere Transport- und Energie-Pipelines sowie Kommunikationskabel. Diese Elemente sind nicht nur für die globale Wirtschaft von entscheidender Bedeutung, sondern auch für die Gewährleistung internationaler Sicherheit. So ist beispielsweise die „Nord Stream“-Gaspipeline Gegenstand zahlreicher internationaler Auseinandersetzungen und politischer Sanktionen geworden, was ihre strategische Bedeutung und die Fragilität der internationalen Beziehungen in diesem Bereich hervorhebt. Internationale Sicherheit ist vielschichtig: Während einige Länder der Energiesicherheit den Vorrang einräumen, betrachten andere die Möglichkeit, ihre geistig-moralischen Werte zu schützen, als integralen Bestandteil der internationalen Sicherheit. In Russland sind Fragen der internationalen Sicherheit eng mit dem Schutz der nationalen Identität und Souveränität verknüpft (Karpowitsch, 2024).

Große Staaten haben nationale Prioritäten der Sicherheit in ihren Gesetzen festgelegt. So hat Russland die Bewahrung von Moral und spirituellen Werten als Prioritäten verankert, während in den USA und Deutschland Mechanismen existieren, die Fragen im Zusammenhang mit Energieressourcen und deren Nutzung regeln. Eine solche gesetzliche Regelung schafft klare Rahmenbedingungen für die staatliche Politik in diesen Bereichen und ermöglicht es, Risiken im Zusammenhang mit externen und internen Bedrohungen zu minimieren.

Die Energiesicherheit ist eng mit ökologischen Fragen verbunden, sodass es notwendig wird, Umweltstandards in die Gesetzgebung für den Energiesektor zu integrieren. Ökologische Katastrophen wie die Nuklearkatastrophe von Fukushima (2011) haben anschaulich gezeigt, wie gefährlich Energiesysteme ohne angemessene Schutzmaßnahmen und Kontrollen sein können. Nach diesem Vorfall hat die internationale Gemeinschaft ihre nuklearen Sicherheitsansätze aktiv überdacht, was zur Einführung neuer Sicherheitsstandards des Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) führte (IAEA, 2015). Dieses Beispiel verdeutlicht, dass der Schutz der Energieinfrastruktur nicht nur rechtliche, sondern auch ökologische Aspekte berücksichtigen muss, was wiederum aktive internationale Zusammenarbeit und Abstimmung der Maßnahmen auf globaler Ebene erfordert.

Moderne Herausforderungen wie Akte des Öko-Terrorismus und Versuche, die Funktionsweise kritischer Infrastruktur zu stören, sind wesentliche Faktoren, die die Grundlagen des Völkerrechts untergraben und die internationale Sicherheit gefährden. Diese Ereignisse gefährden nicht nur die Sicherheit von Energieanlagen, sondern schaffen auch zusätzliche rechtliche Komplexitäten, die eine Überprüfung und Anpassung bestehender internationaler Normen und Standards erfordern (Paramusowa, 2020). Ein besonders anschauliches Beispiel ist das Kernkraftwerk in Saporischschja, wo die Zahl der Sabotageversuche in jüngster Zeit zugenommen hat und erhebliche Besorgnis auf nationaler und internationaler Ebene ausgelöst hat.

Die Anwendung von Sicherheitsausnahmeklauseln in internationalen Verträgen, einschließlich der WTO-Regeln, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle beim Schutz von Bauprojekten vor externen Bedrohungen. Jüngste Studien, wie etwa die von Boklan und Murashko (2023), zeigen, dass eine weite Auslegung dieser Ausnahmeklauseln internationale Krisen verschärfen kann, da Staaten die Bestimmungen missbrauchen könnten, um protektionistische Maßnahmen zu rechtfertigen. Für Infrastrukturprojekte wie Unterseekabel und Pipelines birgt dies das Risiko rechtlicher Unsicherheit und erfordert strengere internationale Sicherheitsstandards (Boklan und Muraschko, 2023).

Die Bedeutung der Koordination zwischen Staaten im Energiebereich wird zunehmend deutlich und wird durch Erfahrungen der EU und der OECD bestätigt. Diese Organisationen entwickeln rechtliche und institutionelle Mechanismen, die einen effizienteren Austausch von Informationen, Technologien und bewährten Verfahren zwischen den Staaten fördern. Die Europäische Union hat beispielsweise eine Richtlinie zur Energiesicherheit erlassen, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, im Falle einer Energiekrise gemeinsam zu handeln, um ihre Energiesysteme gemeinsam zu schützen und die Anfälligkeit gegenüber externen Bedrohungen zu verringern (Europäische Kommission, 2019).

Um die entstehenden Herausforderungen in der Energiesicherheit zu lösen, sind umfassende Maßnahmen und eine aktive Zusammenarbeit zwischen Staaten und internationalen Organisationen erforderlich. Öl- und Erdgas-Pipelinesysteme gelten traditionell als besonders zuverlässig. Für die postsowjetischen Staaten war ein solches System lange Zeit alternativlos. Es wurde bereits in der Sowjetzeit geschaffen und verband Russland mit entfernten Regionen der Unionsrepubliken. Durch diese Pipelines wurden sowjetische Öl- und Gasressourcen nach Westeuropa geliefert, und die Zuverlässigkeit dieser Lieferungen wurde niemals infrage gestellt. Selbst in Zeiten des Kalten Krieges, trotz erhöhter internationaler Spannungen, galten Fragen zu Pipelines nicht als Teil der Energiesicherheitsproblematik. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden die Hauptlieferwege durch neue Pipelines ergänzt. Dies machte es für Russland und die neu unabhängigen Staaten mit entsprechenden Exportpotenzialen notwendig, neue Gas- und Ölpipelines zu bauen, um neue Märkte zu erschließen oder den Zugang zu bestehenden Märkten zu erweitern. Diese Projekte sollten den Zugang zu neuen Märkten ermöglichen oder den Zugang zu bestehenden Märkten ausweiten. Lokale Unfälle oder Sabotageakte an Pipelines, wie die Sprengung der „Davletbat-Dariali“-Pipeline im Jahr 2009 (Teil des Systems „Zentralasien–Zentrum“), stellten keine Gefahr für das Gesamtsystem dar und konnten in der Regel rasch behoben werden (Deutsche Welle, 2009). Der Sabotageakt an den Pipelines „Nord Stream 1“ und „Nord Stream 2“ am 26. September 2022 veränderte jedoch die Sicherheitslage im Bereich der Energiesicherheit grundlegend. Dieser Vorfall schuf neue Herausforderungen für das internationale Rechtssystem und bestehende Abkommen.

Die Ereignisse rund um die Sprengung der Nord Stream-Pipelines haben die Problematik der Sicherheit strategischer Infrastrukturprojekte weiter verschärft. Im Jahr 2023 wurden weitere Sabotageakte festgestellt, was den Druck auf die internationale Gemeinschaft verstärkte. Bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats im Oktober 2024 legte Russland aktualisierte Vorschläge zur Stärkung rechtlicher Schutzmechanismen für Infrastruktur vor. Dazu gehörten verbindliche Sicherheitsstandards und die Einrichtung einer internationalen Überwachungsbehörde. In den folgenden Diskussionen wurden erste Schritte unternommen, um neue internationale Abkommen zur Verhinderung ähnlicher Vorfälle zu entwickeln. Dennoch zieht sich der Prozess der Umsetzung und Abstimmung neuer Rechtsnormen in die Länge, was die Notwendigkeit weiterer Anstrengungen für eine schnelle Reaktion auf aktuelle Bedrohungen unterstreicht.

Der Vorfall an den Nord Stream-Pipelines hat erhebliche Defizite in den internationalen Rechtsmechanismen zur Absicherung von grenzüberschreitenden Infrastrukturprojekten offenbart. Diese Projekte, die für die Energiesicherheit der Länder von lebenswichtiger Bedeutung sind, sind häufig Risiken ausgesetzt, die sowohl mit politischer Instabilität in den Transitregionen als auch mit Sabotageakten zusammenhängen. Es ist daher erforderlich, umfassendere und wirksamere rechtliche Maßnahmen umzusetzen. L. Klee schlägt vor, die universellen Prinzipien der FIDIC-Verträge als Mechanismen einheitlicher Normen zu nutzen, die den notwendigen rechtlichen Durchblick für Teilnehmer am Bau und Betrieb großer Infrastrukturprojekte garantieren können (Klee, 2018). Insgesamt ist vor dem Hintergrund außenpolitischer Konflikte eine Verbesserung rechtlicher Standards und Mechanismen erforderlich, um die Sicherheit wichtiger Infrastruktur wie Gas- und Ölpipelines sowie Leitungen zu gewährleisten.

Neben Pipelines bleiben Unterseekabelsysteme ein Schlüsselelement der globalen Infrastruktur, das Kommunikation zwischen Kontinenten und Datentransfers ermöglicht. Im Jahr 2024 wurden neue Fälle von Cyberangriffen und physischen Schäden an diesen Systemen festgestellt, was die Notwendigkeit zusätzlicher Schutzmaßnahmen verdeutlichte. Die internationalen Rechtsnormen wurden unter Berücksichtigung neuer Bedrohungstypen überprüft, und auf einem jüngsten Gipfel internationaler Telekommunikationsorganisationen wurden aktualisierte Sicherheitsstandards für Unterseekabel eingeführt. Diese Standards umfassen verbindliche Maßnahmen zur Cybersicherheit und physischen Sicherheit sowie die Einrichtung spezialisierter internationaler Agenturen zur Überwachung und Reaktion auf Vorfälle. Gemäß einem UN-Bericht über Unterseekabelvorfälle (UNEP-WCMC, 2022) tragen solche Maßnahmen dazu bei, die Widerstandsfähigkeit der Infrastruktur gegenüber modernen Bedrohungen zu erhöhen, und erfordern eine aktive internationale Zusammenarbeit für ihre effektive Umsetzung.

Eine detaillierte Analyse der rechtlichen Regulierung im Bereich des internationalen Bauvertragsrechts (ICCL) muss sich auf die Schlüsselfiguren konzentrieren, auf deren Hoheitsgebiet die Energieinfrastruktur betrieben und gebaut wird. Pipeline-Systeme beispielsweise spielen eine wichtige Rolle bei der Lieferung von Energieressourcen aus exportierenden Ländern – wie Russland, Aserbaidschan, Turkmenistan, Kasachstan und Usbekistan – an externe Märkte außerhalb des postsowjetischen Raums. Russische internationale Pipelines verbinden das Land insbesondere mit der Europäischen Union und China. So verlaufen durch die Ukraine die Pipelines „Urengoy–Pomary–Uzhgorod“, „Bratstvo“ und „Progress“, welche über lange Zeit die Hauptgaslieferungen nach Europa sicherstellten. Auch die Jamal–Europa-Pipeline, die durch Belarus führt, ist von großer Bedeutung (Gazprom Export, o. J.). Unter den gegenwärtigen Bedingungen gewinnt die türkische Exportroute für russisches Erdgas zunehmend an Bedeutung (Gazprom, o. J.).

Bezüglich des Öltransports nach Europa gelangen etwa zwei Drittel der russischen Öllieferungen nach Europa über Belarus (RIA Nowosti, 2009). Strategisch wichtig ist auch die Pipline des Kasachstanischen Pipline-Konsortiums (CPC) von über 1500 km Länge, das die Ölfelder im Westen Kasachstans mit einem Meeresterminal bei Noworossijsk im Schwarzen Meer verbindet. Dieser Weg transportiert neben kleinen Mengen russischen Öls über ein Drittel der kasachischen Ölexporte und unterstreicht damit seine Bedeutung für die Stabilität der Energieversorgung in der Region und darüber hinaus (Kaspisches Pipeline-Konsortium, o. J.).

Es wurde festgestellt, dass das bestehende System der rechtlichen Sicherung internationaler Sicherheit nicht effektiv in die Normen des ICCL integriert ist. Die Analyse von Beispielen wie den Nord Stream- und Colonial Pipeline-Projekten hat erhebliche Lücken in den internationalen Rechtsmechanismen offengelegt, die keine umfassende Rechtssicherheit unter modernen Bedrohungen gewährleisten können. Die festgestellten Defizite hängen mit dem Fehlen internationaler Rechtsnormen zusammen, die die rasante technologische Entwicklung und die veränderte Natur internationaler Konflikte berücksichtigen. Die derzeitigen Standardverträge der FIDIC enthalten keine angemessenen Maßnahmen zur Bewältigung neuer Arten von Bedrohungen, was eine Rechtsunsicherheit für die Teilnehmer von Infrastrukturprojekten schafft und die Risiken für die internationale Sicherheit erhöht.

Aus der durchgeführten Analyse kann geschlossen werden, dass neue Rechtsnormen und Mechanismen entwickelt und implementiert werden müssen, die den aktuellen wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Realitäten Rechnung tragen. Dies bedeutet, Umweltanforderungen in die Gesetzgebung für Energieprojekte zu integrieren und Rechtsinstrumente zum Schutz der Infrastruktur vor Cyberbedrohungen und Sabotage zu schaffen. Es wird empfohlen, die Koordination zwischen Staaten und internationalen Organisationen zu verstärken, um widerstandsfähigere und flexiblere Rechtsrahmen zu bilden. Insbesondere sollte die Aktualisierung der FIDIC-Standardverträge im Hinblick auf moderne Bedrohungen durchgeführt werden, um ein höheres Maß an Rechtssicherheit und Risikoverteilung zu gewährleisten.

Die Schaffung spezialisierter internationaler Agenturen, die für die Überwachung und den Schutz von Infrastrukturprojekten zuständig sind, erscheint ebenfalls sinnvoll, um aufkommende Risiken schnell zu bewältigen. Eine tiefere Integration internationaler Sicherheitsnormen mit dem internationalen Bauvertragsrecht wird ein transparentes System der Verantwortlichkeitszuweisung für alle Beteiligten beim Bau und Betrieb großer Infrastrukturprojekte schaffen. Dies wiederum wird die Nachhaltigkeit und Vorhersehbarkeit im Bereich internationaler Investitionen und Bauvorhaben fördern und zur Stärkung der globalen Stabilität und Energiesicherheit beitragen.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 27: Rechtliche Gewährleistung eines Systems umfassender internationaler Sicherheit. Abrüstung und Völkerrecht. Systeme kollektiver Sicherheit.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Правовое обеспечение системы всеобъемлющей международной безопасности и международное строительное контрактное право: вызовы и решения / Д. С. Белкин // Международный научный вестник. – 2024. – № 12. – С. 169-176. – EDN TIAOED. EDN: TIAOED

Literaturverzeichnis

1. Boklan, D. S., & Murashko, E. A. (2023). Gefährliche WTO-Praxis: Auslegung der Sicherheitsausnahme im Streit USA – Kennzeichnungsanforderungen. Zhurnal VShE po mezhdunarodnomu pravu, 1(2), 113–123.

2. Karpovich, O. G. (2024). Die Rolle Russlands bei der Verteidigung traditioneller geistig-moralischer Werte im Kontext der modernen Weltentwicklung. Rossiya i mir: nauchnyi dialog, 2, 39–51.

3. Klee, L. (2018). Internationales Bauvertragsrecht. John Wiley & Sons.

4. Koskenniemi, M. (2006). Von der Entschuldigung zur Utopie: Die Struktur völkerrechtlicher Argumentation. Cambridge University Press.

5. Kukeyev, A. K. (2024). Staatliche Politik zur Gewährleistung der Energiesicherheit in Auslandsländern: verfassungsrechtlicher Aspekt. Bulletin of the Karaganda University “Law Series”, 11429(2), 48–59.

6. Kulagin, V. M. (2021). Zeitgenössische internationale Sicherheit: Lehrbuch. KnoRus.

7. Paramuzova, O. G. (2020). Zeitgenössische völkerrechtliche Probleme der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes. Evraziiskaya integratsiya: ekonomika, pravo, politika, 2(32), 56–64.

8. Yakovenko, A. V. (2019). Warum die Welt für uns immer weniger vorhersehbar wird. Diplomaticheskaya sluzhba, 3, 16–19.

9. Yarkov, V. V., & Dolganichev, V. V. (2020). Sammelklagen: Ein rechtsvergleichender Überblick. European and Asian Law Review, 1, 118–133.

KAPITEL 28. Systematisierung der Streitbeilegung im internationalen Bauvertragsrecht: Dogmatische und verfassungsrechtliche Perspektiven

DOI: 10.64457/icl.de.ch28

Friedliche Streitbeilegungsmechanismen im internationalen Bauvertragsrecht entwickeln sich entlang dreier Linien. Ein rechtsvergleichender und inhaltsanalytischer Zugriff auf Schiedssprüche, Konferenzakten und Urteile des Internationalen Gerichtshofs zeigt: erstens gewinnt Mediation als flexible, beziehungsorientierte Methode an Gewicht; zweitens behauptet sich Schiedsgerichtsbarkeit gemäß der New-York Convention 1958, deren Verfahren zunehmend nach FIDIC-Vorgaben standardisiert werden; drittens erweitern internationale Gerichte ihre Zuständigkeit und finanzielle Autonomie, was nationale Rechtsordnungen beeinflusst. Das Zusammenspiel erhöht Planbarkeit und Kosteneffizienz, legt jedoch Konflikte zwischen staatlicher Souveränität und globaler Justiz offen; weitere Vereinheitlichung gilt als Voraussetzung stabiler Projekt-Governance.

Das internationale Baurecht ist ein zentraler Bestandteil des Wirtschaftsrechts. Angesichts wachsender grenzüberschreitender Bauprojekte werden zunehmend friedliche Konfliktlösungsmethoden relevant, da sie die Dauer und Kosten von Rechtsstreitigkeiten verringern. Neben dem weiter verbreiteten Schiedsverfahren gewinnen in der Praxis auch Mediation, Einigungsstellen (Dispute Adjudication Boards, etwa nach FIDIC) und vertragliche Schlichtungsmechanismen an Bedeutung.

Ein Trend ist die zunehmende Autonomie internationaler Institutionen. Viele Tribunale und Organisationen lösen sich finanziell von staatlichen Beiträgen und gewinnen dadurch Unabhängigkeit (Lall, 2017). In Deutschland entspricht dies etwa der Vorstellung vom selbständigen Handeln supranationaler Gerichte. Einheitliche Standards – wie die Übereinkommen zur Anerkennung ausländischer Schiedssprüche nach New York (Vereinte Nationen, 1958) – verpflichten die Staaten zur Durchsetzung von Schiedssprüchen und schaffen Rechtssicherheit.

Es bleibt jedoch ein Spannungsfeld zwischen Strafe und Versöhnung: Hannah Arendt schrieb, dass „Menschen nicht vergeben können, wofür sie nicht bestrafen können“ (Arendt, 1998). Übertragen auf Bauverträge bedeutet dies, dass die Wahl zwischen Schiedsverfahren und gütlicher Einigung davon abhängt, ob die Parteien einen Verstoß als strafwürdig ansehen oder ihn lieber versöhnlich beheben wollen. Gleichzeitig betont die deutsche Lehre (Privatautonomie, § 242 BGB, Verhältnismäßigkeit), dass Mediationsverfahren den Prozess nicht voll ersetzen können (Erpyleva, 2015).

Schiedsverfahren bleiben das vorrangige Instrument, um internationale Baukonflikte zu lösen. Das UNCITRAL-Musterrecht, das in vielen Ländern (auch in Common Law-Staaten) gilt (Boguslawski, 2007), schafft einheitliche Verfahrensregeln. Auch in Deutschland erkennt man diese Autonomie an (z.B. VOB/B in öffentlichen Verträgen). Die FIDIC-Vertragsmuster enthalten einheitliche Schiedsklauseln und Dispute-Adjudication-Regeln, die Risiken minimieren. Verhältnismäßigkeit und Treu und Glauben (§ 242 BGB) spielen im Schiedsverfahren eine Rolle, etwa bei der Auslegung von Fristen. Oft werden in Bauverträgen VOB/B-ähnliche Regelungen verabredet, dabei gilt in AGB-Kontrolle, dass ungewöhnliche Fristen (§ 305c BGB) fair sein müssen.

Gleichzeitig erweitern sich die Befugnisse internationaler Gerichte. Der EGMR und andere europäische Gerichte nehmen mittlerweile auch Wirtschaftsfragen auf. Beispiel: Protokoll 9 zur Menschenrechtskonvention (Europarat, 1990) erlaubt direkte Klagen, was auch Auswirkungen auf unternehmerische Ansprüche haben kann. Solche Entwicklungen zeigen, dass internationale Normen stärker in nationales Bau- und Vergaberecht einfließen.

Der internationale Rechtsfrieden beinhaltet nicht nur Strafaspekte, sondern auch Wiederherstellungsziele. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Kriegsverbrechenprozesse geführt, deren Funktion über Reue hinausging. Die UN-Schadenskommission für den Irak-Kuwait-Konflikt (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, 1991) zeigt, dass internationale Entscheidungen verpflichtend sein können und der Wiedergutmachung dienen – ein Beispiel für restorative Gerechtigkeit, die über bloße Schadensersatzpflicht hinausgeht. Auch in Investorenverfahren (z.B. ICSID) wird auf Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit geachtet.

Allerdings kann die Ausweitung internationaler Zuständigkeiten zu Konflikten führen. Die Rückzüge der USA aus dem Internationalen Strafgerichtshof oder Venezuelas aus dem Interamerikanischen Menschenrechtsgericht (Vereinte Nationen, 1982) illustrieren Spannungen zwischen Staats- und Richtersouveränität. Im deutschen Kontext betont der BGH etwa die Vertragsfreiheit und verhält sich restriktiv gegenüber „Impfungen“ internationalen Rechts (siehe AGB-Kontrolle). Doch insgesamt ist festzustellen, dass harmonisierende Tendenzen überwiegen: Mehrere OLG-Entscheidungen anerkennen etwa Schiedssprüche nach FIDIC oder verweisen auf überstaatliche Standards.

Die zentralen Befunde lassen sich so zusammenfassen: Erstens gewinnt die Mediation an Bedeutung, da sie schnelle Lösungen ermöglicht. Doch für ihren Erfolg müssen kulturelle und rechtliche Barrieren überwunden werden. Ein Mediationsverfahren kann z.B. in einem Baukonflikt in Män geläuft werden, wenn eine Partei den gesetzlichen Vertreter nicht zur Versöhnung auffordert. Zweitens bleibt der Schiedsprozess entscheidend, vor allem wegen der bindenden Wirkung internationaler Abkommen. Für Effizienzsteigerung ist eine weitere Harmonisierung der Verfahren nötig, etwa die Verwertung von HOAI- und VOB/B-Erfahrung in internationalen Verträgen und die Standardisierung analog § 242 BGB. Drittens nehmen internationale Gerichte Einfluss auf Binnenrecht: Ihre Rechtsprechung zum Beispiel zur Verhältnismäßigkeit oder Haftung kann den nationalen Ansatz prägen.

Insgesamt bedarf es einer engen Abstimmung zwischen nationalem und internationalem Recht. Die konsequente Einhaltung der vereinbarten Fristen (Time-bar) und Anzeigeobliegenheiten (Notice) sowie die Prüfung von AGB-Klauseln nach deutschem Recht (Verstoß gegen Treu und Glauben) bleiben wichtige Aufgaben, um Unsicherheiten zu verringern. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, bei wachsender Zahl grenzüberschreitender Bauvorhaben einen gerechten Interessenausgleich und eine ordnungsgemäße Konfliktlösung zu gewährleisten.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 28: Entwicklungstendenzen der friedlichen Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten. Internationale Rechtsprechung.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Тенденции развития мирных средств разрешения международных споров в контексте международного строительного контрактного права / Д. С. Белкин // Правовое государство: теория и практика. – 2025. – № 2(80). – С. 106-112. – DOI 10.33184/pravgos-2025.2.12. – EDN UKAJWV. DOI: 10.33184/pravgos-2025.2.12 EDN: UKAJWV

Article URL: https://www.elibrary.ru/item.asp?id=80675150

Article PDF: https://www.elibrary.ru/download/elibrary_82892430_31747109.pdf

Literaturverzeichnis

1. Arendt, H. (1998). Die menschliche Lage (2. Aufl.). University of Chicago Press.

2. Boguslavskij, M. M. (2007). Internationales Privatrecht. Yurist.

3. Erpyleva, N. Ju. (2015). Internationales Privatrecht. Vysshaya Shkola Ekonomiki.

4. Lall, R. (2017). Jenseits des institutionellen Designs: Die Leistungsfähigkeit internationaler Organisationen erklären. International Organization, 71(2), 245–280.

5. Moore, C. W. (2014). Der Mediationsprozess. Jossey-Bass.

KAPITEL 29. Rechtsdogmatische Verortung digitaler Bauwerksmodelle im Spannungsfeld von Immaterialgüterschutz und verfassungsrechtlicher Datenhoheit

DOI: 10.64457/icl.de.ch29

Die Digitalisierung transformiert das internationale Bauvertragsrecht durch die Einbindung von Building Information Modelling (BIM), digitalen Geländemodellen und Digital Twins in grenzüberschreitende Projekte. Die Analyse verfolgt den Weg vom britischen Konzept der Common Data Environment über ISO 19650 zu divergierenden russischen Normen und legt Regulierungslücken nach Aufhebung von GOST R 58439 offen. Behandelt werden Rechte an Modellen und Algorithmen, DSGVO-konforme Datensteuerung, Cyber-Sicherheitspflichten sowie die bevorstehende Anpassung der FIDIC-Vertragsbücher und UNCITRAL-Instrumente. Ergebnis: Harmonisierte Terminologie, prüfbare Datenaustauschprotokolle und Klauseln zu digitalem Qualitätsmanagement und Cyber-Risk-Versicherung sichern Vorhersehbarkeit.

Die Digitalisierung revolutioniert das internationale Bauvertragsrecht durch die Integration moderner Informationstechnologien in grenzüberschreitende Projekte. Technologien wie Building Information Modelling (BIM), 3D-Geländemodelle und digitale Zwillinge (Digital Twins) optimieren zwar Bauprozesse, stellen aber auch neue rechtliche Herausforderungen dar. Insbesondere betrifft dies geistiges Eigentum – etwa die Urheber- und Nutzungsrechte an digitalen Modellen und Algorithmen – sowie die von diesen Modellen generierten Daten. Diese Aspekte erfordern ein Umdenken im Rahmen des internationalen Bauvertragsrechts und eine Harmonisierung unterschiedlicher nationaler Rechtsordnungen mit internationalen Standards. Zudem muss der grenzüberschreitende Datenaustausch geregelt werden, um Vertraulichkeit zu schützen und Informationsflüsse in Bauprojekten rechtlich zu kontrollieren.

A. A. Danelyan (2023) betont, dass das Fehlen eines einheitlichen Ansatzes zur Regulierung des Cyberspace und digitaler Technologien die Schaffung effektiver internationaler Mechanismen behindert, die für harmonisierte Rechtsregime und Rechtssicherheit erforderlich sind. Diese Fragen gewinnen im Kontext der digitalen Wirtschaft an Bedeutung, in der Daten zum entscheidenden Rohstoff für die Baubranche und die internationale Zusammenarbeit werden. Danelyan hebt hervor, dass nationale Rechtssysteme ihre Gesetze nicht nur verbessern, sondern auch an neue Realitäten anpassen müssen (Danelyan, 2023). Nur durch die Angleichung nationaler Normen an internationale Standards lässt sich ein einheitlicher Rechtsraum schaffen, in dem die Teilnehmer mit modernen digitalen Werkzeugen in Bauverträgen sicher interagieren können.

Die informationstechnologischen Aspekte im Bauwesen gehen über Fragen des geistigen Eigentums hinaus. Sie umfassen die Regulierung des elektronischen Datenaustauschs und -managements, Authentifizierungsverfahren sowie den Einsatz kryptografischer Schutzmechanismen nach internationalen Abkommen. Insbesondere müssen Regeln für den elektronischen Dokumentenfluss synchronisiert werden, um digitalen Transaktionen rechtliche Verbindlichkeit zu verleihen und Risiken der Datenmanipulation zu minimieren. In diesem Zusammenhang ist es entscheidend festzulegen, welche Kategorien von Daten öffentlich sind und welche als personenbezogen gelten. Angesichts der zunehmenden Rolle von Big Data sind dabei universelle Datenschutzvorschriften wie die EU-DSGVO und das russische Datenschutzgesetz (152-FZ) anzuwenden, um zusätzliche Hürden und Risiken in internationalen Projekten abzubauen.

Ein Blick auf die Praxis zeigt, dass nationale Regelungen hinter internationalen Standards zurückbleiben. Malinovsky und Alenin (2022) haben festgestellt, dass russische Softwarelösungen für BIM (z. B. Renga, Pilot-BIM) zwar Fortschritte machen, aber hinsichtlich Funktionalität und Konformität mit globalen Normen zurückliegen. Technologische Innovationen und die Strategie der Importsubstitution verlangen daher nach einer klaren rechtlichen Grundlage für den Einsatz von IKT im Bauwesen. Verlässliche Rechtsmechanismen müssen den Schutz geistigen Eigentums, Standardisierung und Rechtssicherheit gewährleisten und gleichzeitig den grenzüberschreitenden Datenaustausch und die Integration nationaler Lösungen in das internationale System ermöglichen.

Die Einführung der Konzepte „Digitaler Zwilling“ und „Deep Learning“ im Bau steht im Zentrum der sogenannten Construction 4.0. Untersuchungen von Kor, Yitmen und Alizadehsalehi (2023) zeigen, dass die Kombination dieser Technologien die Planungs- und Bauprozesse optimiert, autonome Modellierung erlaubt, Risiken prognostiziert und datenbasierte Entscheidungsprozesse unterstützt. So entstehen vernetzte, adaptive digitale Ökosysteme mit Big-Data-Analyse, automatisierter Projektsteuerung und Ressourcenoptimierung. Diese Technologie wird zu einem unverzichtbaren Bestandteil internationaler Bauverträge, der eine Regulierung des geistigen Eigentums, der Datenverarbeitung und des grenzüberschreitenden Informationsaustauschs erfordert. Zugleich verdeutlicht dies die Notwendigkeit einheitlicher internationaler Rechtsmechanismen, die Rechtssicherheit in der digitalisierten Baubranche gewährleisten.

Im Kontext der Datenerhebung in Digital-Twin-Projekten ist von großer Bedeutung, welche Informationen als öffentlich zugänglich gelten und welche als personenbezogen behandelt werden. Aufgrund des wachsenden Einsatzes von Analytics müssen allgemein gültige Vorschriften für Datenverarbeitung (wie GDPR in Europa oder das russische Datenschutzgesetz) eingehalten werden. Eine solche regulatorische Kohärenz beseitigt zusätzliche Hindernisse in internationalen Projekten und sorgt für Rechtssicherheit sowie Schutz privater Interessen.

Ein wegweisendes Beispiel für die rechtliche Verankerung digitaler Technologien ist das Moskauer Dekret Nr. 3048-PP vom 29. Dezember 2022 über das AIS „Digitaler Zwilling“. Dieses Gesetz legt die Befugnisse des Betreibers fest und regelt die Erhebung, Verarbeitung und den Austausch von Raumdaten, wodurch es faktisch die Rechtsgrundlagen für den Einsatz digitaler Zwillinge in der Stadtplanung schafft. Dieser Ansatz stimmt mit den Importsubstitutions- und Digitalisierungsbestrebungen überein und ermöglicht es, das Recht an schnell fortschreitende technologische Bedingungen anzupassen. Die rechtliche Integration des „Digitalen Zwillings“ in die städtische Verwaltung betont die Zukunftsfähigkeit durchgängiger digitaler Technologien und unterstreicht die Notwendigkeit einheitlicher internationaler Rechtsprinzipien (einschließlich Schutz und Nutzung des geistigen Eigentums sowie Datenflussregelungen), um die Wettbewerbsfähigkeit der russischen Baubranche zu stärken und Transparenz bei großen Infrastrukturprojekten sicherzustellen.

Strategische Dokumente, etwa die Strategie für die Entwicklung der Informationsgesellschaft in Russland bis 2030, definieren Schwerpunkte für die rechtliche Regulierung der Informationstechnologien im Bauwesen. Sie heben die Erfordernis internationaler Rechtsmechanismen hervor, die innovative Lösungen mit aktuellen Standards in Einklang bringen. Eine Harmonisierung nationaler Gesetze mit internationalen Normen unterstützt die Schaffung eines einheitlichen Rechtsraums, steigert die Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen und fördert die internationale Zusammenarbeit. Die Strategie betont den Schutz nationaler Interessen, die Senkung rechtlicher Risiken sowie die Regulierung von Schutzrechten, Sicherheit und Qualität digitaler Technologien. Ein effektives Rechtsumfeld wird somit zur notwendigen Basis für die Integration digitaler Innovationen ins internationale Bauvertragsrecht.

Insgesamt schafft die digitale Ökonomie umfassende Möglichkeiten für die Optimierung grenzüberschreitender Bauprojekte. Ohne angemessene rechtliche Rahmenbedingungen könnten diese Potenziale jedoch mit erheblichen Risiken einhergehen, insbesondere im internationalen Kontext. Vielmehr ist eine Harmonisierung der Rechtsnormen und Terminologie auf globaler Ebene erforderlich, um Rechtssicherheit und Berechenbarkeit in den Beziehungen aller Projektbeteiligten zu gewährleisten (Savina, 2018).

Die Untersuchung führt zu folgenden Schlussfolgerungen: Die Digitalisierung internationaler Bauverträge erfordert eine Überarbeitung bestehender Rechtsnormen, insbesondere im Hinblick auf den Schutz und die Nutzung von geistigem Eigentum und Daten. Die Einführung von BIM und anderen digitalen Technologien schafft neue Rechtsfragen – etwa hinsichtlich der Rechte an digitalen Modellen –, die bei unklaren internationalen Regelungen zu Streitigkeiten in grenzüberschreitenden Projekten führen können. Der Ausbau globaler Ökosysteme (z. B. Smart Home und Smart Office) macht eine umfassende gesetzgeberische Regulierung der Beziehungen zwischen Endnutzern und Anbietern notwendig. Auch die internationale Nutzung von Terrain-Modellen erfordert eine Abstimmung unterschiedlicher Rechtsordnungen, um Probleme im Bereich des geistigen Eigentums und Datenaustauschs zu beseitigen.

Ein zentrales Instrument zur Harmonisierung baurechtlicher Vertragsnormen bleiben die Musterverträge der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC). Diese Verträge bieten ein einheitliches Rechtsinstrumentarium zur Regelung der Beziehungen zwischen Auftraggebern, Auftragnehmern und Beratern und vermindern so die Risiken bei grenzüberschreitenden Bauvorhaben. Wie L. Klee (2018) hervorhebt, sorgen FIDIC-Standards für Vorhersehbarkeit der Vertragsverpflichtungen, minimieren Streitigkeiten und schaffen einen Rahmen für das Management digitaler Modelle. Allerdings enthalten die derzeitigen FIDIC-Vorlagen noch keine spezifischen Regelungen für digitale Technologien und BIM, was eine Anpassung dieser Standards an moderne Erfordernisse notwendig macht.

Auf Grundlage dieser Ergebnisse lassen sich folgende Empfehlungen ableiten. Es ist wichtig, internationale Rechtsvorschriften zu entwickeln, die Ansätze für den Einsatz digitaler Technologien in Bauprojekten einheitlich regeln. Dazu gehört die präzisere Festlegung der Nutzungsrechte an digitalen Modellen, die Vereinheitlichung und korrekte Interpretation der verwendeten Terminologie im Bereich BIM sowie die Erstellung internationaler Standards für den Umgang mit grenzüberschreitenden Datenströmen und geistigem Eigentum. Dabei sollten Lizenzverträge nicht nur die Rechte an der Nutzung digitaler Modelle regeln, sondern auch das Management großer Datenvolumina aus der Projektumsetzung berücksichtigen.

Die Ausweitung des internationalen Bauvertragsrechts um informations- und kommunikationstechnologische Aspekte erfordert die Aufnahme von Kompetenzregelungen für die Streitbeilegung, die Konflikte des anwendbaren Rechts und Informationsrechte berücksichtigen. Die Organisation grenzüberschreitender Interaktionen – etwa das Vertrauensniveau bei Smart Contracts oder Blockchain-Protokollen – kann durch konkrete Rechtsinstrumente geregelt werden: Beispielsweise durch das UNCITRAL-Musterrecht über elektronische Geschäftsvorfälle (1996) und über elektronische Signaturen (2001). Auch die Schiedsordnung von UNCITRAL (1976, in aktueller Fassung) und die ICC-Schiedsordnung (2021) erlauben ausdrücklich elektronische Kommunikation zwischen den Parteien. In Bauverträgen sollte zudem die Beweisführung in elektronischer Form verankert werden, inklusive Kriterien für die Verlässlichkeit elektronischer Buchhaltungsunterlagen. Bei Anwendung von FIDIC-Vertragsvorlagen ist es ratsam, diese um Regelungen zur digitalen Qualitätskontrolle, Überwachung der Vertragserfüllung und Datenschutz zu ergänzen und diese Klauseln mit den Anforderungen des internationalen Informationsrechts in Einklang zu bringen. Ein derart umfassendes Regulierungskonzept schafft eine zuverlässigere und transparentere Rechtsumgebung für die Einführung digitaler Lösungen und fördert die Entwicklung innovativer Mechanismen in der Bauwirtschaft.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 29: Völkerrechtliche Zusammenarbeit im wissenschaftlich-technischen Bereich. Völkerrecht und neue Technologien (digitale Wirtschaft, künstliche Intelligenz, Biotechnologien und andere neue Technologien). Internationales Informationsrecht.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Цифровые технологии в трансграничных строительных проектах: правовые проблемы и механизмы решения / Д. С. Белкин // Информационное право. – 2025. – № 1(83). – С. 35-41. – DOI 10.55291/1999-480X-2025-1-36-41. – EDN BKDDLL. DOI: 10.55291/1999-480X-2025-1-36-41 EDN: BKDDLL

Article URL: https://www.elibrary.ru/item.asp?id=82572036

Literaturverzeichnis

1. Ali, K. N., Alhajlah, H. H., & Kassem, M. A. (2022). Zusammenarbeit und Risiko im Building Information Modelling (BIM): Ein systematisches Literaturreview. Buildings, 12, 571.

2. Chong, H. Y., Lee, C. Y., & Wang, X. (2017). Eine gemischte Übersicht zur Einführung von BIM für Nachhaltigkeit. Journal of Cleaner Production, 142, 4114–4126.

3. Danelyan, A. A. (2023). Rechtliche Ansätze zur Regulierung des Systems der internationalen Informationssicherheit. Vestnik Uchenykh-Mezhdunarodnikov, 2(24), 42.

4. Eadie, R., et al. (2013). BIM-Implementierung über den Lebenszyklus von Bauprojekten im Vereinigten Königreich: Eine Analyse. Automation in Construction, 36, 145–151.

5. Fan, S.-L. (2020). Vergleichende Studie zur BIM-basierten Vertragsadministration zwischen Fällen in Taiwan und China. Journal of the Chinese Institute of Engineers, 43(7), 648–656.

6. Firsov, Yu. (2023). Völkerrechtliche Regulierung der Tätigkeit von Forschungseinrichtungen. Pravo i Upravlenie, 1, 72–75.

7. Gu, N., & London, K. (2010). Verständnis und Förderung der BIM-Einführung in der AEC-Industrie. Automation in Construction, 19(8), 988–999.

8. Gulemin, A. N. (2023). Rechtliche Regelung der Nutzung von Informationstechnologien in der internationalen Wirtschaftstätigkeit. Yuridicheskie Issledovaniya, 1, 1–12.

9. Klee, L. (2018). International construction contract law. John Wiley & Sons.

10. Kor, M., Yitmen, I., & Alizadehsalehi, S. (2023). Untersuchung der Integration von Deep Learning und Digital Twins in Richtung Construction 4.0. Smart and Sustainable Built Environment, 12(3), 461–487.

11. Malinovsky, M. A., & Alenin, I. E. (2022). Fragen des Importersatzes und der Wettbewerbsfähigkeit russischer Software für Informationsmodellierung im architektonischen Entwurf. Interexpo Geo-Sibir’, 7(1), 79–85.

12. Savina, T. N. (2018). Die digitale Wirtschaft als neues Entwicklungsparadigma: Herausforderungen, Chancen und Perspektiven. Finansy i Kredit, 24(3(771)), 579–590.

13. Sacks, R., et al. (2019). Automatisierung der Planungsprüfung mit KI und BIM: Stand der Technik und Forschungsrahmen. In ASCE International Conference on Computing in Civil Engineering 2019 (S. 353–360). American Society of Civil Engineers.

14. Se, Kunchao. (2022). Angleichung der strategischen Leitlinien der digitalen Wirtschaft Chinas und Russlands. Upravlencheskoe Konsultirovanie, 10(166), 191–199.

15. Vasiliev, A. A., Dariush, Sh., & Pechatnova, Y. V. (2020). Nationale Rechtsregelung von Wissenschaft und wissenschaftlich-technischer Zusammenarbeit in China und Russland: Ein Vergleich. Idei i Idealy, 12(1–2), 353–368.

KAPITEL 30. Systematische Grundsätze des Internationalen Bauvertragsrechts: FIDIC-Vertragsmodelle im Lichte der Rechtsdogmatik und verfassungsrechtlichen Ordnung

DOI: 10.64457/icl.de.ch30

Das Kapitel zeichnet die Entwicklung des internationalen Baurechts auf Grundlage der Vertragsmuster der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC) nach.

Es erläutert, wie die Red, Yellow und Gold Books Managementabläufe, Risikoverteilung sowie Streitbeilegung durch DAB und Schiedsgericht vereinheitlichen.

Unter Einbeziehung von Verträgen, Schiedssprüchen und regionaler Integration (EAWU, SOZ, BRICS) wird gezeigt, dass flexible Anpassung der FIDIC-Standards an nationale Ordnungen Planbarkeit und Nachhaltigkeit grenzüberschreitender Projekte stärkt.

Das internationale Bauvertragsrecht (IBVR) bildet einen wichtigen Bestandteil des internationalen Privatrechts und regelt grenzüberschreitende Bauprojekte. Seine Entwicklung basiert maßgeblich auf der Tätigkeit der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC), die seit ihrer Gründung im Jahr 1913 einen bedeutenden Beitrag zur Vereinheitlichung rechtlicher Normen und von Verfahren des Projektmanagements geleistet hat. FIDIC-Verträge gewährleisten Rechtssicherheit, indem sie wirksame Instrumente für das Projektmanagement, den Schutz der Parteienrechte und die Beilegung von Streitigkeiten bereitstellen, die im Rahmen der Durchführung großer internationaler Projekte entstehen. Diese Standards haben nicht nur zur Herausbildung des internationalen Baurechts als selbständiger Disziplin beigetragen, sondern auch die völkerrechtliche Zusammenarbeit im Bausektor gestärkt. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden wissenschaftliche Publikationen, internationale Übereinkünfte und Schiedspraxis zur Anwendung der FIDIC-Standards in der internationalen Bauwirtschaft herangezogen. Besondere Aufmerksamkeit galt der Analyse zentraler Vertragsformen wie dem „FIDIC Red Book“, dem „FIDIC Yellow Book“ und dem „FIDIC Gold Book“, die in Projekten unterschiedlichen Umfangs und verschiedener Komplexität eingesetzt werden. Diese Verträge bilden die Grundlage für die rechtliche Regulierung von Bauprojekten und fördern so die Vereinheitlichung rechtlicher Normen in internationalen Baubeziehungen. Der Einfluss von FIDIC auf die Entwicklung des internationalen Baurechts wurde analysiert und ermöglichte ein vertieftes Verständnis der Rolle von FIDIC bei der Standardisierung und Harmonisierung von Bauverträgen.

Die völkerrechtliche Ausgestaltung der Bildungsintegration im eurasischen Raum stellt einen der Schlüsselaspekte der völkerrechtlichen Zusammenarbeit im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) dar. Dieser Prozess schafft rechtliche Mechanismen, die eine effektive Interaktion der Mitgliedstaaten erleichtern, die Entwicklung eines gemeinsamen Bildungsraums unterstützen und Integrationsprozesse fördern. Die Bedeutung dieser Ausrichtung liegt in der Schaffung einer einheitlichen Rechtsgrundlage, die die Harmonisierung von Bildungsstandards und -programmen gewährleistet und den Austausch von Wissen und Erfahrungen zwischen den Ländern der Region erleichtert. Sie zielt auf die im EAWU-Vertrag festgelegten Ziele ab, darunter die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums, die Stärkung des Austauschs qualifizierter Fachkräfte und die Integration der Ressourcen der Mitgliedstaaten. Der Stellvertretende Vorsitzende des Föderationsrates, Konstantin Kosatschow, betonte in seinem Vortrag auf einer dem Vorsitz der Russischen Föderation in den Gremien der EAWU gewidmeten Rundtischveranstaltung, die Eurasische Wirtschaftsunion sei eine selbsttragende Struktur, die zu einem der Pole der multipolaren Welt werden und eine Schlüsselrolle bei der Bildung der Großen Eurasischen Partnerschaft spielen könne (Kosatschow, 2023). Ein wesentlicher Aspekt zur Erreichung dieser Ziele ist die Stärkung der internationalen Bildungsbeziehungen, wodurch qualifiziertes Personal für die Entwicklung der integrationsbezogenen Zusammenarbeit im Rahmen der Strategischen Entwicklungsrichtlinien bis 2025 sowie künftiger Pläne bis 2030 und 2045 ausgebildet werden kann.

Die wissenschaftlich-technologische und produktive Integration innerhalb der EAWU spielt im Kontext der internationalen Zusammenarbeit angesichts der Herausforderungen der Vierten Industriellen Revolution eine wichtige Rolle. Diese Prozesse prägen die Konturen der Interaktion der Union mit externen Partnern und fördern zusätzlich die Zusammenarbeit. Eine der bedeutenden internationalen Strukturen, deren Zusammenarbeit breite Perspektiven für das wissenschaftlich-technologische und produktive Potenzial der EAWU eröffnet, ist die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) (Andrejewa, 2015). Die Beteiligung der EAWU-Staaten an UNCTAD ist durch ein duales Interaktionsformat gekennzeichnet: über die Eurasische Wirtschaftskommission (EWK) und die eigenständige Teilnahme der einzelnen Mitgliedstaaten. Den organisatorischen Rahmen dieser Zusammenarbeit bildet das Memorandum of Cooperation zwischen der EWK und UNCTAD, das die wichtigsten Interaktionsrichtungen in Schlüsselbereichen, einschließlich der wissenschaftlich-technologischen Zusammenarbeit, festlegt. Eine der vorrangigen Aufgaben besteht darin, mögliche Kooperationsfelder im wissenschaftlich-technologischen Bereich zu identifizieren, was zur Modernisierung der technologischen Basis der EAWU-Mitgliedstaaten sowie zur Entwicklung ihrer Bauinfrastruktur durch die Einführung neuer Technologien beitragen kann. Zu betonen ist, dass die internationale wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit im Mittelpunkt der Bemühungen um die Entwicklung der Rechtsgrundlage internationaler Bauverträge steht. Zugleich ist diese Zusammenarbeit für den Technologietransfer in den Bausektor von zentraler Bedeutung und kann die Wettbewerbsposition der EAWU-Länder auf der internationalen Bühne deutlich stärken. Eine der Tätigkeitslinien von UNCTAD ist die Förderung des Technologietransfers auf nationaler und internationaler Ebene, was für die EAWU-Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Beteiligung an internationalen Bauprojekten besonders relevant ist (Adachi, 2014). In diesem Kontext können die Empfehlungen und die technische Unterstützung von UNCTAD einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der globalen Wettbewerbsfähigkeit der Union und zur Weiterentwicklung internationaler Rechtsstandards im Bauwesen leisten. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Eurasischen Wirtschaftskommission trägt UNCTAD zur Entwicklung nachhaltiger wirtschaftlicher und infrastruktureller Verbindungen bei und schafft Voraussetzungen für die Umsetzung langfristiger Bauprojekte unter Berücksichtigung zeitgemäßer Rechtsnormen und Standards (Andrejewa, 2015).

Im Rahmen der Integration der Eurasischen Wirtschaftsunion, insbesondere im Bildungsbereich, ist eine Rechtsgrundlage erforderlich, um das erreichte Kooperationsniveau zu konsolidieren. Obwohl der EAWU-Vertrag keinen gesonderten Bereich für die Bildungsintegration vorsieht, schreitet die Stärkung der Bildungsbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten aktiv voran. Dies ist von besonderer Bedeutung für die Ausbildung des Personals, das zur Unterstützung der rechtlichen Integration und zur Realisierung internationaler Bauprojekte im Rahmen der EAWU erforderlich ist. Fragen der gegenseitigen Anerkennung von Bildungsnachweisen und der rechtlichen Regelung der Ausbildung von Fachkräften für den eurasischen Rechtsraum gewinnen im Kontext der technologischen Modernisierung und der rechtlichen Absicherung internationaler Bauverträge an Aktualität (Schugurov und Schugurova, 2020). Aus rechtlicher Sicht demonstriert die Zusammenarbeit zwischen der EAWU und UNCTAD die Interaktion zweier ihrer Natur nach unterschiedlicher Subjekte: der EAWU als internationale Organisation regionaler wirtschaftlicher Integration und UNCTAD als Hilfsorgan der UN-Generalversammlung. Trotz dieser Unterschiede eröffnet die Teilnahme der Eurasischen Wirtschaftskommission als Vertreterin der Union den EAWU-Ländern zusätzliche Möglichkeiten, sich an globalen wissenschaftlich-technologischen und Bauprojekten zu beteiligen, was die völkerrechtliche Zusammenarbeit im Bausektor stärkt.

Seit 2014 sieht sich die Welt Veränderungen gegenüber, die die Multipolarität verstärken und neue, nichtwestliche „Machtzentren“ entstehen lassen. Neben der EAWU hat die Bedeutung internationaler Organisationen wie der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) zugenommen, die auf den Grundsätzen der Gleichheit sowie der Achtung der kulturellen und rechtlichen Vielfalt ihrer Teilnehmer beruht. Diese Grundsätze fördern die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit im wissenschaftlich-technologischen Bereich und bilden die Grundlage für multilaterale Projekte, die auf die nachhaltige Entwicklung der SOZ-Mitgliedstaaten ausgerichtet sind. Diese Veränderungen schaffen Voraussetzungen für die Überprüfung und weitere Ausweitung der rechtlichen Grundlagen der Zusammenarbeit in ähnlichen Organisationen und unterstreichen die Notwendigkeit, ihre Tätigkeit unter den gegenwärtigen Bedingungen zu intensivieren (Chabriewa, 2015).

Die bestehende Governance-Struktur der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit trägt zur Stärkung der internationalen Beziehungen bei, einschließlich der Zusammenarbeit in Schlüsselbereichen wie Bauwesen und wissenschaftlich-technischem Austausch. Eine wichtige Richtung der Zusammenarbeit im Bausektor ist die Ausarbeitung und Implementierung internationaler Standards, wie etwa der FIDIC-Musterverträge, die die Grundlage für die Regulierung von Bauprojekten auf internationaler Ebene bilden. Andererseits vertreten einige Forscher die Auffassung, dass eine beträchtliche Zahl internationaler Probleme in innerstaatlichen verfassungsrechtlichen und sozialen Schwierigkeiten wurzelt. Diese erschweren eine vollwertige Interaktion auf der internationalen Bühne und erfordern die Entwicklung flexiblerer und wirksamerer Mechanismen zur Gewährleistung einer stabilen Zusammenarbeit (Jurkowski und Kusmin, 2017).

Der Bedarf an der Entwicklung flexibler Rechtsmechanismen für eine effektive Zusammenarbeit unter globalen Herausforderungen nimmt zu. Im Bausektor ist diese Interaktion besonders wichtig im Kontext des Austauschs fortgeschrittener Technologien, des Managements großer Infrastrukturprojekte und der Standardisierung rechtlicher Normen für grenzüberschreitende Bauverträge. Gleichwohl wirken destruktive Faktoren, wie die Vorrangstellung politischer vor wissenschaftlichen Interessen, weiterhin nachteilig auf internationale Projekte, auch im Bausektor. Dies erfordert verstärkte Aufmerksamkeit für den Schutz nationaler Interessen im Rahmen der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit, insbesondere innerhalb von Organisationen wie der SOZ. Die Bedeutung der Stärkung rechtlicher Mechanismen zur Aufrechterhaltung stabiler Partnerschaften und zur Schaffung günstiger Bedingungen für die wissenschaftlich-technische und bauliche Zusammenarbeit wird durch die Studie von W. I. Wasilenko bestätigt, die die Rolle der SOZ bei der Gewährleistung regionaler Sicherheit und Stabilität untersucht (Wasilenko u. a., 2014).

In der sich rasch wandelnden Weltordnung haben sich die Bedrohungen des transnationalen Terrorismus, Separatismus und Extremismus besonders zugespitzt, was einen umfassenden Sicherheitsansatz erfordert. Diese Bedrohungen sind zu Schlüsselfaktoren für die Gestaltung und Umsetzung der Strategie Russlands der Interaktion mit anderen Staaten im völkerrechtlichen Bereich geworden. Die von der SOZ angenommene Doktrin zur Bekämpfung der „drei Übel“ – Terrorismus, Separatismus und Extremismus – dient als wichtiges Instrument zur Abwehr dieser transnationalen Bedrohungen. Dieses Dokument betont die Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengungen der Mitgliedstaaten im Kampf gegen Terrorismus, Separatismus und Extremismus und trägt so zur Stärkung der rechtlichen Grundlagen der Sicherheitszusammenarbeit bei. Ein wichtiger Aspekt dieser Doktrin ist der Schwerpunkt auf multilateralen Ansätzen der Konfliktlösung und der Gewährleistung regionaler Stabilität, was für die Schaffung günstiger Bedingungen für die Entwicklung des Völkerrechts notwendig ist. Vor diesem Hintergrund entwickelt Russland die völkerrechtliche Zusammenarbeit weiterhin aktiv weiter und misst der Interaktion in den Bereichen Bauwesen und Wissenschaft sowie der Sicherheit großer Infrastruktureinrichtungen – wie Pipelines, Ölleitungen und Kommunikationslinien – besondere Bedeutung bei. Sicherheitsfragen werden damit zu Schlüsselaufgaben im Kontext der Umsetzung grenzüberschreitender Projekte, die nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben, sondern auch die rechtlichen Mechanismen stärken, die die Interessen aller Beteiligten schützen. Die Ausrichtung auf internationale Zusammenarbeit in Bau und Wissenschaft ermöglicht es Russland, seine Interessen zu wahren und seine Positionen auf der internationalen Bühne zu stärken.

Die Bedeutung eines sektorübergreifenden Ansatzes für die rechtliche Regulierung der internationalen Zusammenarbeit wird in der Studie von N. E. Tjurina hervorgehoben (Tjurina u. a., 2022). Die Autorin stellt fest, dass internationale Integration und die Entwicklung neuer Formen der Interaktion zwischen Universitäten und wissenschaftlichen Organisationen einen erheblichen Durchbruch in der rechtlichen Regelung der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit erfordern. Die durch internationale Abkommen gewährleistete Harmonisierung des Bildungs- und Wissenschaftsraums fördert eine effektive Interaktion zwischen den Staaten, was auch für den Bausektor relevant ist. Tjurina und Mitautoren weisen zudem auf die Rolle regionaler Organisationen – wie der SOZ und des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN) – bei der Bildung eines einheitlichen wissenschaftlich-technologischen Raums hin. Die Schaffung spezieller Koordinierungsorgane und der Abschluss internationaler Abkommen ermöglichen die Vereinheitlichung rechtlicher Normen und erleichtern die Interaktion zwischen den Ländern. Diese Erfahrung kann auch im Kontext der Entwicklung des internationalen Bauvertragsrechts Anwendung finden, insbesondere hinsichtlich der Anpassung der FIDIC-Standards an nationale Rechtssysteme. Darüber hinaus hebt die Studie von Tjurina die Relevanz des Schutzes des geistigen Eigentums und der Digitalisierung in der internationalen Zusammenarbeit hervor sowie die Notwendigkeit, neue normative Bestimmungen zu erarbeiten und bestehende Normen an neue, mit dem technologischen Fortschritt entstehende Beziehungsformen anzupassen. Dies ist für den Bausektor von besonderer Bedeutung, in dem die Implementierung von Innovationen und neuen Technologien eine moderne rechtliche Absicherung erfordert.

Die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit stellt einen der Hauptaspekte der völkerrechtlichen Zusammenarbeit dar; ihre Bedeutung nimmt mit der flächendeckenden Anwendung von Robotik und künstlicher Intelligenz erheblich zu. Angesichts der Herausforderungen während der Pandemie wurde die Notwendigkeit der Bündelung von Kräften und des Wissensaustauschs im Gesundheitswesen offensichtlich. Doch selbst in diesem für die ganze Welt wichtigen Bereich treten destruktive Faktoren zutage, wenn Politik und kurzfristige Vorteile über langfristige wissenschaftliche Projekte gestellt werden. Unter solchen Bedingungen wird der Schutz der nationalen Interessen Russlands in der wissenschaftlich-technischen Partnerschaft, einschließlich der Interaktion im Rahmen der SOZ, zu einer der führenden Richtungen der völkerrechtlichen Zusammenarbeit in den kommenden Jahren (Barabaschew und Ponomarjowa, 2019).

Ein wichtiges Element der völkerrechtlichen Zusammenarbeit im Bausektor ist die Beilegung von Streitigkeiten, die bei der Durchführung großer Projekte entstehen. FIDIC-Verträge sehen wirksame Konfliktlösungsmechanismen vor, darunter die Verwendung von Dispute Adjudication Boards (DAB) sowie die internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Die Anwendung der auf FIDIC basierenden Schiedspraxis in verschiedenen Jurisdiktionen trägt zur Harmonisierung rechtlicher Normen und zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit bei und macht diese Verträge zu einem der Schlüsselinstrumente der rechtlichen Regulierung grenzüberschreitender Bauprojekte. FIDIC-Verträge ermöglichen es den Parteien, langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden, was insbesondere bei internationalen Projekten mit unterschiedlichen Rechtssystemen von Bedeutung ist. Diese Mechanismen fördern ein wirksames Projektmanagement und eine zügigere Streitbeilegung und stärken damit die internationale Zusammenarbeit und die Harmonisierung der Rechtsnormen im Bausektor. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielt die internationale Schiedspraxis, die in internationalen Baukonflikten anerkannt und angewandt wird und zur Entwicklung rechtlicher Standards im Rahmen des internationalen Bauvertragsrechts beiträgt (Brekoulakis und Thomas, 2021).

Das regulatorische und organisatorische Potenzial der SOZ wird als hinreichend hoch eingeschätzt, was durch die Umsetzung der auf dem Gipfel 2015 angenommenen Entwicklungsstrategie der SOZ bis 2025 bestätigt wird (Außenministerium Russlands, 2015). Hauptziel der Strategie war es, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auf ein neues Niveau zu heben, mit besonderem Schwerpunkt auf der Gewährleistung der regionalen Sicherheit, was in den vergangenen Jahren erreicht wurde. Gleichwohl bleiben wichtige Handlungsfelder der Kampf gegen Terrorismus, Separatismus und Extremismus sowie gegen illegale Migration und den Handel mit Drogen und Waffen. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Schutz des Informationsraums und der Verbesserung der Mechanismen für die operative Reaktion auf Sicherheitsherausforderungen in der Region. In der Wirtschaft sind Verkehr, Energie, Finanzen, Kommunikation, Bildung, Innovation, Wissenschaft und Technik die zentralen Entwicklungsbereiche. Vorgesehen ist die Schaffung eines Netzes von Industrieclustern entlang der Verkehrskorridore, was dem Wirtschaftswachstum Impulse verleihen soll. In der Landwirtschaft wird vorrangig auf gemeinsame High-Tech-Projekte zur Produktion und Verarbeitung gesetzt, um die Ernährungssicherheit zu stärken. Die humanitäre Zusammenarbeit umfasst die Schaffung eines einheitlichen Bildungsraums – insbesondere durch das Projekt der SOZ-Netzwerkuniversität – sowie die Entwicklung der Jugendkooperation über den SOZ-Jugendrat, der den Studierendenaustausch und die Hebung des Bildungsniveaus fördert. Ebenso ist die Schaffung eines einheitlichen Informationsraums geplant, der eine schnelle Reaktion auf mediale Herausforderungen ermöglicht und die Interessen der Mitgliedstaaten im Informationsbereich schützt. Die Schaffung eines einheitlichen Bildungsraums im Rahmen der EAWU auf der Grundlage abgestimmter rechtlicher und beruflicher Standards wird ein wichtiger Schritt zur Ausbildung hochqualifizierten Personals sein. Das auf gemeinsamen Bildungsprogrammen basierende Kreuztraining wird den EAWU-Ländern Wettbewerbsvorteile im Bereich der technologischen und innovativen Entwicklung verschaffen und ihre Fähigkeit zur Teilnahme an grenzüberschreitenden Bauprojekten direkt beeinflussen, insbesondere vor dem Hintergrund globaler Trends der Digitalisierung und der Modernisierung der Infrastrukturen (Weltbank und EEK, 2022).

Die Standardisierung erleichtert die Interaktion zwischen den Rechtssystemen der Staaten, und die von FIDIC entwickelten Musterverträge und Instrumente spielen eine wichtige Rolle bei der Standardisierung des Bausektors. Dies ist insbesondere für die BRICS-Staaten relevant, die als Lokomotive der weltweiten Entwicklung mit einer großen Zahl internationaler Infrastrukturprojekte gelten. Musterverträge bieten die rechtliche Grundlage für ein wirksames Management von Projekten, die von internationalen Finanzinstitutionen wie der New Development Bank (NDB) finanziert werden. Einheitliche Standards tragen zur Vertrauensbildung zwischen den Parteien bei und sorgen für transparentere Rechtsrahmen bei der Umsetzung großer Infrastrukturvorhaben. Seit ihrer Gründung im Jahr 2015 nutzt die NDB die FIDIC-Standards aktiv zur rechtlichen Fundierung der von der Bank finanzierten Infrastrukturprojekte. Dies ermöglicht die Vereinheitlichung rechtlicher Normen und die Verringerung von Risiken bei der Durchführung grenzüberschreitender Projekte und stärkt zugleich das Vertrauen zwischen den Parteien. Wie im NDB-Bericht zur Bewertung des Systems der öffentlichen Auftragsvergabe in Indien für das Jahr 2023 festgestellt wird, entwickelte die Bank Programme wie SUNP (Streamline and Simplify the Use of Country Procurement Systems for NDB Portfolio), die auf die Verbesserung und Standardisierung der Beschaffungssysteme für Projekte in den BRICS-Ländern, einschließlich Indien, ausgerichtet sind. Diese Initiativen ermöglichen die wirksame Nutzung nationaler Vergabesysteme unter Beibehaltung hoher Standards internationaler Praxis – insbesondere der FIDIC-Standards – und verbessern die Steuerung großer Projekte wesentlich (New Development Bank, 2023).

Das internationale Bauvertragsrecht stellt universelle Instrumente für die Steuerung von Bauprojekten und die Streitbeilegung bereit. Die FIDIC-Standards erleichtern den Vertragsschluss, machen Verträge für alle Parteien vorhersehbarer und rechtlich abgesichert. Ein wichtiges Problem bleibt jedoch die Anpassung dieser Standards an lokale Rechtssysteme, was die Entwicklung flexibler Mechanismen der Interaktion zwischen internationalem und nationalem Recht sowie die Einführung einheitlicher Standards im Rahmen der EAWU und der Vereinten Nationen erfordert. M. W. Schugurov unterstreicht in seinem Artikel die Bedeutung der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit zwischen der EAWU und UNCTAD, die im Kontext der Vierten Industriellen Revolution zunehmend an Relevanz gewinnt. Er kommt zu dem Schluss, dass sich diese Interaktion derzeit in latenter Form befindet und eine Aktivierung zur Modernisierung der technologischen Basis der EAWU-Mitgliedstaaten erforderlich ist (Schugurov, 2022).

Zugleich ist ein Gleichgewicht zwischen den universellen FIDIC-Standards, die die Umsetzung komplexer Infrastrukturprojekte im Rahmen von BRICS und der NDB vereinfachen, und der Wahrung nationaler Interessen wichtig, einschließlich der Bewahrung der theoretischen und normativen Grundlage der in Russland entwickelten Bauvorschriften und staatlichen Standards. E. S. Anitschkin und E. A. Kulikow weisen auf die wachsende Notwendigkeit hin, die Priorität der nationalen Interessen Russlands im wissenschaftlichen Bereich unter den Bedingungen sich wandelnder internationaler Beziehungen zu gewährleisten. Die Wissenschaftler betonen, dass die Regelung dieser Fragen sich in einem Entstehungsstadium befindet und der Verbesserung bedarf, möglicherweise unter Nutzung der Erfahrungen der GUS, in der bereits Abkommen über wissenschaftliche Zusammenarbeit bestehen (Anitschkin und Kulikow, 2023).

Die durchgeführte Untersuchung hat gezeigt, dass die völkerrechtliche Zusammenarbeit im Rahmen von FIDIC weiterhin eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des internationalen Bauvertragsrechts spielt. Die von FIDIC entwickelten Mustervertragsformen und Standards tragen zur Vereinheitlichung von Standards bei und gewährleisten den Schutz der Rechte der Teilnehmer internationaler Bauprojekte. Im Rahmen regionaler Zusammenschlüsse wie der EAWU, der SOZ und der BRICS ermöglichen universelle Standards Finanzinstitutionen wie der NDB eine effektivere Kontrolle der Umsetzung großer Infrastrukturprojekte. Die Vereinheitlichung rechtlicher Normen und die Erhöhung des Schutzniveaus der Interessen der Parteien fördern die Harmonisierung der Rechtsregulierung in verschiedenen Ländern, ermöglichen ein wirksames Management großer internationaler Projekte und verringern die Risiken rechtlicher Ungewissheit. Die Anpassung dieser Standards an nationale Rechtssysteme bleibt jedoch eine komplexe Aufgabe, die eine vertiefte rechtliche Ausarbeitung und eine enge Zusammenarbeit zwischen Staaten und internationalen Organisationen erfordert.

Zur Gewährleistung der weiteren Entwicklung des internationalen Bauvertragsrechts ist die Einführung flexiblerer Ansätze zur Anpassung universeller Standards unter Berücksichtigung nationaler rechtlicher Besonderheiten notwendig. Dies umfasst nicht nur die Harmonisierung rechtlicher Normen, sondern auch die Ausbildung von Fachkräften im Rahmen der Bildungsintegration, wodurch die Interaktion zwischen den Staaten gestärkt und die rechtliche Vorhersehbarkeit internationaler Projekte erhöht wird. Bildungsinitiativen im Rahmen der EAWU, der SOZ und der BRICS spielen eine Schlüsselrolle bei der Ausbildung von Spezialisten, die diese universellen Standards prägen.

Die weitere Entwicklung des internationalen Bauvertragsrechts sollte auf den Ausgleich der Interessen der Parteien und die Schaffung gerechterer Bedingungen für die Umsetzung großer Projekte ausgerichtet sein, was die internationale Zusammenarbeit stärkt und zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt.

Hinweis zur Veroffentlichung der wichtigsten Forschungsergebnisse

Wissenschaftliche Fachrichtung: 5.1.5. Internationale Rechtswissenschaften.

Forschungsrichtung entsprechend Kapitel 30: Völkerrechtliche Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Kultur, Gesundheitswesen und Sport.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden im folgenden begutachteten Aufsatz veroffentlicht: Белкин, Д. С. Международно-правовое сотрудничество в сфере строительства. Развитие международного строительного контрактного права как отрасли международно-правовых наук в рамках МФИК / Д. С. Белкин // Вестник экономики, права и социологии. – 2025. – № 1. – С. 154-160. – DOI 10.24412/1998-5533-2025-1-154-160. – EDN URXCFB. DOI: 10.24412/1998-5533-2025-1-154-160 EDN: URXCFB

Article URL: https://www.elibrary.ru/item.asp?id=80675150

Article PDF: https://cyberleninka.ru/article/n/mezhdunarodno-pravovoe-sotrudnichestvo-v-sfere-stroitelstva-razvitie-mezhdunarodnogo-stroitelnogo-prava-kak-otrasli

Literaturverzeichnis

1. Andreeva, L. V. (2015). Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) als Mechanismus zur Förderung des internationalen und regionalen Handels im Interesse der wirtschaftlichen Sicherheit der eurasischen Staaten. Mezhdunarodnoe sotrudnichestvo evraziyskikh gosudarstv: politika, ekonomika, pravo, 2(3), 38–44.

2. Anichkin, E. S., & Kulikov, E. A. (2023). Die rechtliche Absicherung der nationalen Interessen Russlands im Rahmen der SOZ bei der Durchführung einer wissenschaftlich-technologischen Partnerschaft. Rossiya: obshchestvo, politika, istoriya, 1(6), 234–249.

3. Barabashev, A. G., & Ponomareva, D. V. (2019). Die rechtliche Regulierung der Zusammenarbeit der Russischen Föderation und der Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich Wissenschaft und Technologie. Aktualnye problemy rossiyskogo prava, 7(104), 115–122.

4. Brekoulakis, S., & Thomas, D. B. (2021). Der Leitfaden zur Bauschiedsgerichtsbarkeit. Law Business Research Ltd.

5. Khabrieva, T. Y. (Hg.). (2015). Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Neue Entwicklungsschwerpunkte. INFRA-M.

6. Kurbanov, R. (2015). Eurasisches Recht: Theoretische Grundlagen. YuNITA-DANA.

7. Shugurov, M. V. (2022). Perspektiven der völkerrechtlichen Zusammenarbeit zwischen der EAWU und UNCTAD im wissenschaftlich-technologischen Bereich. Pravo i gosudarstvo: teoriya i praktika, 11(215), 262–265.

8. Shugurov, M. V., & Shugurova, I. V. (2020). Die wissenschaftlich-bildnerische Integration der EAWU als Faktor technologischer Modernisierung: rechtliche und organisatorische Fragen. International Law and International Organizations, 3, 37–68.

9. Tyurina, N. E., u. a. (2022). Die rechtliche Regulierung des wissenschaftlichen Raums: aktuelle Entwicklungstendenzen. Oeconomia et Jus, 1, 102–112.

10. Vasilenko, V. I., Vasilenko, V. V., & Poteenko, A. G. (2014). Die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit im regionalen Sicherheitssystem (politisch-rechtlicher Aspekt). Prospekt.

11. Yurkovskiy, A. V., & Kuzmin, I. A. (2017). Der verfassungsrechtliche Schutz in den Ländern Nordostasiens. Irkutsk Law Institute.

Schlussfolgerungen

Die vorliegende Monographie führt dreißig Einzelstudien zu einem systematischen Befund zusammen: Transnationale Bau- und Infrastrukturvorhaben bilden keinen bloßen Anwendungsfall bereits bekannter Normen, sondern einen Verdichtungsraum, in dem sich zentrale Strukturelemente der Völkerrechtsordnung, des transnationalen Wirtschaftsverkehrs und der streitentscheidenden Praxis in besonderer Dichte begegnen. Wer das Recht solcher Vorhaben begreifen will, muss den Blick zugleich auf Normen, Institutionen und Verfahren richten: auf die Quellen des Völkerrechts, auf die Funktionslogik vertraglicher Projektsteuerung, auf die rechtliche Rahmung staatlicher Regulierung sowie auf Mechanismen, die Konflikte in rechtlich entscheidbare Fragen überführen.

Die Untersuchung bestätigt, dass die Quellenlehre im Bereich internationaler Infrastruktur nicht als abstrakte Disziplin, sondern als Instrument praktischer Ordnung wirkt. Die klassischen Quellen – völkerrechtliche Verträge, Völkergewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze – strukturieren den Rahmen; Rechtsprechung und Lehre fungieren als Hilfsmittel der Konkretisierung und Systematisierung; zugleich treten projektbezogene Standardwerke und Musterbedingungen als „verrechtlichte Technik“ hinzu, soweit sie wirksam in die Vertragsbeziehungen inkorporiert werden. Diese Schichtung ist nicht beliebig: Sie verlangt die konsequente Unterscheidung zwischen rechtlich verbindlichen Normen, zwingenden innerstaatlichen Vorgaben und dispositiven Projektregeln. Gerade an dieser Grenze entscheidet sich, ob ein Vorhaben rechtlich stabil ist oder ob es in der ersten Belastungsprobe – bei Verzögerung, Kostensteigerung, regulatorischer Änderung oder politischer Kontroverse – in Streit über Grundsatzfragen kippt.

Die zentralen Befunde mehrerer Kapitel lassen sich als Dogmatik der Risikoallokation beschreiben. Der internationale Bauvertrag bildet die juristische „Betriebsordnung“ des Projekts: Er ordnet Leistungsprogramme, Fristenregime, Nachweislasten, Vergütungsmechanismen, Änderungsverfahren und Rechtsfolgen von Leistungsstörungen. In dieser Ordnung entscheidet sich, ob Risiken als kalkulierbare Lasten verteilt oder als unbestimmte Konfliktpotenziale in die Zukunft verschoben werden. Musterbedingungen, insbesondere in weltweit etablierten Vertragsformen (etwa FIDIC), gewinnen Bedeutung nicht als Autorität „über“ dem Recht, sondern als Technik der Erwartungsstabilisierung: Sie typisieren Konfliktfelder, schaffen ein standardisiertes Vokabular der Ansprüche und strukturieren die Beweisführung – unter der Voraussetzung, dass die Einbeziehung transparent erfolgt und mit zwingendem Recht, Genehmigungsregimen und Ordnungsvorstellungen (ordre public) vereinbar bleibt.

Transnationale Infrastruktur steht regelmäßig im Spannungsfeld von Privatautonomie und öffentlicher Steuerung. Staatliche Regulierung ist in Bereichen wie Sicherheit, Umwelt, Arbeit, Migration, Sanktionen oder kritischer Infrastruktur weder Ausnahme noch Störfaktor, sondern Teil der normativen Realität. Rechtsprobleme entstehen dort, wo Regulierungsänderungen intransparent, diskriminierend, unverhältnismäßig oder verfahrensschwach erfolgen und dadurch Erwartungen zerstören, die für die Projektfinanzierung und die Risikokalkulation konstitutiv sind. Die Monographie zeigt, dass die Konfliktanfälligkeit solcher Situationen durch rechtstechnisch saubere Anpassungsklauseln, Dokumentationsstandards und nachvollziehbare Mechanismen der Risikoteilung reduziert werden kann; sie zeigt zugleich die Grenzen: Vertragsgestaltung ersetzt keine rechtsstaatlichen Anforderungen, sie kann aber die rechtliche Bewältigung wahrscheinlicher machen.

Ein durchgängiges Ergebnis lautet: Die Stabilität großer Projekte hängt in hohem Maße von der Qualität ihrer Verfahrensordnung ab. Wo Streitbeilegung nur als „letzte Instanz“ gedacht wird, eskalieren Konflikte oft früh; wo dagegen abgestufte, zeitnahe und sachkundige Klärungswege vorgesehen sind, werden Differenzen häufiger im Stadium technischer oder kaufmännischer Streitfragen gehalten und seltener zu politischen oder existenziellen Auseinandersetzungen. Die Anforderungen an ein solches Verfahren sind klassisch: rechtliches Gehör, Transparenz, Begründung, Verfahrensökonomie und effektive Durchsetzbarkeit. Diese Maßstäbe verbinden die vertragliche Ebene mit den allgemeinen Anforderungen internationaler Streitentscheidung.

Die Untersuchung belegt, dass moderne Infrastruktur nicht ohne Querschnittsregime verstanden werden kann. Arbeitsstandards, menschenrechtliche Sorgfalt, Umweltverträglichkeit, Integritäts- und Antikorruptionspflichten sowie Governance von Daten und Modellen im Zuge digitaler Projektsteuerung (BIM/TIM, digitale Zwillinge, gemeinsame Datenumgebungen) beeinflussen Haftungsrisiken, Finanzierungsbedingungen, Genehmigungsfähigkeit und Streitdynamik. Diese Themen sind kein „Anhang“ des Projektrechts, sondern seine Belastungsprobe: In ihnen zeigt sich, ob ein Vorhaben gesellschaftlich tragfähig und rechtlich durchhaltbar konzipiert ist.

Die Monographie ist als Open-Access-Publikation angelegt. Damit wird ein Grundsatz wissenschaftlicher Redlichkeit bekräftigt: Rechtswissen, das die Grundlagen öffentlicher Daseinsvorsorge und transnationaler Zusammenarbeit betrifft, soll zugänglich, überprüfbar und zitierfähig sein. Begriffe und Modelle werden als Arbeitsinstrumente vorgelegt. Sie sind auf Präzisierung und Fortentwicklung angelegt, weil Praxis und Wissenschaft fortlaufend neue Fallkonstellationen hervorbringen. Für vertiefte Einzelfragen ist daher die jeweils aktuelle Online-Fassung des einschlägigen Kapitels heranzuziehen, sofern sie eine spätere Redaktion als eine gedruckte oder statische PDF-Version enthält.

Die Gesamtergebnisse der dreißig Kapitel führen zu einem Leitsatz: Internationales Baurecht gewinnt seine Tragfähigkeit dort, wo es Komplexität nicht verkürzt, sondern in überprüfbare Strukturen übersetzt – in klare Zuständigkeiten, faire Verfahren, rationale Risikozuweisungen und transparente Anpassungsmechanismen.